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AP1 Borderline Info - LVR-Klinikum Düsseldorf

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BORDERLINE-STÖRUNG - EIN INFORMATIONSBLATT FÜR BETROFFENE UND ANGEHÖRIGEEin weiterer wichtiger Aspekt: Viele Opfer von Gewalttaten lernen zu "dissoziieren", das heißt, unser Organismusreagiert auf starke Bedrohung und äußerste Gefahr damit, dass die Wahrnehmung für die Realitätreduziert wird. Die optischen Eindrücke verändern sich, Geräusche klingen nur noch wie von weiter Ferne,Gerüche werden nur noch reduziert wahrgenommen, das Gefühl für Raum und Zeit verändert sich; kurz,alles wird fremd und wie unwirklich. Negative Gefühle wie Angst oder Furcht verschwinden, man fühlt sichseltsam leblos. Bisweilen berichten Betroffene, dass sie ihren Körper verlassen, und scheinbar gelassen vonaußen die Szenerie betrachten. Dieser "Schutzmechanismus" des Körpers wirkt kurzfristig beruhigend, wirdjedoch längerfristig, das heißt, wenn diese Phänomene wiederholt eintreten, zum Problem. Viele Erinnerungenan bedrohliche Ereignisse bleiben nur als Bruchstücke oder Fetzen in unserem Gedächtnis haften.Das heißt, sie werden nicht als "Ganzes" verarbeitet und in unseren Erfahrungsschatz integriert. Bisweilenist viel Energie notwendig, diese bedrohlichen Erinnerungsfragmente in Schach zu halten und abzuspalten.Unter Stressbedingungen oder wenn sich ähnlich bedrohliche Ereignisse wiederholen, manchmal auch zuBeginn einer Therapie, werden diese unverarbeiteten Erinnerungsbruchstücke wieder aktiviert. Dies geschiehtin Form von "Flashbacks", das heißt szenischem Wiedererleben sehr bedrohlicher Ereignisse inForm von Bildern, Gerüchen, Stimmen, aber auch körperlichen Wahrnehmungen oder in schweren Alpträumen.Gemeinsam ist diesen Wahrnehmungen, dass sie nicht der Vergangenheit zugeordnet werdenkönnen, sondern immer aktuell erlebt werden, als ob dies alles hier und jetzt passiert, so dass die Betroffenendarunter in hohem Maße leiden. Der Verlust des Wirklichkeitsgefühls (Dissoziation) trat zunächst nurdirekt während der Bedrohung auf, später kann es aber passieren, dass sich dieser Vorgang automatisiert.Das heißt, häufig reichen geringe Spannungswahrnehmungen oder das Gefühl, dass irgendetwas nicht inOrdnung ist aus, um Patientinnen in solch einen dissoziativen Zustand zu versetzen. Für ein Kind, das gelernthat, fast automatisch zu dissoziieren, wenn spannungsgeladene Situationen auftreten, ist es ausgesprochenschwierig, neue Erfahrungen zu machen und zu lernen mit Konflikten anders umzugehen. Umneue Lernprozesse zu machen, brauchen wir unsere Sinnesorgane und häufig die gesamte Aufmerksamkeit;die Aufmerksamkeit ist aber beeinträchtigt, wenn die betroffene Person gelernt hat, fast "automatisch" beiAnspannungssituationen zu dissoziieren.Obwohl <strong>Borderline</strong>-Patientinnen als stark emotionsbetont gelten, haben sie oft Schwierigkeiten, einen differenzierteren(verfeinerten, kritischen) Zugang zu ihren Emotionen zu erlernen. Ohne eine differenzierteWahrnehmung unserer Emotionen ist es aber außerordentlich schwierig im zwischenmenschlichen Bereichzufrieden stellend für sich zu sorgen. Gefühle sind nicht nur das Salz in der Suppe des Lebens, sondern inerster Linie unbewusste Signalsysteme, die unser Handeln und Denken steuern. Unsere Gefühle teilen unsblitzschnell mit, ob eine Beobachtung, die wir machen, mit unseren individuellen Zielen übereinstimmt,oder ob wir irgendwie gefährdet oder bedroht sind, angegriffen werden, beschämt werden, ob wir unsschuldig machen oder etwas haben wollen, was andere haben. Jedes unserer Gefühle zielt auf ein Musteran Handlungsentwürfen, die in aller Regel automatisiert ablaufen. Wenn wir uns auf unsere Gefühle verlassenkönnen, fühlen wir uns "stimmig", selbst wenn wir uns bedroht sehen. Wenn wir uns auf unsere Gefühleverlassen können, verfügen wir fast immer über entsprechende Handlungsentwürfe. Zum Beispiel könnenwir Sicherungsmaßnamen ergreifen, wir können uns Verstärkung holen, uns bewaffnen oder vielesmehr. Je weniger heftig unsere Gefühle sind, um so differenzierter werden die Handlungsmöglichkeitensein, umso eher kann unser "planendes Gehirn" weitsichtig und umsichtig entsprechende Schritte einleiten,damit negative Gefühle sich auflösen und positive Gefühle stärker werden.Stark vereinfacht ausgedrückt, könnte man Gefühle vergleichen mit Hunger. Auch Hunger ist weder gutnoch schlecht, sondern lediglich ein Signal unseres Körpers, dass die Energievorräte im Blut zur Neige gehen.Das Gehirn empfängt dieses Signal, übersetzt es in eine Wahrnehmung und wird nun versuchen, Handlungenin die Wege zu leiten, die dieses "Gefühl" beenden. Ein Mensch, der nicht "gelernt" hätte, auf diesesSignal zu hören, würde nicht lange überleben. Die Wahrnehmung von differenzierteren Emotionen wieSchuld, Scham, Ekel, Neid, Eifersucht oder auch Wut muss zumindest zu einem gewissen Teil besondersgelernt werden.Wenn ein Kind nun aber in einer sozialen Umgebung aufwächst, die seine adäquate Wahrnehmung fortwährendals völlig unsinnig und absurd widerspiegelt, so bleibt dem Kind nichts anderes übrig, als dieWahrnehmung seiner Emotionen zu verleugnen. In einer Umgebung also, in der das Mitteilen persönlicherErfahrungen nicht ernst genommen wird, sondern statt dessen bestraft oder trivialisiert wird, ist es schwie-- 5 -

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