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Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte

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der eingerichtet, die das Programm des Hauptsenders<br />

übertrugen. Diese Nebensender waren durch<br />

Kabel mit dem Hamburger Sender verb<strong>und</strong>en. Einige<br />

Nebensender dienten zur Verstärkung des Signals,<br />

andere wiederum sollten über so genannte<br />

Besprechungsstellen verfügen, nach heutigem<br />

Sprachgebrauch Studios. Die Besprechungsstellen<br />

hatten eine bescheidene Ausstattung, reichten aber<br />

aus, um Programmbeiträge aus einer Stadt oder Region<br />

in das Hamburger NORAG-Programm einzuspeisen.<br />

Weil die Nebensender auf einer anderen<br />

Frequenz sendeten als der Hauptsender, konnten<br />

sie sich vom Hamburger Programm abkoppeln <strong>und</strong><br />

ein regionales Angebot verbreiten. Bremen erhalte<br />

den ersten »<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>zwischensender« im Deutschen<br />

Reich, berichteten die »Bremer Nachrichten«<br />

im Juni 1924. 19 Aber diese Meldung war nur bedingt<br />

richtig, denn Bremen erhielt lediglich den ersten Nebensender<br />

der NORAG. Der erste Nebensender im<br />

Deutschen Reich wurde von der Deutschen St<strong>und</strong>e<br />

in Bayern eingerichtet <strong>und</strong> ging in Nürnberg ans<br />

Netz. Die Unstimmigkeiten <strong>und</strong> langwierigen Verhandlungen<br />

zwischen Bremen <strong>und</strong> Hamburg hatten<br />

die Einrichtung des Nebensenders immer wieder<br />

verzögert, so dass Nürnberg schließlich vor Bremen<br />

den Betrieb aufgenommen hatte. 20<br />

Die »Bremer Nachrichten« begleiteten die Debatte<br />

über die Einrichtung eines Nebensenders mit regem<br />

Interesse <strong>und</strong> durchaus wohlwollend. 1924 erschienen<br />

in der Zeitung die meisten Artikel über den<br />

<strong>R<strong>und</strong>funk</strong> <strong>und</strong> seinen kometenhaften Aufstieg in<br />

Norddeutschland. 21 Die Verhandlungen über seine<br />

Einführung stellten keine einfache Angelegenheit dar,<br />

sondern glichen eher einem Tauziehen. Bremen sei<br />

in einem Programm, das aus Hamburg ausgestrahlt<br />

wird, kulturell unterrepräsentiert: »Heimatdichtung<br />

<strong>und</strong> Heimatkunst wurzeln im Heimatboden – auch<br />

die weltumspannende <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>welle vermag daran<br />

nichts zu ändern«, meinten die Befürworter. 22 Ein<br />

Studio des Bremer Nebensenders erlaube, sich vom<br />

Programm der NORAG in Hamburg abzukoppeln<br />

<strong>und</strong> ein eigenes Angebot zu verbreiten. Der technische<br />

Journalist Ingenieur K. Armgart, der in den<br />

»Bremer Nachrichten« zahlreiche Artikel zur Einführung<br />

des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s publizierte, sah sich selbst als<br />

treibende Kraft <strong>und</strong> hatte das dortige Stadttheater<br />

als passenden Ort für die Ansiedelung einer Besprechungsstelle<br />

vorgeschlagen. Erste Versuche zu eigenen<br />

Übertragungen aus dem Theatersaal waren<br />

bereits gemacht worden.<br />

Die Nebensender wurden nicht primär errichtet, um<br />

regionale Angebote zu erstellen. Im Vordergr<strong>und</strong><br />

standen ökonomische <strong>und</strong> politische Gründe. Politisch<br />

gesehen wollte die Reichspost als staatlicher<br />

Betrieb Rücksicht nehmen auf bislang nicht direkt<br />

Lipski: Anfänge des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s in der Tageszeitung 29<br />

vom <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> versorgte Länder. Aus ökonomischer<br />

