HSW - Das Hochschulwesen
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H o c h s c h u l f o r s c h u n g<br />
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Die Juniorprofessur -<br />
Teil 1: Situationsanalyse und Erfahrungen<br />
Eines der wichtigsten und vielfach auch sehr kontrovers diskutierten<br />
Reformelemente der 5. Novelle des Hochschulrahmengesetzes<br />
(5. HRGÄndG) ist die als neuer Qualifizierungsweg<br />
für den wissenschaftlichen Nachwuchs in 2002<br />
eingeführte Juniorprofessur. In diesem Beitrag werden als<br />
Teil 1 nach einem kurzen Überblick über einige rechtliche<br />
Aspekte der Juniorprofessur die Pro- und Contra-Argumente<br />
dieses Qualifikationsweges diskutiert. Zudem wird die<br />
derzeit an den Universitäten praktizierte Verfahrensweise<br />
zur Evaluierung von Juniorprofessoren 1 vorgestellt. Abschließend<br />
werden in <strong>HSW</strong> 3-2006 als Teil 2 personal-, organisations-<br />
und hochschulpolitische Gestaltungsempfehlungen<br />
für die weitere Ausgestaltung der Juniorprofessur<br />
gegeben. Dieser Beitrag richtet sich sowohl an Nachwuchswissenschaftler,<br />
die Entscheidungshilfe bei der Wahl der<br />
unterschiedlichen Qualifikationswege zur Lebenszeitprofessur<br />
suchen als auch an Fakultäten, Universitäten und Bildungspolitiker,<br />
die in den nächsten Jahren die weitere Umsetzung<br />
und Ausgestaltung der Juniorprofessur aktiv mitgestalten<br />
werden.<br />
1. Einleitung<br />
Im Rahmen der 5. Novelle des Hochschulrahmengesetzes<br />
(5. HRGÄndG) von 2002 hat das Bundesministerium für Bildung<br />
und Forschung die Juniorprofessur als neuen Qualifikationsweg<br />
zur Lebenszeitprofessur auf den Weg gebracht.<br />
Die zentralen Ziele, die auch weiterhin mehrheitlich geteilt<br />
werden, waren seinerzeit die folgenden (Hansen/ Ridder<br />
2003):<br />
• Frühere Unabhängigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses<br />
in Forschung und Lehre nach der Promotion,<br />
• Annäherung an internationale Qualifikationswege zur<br />
Lebenszeitprofessur,<br />
• Senkung des Erstberufungsalters,<br />
• Erhöhung des Frauenanteils und des Anteils ausländischer<br />
Nachwuchswissenschaftler,<br />
• Höhere Planbarkeit der wissenschaftlichen Karriere.<br />
Am 27. Juli 2004 wurde nach einer Klage der Länder Bayern,<br />
Sachsen und Thüringen die 5. Novelle des HRG vom<br />
Bundesverfassungsgericht in einem Mehrheitsvotum (gegen<br />
das Votum der drei Verfassungsrichter Osterloh, Lübbe-<br />
Wolff und Gerhardt) als verfassungswidrig gewertet und<br />
damit für nichtig erklärt. Dieses Urteil wurde seinerzeit<br />
damit begründet, dass der Bund mit der Novelle seine Rahmengesetzgebungskompetenz<br />
überschritten und die Länderkompetenzen<br />
damit zu stark eingeschränkt habe.<br />
Zum Qualifikationsweg der Juniorprofessur als solcher und<br />
der damit verknüpften Reformziele hat das Bundesverfassungsgericht<br />
jedoch keine Aussage getroffen. Selbst die Kritiker<br />
der 5. Novelle des Hochschulrahmengesetzes stehen<br />
<strong>HSW</strong><br />
Frank Teuteberg<br />
Frank Teuteberg, himself a junior professor, presents an<br />
overview on The Rank of Junior Professor: Experiences<br />
and Recommendations for the Future. The first part of<br />
his article is published here; the second part will follow<br />
in Issue 3-2006. This first part examines the legal and<br />
(infra-) structural organization of this office and its suitability<br />
for promoting young scientists. Although the<br />
author always takes a constructive and positive approach<br />
despite being personally affected, his data<br />
depict a particularly negative example of federal state<br />
misdirection. The variety of state-specific variations in<br />
this personnel category is confusing and thereby misleading,<br />
making conditions for success less clear than<br />
ever before. Such a lack of clarity places an increasing<br />
pressure on young scientists who try to comply with all<br />
conceivable selection patterns while making unacceptable<br />
sacrifices in their private lives (doing without<br />
marriage or children), with negative consequences for<br />
society as a whole.<br />
dem Qualifikationsweg Juniorprofessur vielfach positiv gegenüber.<br />
Mittlerweile wurde die Juniorprofessur in fast<br />
allen Ländern fest in den Hochschulgesetzen verankert.<br />
Auch die Hochschulrektorenkonferenz befürwortet den<br />
Qualifikationsweg „Juniorprofessur". Bundesweit sind bislang<br />
mehr als 900 Juniorprofessuren an 65 Universitäten<br />
eingerichtet worden (Frank et al. 2004). Nichtsdestotrotz<br />
ist die weitere Umsetzung und Ausgestaltung der Juniorprofessur<br />
Grundlage weiterer Diskussionen. Angesichts der<br />
Vielzahl an Qualifikationswegen besteht beim heutigen<br />
wissenschaftlichen Nachwuchs Verunsicherung darüber,<br />
welcher Weg der „Königsweg" zur unbefristeten Professur<br />
an Universitäten ist: Die klassische Habilitation, die kumulative<br />
Habilitation 2 , die Juniorprofessur oder angesichts der<br />
zunehmenden Bedeutung von Praxisbezug in der Lehre<br />
sowie Drittmitteleinwerbung und Industriekontakten sogar<br />
der Weg ohne Habilitation über eine drei- bis fünfjährige<br />
berufliche Praxis (so wie dies die Einstellungsvoraussetzung<br />
an Fachhochschulen ist). Es ist angesichts der Vielzahl an<br />
Qualifikationswegen nicht verwunderlich, dass viele hochschulpolitische<br />
Debatten in den vergangenen 4 Jahren auch<br />
unter dem Begriff „Lost Generation" geführt wurden (Leist/<br />
1 Nachfolgend sind sowohl Frauen als auch Männer gemeint, wenn in diesem<br />
Beitrag von Professoren, Juniorprofessoren oder Nachwuchswissenschaftlern<br />
die Rede ist.<br />
2 Bei einer kumulativen Habilitation werden mehrere – meist zusammenhängende<br />
- wissenschaftliche Arbeiten, die einer Habilitationsschrift („2.<br />
Buch") adäquat sind, zusammen mit einem diese bündelnden und aufeinander<br />
beziehenden Rahmentext vorgelegt.<br />
52 <strong>HSW</strong> 2/2006