HSW - Das Hochschulwesen
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<strong>HSW</strong><br />
CChhrriissttiiaannee MMüücckk && KKaarreenn MMüühhlleennbbeeiinn<br />
Durch Studium zum Spitzenverdienst?<br />
Die Klage über zu wenig Akademiker hat in Deutschland<br />
schon Tradition. Durch mehr Hochschulabsolventen sollen<br />
die Konjunktur angekurbelt und die Wettbewerbsfähigkeit<br />
verbessert werden. Doch was bedeutet das für die Chancen<br />
der Jungakademiker auf dem Arbeitsmarkt? Als Schutz vor<br />
Arbeitslosigkeit scheint das Studium noch gut zu funktionieren,<br />
besonders in Westdeutschland nimmt jedoch die<br />
Einkommensdifferenz zu Absolventen einer Berufsausbildung<br />
immer mehr ab. Dieser Beitrag untersucht, für wen<br />
das Studium heute immer noch den Weg zum Spitzenverdienst<br />
eröffnet, und beschreibt das Zusammenspiel von Angebot<br />
und Nachfrage auf dem akademischen Arbeitsmarkt.<br />
1<br />
1. Drang zur Hochschulexpansion<br />
„Wir brauchen mehr Akademiker in Deutschland“ – diese<br />
Forderung fehlte in keiner der zahlreichen Debatten über<br />
die Leistungsfähigkeit des deutschen Hochschulsystems in<br />
den letzten Jahren. Politik, Wirtschaft und wissenschaftliche<br />
Forschung sind sich einig, dass ein zu geringer Akademikeranteil<br />
in der deutschen Bevölkerung Wachstum und<br />
Konkurrenzfähigkeit Deutschlands im Vergleich mit anderen<br />
Ländern schwächen könnte. Im internationalen Vergleich<br />
scheint die Klage berechtigt: Die „Akademikerquote“,<br />
also der Bevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss,<br />
ist in Deutschland mit 19,2% deutlich niedriger als im<br />
Durchschnitt der OECD-Länder, der bei 31,8% liegt (OECD<br />
2004, S. 77). Dieser Unterschied wird trotz des hierzulande<br />
gut funktionierenden Systems der dualen Berufsausbildung<br />
von Politikern in der Regel als Defizit Deutschlands angesehen.<br />
Neuere Forschungsergebnisse besonders aus der<br />
Wachstumstheorie, die eine differenziertere Funktionsweise<br />
des Produktionsfaktors „Bildung“ nahe legen (Acemoglu<br />
1998, Card/ DiNardo 2002), spielen in der politischen Diskussion<br />
dagegen keine Rolle. Bildung wird nicht erst seit<br />
Roman Herzogs Rede 1997 als eine der wichtigsten Ressource<br />
in unserem „rohstoffarmen Land“ angesehen. Eine<br />
besondere Verantwortung kommt dabei den Hochschulen<br />
zu, da diese den hoch qualifizierten Nachwuchs für das Informationszeitalter<br />
ausbilden sollen. Daher wird seit Anfang<br />
der 1990er Jahre mit allen Mitteln versucht, das deutsche<br />
<strong>Hochschulwesen</strong> zu expandieren. Ziel der aktuellen<br />
Bundesregierung ist es, dass im Jahr 2010 mindestens 40%<br />
eines Altersjahrgangs ein Hochschulstudium aufnehmen,<br />
um bei momentan ca. 30% Studienabbrechern langfristig<br />
mindestens eine durchschnittliche Akademikerquote zu erreichen.<br />
Die Quoten der USA, von Großbritannien, Frankreich<br />
und Japan liegen heute schon höher und werden häufig<br />
als Referenz herangezogen.<br />
<strong>HSW</strong> 2/2006<br />
H o c h s c h u l f o r s c h u n g<br />
Christiane Mück<br />
Under the title Top Earnings Through Higher Education?<br />
Christiane Mück and Karen Mühlenbein analyze<br />
the consequences of expanding higher education for<br />
the academic labor market and individual income opportunities.<br />
They do this by asking whether studying is<br />
still worthwhile. Although higher education graduates<br />
continue to have lower unemployment rates than other<br />
professional groups, their earnings—with only a few<br />
exceptions—are lower than before. This trend differs<br />
for men versus women, in the old versus the new German<br />
states, in terms of professional experience, in different<br />
branches, and in universities versus technical<br />
higher education colleges—but partly in unexpected<br />
ways.<br />
Die ersten Effekte dieser expansiven Hochschulpolitik<br />
waren schon zur Jahrtausendwende deutlich auf dem Arbeitsmarkt<br />
zu spüren (siehe Abbildung 1). Der Anteil der<br />
25- bis 32jährigen mit Hochschulabschluss stieg von 1991<br />
bis 2001 um fast die Hälfte von unter 13% auf knapp 19%<br />
(KMK 2001, S. 32). Obwohl die Hochschulen in vielen<br />
Fächern zum Massenbetrieb geworden sind und angesichts<br />
der steigenden Studierendenzahlen mit Finanzengpässen<br />
kämpfen, werden diese Ergebnisse als Erfolgsgeschichte der<br />
deutschen Hochschulpolitik in den letzten Jahren dargestellt.<br />
Letzter Meilenstein war die historische Überschreitung<br />
der Grenze von zwei Millionen Studierenden in<br />
Deutschland im Wintersemester 2003/04. Obwohl durch<br />
Gebühren für Zweitstudien und Langzeitstudierende die<br />
Gesamtzahl der Studierenden in einigen Ländern wieder<br />
zurückgeht, hält sich der Trend von steigenden Studienanfängerzahlen.<br />
2. Niedrige Arbeitslosenquoten<br />
Karen Mühlenbein<br />
Ein Studium scheint also so attraktiv wie nie zuvor. Doch<br />
was versprechen sich die angehenden Akademiker von ihrer<br />
Hochschulausbildung? Und können diese Erwartungen im<br />
Zeitalter einer regelrechten Akademikerschwemme in<br />
Deutschland erfüllt werden? Drei Hoffnungen werden mindestens<br />
an die Aufnahme eines Studiums geknüpft: eine sicherer<br />
Arbeitsplatz, ein hohes Einkommen sowie eine inter-<br />
1 Die Aussagen in diesem Beitrag sind detailliert bereits in Nr. 49 der Diskussionsbeiträge<br />
zum Public Management unter dem Titel „Lohnt Studieren<br />
sich noch? Reaktion des Arbeitsmarkts auf die Ausweitung der Akademikerquote<br />
zwischen 1991 und 2001“ an der HWP Hamburg erschienen.<br />
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