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Kommunikationsprozesse - Studienkreis Rundfunk und Geschichte

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Radio in der Disko – Disko im Radio.<br />

Die ostdeutsche »Podiumdiskothek« bei DT64 1<br />

Diskothek <strong>und</strong> DDR: Hier treffen populäre Alltagskultur<br />

<strong>und</strong> parteizentralistischer Staat aufeinander, individuelles<br />

Freizeitbedürfnis <strong>und</strong> ideologiegelenkte<br />

Sinngebung. Gerade innerhalb dieses Spannungsfeldes<br />

bewegt sich eine medienhistorische Bearbeitung<br />

dieses Themas.<br />

Die Sendung »DT 64 Podiumdiskothek« auf der Welle<br />

des Berliner <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s nimmt in der Betrachtung<br />

der Diskotheken in der DDR eine exponierte Stellung<br />

ein. Von 1973 bis 1989 begleitete, kommentierte<br />

<strong>und</strong> kritisierte sie nicht nur die republikweite Disko-Szene,<br />

sie beeinflusste diese im Gegenzug durch<br />

die gesendete Musik <strong>und</strong> die Vernetzung mit Institutionen<br />

<strong>und</strong> Veranstaltungen. In diesem Zusammenhang<br />

werden im Folgenden inhaltliche Besonderheiten<br />

der Sendung aufgezeigt <strong>und</strong> die medialen<br />

Verschränkungen beim Gebrauch von populärer<br />

Musik in der Diskothek betrachtet. Hierfür ist es notwendig,<br />

zunächst die Diskothek in der DDR <strong>und</strong> die<br />

Einbettung der »Podiumdikothek« in den <strong>R<strong>und</strong>funk</strong><br />

zu skizzieren.<br />

Die Diskothek in der DDR<br />

Entsprechend den politischen, ökonomischen <strong>und</strong><br />

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gab es in<br />

der DDR keine kommerzialisierte oder privatwirtschaftliche<br />

Entwicklung von Diskotheken, wie sie<br />

in anderen westeuropäischen Ländern stattfand 2 .<br />

Nachdem Diskotheken, also Tanzveranstaltungen<br />

mittels technisch reproduzierter Musik, ab Anfang<br />

der 1970er Jahre immer häufiger stattfanden, dadurch<br />

auch öffentliche Aufmerksamkeit erregten<br />

<strong>und</strong> man sie von offizieller Seite aus wohlwollend<br />

betrachtete, wurde im August 1973 ein Diskothekengesetz<br />

verabschiedet. 3 Dieses legte unter anderem<br />

die offizielle <strong>und</strong> viel belächelte Bezeichnung<br />

»Schallplattenunterhalter« für den Diskjockey oder<br />

DJ fest; die im alltagssprachlichen nichtoffiziellen<br />

Gebrauch allerdings keine weitere Anwendung fand.<br />

Die Disko-Ordnung regelte weiterhin Gr<strong>und</strong>sätze<br />

der Veranstaltungsform, Details zur Verwendung<br />

von Tonträgern, eine Registrier-, Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungspflicht,<br />

Ordnungsstrafmaßnahmen sowie dezidiert<br />

die entstehenden Kosten <strong>und</strong> Honorare. 4 Die<br />

Umsetzung <strong>und</strong> Einbettung dieser Anordnung innerhalb<br />

der politischen Struktur führte zu einer Institutionalisierung<br />

dieser Unterhaltungsform. Im Einzelnen<br />

geschah dies durch die obligatorische Organisation<br />

in Arbeitsgemeinschaften sowie den Aus- <strong>und</strong> Weiterbildungen<br />

mit den regelmäßig zu wiederholen-<br />

Forum<br />

41<br />

de Leistungsüberprüfungen, den sogenannten Einstufungen.<br />

Bei diesen Einstufungen wie auch in der<br />

täglichen Praxis kam es darauf an, neben einer erkennbaren<br />

programmlichen Gestaltung, mit der Musik<br />

als einem funktionalen Arbeitsmittel umzugehen<br />

<strong>und</strong> das Publikum zu überzeugen. Dafür war es allerdings<br />

notwendig, erst einmal Musik zu besitzen.<br />

Diese war in der DDR <strong>und</strong> damit auch in einer vordigitalen<br />

Zeit mit ernormen Zugangsbeschränkungen<br />

verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> mit – auch beim <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> – in Kauf<br />

genommenen akustischen Qualitätsverlusten.<br />

Der <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> in der DDR<br />

Der <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> unterstand dem Staatlichen <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>komitee<br />

