HSW - Das Hochschulwesen
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<strong>HSW</strong><br />
<strong>HSW</strong> 2/2006<br />
B.M. Kehm & U. Teichler � Mit Bachelor- und Master-Studiengängen und -abschlüssen ...<br />
nach Ebenen, z.B. nach Studienjahr bzw. nach einführenden<br />
und fortgeschrittenen Lehrveranstaltungen (Alesi u.a. 2005,<br />
S. II und 15f.).<br />
4.2 Weitere unmittelbar mobilitätsorientierte Maßnahmen<br />
In den der Bologna-Erklärung nachfolgenden Communiqués<br />
der für Hochschulfragen zuständigen Minister werden<br />
verschiedene Maßnahmen gefordert, die grenzüberschreitende<br />
Mobilität anders als über die generelle Gestaltung<br />
der Studiengangsstruktur, der Curricula, Prüfungen, Modi<br />
des Lehrens und Lernens, Zertifizierung o.ä. zu fördern. So<br />
werden im Bergener Communiqué von 2005 befürwortet<br />
bzw. gefordert:<br />
• Aktivitäten, die sich unmittelbar auf die Anerkennung<br />
von Studienleistungen im Falle der Mobilität richten, so<br />
die Ratifizierung der Lissaboner Anerkennungskonvention<br />
von 1997 und die Entwicklung von nationalen Aktionsplänen<br />
zur Verbesserung der Anerkennung. So wird<br />
berichtet, dass 36 der 45 am Bologna-Prozess offiziell<br />
beteiligten Länder die Lissaboner Konvention ratifiziert<br />
haben;<br />
• der Ausbau von Joint Degrees, d.h. von einzelnen Hochschulen<br />
unterschiedlicher Länder gemeinsam entwickelte<br />
Studiengänge und gemeinsam getragene Studienabschlüsse;<br />
• Maßnahmen zum Abbau direkter Mobilitätshindernisse,<br />
so die Erleichterung der Visa-Vergabe zur Erteilung von<br />
Arbeitsberechtigungen, der Ausbau der internationalen<br />
Nutzung von Stipendien und generell Aktivitäten zur Ermutigung<br />
der studentischen Mobilität.<br />
Die beiden Zwischenbilanzen gehen auf diese Themen nicht<br />
ausführlich ein. Die Trends IV-Studie stellt fest, dass nach<br />
dem Trendbericht von 2003 das Interesse von Rektorenkonferenzen<br />
und Regierungen an Fragen von Joint Degrees<br />
noch „medium to low“ gewesen sei, und das habe sich inzwischen<br />
bei der Mehrzahl der Länder geändert: Auch<br />
schließe nur in einer Minderheit der europäischen Länder<br />
das offizielle Regelwerk von Gesetzen und anderen Regelungen<br />
die Vergabe gemeinsamer Abschlüsse aus. Allerdings<br />
seien kaum Informationen vorhanden, wie viele solcher Programme<br />
etabliert worden seien; auch sei bisher ungelöst,<br />
wie angemessene Verfahren der Evaluation und Akkreditierung<br />
für grenzüberschreitende Studienprogramme entwickelt<br />
werden könnten (Reichert/ Tauch 2005, S. 17).<br />
4.3 Arbeitsmarktrelevante Qualifizierung durch das Bachelor-Studium<br />
Zweifellos finden im Kontext der Einführung der gestuften<br />
Studiengangsstruktur und der Verbreitung der oben genannten<br />
begleitenden Maßnahmen – Diploma Supplement<br />
und Credit Systems – eine Fülle weiterer Veränderungen in<br />
der Gestaltung von Curricula, Lehre und Studium statt.<br />
Dabei bestehen offenkundig sehr große Interpretationsunterschiede,<br />
wieweit solcherlei Aktivitäten mehr oder weniger<br />
offizielle und abgestimmte Bestandteile des Bologna-<br />
Prozesses sind und wieweit sich diese angesichts der Einführung<br />
gestufter Studiengänge und neuer Buchungsmethoden<br />
von Studienleistungen wie Diploma Supplements<br />
und Credit Systems mehr oder weniger systemnotwendig<br />
ergeben oder nur ergänzend „draufgesattelt“ werden.<br />
Die Bologna-Erklärung empfiehlt keinerlei weitere generel-<br />
len Veränderungen in der Gestaltung des Studiums mit<br />
dem Ziel, grenzüberschreitende Mobilität in Europa zu erleichtern.<br />
