Ursofalk - Dr. Falk Pharma GmbH
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Praxismanual<br />
Diagnostik und Therapie<br />
chronischer Leber- und<br />
Gallenwegserkrankungen<br />
Prof. <strong>Dr</strong>. med. J. Rasenack<br />
Universitätsklinikum Freiburg<br />
Aktualisierte<br />
Auflage 2005
Herausgeber<br />
DR. FALK PHARMA <strong>GmbH</strong><br />
Leinenweberstr. 5<br />
Postfach 6529<br />
79041 Freiburg<br />
Germany<br />
Fax: 0761/1514-321<br />
e-mail: zentrale@drfalkpharma.de<br />
© 2005 <strong>Dr</strong>. <strong>Falk</strong> <strong>Pharma</strong> <strong>GmbH</strong><br />
Alle Rechte vorbehalten.
Prof. <strong>Dr</strong>. med. J. Rasenack<br />
Universitätsklinikum Freiburg<br />
Praxismanual<br />
Diagnostik und Therapie<br />
chronischer Leber- und<br />
Gallenwegserkrankungen
Verfasser:<br />
Prof. <strong>Dr</strong>. med. J. Rasenack<br />
Abteilung Innere Medizin II<br />
Med. Klinik und Poliklinik<br />
Universitätsklinikum Freiburg<br />
Hugstetter Str. 55<br />
D-79106 Freiburg 6. aktualisierte Auflage 2005
Inhalt<br />
1 Vorwort 4<br />
2 Symptome und Untersuchungsbefunde<br />
chronischer Lebererkrankungen 5<br />
3 Pathophysiologie, Diagnostik und<br />
Therapie ausgewählter Krankheitsbilder 7<br />
3.1 Virushepatitis 7<br />
3.2 Hämochromatose 15<br />
3.3 Morbus Wilson 18<br />
3.4 α1-Antitrypsin-Mangel 20<br />
3.5 Porphyrien 21<br />
3.6 Autoimmunhepatitis 24<br />
3.7 Primär biliäre Zirrhose 26<br />
3.8 Primär sklerosierende Cholangitis 29<br />
3.9 Overlap-Syndrome 31<br />
3.10 Leberbeteiligung bei der zystischen Fibrose 33<br />
3.11 Leberbeteiligung bei Sprue 35<br />
3.12 Medikamentöse Leberschädigung 36<br />
3.13 Alkoholischer Leberschaden 38<br />
3.14 Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD)<br />
und nicht-alkoholische Fettleberhepatitis<br />
(NASH) 41<br />
3.15 Leberzirrhose 43<br />
3.16 Primäres Leberzellkarzinom 47<br />
3.17 Gallensteinleiden 48<br />
3.18 Funktionelle Störungen der<br />
extrahepatischen Gallenwege 51<br />
4 Diagnostisches Vorgehen 52<br />
4.1 Feststellung einer Leberschädigung 52<br />
4.2 Abklärung der Ätiologie der<br />
chronischen Leberschädigung 52<br />
4.3 Verlaufskontrollen bei chronischen<br />
Lebererkrankungen 52<br />
3
4<br />
1Vorwort<br />
Erkrankungen der Leber sind häufig. Sie führen in vielen<br />
Fällen zu schweren Einschränkungen der Leberfunktion<br />
und später weiterer Organe, wie zum Beispiel Niere und<br />
Hirn. Dies bedeutet nicht selten eine vorzeitige Invalidität<br />
und Sterblichkeit für den betroffenen Patienten.<br />
Durch die Fortschritte in den Grundlagenforschungen<br />
wie Biochemie, Zellbiologie, Molekularbiologie, Genetik,<br />
Immunologie und Virologie ist es möglich geworden,<br />
Krankheiten zu diagnostizieren und spezifisch zu behandeln.<br />
Bei rechtzeitiger Diagnosestellung und Therapie<br />
kann das Fortschreiten der Lebererkrankung wesentlich<br />
verlangsamt oder gar verhindert werden.<br />
Es ist daher notwendig, Lebererkrankungen zu erkennen<br />
und gezielt ihre Ätiologie abzuklären.
