<strong>LVR</strong>-<strong>Klinikum</strong> <strong>Düsseldorf</strong> - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie – Allg. Psychiatrie 1ten zu Ende geführt werden.Richtig ist, wenn Sie nach ca. einem halben Jahr in ambulanter Behandlung den Eindruck haben, nicht vorwärtszu kommen, sollten Sie mit Ihrem Therapeuten darüber sprechen.Mythos V: Die Inhalte der Psychotherapie sind Geheimnisse, über die nicht geredet werden sollte.Richtig ist, dass der Therapeut unter Schweigepflicht steht, dass Sie aber jederzeit das Recht haben undauch Gebrauch davon machen sollten, mit einer guten Freundin oder einer Vertrauensperson darüber zureden, was sich in der Therapie für sie entwickelt.Mythos VI: Psychotherapeuten arbeiten alleine am besten.Richtig ist, dass gerade Therapeuten, die mit <strong>Borderline</strong>-Patientinnen arbeiten, Supervision brauchen. FragenSie Ihren Therapeuten, wo er sich Rat und Hilfe holt.Mythos VII: Psychotherapie findet ausschließlich im Zweiergespräch statt.Richtig ist, dass manchmal auch der Einsatz von Audio- oder Videoaufnahmen zur Therapie beitragen kann.Wenn es Ihnen eine Hilfe ist, sollten Sie Ihren Therapeuten fragen, ob sie Audio- oder Videoaufnahmen vonder Stunde machen können, um sie sich noch einmal anzuhören oder anzusehen. Diese Aufnahmen unterliegendann aber beiderseits der Verschwiegenheit.Mythos VIII: Gute Psychotherapeuten machen keine Fehler.Richtig ist, dass Psychotherapeuten wie alle Menschen ständig Fehler machen. Das ist gut so, sonst könntensie und ihre Patienten nichts lernen. Weisen Sie also Ihren Therapeuten daraufhin, wenn Sie sich missverstandenfühlen und/oder der Meinung sind, er habe einen Fehler gemacht - und arbeiten sie gemeinsam anVerbesserungen.Mythos IX: Psychotherapeuten sind auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer besonderen Wesensart immerruhig und ausgeglichen.Die Realität ist, dass Therapeuten, wie alle Menschen, unter wechselnder Belastung stehen. Auch sie habenPartnerschaftsprobleme, manchmal Sorgen um ihre Kinder oder um finanzielle Dinge. Sie sind dahermanchmal unausgeschlafen, müde oder schlecht gelaunt. Beziehen Sie daher nicht jede emotionale RegungIhres Therapeuten auf sich. (Dies ist oft sehr schwierig, aber es ist wichtig zu versuchen, die Situationen, indenen Sie sich missverstanden oder abgelehnt fühlen, ihren Unmut, ihre Ängste oder Ärger direkt mit demTherapeuten anzusprechen).Mythos X: Wenn Therapeuten wirklich wüssten, wie schlecht es Ihnen geht, so würden sie Ihnen besserhelfen.Richtig ist, dass Psychotherapeuten Ihnen lediglich Hilfestellung geben können, was Sie tun können, um sichselbst zu helfen. Die meiste Arbeit während der Psychotherapie müssen Sie selbst leisten. Der Therapeut istwie ein Bergführer, mit dem zusammen Sie einen hohen Gipfel ersteigen. Er kann Ihnen den Weg weisen,aber laufen oder klettern müssen Sie selbst. Wenn Sie verlangen, dass er Sie tragen soll, so kann er das eineWeile tun, er wird jedoch bald zusammenbrechen und das ganze Unternehmen ist zum Scheitern verurteilt.Was sind die Inhalte einer Psychotherapie?Zurzeit gibt es sowohl in der Verhaltenstherapie als auch in der tiefenpsychologisch-fundierten Psychotherapieklare Behandlungskonzepte für eine Psychotherapie von <strong>Borderline</strong>-Störungen. Die etabliertestenBehandlungsformen sind die "expressive Therapie" nach Otto Kernberg und die von Marsha Linehan entwickelte"Dialektisch Behaviorale Therapie" (DBT). Wie oben angeführt basiert die tiefenpsychologisch fundierteTherapie darauf, dass in der therapeutischen Beziehung Erfahrungen neu gemacht werden könnenund bestimmte Bewertungsmuster verändert werden, damit eine "Nachreifung" erfolgen kann.Die DBT hat so viele verhaltenstherapeutische Elemente integriert, dass diese hier zusammen erläutertwerden sollen. Dieses Konzept wurde wissenschaftlich untersucht und beispielsweise die Ergebnisse derUntersuchungen der Universität in Freiburg zeigen, dass die DBT eine wirksame psychotherapeutische Behandlungder <strong>Borderline</strong>-Störung darstellt.- 8-
