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Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte

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Neben den »Bremer Nachrichten« gab es auf dem<br />

regionalen Medienmarkt zwei weitere bürgerliche<br />

Zeitungen, die überregionale »Weser-Zeitung« sowie<br />

die »Bremer Zeitung«, die mehrfach ihren Namen<br />

änderte <strong>und</strong> zeitweise auch unter dem Titel »Nationale<br />

R<strong>und</strong>schau« oder »Norddeutsche R<strong>und</strong>schau«<br />

bekannt war. 6 Die beiden proletarischen Zeitungen<br />

waren die »Bremer Volkszeitung« <strong>und</strong> die »Arbeiter<br />

Zeitung«. Erstere war ein Organ der SPD <strong>und</strong> der<br />

Gewerkschaften, letztere das Sprachrohr der KPD.<br />

Die »Bremer Nachrichten« wurden als regierungsfre<strong>und</strong>liches<br />

Organ angesehen <strong>und</strong> bezeichneten zu<br />

Anfang der Weimarer Republik ihre politische Tendenz<br />

selbst als demokratisch. Chefredakteur war<br />

von 1899 bis 1927 Georg Kunoth. Die Zeitung hatte<br />

sich zum Ziel gesetzt, alle Bevölkerungsschichten<br />

zu erreichen. Daher erschien es passend, die »Bremer<br />

Nachrichten« auch im Hinblick auf die Rezeption<br />

des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s genauer zu untersuchen. Zur tatsächlichen<br />

Leserschicht gehörten der bürgerliche<br />

Mittelstand, das Kleinbürgertum <strong>und</strong> die proletarische<br />

Bevölkerung. Gebhardt meint, dass diese Leserschichten<br />

vor allem an dem umfangreichen Lokalteil<br />

<strong>und</strong> an dem mit Abstand vor den anderen<br />

Blättern größten Anzeigenteil interessiert waren. 7<br />

Der Untersuchungszeitraum des vorliegenden Aufsatzes<br />

erstreckt sich auf drei Jahre <strong>und</strong> umreißt die<br />

Einführungsphase des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s in Norddeutschland:<br />

1924 markiert den Beginn des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s in<br />

Hamburg <strong>und</strong> Bremen, 1926 wurde die erste <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>reform<br />

durchgeführt <strong>und</strong> die Reichs-<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>-<br />

Gesellschaft, kurz RRG, als Dachverband aller regionalen<br />

<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>gesellschaften gegründet. Damit<br />

galt die Aufbauphase des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s in der Weimarer<br />

Republik als abgeschlossen. In einer historischen<br />

Betrachtung soll im Folgenden aufgezeigt<br />

werden, wie die Presse über das Aufkommen des<br />

<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s berichtete <strong>und</strong> die Technik der »drahtlosen<br />

Telephonie« darstellte. Welche Haltung nahm<br />

das alte Medium gegenüber dem Neuen ein? Wie reagierte<br />

die Presse auf die neuen Verbreitungsmöglichkeiten<br />

von Nachrichten <strong>und</strong> Inhalten? Wo sah die<br />

Presse die Chancen des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s <strong>und</strong> wo seine<br />

Grenzen? War der <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> eine ernstzunehmende<br />

Konkurrenz für die Tageszeitungen, die sich über<br />

Jahre eine feste Position auf dem Medienmarkt erobert<br />

hatten <strong>und</strong> etabliert waren? Wie begegneten<br />

die verschiednen Interessensgruppen dem <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>?<br />

Welche Forderungen stellten Vertreter aus Politik<br />

<strong>und</strong> Wirtschaft, welche Ansprüche hatten die<br />

potentiellen Hörerinnen <strong>und</strong> Hörer an das neue Medium?<br />

Die zahlreichen Artikel in den »Bremer Nachrichten«<br />

über das Aufkommen des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s sollen<br />

Antworten auf diese Fragen liefern.<br />

Lipski: Anfänge des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s in der Tageszeitung 27<br />

Ein Nebensender für Bremen<br />

Im Ausland hatte der <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> bereits seit längerem<br />