2 Symptome und Untersuchungsbefunde<br />
chronischer Lebererkrankungen<br />
Die Lebererkrankungen werden in akute und chronische<br />
Lebererkrankungen unterteilt. Ist die Erkrankung in<br />
weniger als 6 Monaten abgeheilt, wird von einer akuten<br />
Erkrankung gesprochen, dauert sie länger, wird sie als<br />
chronische Lebererkrankung bezeichnet.<br />
Hepatitisvirusinfektionen, der akut verlaufende Morbus<br />
Wilson, die Autoimmunhepatitis, die medikamentöse und<br />
die alkoholische Leberschädigung sowie Porphyrien können<br />
sich sowohl als akute als auch als chronische Lebererkrankung<br />
präsentieren, während die Hämochromatose,<br />
der α1-Antitrypsin-Mangel und die primär biliäre Leberzirrhose<br />
nur als chronische Lebererkrankung auftreten.<br />
Die Symptome der chronischen Lebererkrankungen sind<br />
unspezifisch und erlauben keine Differenzierung:<br />
Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Leistungsminderung,<br />
Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Oberbauchbeschwerden,<br />
Blähungen, Flatulenz, Fieber, Gelenkbeschwerden,<br />
seltener Juckreiz. In weiter fortgeschrittenen Stadien<br />
gehen sie mit einer Gelbsucht einher. Der Urin kann<br />
dunkel verfärbt und der Stuhlgang entfärbt sein.<br />
Wichtig sind bei der Anamnese die Fragen nach familiärer<br />
Belastung, Alkoholkonsum, Medikamenteneinnahme,<br />
auch naturheilkundlichen Präparaten und Tees, Auslandsaufenthalten,<br />
Lebererkrankungen in der Wohngemeinschaft<br />
oder am Arbeitsplatz, nach Operationen oder<br />
Transfusionen und nach einer Exposition mit organischen<br />
Lösungsmitteln im Beruf oder in der Freizeit.<br />
Bei der klinischen Untersuchung kann die Leber, je nach<br />
Grunderkrankung und Stadium, normal groß, größer<br />
5
6<br />
oder kleiner sein. In einigen Fällen ist die Milz vergrößert.<br />
Es können Leberhautzeichen – wie Spider naevi, Weißnägel,<br />
Palmarerythem, Mundwinkelrhagaden, Xanthelasmen,<br />
Ikterus, Purpura, Parotisschwellung, Gynäkomastie,<br />
und Kratzspuren als Hinweis auf einen Juckreiz und<br />
Ödeme vorhanden sein.<br />
Durch klinisch-chemische, serologische und immunologische<br />
Laboruntersuchungen, muss versucht werden, die<br />
Ätiologie der Lebererkrankung zu klären. Diese Untersuchungen<br />
sollten auch schon bei nur minimal erhöhten<br />
Transaminasen durchgeführt werden. Sonographie,<br />
Duplexsonographie und eventuell weitere Untersuchungen<br />
wie Histologie, Endoskopie oder röntgenologische<br />
Methoden können für die Ätiologie oder die Bestimmung<br />
des Stadiums der Lebererkrankung sinnvoll sein.<br />
Es können Kombinationen von Lebererkrankungen<br />
vorkommen, wie zum Beispiel einer alkoholischen Leberschädigung<br />
mit einer Hepatitis C-Virusinfektion oder<br />
einer Hämochromatose. Daher ist insbesondere bei<br />
Patienten bis 50 Jahre eine vollständige Diagnostik<br />
unbedingt zu fordern.
