JURISTISCHE FAKULTÄT„Private Military Companieshaben keine stellung imhumanitären Völkerrecht.“Dr. Stefan Giesen, Juristrecht verletzen? Der Staat? Möglicherweise die PMC? WelcheAufgaben dürfen zum Beispiel die Vereinten Nationen in völkerrechtlichzulässiger Weise auf PMCs übertragen? In Fragekommen etwa Beobachtermissionen und Peacekeeping-Operationen. Der Blick zurück zeigt, dass sich, ähnlich wiezur Zeit <strong>der</strong> Landsknechte, die privaten militärischen Dienstleisterdem Zugriff nationalen Rechts oft entziehen. Giesen:„Ein markantes Beispiel ist <strong>der</strong> Einsatz von PMCs im Irak undin Afghanistan durch die USA. Die Beschäftigten <strong>der</strong> PMCswaren dem irakischen Recht entzogen, und ein sie erfassendesRechtssystem bestand von amerikanischer Seite nicht.“PMCs haben im Regelfall an<strong>der</strong>e Interessen als die desgeschwächten Staates, <strong>der</strong> sie etwa für Militäraktionen, zurTerrorismusbekämpfung o<strong>der</strong> zu Sicherungsaufgaben beschäftigt.„Der wahrscheinlichste Konfliktfall“, so Giesen, „sind diewirtschaftlichen Ressourcen des Staates. So wird ExecutiveOutcomes (ein privates Militär- und Sicherheitsunternehmen,das sich aus südafrikanischen Söldnern zusammensetzte, Anm.Schwerpunkte sind heute<strong>der</strong> Irak und Afghanistand. Verf.) etwa vorgeworfen, sich als Gegenleistung für einenEinsatz die Schürfrechte an den Diamantenvorkommen SierraLeones gesichert zu haben, die das wesentliche Vermögendes Staates darstellen. Ähnliche Vorwürfe treffen das Unternehmenbei einem Einsatz in Angola.“PMCs sind im Bereich Personen- und Gebäudeschutz tätig;sie bilden auch aus – zum Beispiel die kroatische Armee unddie saudische Nationalgarde wurden von Privatfirmen neustrukturiert und gedrillt. Sie sind ferner in <strong>der</strong> Versorgung undLogistik tätig. Die US-Streitkräfte wurden im Somalia-Konflikt1992 bis 1995 von einer PMC versorgt, im Kosovo-Krieg bauteund unterhielt eine PMC Flüchtlingslager. Im Irak waren 2005mehr als 60 PMCs mit über 2.000 Beschäftigten in militärischenFunktionen tätig, „und damit zusammengenommen das zweitgrößteKontingent nach <strong>der</strong> U.S.-Armee. An<strong>der</strong>en Schätzungenzufolge waren in den USA über 100.000 Personen für Privatunternehmentätig, die in Vertragsverhältnissen mit den USA standen“,so Giesen. Schwerpunkte von PMC-Aktivitäten sind heutezweifellos <strong>der</strong> Irak und Afghanistan. Der „Abu Ghraib-Skandal“,die mit Folter verbundene Befragung von irakischen Gefangenendurch PMC-Mitarbeiter, sorgte weltweit für Aufsehen.Klar formuliert: PMCs haben im Regelfall keine gute Presse,ihr Ansehen ist zumindest umstritten.Und die Ergebnisse von Giesens Studie, die im Übrigen auseiner Seminararbeit zum Thema „Terrorismus“ hervorging?„Bereits die erste ganz allgemeine Feststellung überrascht.Fragt man nach <strong>der</strong> Stellung von PMCs im Völkerrecht, heißtdie Antwort regelmäßig: Sie haben keine. Im humanitärenPMCs: Kombattanten-Status?Völkerrecht bilden sie keine erfasste Gruppe. Sie selbst sindkeine Konfliktpartei. (…) Dennoch sind PMCs mittelbar fürdas Völkerrecht sehr relevant. Sie beteiligen sich – auf ganzverschiedene Weise – an Konflikten und bringen Mitarbeiterein. Wie sich zeigte, hat das deutliche Auswirkungen im Völkerrecht.“Giesen plädiert dafür, dass Angestellte von PMCs,so sie an Feindseligkeiten teilnehmen, Kombattanten-Statuserlangen. „Damit verbunden und ebenso wichtig ist <strong>der</strong>Kriegsgefangenenstatus.“An<strong>der</strong>erseits stufen viele Staaten, zuvor<strong>der</strong>st die USA, dievon ihnen eingesetzten PMCs als „Zivilisten, die die Streitkräftebegleiten“ ein. Hier kann <strong>der</strong> Betroffene Gefahr laufen,nicht als Kriegsgefangener im Sinne <strong>der</strong> Genfer Konventioneingestuft zu werden. „Sicherheit kann den betroffenen Personennur geboten werden, wenn sie entwe<strong>der</strong> in eine Streitkrafteingeglie<strong>der</strong>t werden – was sie allerdings zum legitimenZiel von Kampfhandlungen macht – o<strong>der</strong> sie nur mit Tätigkeitenbetraut werden, die klar nicht unter die unmittelbareTeilnahme an Feindseligkeiten fallen.