Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte

Hagenah, Ahle und Weißpflug: Determinanten der Nachrichtennutzung 19
Befragungsdaten ergänzt wurden durch nach inhaltlichen
Kriterien aufbereitete Summenvariablen
zur Nachrichtennutzung und durch extern ermittelte
Daten zu herausragenden Ereignissen sowie zum
Wetter.
2.1 Aufbereitung von Nachrichten,
Ereignis- und Wettervariablen
ABHÄNGIGE VARIABLEN: Nachrichtennutzung nach
Sendern: Für jeden Sender (ARD Tagesschau:
20:00– 20:15 Uhr; ZDF heute: 19:00–19:20 Uhr; RTL
aktuell: 18:45–19:00 Uhr; 23 Sendezeit laut http://
www.tvprogramme.net/ 24 ) wurde eine Variable gebildet,
die die Nutzung der Hauptnachrichten als
»Dummy« (ja=1/ nein=0) erfasst. Auf Basis der drei
Nachrichtenvariablen wurde – auch als Dummy –
eine Nachrichtennutzung-Gesamt-Variable für den
Zeitraum von 18:30 Uhr bis 20:15 Uhr erstellt.
UNABHÄNGIGE VARIABLEN/EREIGNISVARIABLE: Es
wurde eine Variable gebildet, die für die Tage des
Erhebungszeitraumes erfasst, ob ein herausragendes
Ereignis vorlag oder nicht (Dummy-Variable).
Zunächst werden herausragende Ereignisse
für den Untersuchungszeitraum festgelegt. Hierbei
wird auf zwei Jahresrückblicke zurückgegriffen (Die
Chronik 1995 und 1996 sowie Tagesschau Online
2006). 25 Ereignisse aus dem Untersuchungszeitraum,
welche in beiden Rückblicken aufzufinden
sind, wurden in die Analyse mit aufgenommen (siehe
Anhang). In einem nächsten Schritt wird im Datensatz
Tagesablauf (TA) der MA96 überprüft, wie
viele Befragte für die jeweiligen Ereignistage zur
Verfügung standen. Es werden nur solche Ereignistage
berücksichtigt, für die mindestens 80 Befragte
vorliegen, um eine ausreichend große Stichprobengröße
und somit eine gewisse Repräsentativität
für die vorliegende Untersuchung zu gewährleisten.
Nach einer retrospektiven Beurteilung des jeweiligen
Nachrichtenwerts der Ereignisse durch die Autoren
konnten diese intersubjektiv nachvollziehbar
in eine Rangfolge gebracht werden. Dabei wurden
die Nachrichtenfaktoren 26 »räumliche Nähe«, »kulturelle
Nähe«, »Prominenz«, »tatsächlicher/möglicher
Schaden«, »Überraschung« und »Reichweite«
für jedes Ereignis auf einer Skala von 1 »trifft
überhaupt nicht zu« bis 5 »trifft voll und ganz zu«
bewertet. Die Rangfolge der in die Untersuchung
aufgenommenen Ereignisse stellt sich folgendermaßen
dar:
(1) Feuer im Asylbewerberheim in Lübeck
(Do., 18.01.1996) (25 von 30 Punkten)
(2) Birgen Air Absturz (Di., 06.02.1996)
und Amoklauf in Dunblane (Fr., 01.03.1996)
(je 22 von 30 Punkten)
(4) Geiseln in Costa Rica kommen frei
(Di., 12.03.1996)
und Wahlen in Berlin
(So., 22.10.1995) (je 18 von 30 Punkten)
(6) Urteile im Solingen Prozess
(Fr., 13.10.1995) (17 von 30 Punkten)
(7) Rücktritt des Nato-Generalsekretärs
(Fr., 20.10.1995)
und Andreotti vor Gericht
(Di., 26.09.1995) (je 16 von 30 Punkten)
(9) Astronaut T. Reiter kehrt aus All zurück
(Do., 29.02.1996) (15 von 30 Punkten)
(10) Wahlen in Polen
(So., 19.11.1995) (14 von 30 Punkten)
WETTER: Es wurde eine Variable gebildet, die für jeden
Tag der Untersuchung (Tag vor der Befragung =
Tag der Nachrichtennutzung) Auskunft darüber gibt,
ob das Wetter schön, unbeständig oder schlecht war.
Dafür werden Daten aus dem »Katalog der Großwetterlagen
Europas 1881–1998« verwendet. Um eine
Einordnung der 29 verschiedenen Großwetterlagen
in die drei Kategorien zu ermöglichen, muss eine
grobe Generalisierung anhand der allgemeinen Witterungsbedingungen
vorgenommen werden. 27 Klar
ist, dass aufgrund dieser doppelten Verdichtung somit
nur an eine sehr grobe Annäherung an tatsächlich
relevante Wetterdaten erfolgt. Zukünftig sollten
besser regionalspezifische und differenzierte Daten
genutzt werden. Die übrigen Variablen Wochentag,
Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen und Berufstätigkeit
konnten direkt – wie im aufbereiteten
23 Demnach wurden diese Sendungen vom 14.10.1995 bis zum
27.10.1995, sowie am 26.3.1996 zu den oben genannten Uhrzeiten
gesendet: Es muss hier davon ausgegangen werden, dass sich der
Zeitpunkt der Ausstrahlung der Hauptnachrichten an diesen Tagen
nicht von dem an den anderen Tagen des Untersuchungszeitraums
unterscheidet. Die drei genannten Sender wurden einerseits aus dem
Grund gewählt, weil bei diesen die Nachrichten während des Erhebungszeitraums
an jedem Wochentag zur selben Sendezeit ausgestrahlt
wurden (s.u.). Es wurden zudem zwei öffentlich-rechtliche
Sender in die Analyse einbezogen, um einen Vergleich zwischen dem
»Nachrichtenklassiker« Tagesschau und einem anderen öffentlichrechtlichen
Nachrichtenformat zu ermöglichen. RTL wurde hinzugenommen,
um zumindest den Vergleich mit einem privaten Sender zu
haben.
24 Zukünftig ist es möglich, konkrete Angaben über die tatsächlich
gesendeten Programme über das Deutsche Rundfunkarchiv zu
erhalten: Dabei wird die Recherchearbeit für die Ermittlung der Programmfahnen
mit zurzeit 30,– Euro/Stunde in Rechnung gestellt.
25 Chronik `95. Vollständiger Jahresrückblick in Wort und Bild.
München 1996; Chronik `96. Vollständiger Jahresrückblick in Wort
und Bild. München 1997; Tagesschau-Online. ARD-Jahresrückblick
1995, 1996. Online-Dokument: http://www.tagesschau.de/ Stand:
29.11.2006.
26 Vgl. Staab, 1990 (Anm. 5).
27 Paul Hess und Helmuth Brezowsky: Berichte des deutschen Wetterdienstes.
Nr. 113. Bd. 15. Katalog der Großwetterlagen Europas
1881–1976. 3. Aufl. Offenbach 1977, S. 5ff.