3 Pathophysiologie, Diagnostik<br />
und Therapie ausgewählter<br />
Krankheitsbilder<br />
3.1 Virushepatitis<br />
Heute können mindestens 5 verschiedene Hepatitisviren<br />
unterschieden werden (Tab. 1, siehe S. 12). Hepatitis<br />
A- (HAV) und E-Virus (HEV), die fäkal-oral übertragen<br />
werden, verursachen nur akute Hepatitiden. Das Hepatitis<br />
B- (HBV), C- (HCV) und D-Virus (HDV) können zusätzlich<br />
auch chronische Leberentzündungen hervorrufen.<br />
HBV, HCV und HDV werden durch Blut und<br />
Blutprodukte übertragen, das HBV zusätzlich durch<br />
Geschlechtsverkehr. In Deutschland verursachen HBV<br />
und HCV den größten Teil der virusbedingten chronischen<br />
Lebererkrankungen. Das Hepatitis D-Virus kann<br />
nur in Verbindung mit einer aktiven Hepatitis B vorkommen.<br />
In Deutschland ist diese Infektion sehr selten.<br />
Das vor einigen Jahren entdeckte Hepatitis G-Virus ist<br />
wahrscheinlich nicht leberpathogen. Sowohl das Hepatitis<br />
B- als auch das Hepatitis C-Virus schädigen die<br />
Leberzelle nicht direkt.<br />
Pathophysiologie<br />
Nach aktuellen Vorstellungen führt die zelluläre Immunantwort<br />
zu einem Zelluntergang der virusinfizierten Leberzellen.<br />
Diese präsentieren Bruchstücke des entsprechenden<br />
Virus auf ihrer Zelloberfläche, die von verschiedenen<br />
Zelltypen des Immunsystems erkannt werden und ein<br />
Signal darstellen, diese Zellen zu zerstören. Weniger als<br />
10% der HBV-Infizierten entwickeln eine chronische<br />
Hepatitis, während es bei der Hepatitis C 75–85% sind.<br />
Zur Zirrhose kommt es bei weniger als 1% der HBV-,<br />
aber 5–30% der HCV-Infizierten.<br />
7
8<br />
Diagnostik und Therapie<br />
Hepatitis A<br />
Die Hepatitis A wird durch den Nachweis von Antikörpern<br />
der IgM-Klasse gegen das Hepatitis A-Virus diagnostiziert<br />
(anti-HAV, IgM). Sind diese positiv, ist die Diagnose der<br />
akuten Hepatitis A sicher. Der Test ist bei jungen Patienten,<br />
nach Auslandsaufenthalten und bei Hepatitis A-<br />
Erkrankungen in der Umgebung sinnvoll. Die undifferenzierte<br />
Testung der Antikörper (also IgG plus IgM) gegen<br />
das HAV ist nicht sinnvoll, da ein positiver Befund keine<br />
Aussage über die Aktualität der Infektion zulässt.<br />
Eine kausale Therapie existiert nicht. Die Patienten werden<br />
supportiv behandelt.<br />
Eine aktive Impfung mit inaktivierten Hepatitis A-Viren<br />
steht zur Verfügung und ist effektiv. Die Injektionen von<br />
je 1 ml erfolgen bei Erwachsenen im Abstand von 6–12<br />
Monaten, bei Kindern und Jugendlichen bei 0,1 und<br />
6–12 Monaten. Der Impfschutz beträgt nach kompletter<br />
Impfung mehrere Jahre lang nahezu 100%. Eine passive<br />
Impfung mit Immunglobulinen sollte nur durchgeführt<br />
werden, wenn die Zeit bis Reiseantritt weniger als<br />
1 Woche beträgt.<br />
Hepatitis B<br />
Die aktive Hepatitis B-Virusinfektion wird durch ein positives<br />
Hepatitis B-Oberflächenantigen (HBsAg) nachgewiesen.<br />
Dieses entspricht der Virushülle (Abb.1). Ist bei<br />
der weiteren Stufendiagnostik auch das Hepatitis e-Antigen<br />
(HBeAg) positiv, spricht dies für eine starke Vermehrung<br />
der Viren. Um die Diagnose der Hepatitis B zu<br />
sichern, reicht es daher aus, zunächst HBsAg zu bestimmen.<br />
Die Testung auf Anti-HBc sowie von HBV DNA ist<br />
für die Diagnose der aktiv replizierenden HBV-Infektion<br />
nicht notwendig.
