Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte
Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte
Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ton a die Klaviersaite a zum Mitschwingen bringt,<br />
weil die Töne gleiche Klangfarbe haben [...].« 34<br />
Essayistische Artikel ergänzen die eher nüchtern anmutenden<br />
Berichte <strong>und</strong> Verlautbarungen über die<br />
<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>technik. Seine erste Begegnung mit dem<br />
neuen »Ohren-Faszinosum« 35 beschreibt ein Verfasser<br />
am Ende eines Artikels in nahezu poetischer<br />
Form: »Horch, was ist das? Ein Raunen, ein Rauschen,<br />
ein Prasseln, ein Knattern von unheimlicher<br />
Art in meinem Ohr! Welche Stimmen sind es, die der<br />
schwingende Äther mir zuführt? Sind es nicht die<br />
gleichen Töne, die beim Untergang der Sonne eine<br />
so eindringliche Sprache im Empfangshörer reden?<br />
Ein großes Rätsel tut sich auf. Ist es die Sprache<br />
des Universums, des tönenden Weltenmechanismus?<br />
Singt die Antenne das Lied des allgewaltigen<br />
Kosmos? [...] Ergriffen lege ich meinen Hörer ab <strong>und</strong><br />
schalte die Heizröhren aus. Mir ist, als hätte ich einen<br />
Akkord der gewaltigen Symphonie, als hätte ich<br />
das Klingen <strong>und</strong> Singen kosmischer Schwingen gehört.«<br />
36<br />
Außerdem fanden sich in den Artikeln Äußerungen<br />
über die Symbolwirkung des technischen Geräts.<br />
Am 6. Juni 1924 schrieben die »Bremer Nachrichten«<br />
über das »Wesen der Antenne«: »Ganz ‚zunftmäßig‘<br />
hat die Radiotechnik die Antenne gewissermaßen<br />
zu ihrem Wahrzeichen erhoben.« 37 Die Artikel<br />
in den »Bremer Nachrichten« setzten breite Kenntnisse<br />
voraus, die auf dem Bildungshorizont ihrer bürgerlich-konservativen<br />
Leserschicht gründeten.<br />
Bei den so genannten »Funkamateuren« stießen die<br />
Artikel technischen Inhaltes anscheinend auf breites<br />
Interesse. Als »Funkamateure« wurden Personen<br />
bezeichnet, die aus persönlichen Interessen die<br />
neue Technik publik machten <strong>und</strong> sich zum Wohl der<br />
Stadt Bremen für die Verbreitung des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s einsetzten,<br />
ohne dabei aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />
zu handeln. Am 28. Dezember 1923 hatte<br />
sich erstmals eine Gruppe von Funkamateuren in<br />
Bremen zusammengef<strong>und</strong>en, um den »Radioklub<br />
Bremen e.V.« zu gründen. Solche Interessensvereine<br />
waren typisch für die Pionierzeit des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s, sie<br />
entstanden auch in anderen deutschen Städten. Ab<br />
1924 berichteten die »Bremer Nachrichten« ausführlich<br />
über die Aktivitäten des Bremer »Radioklubs«.<br />
Seine Gründungsphase war ein breit besprochenes<br />
Thema in der Presse, ebenso wie die Ziele des Vereins.<br />
Die »Bremer Nachrichten« gaben Termine <strong>und</strong><br />
Orte bekannt, an denen die Mitgliederversammlungen<br />
stattfanden.<br />
Der Bremer »Radioklub« entwickelte sich schnell<br />
zu einem offiziellen Ansprechpartner für das <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>wesen<br />
in Bremen. Viele Hörer richteten ihre Fra-<br />
Lipski: Anfänge des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s in der Tageszeitung 31<br />
gen den <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>empfang betreffend an den »Radioklub«<br />
oder beschwerten sich über die schlechte<br />
Übertragungsqualität einzelner Sendungen. Der<br />
»Radioklub« versuchte seinerseits durch Mitteilungen<br />
in den »Bremer Nachrichten« die Hörer zu besänftigen<br />
oder gar steigendes Interesse für die neue<br />
Technik zu wecken. Es bestehe Gr<strong>und</strong> zu dieser Hoffnung,<br />
denn die »Kinderkrankheiten« des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s<br />
seien mittlerweile überstanden <strong>und</strong> die Empfangsapparate<br />
auf dem Markt »wesentlich vervollkommnet«.<br />
38 Am 22. April 1924 hieß es euphorisch: »Die<br />
Entwicklungsmöglichkeiten, die das Radiowesen in<br />
sich berge, könnten kaum überschätzt werden, sie<br />
lassen sich erst nur ahnen. Durch Radio würde das<br />
uralte Sehnen der Menschheit, Zeit <strong>und</strong> Raum zu<br />
überspannen, in gewissem Sinne erfüllt.« 39<br />
Der Bremer »Radioklub« engagierte sich stark für einen<br />
eigenen Sender in der Hansestadt. In den »Bremer<br />
Nachrichten« war zu lesen, dass der Klub empört<br />
darüber sei, wie »stiefmütterlich« Bremen bei<br />
der <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>entwicklung behandelt werde. Auch<br />
hier wird die regionale Eifersucht der Bremer gegenüber<br />
den Hamburgern deutlich. Mit einem eigens<br />
entwickelten »Bremer Radio-Tag« richtete sich der<br />
»Radioklub« an eine breite Öffentlichkeit. Die »Bremer<br />
Nachrichten« gaben bekannt: »Der Bremer Radiotag<br />
soll für das Radiowesen in Bremen Fre<strong>und</strong>e<br />
werben <strong>und</strong> den Gedanken <strong>und</strong> die Forderung eines<br />
eigenen Senders in alle Kreise tragen.« 40<br />
Radioempfänger: Marktneuheiten & Eigenbau<br />
Die »Bremer Nachrichten« stellten in den Berichten<br />
ihren Lesern auch die neuen Radiogeräte vor,<br />
<strong>und</strong> es gab immer wieder Artikel über selbstgebastelte<br />
Apparate. Aus den Kreisen vieler Radioclubs<br />
entwickelte sich diese Bastlerbewegung. Das Basteln<br />
von Empfangsgeräten war eine Reaktion auf die<br />
Diskrepanz zwischen den hohen Preisen der R<strong>und</strong>-<br />
34 Ebd.<br />
35 Harro Zimmermann: Kult der Anschauung – blinder Funk. Nachbemerkungen<br />
zur Radiotheorie von Rudolf Arnheim. In: Sabina Becker<br />
(Hrsg.): Jahrbuch zur Kultur <strong>und</strong> Literatur der Weimarer Republik.<br />
Bd. 9. München 2005, S. 223.<br />
36 O. V.: <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> <strong>und</strong> Weltall. In: Bremer Nachrichten, Nr. 152,<br />
1.6.1924.<br />
37 O. V.: Vom Wesen der Antenne. In: Bremer Nachrichten, Nr. 186,<br />
6.6.1924.<br />
38 O. V.: Bremer Radio-Tag. In: Bremer Nachrichten, Nr. 104,<br />
13.4.1924.<br />
39 O. V.: Der Bremer Radio-Tag. In: Bremer Nachrichten, Nr. 113,<br />
22.4.1924.<br />
40 O. V.: Der Bremer Radio-Tag. In: Bremer Nachrichten, Nr. 111,<br />
20.4.1924.