<strong>und</strong> war dadurch institutionell dem Ministerrat<br />

der DDR <strong>und</strong> der Abteilung Agitation <strong>und</strong> Propaganda<br />

des ZK der SED untergeordnet. Das prägte<br />

selbstverständlich die Zielstellung <strong>und</strong> Gestaltung<br />

des massenmedialen <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>angebotes der DDR.<br />

Dem Berliner <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> als Stammfrequenz des Jugendstudios<br />

<strong>und</strong> späterem Jugendradios DT 64<br />

standen als unmittelbare, regionale <strong>und</strong> dauerhafte<br />

Konkurrenz im Äther die Westberliner Stationen<br />

RIAS sowie der SFB gegenüber. 5 Im Rückblick waren<br />

besonders der RIAS, der Hessische <strong>und</strong> Norddeutsche<br />

<strong>R<strong>und</strong>funk</strong> sowie im Südwesten der DDR<br />

der Bayrische <strong>R<strong>und</strong>funk</strong> im musikalischen Alltag der<br />

DDR-Jugend präsent. Geschichtlich bedingt hatten<br />

diese Sender eine größere Nähe zur amerikanischen<br />

<strong>und</strong> britischen Musik <strong>und</strong> veranstalteten dementsprechend<br />

Sendungen nach bekannten Mustern. 6<br />

1 Überarbeitete Fassung eines Vortrags, gehalten am 5.6.2008 auf<br />

dem 4. Halleschen Medienkolloquium in Halle/Saale.<br />

2 Brewster, Bill/Broughton, Frank: Last night a DJ saved my life.<br />

The history of the disc jockey. London 1999. Mühlenhöver, Georg:<br />

Phänomen Disco. <strong>Geschichte</strong> der Clubkultur <strong>und</strong> der Popular-musik.<br />

Köln 1999. Porschardt, Ulf: DJ Culture. Diskjockeys <strong>und</strong> Popkultur.<br />

Hamburg 2001. Shapiro, Peter: Turn the Beat aro<strong>und</strong>. The secret history<br />

of Disco. New York 2006.<br />

3 Kanter, Hartmut, Wollenzin, Karl-Heinz: Wir gehen in die Disko.<br />

Berlin 1977<br />

4 Beispielsweise bekam ein Amateur-Schallplattenunterhalter<br />

der Gr<strong>und</strong>stufe A ein St<strong>und</strong>ensatz von 5,00 Mark/St<strong>und</strong>e; ein Profi-<br />

Schallplattenunterhalter der Leistungskategorie C erhielt zwischen<br />

220 <strong>und</strong> 350 Mark pro fünfstündige Veranstaltung. Hinzu kamen jeweils<br />

Zuschläge für Überst<strong>und</strong>en, Tonträger, Technik sowie Fahrtkosten.<br />

Die Höhe des Honorars wurde in der Zulassung fixiert. Vgl. Kanter/Wollenzin<br />

1977, S. 180 (Anm 3).<br />

5 Larkey, Edward: Rotes Rockradio. Populäre Musik <strong>und</strong> die Kommerzialisierung<br />

des DDR–<strong>R<strong>und</strong>funk</strong>s. Berlin 2007.<br />

6 Vgl. hierzu bspw. die Sendungen von Chris Howland beim NWDR.<br />

Peter von Rüden / Hans-Ulrich Wagner (Hrsg.): Vom NWDR zum<br />

WDR. Gespräche zur Programmgeschichte. Hamburg: Verlag Hans-<br />

Bredow-Institut, 2005 = Nordwestdeutsche Hefte zur <strong>R<strong>und</strong>funk</strong>geschichte<br />

3, S. 22–37.

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