Abbildung 1<br />
Modell des Hepatitis B-Virus<br />
Steht die Indikation zur Interferon-Therapie zur Diskussion,<br />
wird HBeAg gemessen, da seine Präsenz eine aktive<br />
höhergradige Replikation anzeigt. Ist es negativ, sollte<br />
zum Ausschluss einer e-minus-Mutante HBV DNA<br />
bestimmt werden.<br />
9
10<br />
Therapie<br />
Sind HBeAg bzw. HBV DNA positiv und liegen keine<br />
Kontraindikationen vor, kann eine Therapie mit Interferon-α<br />
durchgeführt werden (3 × 5–6 Mio. IE Interferon-α<br />
3 × pro Woche über 4–6 Monate). Die Erfolgsrate<br />
beträgt ca. 30–40% im Vergleich zur spontanen<br />
Serokonversionsrate von 10–15%.<br />
Mit pegyliertem Interferon-α werden ca. 35% der<br />
Patienten nach 52 Wochen Therapie HBeAg-negativ.<br />
HBV DNA (< 400 Kopien/ml) lässt sich bei 7% nicht<br />
mehr nachweisen.<br />
Zwei Nukleosidanaloga – Lamivudin (100 mg/Tag) und<br />
Adefovir (10 mg/Tag) sind bereits zur Therapie der chronischen<br />
Hepatitis B zugelassen. Die Therapiedauer beträgt<br />
minimal 1 Jahr, eine mehrjährige Therapie scheint aber<br />
bei den meisten Nukleosidanaloga notwendig zu sein.<br />
Lamivudin führt nach 1, 2, 3, 4 und 5 Jahren bei 17%,<br />
27%, 40%, 47% und 50% der Patienten zur HBeAg-<br />
Serokonversion. Mutanten treten mit zunehmender Dauer<br />
der Therapie auf (nach 1 Jahr 15-20%; nach 2 Jahren<br />
40% und nach 3 Jahren 67%). Resistenzen gegen Adefovir<br />
nehmen nach bisher noch unveröffentlichten Studien<br />
ab dem zweiten Jahr signifikant zu. Weitere Nukleosidanaloga,<br />
die untersucht werden sind Telbivudin, Entecavir,<br />
Tenofovir und Emtricitabin.<br />
Eine aktive Impfung gegen die Hepatitis B ist möglich.<br />
Die Patienten erhalten zu Beginn, sowie nach 4 Wochen<br />
und 6 Monaten 10 µg oder 20 µg eines gentechnisch<br />
synthetisierten Impfstoffes. Die passive Impfung mit Hyperimmunglobulinen<br />
ist nur nach Nadelstichverletzung sinnvoll<br />
und nach der Geburt, wenn die Mutter Hepatitis Binfiziert<br />
ist, kombiniert mit der aktiven Impfung.