“ Wichtig sei hier die Beschränkung<strong>der</strong> Bewaffnung analog zum Sanitätspersonal (nurFaust- und Handfeuerwaffen). Ein erstes Zwischenfazit: „Konfliktparteiendürfen also PMCs in Konflikten einsetzen, auchzur unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten. Sie müssenallerdings die zur Gewährleistung <strong>der</strong> Einhaltung des humanitärenVölkerrechts erfor<strong>der</strong>lichen Voraussetzungen erfüllen.Auf Grundlage <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden InformationenIllustration: istockphoto.com – AdrianHillman20 Magazin 4 | 2012
JURISTISCHE FAKULTÄTFoto: istockphoto.com – ia_64Sind PMCs Zivilisten, die die Streitkräfte begleiten?Die USA sehen das so und beschäftigten2005 im Irak mehr als 60 Unternehmen mit über2.000 Angestellten.Dürfen PMCs an Peacekeeping-Missions <strong>der</strong> UN teilnehmen?muss man feststellen, dass dies bis heute auf die meistenFälle wohl nicht zutrifft.“Eine weitere Frage ist die nach <strong>der</strong> völkerrechtlichen Verantwortlichkeit.Nur selten kann eine PMC einem Staat alsDe-facto-Organ zugerechnet werden. Der Auftraggeber ist oftein sog. Basisstaat. Giesen: „Basenstaaten <strong>der</strong> PMCs sind invielen Fällen eben jene Staaten, die vor dem Hintergrund <strong>der</strong>Terrorismusbekämpfung beson<strong>der</strong>s weit gehende Positionenvertreten. Heraus ragen dabei die USA, die im Fall <strong>der</strong> Talibanund Al Qaidas Staat und Terroristen gleichgesetzt haben.Sie müssen sich dann daran festhalten lassen, mit ihren PMCsgleichgesetzt zu werden.“Bezüglich <strong>der</strong> Stichworte „Einsatzverbot“ und „Neutralität“hält Giesen fest: „Es besteht kein allgemeines völkerrechtlichesVerbot, PMCs einzusetzen.“ Auch die Vereinten Nationen dürfenPMCs beauftragen, „Voraussetzung ist, dass die betroffenenAngestellten <strong>der</strong> PMC Teil <strong>der</strong> Peacekeeping-Mission alsUnterorgan <strong>der</strong> Vereinten Nationen werden“. Aber dürfenPMCs auch als Streitkräfte des Sicherheitsrates, als „Blauhelme“,zum Einsatz kommen und am „robusten Peacekeeping“,sprich Kampfeinsätzen, teilnehmen? Giesen bejaht das. SeinFazit: „In alldem zeigt sich, dass das Völkerrecht bereits heutefür den Umgang mit PMCs gut gerüstet ist.“ Die Angestellten<strong>der</strong> PMCs müssen das humanitäre Völkerrecht achten unddie beteiligten Staaten für ihre Aktivitäten haften. „Schlussendlichlässt sich zum Phänomen <strong>der</strong> PMCs aus völkerrechtlicherSicht feststellen, dass dieses Pudels Kern we<strong>der</strong> Teufelnoch Schoßhund ist. Die ihnen innewohnenden Gefahrendürfen nicht unterschätzt werden, ihr Potential sollte nichtvergeben werden. Den Unterschied macht ein vorsichtigerUmgang. Es ist an den Staaten, sie guten Zwecken nutzbarzu machen und ihr Gefahrenpotential einzudämmen. Das Völkerrechtsteht bereit, seinen Beitrag zu leisten.“Nachtrag: Auch die Bundeswehr lässt militärische Einrichtungenwie z. B. Kasernen von privaten Sicherheitsdiensten bewachen.„Hier gibt es aber keine völkerrechtlichen Bezüge“, soGiesen. „Die Firmen unterliegen in vollem Umfang deutschemRecht.“Dr. Stefan Giesen wurde 1980in Wesel geboren. Er studierteRechtswissenschaften an <strong>der</strong>Juristischen Fakultät <strong>der</strong> Heinrich-Heine-UniversitätDüsseldorf.Die Promotion erfolgte2012, Doktorvater ist Prof. Dr.R. Alexan<strong>der</strong> Lorz, Lehrstuhl fürDeutsches und AusländischesÖffentliches Recht, Völkerrechtund Europarecht. Die Arbeit mit dem Titel „Private MilitaryCompanies“ wird in Kürze im Nomos-Verlag erscheinen.Seit 2011 ist Dr. Giesen Associate am DüsseldorferStandort <strong>der</strong> internationalen Anwaltskanzlei Hogan Lovells(mehr als 40 Anwaltsbüros weltweit, über 2.500 Rechtsanwälte).Er ist Mitglied <strong>der</strong> Praxisgruppe Kartellrechtund Regulierung.Foto: privatMagazin 4 | 201221