BORDERLINE-STÖRUNG - EIN INFORMATIONSBLATT FÜR BETROFFENE UND ANGEHÖRIGEDie Psychotherapie bei <strong>Borderline</strong>-Störungen gliedert sich in drei Phasen:1. PHASE mit drei Problembereichen:SUIZIDALITÄT UND SELBSTSCHÄDIGUNG: Schwierigkeiten der Emotionsregulation stehen im Zentrum der<strong>Borderline</strong>-Störung. Gefühle oder deren körperliche Erscheinungsformen werden entweder als überwältigendund bedrohlich wahrgenommen oder phasenweise komplett abgespalten, so dass sich die Betroffenen"wie tot" fühlen. Im Versuch, diese Zustände zu bewältigen, entwickelten <strong>Borderline</strong>-Patientinnen zahlreicheVariationen. Diese reichen von vollständiger Dissoziation über Selbstschädigungen (wie Schneiden,Verbrennen, Schlagen, Hochrisiko-Verhalten) zu Suizidphantasien oder -versuchen. Etwas "harmloser" wirkendie körperlichen Erschöpfungszustände oder das Aufsuchen von gefährlichen Situationen wie Hochhausdächerusw. Viele dieser "Bewältigungsversuche" führen zwar kurzfristig zur Linderung von schwerenSpannungszuständen, langfristig aber sind sie nicht nur gefährlich, sondern auch sozial schädlich. Isolierungvon Gleichaltrigen, Verlust von Freundinnen oder Partnern ist die Folge. Über kurz oder lang bleibt das"psychosoziale Netzwerk", also professionelle Helfer, als einziger Sozialkontakt übrig. Ein weiteres, gravierendesProblem stellt die" Automatisierung" und Abschwächung der Wirkung dar. Einmal gelernt, stellensich schließlich Dissoziationsprozesse von selbst ein, der Schneidedruck wird überwältigend, das Ausmaßder zugefügten Verletzung muss immer gravierender sein. Ähnlich wie bei einer Alkoholsucht treten dieeigentlichen Ursachen in den Hintergrund der Problematik, die Selbstverletzungen werden zum eigenständigenProblem.Es hat sich als sinnvoll erwiesen, Suiziddrang und Selbstverletzungen als eigenständiges Problem anzusehenund vorrangig zu behandeln. Zu Beginn jeder Therapie, aber auch wann immer es im Laufe der therapeutischenArbeit erneut auftritt, haben Suizidalität und Selbstverletzungen erste Priorität. Da wir als Therapeutendavon ausgehen, dass niemand "freiwillig" diese Verhaltensmuster entwickelt, kann sie auch niemand"freiwillig", das heißt einfach durch reinen Entschluss aufgeben. Es ist also Unterstützung notwendig, undvor allem muss die Betroffene wissen, welche alternativen Möglichkeiten es zur Regulation von massivenSpannungszuständen oder peinigenden Emotionen gibt. Diese Möglichkeiten müssen erlernt werden aberauch geübt und angewendet werden.THERAPIEABBRUCH ODER STAGNATION: 75% aller Therapien mit <strong>Borderline</strong>-Patientinnen werden vorzeitigabgebrochen. Daher ist es nur plausibel, dass diesem Phänomen ein ganz wichtiger Platz zugeordnet wird.Wann immer sich Prozesse oder Verhaltensmuster abzeichnen, die den Fortgang der Therapie gefährden,wird dies so intensiv wie möglich beleuchtet, um Auswege aus den sich anbahnenden Krisen zu finden. Esist wichtig, dass die „Schuld" am Abbruch einer Therapie nur in den seltensten Fällen den Patienten angelastetwerden kann. Genauere Analysen zeigen, dass häufig auch Fehler auf Seiten der Therapeuten lagen. Daauch Therapeuten nicht absichtlich oder böswillig Fehler machen, bemühen wir uns, jede Behandlung engin ein Team oder eine Supervisionsgruppe einzubinden, die dem Therapeuten eine rasche Korrektur seinesVerhaltens ermöglicht.LEBENSQUALITÄT: An dritter Stelle steht die Veränderung von belastenden Lebensumständen. Dies mag eineausgeprägte Essstörung sein, häufig auch die Tendenz besonders wenig zu trinken, ein Alkohol- oder Drogenmissbrauch,die Vernachlässigung körperlicher Erkrankungen, schwere Schlafstörungen, Schwierigkeitenam Arbeitsplatz, in der Familie oder Partnerschaft. Grundsätzlich ist das Ziel eine Verbesserung der Fähigkeiten,die ein aktives Problemlösen und eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Alltag ermöglichen.2. PHASE:BEARBEITUNG TRAUMATISCHER ERFAHRUNGEN: Nicht alle Patienten oder Patientinnen mit <strong>Borderline</strong>-Störungen erlitten in der Kindheit schwere körperliche Gewalt oder sexuellen Missbrauch, alle aber warenSituationen ausgesetzt, die ihre Fähigkeit zu Bewältigung überschritten haben. Dissoziationen, Flashbacks,also das Wiedererleben von traumatischen Szenen mit einem starken Realitätsgefühl, Alpträume, Erinnerungsfetzenund das allumfassende Gefühl der Bedrohung weisen darauf hin, dass schlecht bewältigtetraumatische Erfahrungen vorliegen.Es grassieren viele falsche Vorstellungen über die Wirkungsweisen und Möglichkeiten einer "Traumatherapie",also der Behandlung früherer, traumatischer Erlebnisse. Mit Sicherheit ist es kein "kathartisches"(=reinigendes), einmaliges, explosionsartiges, lösendes Ereignis, durch das die Erinnerungen verschwindenoder sich auflösen. Vielmehr ist die therapeutische Arbeit relativ langwierig, schwierig und belastend. Dies- 9 -