Hepatitis C<br />
Die Infektion mit dem Hepatitis C-Virus wird durch den<br />
Nachweis von spezifischen Antikörpern (Anti-HCV) diagnostiziert.<br />
Die enzymimmunologischen Tests (ELISA) der<br />
3. Generation sind sehr zuverlässig und weisen spezifische<br />
Antikörper in den meisten Fällen schon 2–3 Wochen<br />
post infectionem nach.<br />
Die rekombinanten Immunstreifentests (RIBA) verwenden<br />
zum großen Teil dieselben Antigene wie die ELISAs. Sie<br />
erlauben die getrennte Beurteilung der Reaktion mit den<br />
Antigenen.<br />
Die HCV-Infektion wird heute durch den Nachweis von<br />
HCV RNA bestätigt. Dies ist mit der Polymerasekettenreaktion<br />
mit vorgeschalteter reverser Transkription (RT-<br />
PCR), mit dem „branched-chain DNA“ (bDNA) oder der<br />
Transkriptions-mediierten Amplifikation (TMA) möglich.<br />
Diese Methoden sind in den letzten Jahren wesentlich<br />
zuverlässiger geworden.<br />
Für die Diagnose der Hepatitis C genügen in der Regel<br />
1. erhöhte Transaminasen – wobei die GPT-Aktivität<br />
meist höher ist als die der GOT,<br />
2. ein sicher positiver anti-HCV-Test und<br />
3. der Ausschluss einer anderen Lebererkrankung,<br />
wie zum Beispiel alkoholische Leberschädigung<br />
und Hämochromatose.<br />
Die Indikation zur Therapie der chronischen Hepatitis<br />
wird gestellt, wenn 1. die Transaminasen erhöht sind,<br />
2. HCV RNA im Serum nachweisbar ist, und sich 3. in der<br />
Histologie eine Fibrose findet. Wesentliche Begleiterkrankungen<br />
müssen ausgeschlossen werden. Zur Festlegung<br />
der Therapiedauer wird der HCV-Genotyp bestimmt.<br />
11
Tabelle 1<br />
Hepatitisviren<br />
12<br />
Hepatitis A B C D E<br />
Virusfamilie Picorna Hepadna Flavi Viroid Calici<br />
Nukleinsäure<br />
Inkubations-<br />
RNA DNA RNA RNA RNA<br />
dauer (Tage)<br />
Übertragung<br />
14–45 30–180 14–180 ? 14–60<br />
– fäkal-oral ja nein nein nein ja<br />
– Blut nein1 ja ja ja nein<br />
– vertikal nein1 ja ja ja nein<br />
– sexuell nein2 ja ja2 ja nein<br />
Antigene HAAg HBsAg,<br />
HBeAg<br />
– HDAg HEAg<br />
Antikörper Anti-HAV Anti-HBs Anti-HCV Anti-HDV, Anti-HEV<br />
Anti-HAV, Anti-HBe Anti-HCV, Anti-HDV,<br />
IgM Anti-HBc<br />
Anti-HBc,<br />
IgM<br />
IgM IgM<br />
Akute<br />
abheilende<br />
Hepatitis<br />
> 99 % > 90 % 5–15 % 50–80 % > 95 %<br />
Chronische<br />
Hepatitis<br />
0% < 10 % 80–95 % 20–50 % (< 5 %) ?<br />
Leberzirrhose < 0,1 % 1–3 % 5–30 % (10 %) ? ?<br />
(Die diagnoseweisenden Tests sind fett gedruckt)<br />
1 Eine parenterale Infektion ist sehr selten, da das Blut von Spendern nur während einer sehr<br />
kurzen Zeitspanne in der Prodromalphase HAV enthält.<br />
2 Eine Übertragung durch Geschlechtsverkehr wurde bisher nicht bewiesen, kann aber auch<br />
wegen des gehäuften Auftretens bei Partnern von Hepatitis A- bzw. C-Erkrankten nicht ausgeschlossen<br />
werden.<br />
Therapie<br />
Die Patienten erhalten eine Kombinationsbehandlung mit<br />
pegyliertem Interferon-α einmal pro Woche (180 µg PEG-<br />
Interferon-α2a oder 1,5 µg pro kg KG PEG-Interferonα2b)<br />
und täglich Ribavirin (nach Körpergewicht 800,<br />
1000 oder 1200 mg).
