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Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte

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Die Bekanntheit von Bands oder einzelnen Künstlern<br />

wurde vorausgesetzt bzw. gar nicht thematisiert. Das<br />

hatte zwei Effekte: Damit gelang einerseits mitunter<br />

die semantische Egalisierung nationaler Popproduktionen,<br />

die entweder eine analoge Behandlung erfuhren<br />

oder durch eine Kontextualisierung mit internationalen<br />

Künstlern aufgewertet wurden. Andererseits<br />

fehlte die Orientierung durch die nicht vorhandenen<br />

Hintergr<strong>und</strong>informationen. Es war den Schallplattenunterhaltern<br />

demnach nicht möglich, zusätzliche<br />

Musik von einem Künstler oder einer Gruppe in Form<br />

von Tonträgern zu bekommen oder mehr über Diejenigen<br />

zu erfahren, die auf individuelles Interesse<br />

stießen. Mit diesem Informationsdefizit <strong>und</strong> der deklarierten<br />

Bindung der Schallplattenunterhalter an<br />

die »Podiumdiskothek« als offiziellem Musiklieferanten<br />

lässt sich eine Abhängigkeit an den <strong>R<strong>und</strong>funk</strong><br />

konstatieren, die der Alltag allerdings konterkarierte,<br />

da man dieser Abhängigkeit in der volksnahen<br />

Praxis keine größere Bedeutung beimaß. Denn auch<br />

mit Wissen der Verantwortlichen lief in den Diskotheken<br />

überwiegend westliche Popmusik. Aber der eingeschränkte<br />

Zugriff auf populäre Musikproduktionen<br />

Einfluss auf die je individuelle Musikauswahl der<br />

Schallplattenunterhalter <strong>und</strong> damit – so lässt sich an<br />

dieser Stelle vermuten – auch auf die Geschmacksbildungsprozesse<br />

des Publikums.<br />

In ihrer Sendung thematisierten die Moderatoren<br />

häufig diskospezifische Technik <strong>und</strong> gaben technische<br />

Tipps <strong>und</strong> Hinweise. Diese bewegten sich im<br />

Rahmen der oftmals defizitären Verwirklichungspotentiale,<br />

der einen diskotechnischen Improvisationscharakter<br />

offenbart. Denn eine auf die spezifischen<br />

Bedürfnisse der Unterhaltungsindustrie reagierende<br />

Wirtschaft mit einer vielleicht katalysierenden Wirkung<br />

gab es nicht. Somit sendete die »Podiumdiskothek«<br />

ab Januar 1983 über mehrere Sendungen<br />

hinweg einen Technikkurs, in dem »on air« Gr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> ein technisches Gr<strong>und</strong>verständnis vermittelt<br />

wurden.<br />

Kanter <strong>und</strong> Lasch griffen immer wieder Möglichkeiten<br />

einer Disko-Programmgestaltung auf, insbesondere<br />

Tanz- <strong>und</strong> Ratespiele, die mit geringem Aufwand wirkungsvoll<br />