Aber sie bekundet die Absicht, das System<br />
„leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse“ mit<br />
den Zielen zu gestalten, „die arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen<br />
der europäischen Bürger ebenso wie die internationale<br />
Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems<br />
zu fördern“; sie fordert, dass auch der Studienabschluss<br />
nach dem ersten Zyklus eine für den europäischen<br />
Arbeitsmarkt relevante Qualifikationsebene attestiert.<br />
Im Communiqué von Berlin im Jahre 2003 wird die<br />
Zusammenarbeit von Hochschulen und Vertretern des Beschäftigungssystems<br />
bei der Entwicklung der Curricula<br />
ebenfalls empfohlen. Aus den beiden hier diskutierten, im<br />
Jahre 2005 veröffentlichten Zwischenbilanzen des Bologna-Prozesses<br />
wird erstens deutlich, dass die generelle Akzeptanz<br />
des Bachelors auf dem Arbeitsmarkt in den Ländern,<br />
die eine gestufte Studiengangsstruktur neu eingeführt<br />
haben, keineswegs als gesichert betrachtet wird. In<br />
der ländervergleichenden Studie wird unterstrichen, dass<br />
die Beschäftigungsaussichten von universitären Bachelor-<br />
Absolventen – im Gegensatz zu solchen von anwendungsorientierten<br />
Hochschulen – unsicher und prekär seien (Alesi<br />
u.a. 2005, S. II, 6 und 36-38). Im Trends IV-Bericht wird als<br />
eine Barriere hervorgehoben, dass die staatlichen Instanzen<br />
in vielen Ländern ihre Rekrutierungs- und Karriere-Strukturen<br />
noch nicht entsprechend der veränderten Struktur der<br />
Studienabschlüsse verändert hätten (Reichert/ Tauch 2005,<br />
S.7). Die beiden Studien verweisen – mit unterschiedlicher<br />
Akzentsetzung – auf vier Kontroversen und Vorbehalte:<br />
• Umstritten ist, ob und in welchem Maße das curriculare<br />
Profil der Erststudiengänge stärker als zuvor auf berufliche<br />
Verwendung ausgerichtet werden sollte, etwa durch<br />
berufsspezifische Spezialisierung, ein anwendungsorientiertes<br />
Programm, praxisorientierte Akzente oder – wie<br />
in Deutschland im Rahmen der Akkreditierung gefordert<br />
– durch die gezielte Vermittlung von „Schlüsselqualifikationen“.<br />
Nicht selten wird die Befürchtung geäußert,<br />
dass dies zu Lasten der wissenschaftlichen Qualität<br />
gehen würde. Im Prager Communiqué von 2001 wurde<br />
deshalb eine Harmonisierung dieser Ziele gefordert:<br />
„… developing study programmes combining academic<br />
quality with relevance to lasting employability“.<br />
• Oft wird befürchtet, dass Absolventen dreijähriger universitärer<br />
Studiengänge kein Niveau von Befähigungen<br />
erreicht haben könnten, dass sie hinreichend auf hochqualifizierte<br />
Berufstätigkeiten vorbereitet. Deswegen<br />
wird es häufig auch vorgezogen, die universitären Bachelor-Studienangebote<br />
generell und als wissenschaftliche<br />
Grundlegung anzulegen. Den Studierenden wird<br />
entsprechend empfohlen, die Hochschule nicht mit<br />
einem Bachelor zu verlassen, sondern ein Master-Studium<br />
anzuhängen.<br />
• Die Einführung gestufter Studiengänge wird nicht selten<br />
als Versuch interpretiert, für die Mehrheit der Studierenden<br />
die Gesamtstudiendauer und damit auch das Qualifikationsniveau<br />
der Absolventen insgesamt abzusenken;<br />
dies solle durch eine arbeitsmarktorientierte Akzentsetzung<br />
der Bachelor-Studiengänge beflügelt werden.<br />
• Schließlich scheinen bei der curricularen Gestaltung der<br />
Studiengänge, um die berufliche Relevanz des Bachelor-<br />
Abschlusses zu sichern, Entscheidungen verbreitet, die<br />
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