Die Behandlungsdauer beträgt beim HCV-Genotyp 1<br />
12 Monate und bei den Genotypen 2 und 3 6 Monate.<br />
Nach 12 Behandlungswochen wird geprüft, ob noch<br />
HCV RNA im Serum nachweisbar ist. Bei positivem Befund<br />
wird die Therapie abgebrochen, findet sich keine<br />
HCV RNA wird die Behandlung fortgeführt.<br />
Der Langzeiterfolg in Bezug auf die Virusinfektion (6 Monate<br />
nach Therapieende HCV RNA-negativ) ist abhängig<br />
vom Genotyp und beträgt beim Genotyp 1 45–50% und<br />
bei Genotyp 2 und 3 jeweils ca. 80%.<br />
Hepatitis D<br />
Die Hepatitis D kommt nur bei gleichzeitiger, replizierender<br />
Hepatitis B-Infektion vor, da dieses infektiöse Agens<br />
dessen Oberflächenproteine für die Synthese der eigenen<br />
Hülle benutzt. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis<br />
von Antikörpern gegen das Virus (anti-HDV). Der Nachweis<br />
des Antigens ist nicht möglich, die HDV RNA kann<br />
mit der reversen Transkription/Polymerasekettenreaktion<br />
amplifiziert werden. Für die Routinediagnostik ist der<br />
Nachweis spezifischer Antikörper ausreichend.<br />
Eine kausale Therapie existiert nicht, da Interferon-α<br />
zwar, solange es appliziert wird, bei einem kleinen Teil<br />
der behandelten Patienten zur Normalisierung der Transaminasen<br />
führt, nach Beendigung der Therapie kommt<br />
es bei dem größten Teil der Patienten jedoch zu einem<br />
Relaps.<br />
Eine aktive Impfung speziell gegen HDV existiert nicht,<br />
eine aktive Impfung gegen HBV schützt indirekt vor einer<br />
HDV-Infektion. Die passive Impfung ist nicht erfolgreich.<br />
Hepatitis E<br />
Das Hepatitis E-Virus wird wie das HAV fäkal-oral übertragen.<br />
Die meisten Infektionen wurden bisher aus Ländern<br />
der <strong>Dr</strong>itten Welt berichtet. In Deutschland kommt<br />
sie vornehmlich als Reisekrankheit vor. Es können kurze<br />
13
14<br />
Zeit nach der Infektion spezifische Antikörper nachgewiesen<br />
werden. Validierte Testsysteme stehen nicht zur<br />
Verfügung. Die Diagnose erfolgt durch den Ausschluss<br />
der Hepatitis A.<br />
Eine spezifische Therapie existiert ebenso wenig wie eine<br />
aktive oder passive Impfung.<br />
Hepatitis G<br />
Das Hepatitis G-Virus hat Ähnlichkeiten mit dem HCV.<br />
Bisher existieren keine Studien, die zeigen, dass dieses<br />
Virus eine Hepatitis verursacht.
3.2 Hämochromatose<br />
Die Hämochromatose ist eine der häufigsten angeborenen<br />
Stoffwechselerkrankungen. 10% der Bevölkerung haben<br />
die Anlage und etwa 0,3–0,5% sind homozygot. Circa<br />
90% der Patienten mit Hämochromatose haben eine<br />
homozygote Mutation im HLA-H-Gen, bei der sich in der<br />
Position 281 Tyrosin statt Cystein findet. Bei einem kleineren<br />
Teil findet sich in Position 63 statt Histidin-Aspartat.<br />