in der Diskothek umgesetzt werden konnten.<br />

Diese stellten sie entweder selbst vor, ließen einen<br />

beispielhaften Mitschnitt laufen oder die DJs<br />

erklärten in Einspielungen selbst, worum es ging.<br />

Nachweislich ab 1976 porträtierten Kanter <strong>und</strong><br />

Lasch vereinzelt nichtsozialistische Musikgruppen,<br />

so unter anderem Emerson, Lake and Palmer, Carlos<br />

Santana, Blood, Sweat & Tears, Pink Floyd, Genesis,<br />

die Everly Brothers oder Tom Robinson. Weitere Informationen<br />

über internationale Künstler fielen eher<br />

spärlich aus oder geschahen mit Verweis auf DDR-<br />

Forum 45<br />

Zeitschriften wie »Melodie & Rhythmus«. Es fällt auf,<br />

dass die vorgestellten Gruppen nicht zwangsläufig<br />

diskospezifisch in Erscheinung traten, sondern mehr<br />

durch rockmusikalisches Handwerk. Überhaupt ist<br />

die sogenannte Diskowelle von 1974 bis 1979 lediglich<br />

fragmentarisch über die gesendeten Titel präsent.<br />

Eine Betrachtung der Diskotheken im Vergleich<br />

mit nichtsozialistischen Ländern stellte die »Podiumdiskothek«<br />

nicht an. Der Blick über den Tellerrand<br />

ging nur in eine Richtung: Es finden sich Sendungen<br />

<strong>und</strong> Beiträge über die Entwicklung der Disko in Polen,<br />

Ungarn, Bulgarien, der Sowjetunion <strong>und</strong> Lettland.<br />

Die Beiträge kamen entweder von Auslandskorrespondenten<br />

des Berliner <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s, von ausländischen<br />

Diskjockeys, die zu Besuch in der DDR waren<br />

oder von Schallplattenunterhaltern, die im Ausland<br />

»Disko machten«. Die westdeutschen Diskotheken,<br />

deren Entwicklung <strong>und</strong> Position innerhalb der Gesellschaft<br />

fanden keine Erwähnung.<br />

Die exponierte Stellung der Sendung für die Disko-<br />

Szene nutzten Kanter <strong>und</strong> Lasch, um Lobenswertes<br />

<strong>und</strong> Kritikwürdiges hervorzuheben <strong>und</strong> im Rahmen<br />

der Möglichkeiten zu analysieren. So luden sie<br />

Schallplattenunterhalter in die Sendung ein, die aufgr<strong>und</strong><br />

ihres Programms beispielgebend für andere<br />

sein konnten <strong>und</strong> sollten. Dabei berichteten sie<br />

über ihre Programme, die Einbeziehung des Publikums<br />

<strong>und</strong> den Alltag in den Diskotheken. Kanter <strong>und</strong><br />

Lasch besuchten ebenso unangekündigt Veranstaltungen,<br />

machten Beispielmitschnitte, befragten Besucher<br />

<strong>und</strong> DJs zum laufenden Programm <strong>und</strong> zur<br />

Attraktivität der Disko. Dies ging auf eine Idee der<br />

stellvertretenden Redaktionsleiterin Marianne Oppel<br />

während eines DT-64-Forums auf den Arbeiterfestspielen<br />

im Sommer 1976 zurück. 32 Die Ergebnisse<br />

werteten sie anschließend aus <strong>und</strong> sparten<br />

dort nicht mit Kritik, wie das Beispiel der Diskothek<br />

COMPUTER Nr. 9 aus dem Jugendklubhaus Philipp<br />

Müller in Halle von 1975 zeigt: »[D]er mitwirkende<br />

Techniker […] verabsäumte eine Kontrolle des Klangbildes<br />

bei vollem Saal. Nachdem Stefan [d. i. Stefan<br />

Lasch, T.W.] Dietmar auf die schlechte Verständlichkeit<br />

durch die Mikrofoneinstellung hingewiesen hatte,<br />

klappte es recht gut […] Also, alles in allem Lob für<br />

Dietmar, der es doch recht gut verstanden hat, dieses<br />

junge Publikum am Sonntagnachmittag zu unterhalten.<br />

Sein Musikprogramm war abwechslungsreich,<br />

jedoch vom Wort her hätte inhaltlich Besseres<br />

kommen müssen. Ein Werbespruch <strong>und</strong> ein fader<br />

Witz über einen Bewohner Ostfrieslands – haben in<br />

der Diskothek nichts zu suchen. Sie lassen sich be-<br />

32 Podiumdiskothek 73 vom 1.7.1976. Erste eingeladene Diskotheken<br />

waren das Disko-Team »Motiv« aus Erfurt <strong>und</strong> die »Nautilus-Diskothek«<br />

aus Weißenfels, weitere folgten.

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