Sicht versprach die Errichtung eines Nebensenders<br />

mittelfristig neue Hörer <strong>und</strong> damit höhere Gebühreneinnahmen,<br />

wenn auch zunächst investiert werden<br />

musste. 23 Die Reichspost <strong>und</strong> die Sendegesellschaften<br />

teilten sich die Teilnehmergebühren. In Norddeutschland<br />

entstand mit der NORAG das größte<br />

regionale Sender- <strong>und</strong> Studionetz des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s<br />

in der Weimarer Republik. Die Einrichtung eines Nebensenders<br />

wurde in den »Bremer Nachrichten« als<br />

»geschichtliches Ereignis für Bremen« 24 gefeiert <strong>und</strong><br />

bedeutete die Teilnahme an einer neuen »Kulturerrungenschaft<br />

für jede Familie, ob arm oder reich« 25 .<br />

Die Beschreibungen in der Tagespresse feierten<br />

mit euphorischem Unterton den einschneidenden<br />

Alltagswandel durch die neue Technik der »drahtlosen<br />

Telephonie«. Am 30. November 1924 nahm<br />

der Bremer Nebensender seinen Betrieb auf. Die<br />

NORAG beging dieses Ereignis mit Feierlichkeiten<br />

in der Besprechungsstelle, zu denen auch der »Vater<br />

des deutschen <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s«, Staatssekretär Hans<br />

Bredow, anreiste. Die »Bremer Nachrichten« schürten<br />

immer wieder Hoffnungen auf ein zukünftig stärker<br />

regional geprägtes <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>programm: »Wie<br />

wir hören, beabsichtigt die Nordische <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> A.G.<br />

(Norag), die den Hamburger <strong>und</strong> Bremer Sender betreibt,<br />

von nun an auch regelmäßig Bremer Darbietungen<br />

zu geben, so daß also zeitweise der Hamburger<br />

Sender gibt <strong>und</strong> der Bremer Sender empfängt<br />

<strong>und</strong> umgekehrt, so daß ein erfreuliches Zusammenarbeiten<br />

im gegenseitigen Austausch Hamburger<br />

<strong>und</strong> Bremer Leistungen auf den Gebieten der Kunst<br />

<strong>und</strong> Wissenschaften herbei geführt werden soll.« 26<br />

Hartwig Gebhardt macht erstaunlicherweise eher<br />

verhaltene Reaktionen auf das Erscheinen des neuen<br />

Mediums <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> aus <strong>und</strong> stellt in der Bremer<br />

Tagespresse keine sichtbare Bewegung oder Nervosität<br />

fest: »Die Berichte von der Eröffnung des Senders<br />

bestanden aus der mehr oder weniger ausführlichen<br />

<strong>und</strong> durchaus wohlwollenden Wiedergabe<br />

der Reden; eigene dezidierte Stellungnahmen waren<br />

nicht erkennbar.« 27 Für den Eröffnungstag stimmt<br />

19 Vgl. o. V.: Der Bremer <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>sender kommt. In: Bremer Nachrichten,<br />

Nr. 164, 14.6.1924.<br />

20 Vgl. Liselotte von Reinken: <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> in Bremen 1924–1974. Bremen<br />

1975, S. 6.<br />

21 Vgl. Ausgaben der Bremer Nachrichten, Januar-Dezember 1924.<br />

22 O. V.: Hier <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>sender Bremen! In: Bremer Nachrichten,<br />

Nr. 284, 12.10.1924.<br />

23 Vgl. Halefeldt, 2001 (Anm. 18), S. 159.<br />

24 Vgl. o. V.: Zur Eröffnung des Bremer <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>senders. In: Bremer<br />

Nachrichten, Nr. 333, 30.11.1924.<br />

25 O. V.: Hier <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>sender Bremen! (Anm. 22).<br />

26 O. V.: Zur Eröffnung des Bremer <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>senders (Anm. 24).<br />

27 Hartwig Gebhardt: Der Zeitungsmarkt in Bremen bis 1945 <strong>und</strong><br />

das Aufkommen des <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s. In: Mitteilungen des <strong>Studienkreis</strong>es<br />

<strong>R<strong>und</strong>funk</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong> 14(1988), Nr. 4, S. 354.

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