Selten kann auch eine gleichzeitige, jeweils heterozygote<br />
Mutation in den oben genannten Positionen zu<br />
einer Hämochromatose führen („compound“-Heterozygotie).<br />
Seltener sind Mutationen in anderen Genen<br />
(Transferrin-Rezeptor 2, Ferroportin 1, Hemojuvelin, Hepcidin).<br />
Die Erkrankung macht sich bei Männern früher<br />
bemerkbar als bei Frauen. In fortgeschrittenen Stadien<br />
fällt eine bräunliche Hautfarbe auf. Die Patienten haben<br />
eventuell einen Diabetes mellitus (Bronzediabetes), eine<br />
Hepatomegalie, Herzrhythmusstörungen, eine Kardiomyopathie<br />
und klagen über Gelenkbeschwerden.<br />
Ein Hypogonadismus kann schon frühzeitig auftreten.<br />
Patienten mit Hämochromatose haben ein hohes Risiko<br />
für das primäre Leberzellkarzinom.<br />
Pathophysiologie<br />
Für Eisenionen existiert in der Zelle ein sehr empfindliches<br />
Gleichgewicht. Sie werden zwar von vielen Enzymen<br />
benötigt, kommen sie jedoch in zu großen Mengen vor,<br />
stellen sie ein sehr wirksames Zellgift dar, das bestimmte<br />
Enzyme der Atmungskette stört und Sauerstoffradikale<br />
entstehen lässt, die ihrerseits sehr toxisch sind.<br />
Bei Patienten mit Hämochromatose und fortgeschrittener<br />
Lebererkrankung beträgt der Eisengehalt des gesamten<br />
Organismus mehr als 25 g im Unterschied zu 3–4 g<br />
beim Gesunden. Die Eisenüberladung des Körpers ist<br />
durch eine zu hohe Aufnahme von Eisen aus dem<br />
Magen-Darm-Trakt bedingt, die 2–4 mg/Tag beträgt,<br />
15
Test Norm- Hämochro- Hämochro- Hämochro- Alkohowert<br />
matose, matose, matose, lische<br />
sympto- asympto- hetero- Lebermatisch<br />
matisch,<br />
homozygot<br />
zygot krankheit<br />
Serum-Eisen 50–150 180–300 erhöht normal bis erhöht<br />
(µg %[µmol/l]) [9–27] [32–54] erhöht<br />
Eisensättigung 22–46 50–100 50–100 normal bis 27–60<br />
(%) erhöht<br />
Serum-Ferritin 10–200 900–6000 200–500 meist 10–500<br />
(µg/l) < 500<br />
Eisengehalt<br />
der Leber<br />
(µg/g Trockengewicht)<br />
300–1400 6000–18.000 2000–4000 300–3000 300–2000<br />
Eisenindex<br />
µg/g Trockengewicht/<br />
56 × Alter des<br />
Patienten<br />
< 1,0 > 2 meist > 2 < 2 < 2<br />
Tabelle 2<br />
Laboruntersuchungen bei Hämochromatose<br />
16<br />
im Unterschied zu 1 mg beim Gesunden. Der primäre<br />
Defekt befindet sich daher nicht in der Leber, sondern<br />
in der Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes.<br />
Diagnose<br />
Es wird eine Ferritinbestimmung im Serum durchgeführt<br />
(Normwert 10–200 µg/l; Hämochromatose 900–6000 µg/l).<br />
Fällt dieser Test pathologisch aus, wird die Eisensättigung<br />
(Normwert 22–46%; Hämochromatose 50–100%) bestimmt<br />
und anschließend das HFE-Gen auf Mutationen<br />
in Postion 282 und 63 untersucht.
