Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte
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en Kopfhörer zur Hand zu nehmen haben <strong>und</strong> wann<br />
sie ihn getrost beiseite legen können. Es wird sich<br />
dann bald ergeben, ob die Mehrheit der <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>teilnehmer<br />
Reklamefünke [sic] oder allgemeine <strong>und</strong><br />
künstlerische Darbietungen bevorzugt.« 78<br />
Die Hörer äußerten sich bei den »Bremer Nachrichten«<br />
in Form von Leserbriefen, die in der davor vorgesehenen<br />
Spalte »Sprechsaal« abgedruckt wurden.<br />
Sie kritisierten Funkwerbung im Programm <strong>und</strong><br />
waren aufgebracht, wie man am 20. April 1924 lesen<br />
konnte: »Schon mehrmals wurde darauf hingewiesen,<br />
daß es unerwünscht ist, den <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>sender<br />
zu Reklamezwecken zu missbrauchen. Trotzdem<br />
haben in letzter Zeit wieder mehrfach Hinweise auf<br />
Firmen stattgef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> es wurde dabei gelegentlich<br />
sogar Straße <strong>und</strong> Hausnummer eines Lieferanten<br />
genannt.« 79<br />
Das Beispiel belegt, wie lokal die Funkwerbung<br />
im NORAG-Programm angelegt war. Anfang 1924<br />
musste der Bremer Nebensender noch die Funkwerbung<br />
des Hamburger Senders übertragen. Erst 1925<br />
wurde in Bremen mit der Ausstrahlung einer eigenen<br />
Werbesendung begonnen. Sie lief parallel zum hamburgischen<br />
Programm. 80 Die Position der »Bremer<br />
Nachrichten« zum Einsatz von Werbung im <strong>R<strong>und</strong>funk</strong><br />
war unmissverständlich: »Wir möchten wünschen,<br />
daß der Unterhaltungsr<strong>und</strong>funk in erster Linie<br />
darauf bedacht sein wird, jeden geschäftlichen<br />
Beigeschmack zu vermeiden.« 81<br />
Im Mai 1924 hatten die Sendegesellschaften die offizielle<br />
Erlaubnis erhalten, Werbesendungen auszustrahlen.<br />
Die Genehmigung wurde von der Reichspost<br />
erteilt, die einen Großteil der Werbeeinnahmen<br />
erhielt. Aus wirtschaftlichen Interessen sah die<br />
Reichspost eine Aufnahme von Funkwerbung in das<br />
Programm eher unproblematisch, wie die »Bremer<br />
Nachrichten« am 6. Juli 1924 wiedergaben: »Der Hörer<br />
wird keinen Anstand an der Reklame durch den<br />
Sender zu nehmen brauchen, da sie ihm immer in<br />
amüsantester <strong>und</strong> unterhaltendster Form serviert<br />
werden wird.« 82 Die Reichspost zeichnete zunächst<br />
auch für die Gestaltung der Funkwerbung verantwortlich.<br />
Die Sendegesellschaften mussten sich diesen<br />
Anordnungen fügen, äußerten jedoch Bedenken,<br />
wie die »Bremer Nachrichten am 6. Juli 1924 schrieben:<br />
»Sie stehen auf dem Standpunkt, daß die Reklame<br />
ihr Programm wesentlich nach der ungünstigen<br />
Seite hin beeinträchtigen wird, wenn sie sich<br />
nicht in künstlerisch einwandfreier Form bewegt.« 83<br />
Anhand dieser Äußerung wird klar, dass die Sendegesellschaften<br />
sich nicht gegen den generellen Einsatz<br />
von Funkwerbung wehren konnten. Vermutlich<br />
wollten sie es auch nie. Von Anfang an hatten sie die<br />
Bedeutung dieser Programmelemente im <strong>R<strong>und</strong>funk</strong><br />
Lipski: Anfänge des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s in der Tageszeitung 37<br />
erkannt. Sie forderten allerdings die vollständigen<br />
Kompetenzen für die Funkwerbung ein. Am 23. Juni<br />
1926 berichteten die »Bremer Nachrichten« über das<br />
von der NORAG zuvor ausgerichtete Funkwerbefest.<br />
Hinter der Veranstaltung stand die Idee, ein Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
zwischen NORAG-Künstlern<br />
<strong>und</strong> den Hörern zu schaffen. »Die Funkwerbung der<br />
Bremer Norag veranstaltete Sonntag abend in den<br />
beiden Sälen der Union ein großes Werbefest, das<br />
von mehr als 1300 Personen besucht war. Eine Berichterstattung<br />
über diese Veranstaltung ist eigentlich<br />
überflüssig, denn diejenigen, die da waren, kennen<br />
den Verlauf des Festes <strong>und</strong> diejenigen, die nicht<br />
da waren, konnten mit Hilfe ihres Apparates im eigenen<br />
Heim an der Veranstaltung teilnehmen.« 84 Das<br />
<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>programm <strong>und</strong> kommerzielle Interessen<br />
waren Ende der 1920er Jahre miteinander verwoben.<br />
In erster Linie war die NORAG ein Wirtschaftsunternehmen.<br />
Sie versuchte mit besonders aufwendigen<br />
Werbeveranstaltungen auf sich aufmerksam zu<br />
machen <strong>und</strong> die Hörer an »ihr« <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>programm<br />
zu binden. Diese Aktivitäten schlugen sich auch im<br />
<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>programm nieder. Damit verschwammen<br />
die Grenzen zwischen Werbesendungen <strong>und</strong> dem<br />
<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>programm zunehmend – ungeachtet der<br />
Hörerinteressen.<br />
Neue Sendeformen:<br />
Sendespiel <strong>und</strong> Reportage<br />
Mit der Aufnahme des regelmäßigen Programmbetriebes<br />
hatten die Redakteure der einzelnen Sendegesellschafen<br />
Pionieraufgaben zu bewältigen. Die<br />
Mitarbeiter der NORAG mussten sich Kenntnisse<br />
über die Eigenarten eines <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>sprogramms<br />
erst erarbeiten. Sie experimentierten damit, wie das<br />
gesprochene Wort gegenüber dem geschriebenen<br />
aufzubereiten war, in welchem Verhältnis Wort <strong>und</strong><br />
Musik zueinander zu stehen hatten, oder wie sie ineinander<br />
gemischt werden sollten. Im Unklaren waren<br />
sie sich darüber, wie eine <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>-Sendung<br />
78 O. V.: Bremen im »<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>taumel«. In: Bremer Nachrichten,<br />
Nr. 18, 18.1.1924.<br />
79 O. V.: Unterhaltung <strong>und</strong> Reklame. In: Bremer Nachrichten,<br />
Nr. 111, 20.4.1924.<br />
80 Vgl. Ulrich Heitger: Auf der Suche nach einem Programm. In:<br />
Wolfram Köhler (Hrsg.): Der NDR. Zwischen Programm <strong>und</strong> Politik.<br />
Hannover 1991, S. 34.<br />
81 O. V.: Unterhaltung <strong>und</strong> Reklame. In: Bremer Nachrichten,<br />
Nr. 111, 20.4.1924.<br />
82 O. V.: Die <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>reklame kommt in Gang, In: Bremer Nachrichten,<br />
Nr. 186, 6.7.1924.<br />
83 Ebd.<br />
84 O. V.: Funkwerbefest der Norag. In: Bremer Nachrichten, Nr. 82,<br />
23.3.1926.