PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT1 2Foto: Rolf WillhardtFoto: FC Schalke 041: Die Emir Sultan Camii-Moschee in Hilden. Mittler weile gibt es in <strong>der</strong> rheinischen Mittelstadt (55.000 Einwohner) drei Moscheen. Der Zuzug von Türkenist laut Statistik indes seit 2003 rückläufig, viele kehren zudem zurück, weil sie sich in <strong>der</strong> Türkei eine bessere ökonomische Zukunft erhoffen. An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong>Migranten: Polen. Allein in Düsseldorf leben 31.000. Ein Drittel <strong>der</strong> Düsseldorfer Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund.2: Auch <strong>der</strong> Fußball im Ruhrgebiet hat einen Migrationshintergrund, <strong>der</strong> FC Schalke 04 galt als „Pollacken-Verein“. 1940 wurde <strong>der</strong> Gelsenkirchener VereinDeutscher Fußballmeister mit (v. l.) Kuzorra, Hinz, Tibulsky, Bornemann, Szepan, Burdenski, Klodt, Schuh, Eppenhoff, Kalwitzki, Trainer Faist, Füller.waren. Sie bildeten Parteien und Gewerkschaften, weil diesMittel waren, mit denen die Alteingesessenen bereits ihrepolitischen und wirtschaftlichen Interessen vertraten. Siepassten sich also in dieser Hinsicht durchaus <strong>der</strong> Mehrheitsgesellschaftan.“Bereits ab <strong>der</strong> zweiten Generation begannen sich die„Ruhr-Polen“ in die Gesellschaft zu integrieren. Langsam zwar– und nicht wegen, son<strong>der</strong>n trotz <strong>der</strong> staatlich gefor<strong>der</strong>tenAssimilation. Der Grund: Die eigenen sozialen Netzwerke hattenihre Aufgaben so gut erfüllt, dass sie zunehmend überflüssigwurden. Nonn erinnert dann an etwas eigentlich Selbstverständliches:„Eine Konfrontation mit einer neuen Spracheund fremden Werten ist ein langer Prozess, <strong>der</strong> erst nachmehreren Generationen abgeschlossen sein kann.“ Genau dasKonfrontation mit neuer Spracheund fremden Wertenzeigt Nonn in weiteren Kapiteln seines anschaulich geschriebenenLehr- und Lesebuches: Da geht es um Rolle und Auswirkungen<strong>der</strong> Weltkriege, des Nationalsozialismus und desKalten Krieges auf die Migrations-Bewegungen <strong>der</strong> Nachkriegszeit.Beson<strong>der</strong>s die letzten 40 Jahre von Nordrhein-WestfalensMigrationsgeschichte behandelt Nonn intensiv. Dabeiwill er provozieren und mit Vorurteilen aufräumen. „Migrationsgeschichtekann (…) als Anschauungsmaterial dafür dienen,wie mit Wan<strong>der</strong>ungsprozessen zusammenhängendeProbleme gelöst werden können.“Historische Forschung im Dienst<strong>der</strong> Integrations-DebatteHistorische Forschung im Dienst <strong>der</strong> Integrations-Debatten– darin sieht Christoph Nonn eine Aufgabe seiner „KleinenMigrationsgeschichte“. Gerade wenn es um die Einglie<strong>der</strong>ungtürkischer Migranten und ihrer Familien in die deutsche Gesellschaftund ihre Wertvorstellungen geht. Und die, so belegtNonn mit vielen Fakten, integrieren sich zwar langsamerals Menschen aus Italien, Spanien o<strong>der</strong> Griechenland. Dasaber sei aufgrund ihrer an<strong>der</strong>en Kultur und Religion verständlich.Und die große Mehrheit türkischer Migranten will hierheimisch werden, aber nicht bedingungslos.„Es ist eine allzu verständliche (...) Verhaltensweise, wennZuwan<strong>der</strong>er Kontakt zu ihrer alten Heimat und <strong>der</strong>en Kulturennicht ganz abbrechen lassen wollen, obwohl sie sich aufdie neue einlassen. Das Streben nach doppelter Staatsangehörigkeitist nicht zuletzt ein symbolischer Ausdruck diesesBemühens.“ Nur: Das werde hierzulande von vielen miss-34 Magazin 4 | 2012
gedeutet. „In <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaftwird das Streben nach doppelter Staatsangehörigkeitdagegen oft als ein Zeichen fehlen<strong>der</strong> Integrationswilligkeitgesehen.“Ein Umdenken tut also dringend not. Gerade auch bei <strong>der</strong>Auswertung von Umfragen unter jungen Muslimen. Die jüngsteStudie von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zeigt,genau gelesen: Rund 80 Prozent aller jungen Muslime wollensich integrieren. Ein erstaunlicher Prozess – nach nur 50 Jahreneiner meist restriktiven Einglie<strong>der</strong>ungs-Politik.P.S.: Je nach politischer Couleur wurde die Friedrich-Studiein den Medien kontrovers interpretiert. Die eher konservativeDüsseldorfer „Rheinische Post“ („Zeitung für Politikund christliche Kultur“) titelte „Je<strong>der</strong> fünfte junge Muslimgegen Integration“. Die linksalternativeBerliner TAZ brachteauf Seite 1 die Schlagzeile„Schock: 78 Prozent <strong>der</strong> Muslimewollen sich integrieren“.Christoph Nonn: „KleineMi grationsgeschichte vonNordrhein-Westfalen“,Greven Verlag, Köln 2011,168 Seiten, 18,90 Eurowww.diwa-dus.deProf. Dr. Christoph Nonn wurde 1964 in Leverkusen geboren.Er studierte Geschichte, Anglistik und Politikwissenschaftan den Universitäten Trier und Warwick / GB.Im Jahr 2000 habilitierte er sich für Neuere und NeuesteGeschichte an <strong>der</strong> Universität Köln. Seit 2002 ist er Lehrstuhlinhaberfür das Fach Neueste Geschichte an <strong>der</strong>HHU. Prof. Nonn ist Vorsitzen<strong>der</strong> des „Brauweiler Kreisesfür Landes- und Zeitgeschichte“ sowie Herausgeber <strong>der</strong>Zeitschrift „Geschichte im Westen“.Foto: Tobias SiebenIN KLEINEM STECKTOFT GROSSESWir för<strong>der</strong>n Ideen undTechnologien aus DüsseldorfDie DIWA GmbH ist die Innovations- und Wissenschaftsagentur<strong>der</strong> Heinrich-Heine-UniversitätDüsseldorf und Landeshauptstadt Düsseldorf.Wir unterstützen Sie bei Existenzgründungen aus<strong>der</strong> Wissenschaft, durch Vermittlung von Kooperationenzur Wirtschaft und beim Verwerten vonForschungsergebnissen.Magazin 4 | 2012Sprechen Sie uns an:DIWA GmbHMerowingerplatz 1a40225 DüsseldorfTelefon: 0211.77928200info@diwa-dus.dewww.diwa-dus.de35