»Einzug in die Wohnzimmer gehalten«. 8 In England<br />

begann am 14. November 1922 die British Broadcasting<br />

Company (BBC) mit dem regelmäßigen Sendebetrieb.<br />

In den USA waren technische, organisatorische<br />

<strong>und</strong> wirtschaftliche Entwicklungen schon<br />

1920 so weit entwickelt, dass eine erste Zulassung<br />

für die Ausstrahlung eines <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>programms<br />

erteilt werden konnte. 9 Die »Bremer Nachrichten«<br />

blickten neidisch auf Amerika. Begeistert schilderte<br />

der Reporter: »Allein in Newyork [sic] verfügt etwa<br />

jede vierte Familie über einen ´Radio´. Er gehört ins<br />

Haus wie ein gutes Buch. Von dem kleinen einfachen<br />

Kästchen bis zum hochfeinen Radio-Salonschrank<br />

findet man alle Variationen.« 10 Im Deutschen Reich<br />

sollte es noch ein wenig dauern, aber auch dort arbeitete<br />

man fieberhaft an der Einrichtung eines flächendeckenden<br />

<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>systems. Am 29. Oktober<br />

1923 startete der Unterhaltungsr<strong>und</strong>funk der »Radio<br />

St<strong>und</strong>e AG«, später »Funk-St<strong>und</strong>e AG« in Berlin. Die<br />

neugegründete private <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>-Gesellschaft sendete<br />

von nun an regelmäßig aus dem Vox-Haus am<br />

Potsdamer Platz. Der 29. Oktober 1923 kann daher<br />

als offizielles Gründungsdatum bzw. Geburtsst<strong>und</strong>e<br />

des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s im Deutschen Reich angesehen<br />

werden. Alle anderen <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>übertragungen, beispielsweise<br />

die der Reichspost aus der Hauptfunkstelle<br />

Königswusterhausen im Dezember 1920, waren<br />

unregelmäßige Sendungen <strong>und</strong> gehörten zum<br />

Versuchsstadium. Die Gründungsphase des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s<br />

wurde von der regionalen Presse aufmerksam<br />

verfolgt. Auch in der Bremer Tagespresse war das<br />

neue Medium ein ausführlich besprochenes Thema.<br />

Die »Bremer Nachrichten« widmeten dem <strong>R<strong>und</strong>funk</strong><br />

kürzere <strong>und</strong> längere Artikel, Reportagen, Meldungen,<br />

Sonderseiten <strong>und</strong> Graphiken, mit deren Hilfe<br />

die neue Technik anschaulich gemacht werden sollte.<br />

Zirka 140 dieser Artikel <strong>und</strong> Meldungen aus dem<br />

Zeitraum von 1924 bis 1926, dem 182. bis 184. Jahrgang<br />

der Zeitung, wurden für den vorliegenden Aufsatz<br />

ausgewertet. Kritisiert wurde von den »Bremer<br />

Nachrichten« mit Blick auf die Vorgänge in Berlin,<br />

dass das im Aufbau befindliche <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>wesen nur<br />

langsam voranschritt. Ursache dafür war die starke<br />

Reglementierung der Reichspost, die für die Ver-<br />

6 Titel der »Bremer Zeitung« dokumentiert in Heike Heye: Bibliographie<br />

der Bremer Zeitungen von 1844–1965. Hamburg 1967, S. 41.<br />

7 Vgl. Gebhardt, 1979 (Anm. 4), S. 185.<br />

8 O. V.: Wo bleibt »Radio« in Deutschland? (Anm. 4).<br />

9 Vgl. Peter Winterhoff-Spurk <strong>und</strong> Hans Jürgen Koch: Kulturradio.<br />

Perspektiven gehobener Radioprogramme, München 2000, S. 8; sowie<br />

Patrice Flichy: Tele. <strong>Geschichte</strong> der modernen Kommunikation.<br />

Frankfurt am Main 1994, S. 163–190.<br />

10 O. V.: Wo bleibt »Radio« in Deutschland? (Anm. 4).

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