Findet sich hier keine Mutation, wird eine quantitative<br />
Eisenbestimmung im Lebergewebe (Normwert 300–<br />
1400 µg/g Trockengewicht; Hämochromatose 6000–<br />
18.000 µg/g) durchgeführt und der Lebereisenindex<br />
(µg Fe/g Lebertrockengewicht: Alter × 56; Normwert<br />
< 1,0, Hämochromatose > 2) errechnet (Tab. 2).<br />
Therapie<br />
Behandlungsziel ist es, den Eisenüberschuss des Körpers<br />
zu verringern. Dies geschieht am wirksamsten durch<br />
Aderlässe, die über 1–2 Jahre bis zu 2-mal wöchentlich –<br />
später seltener – durchgeführt werden müssen, bis die<br />
Ferritinkonzentration unter 50 µg/l und die Eisensättigung<br />
unter 30% sind. Pro Aderlass werden 500 ml und<br />
damit 200–250 mg Eisen entfernt, so dass über 100<br />
Phlebotomien notwendig sind (1–2 pro Woche über<br />
1–2 Jahre). Anschließend sollte die Eisensättigung unter<br />
50% und die Ferritinkonzentration unter 100 µg/l gehalten<br />
werden.<br />
Die konsequente Behandlung führt zu einer entscheidenden<br />
Verbesserung der Lebenserwartung. Alkoholkonsum<br />
sollte unbedingt vermieden werden, da er das Zirrhoserisiko<br />
um das 10fache steigert. Liegt bereits eine Leberzirrhose<br />
vor, kommt es trotz adäquater Behandlung bei<br />
einem <strong>Dr</strong>ittel der Patienten zum hepatozellulären Karzinom,<br />
so dass bei diesen Patienten regelmäßig sonographische<br />
Kontrollen und α-Fetoproteinbestimmungen<br />
(AFP) notwendig sind (alle 6–12 Monate).<br />
17
18<br />
3.3 Morbus Wilson<br />
Der Morbus Wilson ist eine Kupferspeicherkrankheit, die<br />
mit einer Häufigkeit von 1:30.000 Einwohner vorkommt.<br />
Die Symptome entsprechen denen der chronischen Lebererkrankung.<br />
Es kommen jedoch auch akute und sogar<br />
fulminante Verläufe vor. Da Kupfer in bestimmten Hirnabschnitten<br />
abgelagert wird, können unterschiedliche<br />
neurologische Krankheitsbilder mit Tremor (z. T. wie bei<br />
Morbus Parkinson), Koordinationsstörungen, Gangstörungen,<br />
Dystonie und vegetative Symptome mit Schweißneigung<br />
oder orthostatischen Beschwerden auftreten.<br />
Etwa die Hälfte der Patienten mit neurologischen Symptomen<br />
hat auch Verhaltensstörungen.<br />
Bei der Untersuchung findet sich, wenn Patienten neurologische<br />
Symptome haben, immer ein grünlicher oder<br />
bräunlicher Ring an der Peripherie der Cornea (Kayser-<br />
Fleischer-Cornealring). Ein Katarakt kommt gehäuft vor.<br />
Bei einem akuten Verlauf kann eine Hämolyse – bedingt<br />
durch eine Kupferfreisetzung aus der Leber, auftreten.<br />
Pathophysiologie<br />
Das krankhafte ATP7B-Gen konnte identifiziert und bisher<br />
über 200 verschiedene Mutationen unterschieden werden.<br />
Das Transporteiweiß für Kupfer hat einen Defekt, so dass<br />
es zur Akkumulation von Kupfer in verschiedenen Organen<br />
kommt, dabei ist die Speicherung in der Leber und<br />
im Gehirn für den Patienten von besonderer Bedeutung.<br />
Diagnose<br />
Durch die Bestimmung von Coeruloplasmin (Normwert<br />
> 25 mg%; Morbus Wilson < 20 mg%) im Serum wird<br />
die Diagnose gestellt. Ist dieses erniedrigt erfolgt eine<br />
Messung der 24h-Kupferausscheidung im Urin (Normwert<br />
20–50 µg/Tag). Die Diagnosesicherung erfolgt<br />
durch die quantitative Kupferbestimmung im Leber-
gewebe (Normwert < 40 µg/g Trockengewicht; Morbus<br />
Wilson > 250 µg/g Trockengewicht).<br />
Therapie<br />
Die Therapie besteht in der Gabe von D-Penicillamin<br />
(1,0 g/Tag), einem Chelatbildner, der Kupfer bindet, das<br />
dadurch über den Urin ausgeschieden werden kann.<br />
Zur Verringerung der Nebenwirkungen erhalten die<br />
Patienten Vitamin B6. Als Alternative kommt Trientene<br />
(1,0 g/Tag), das ebenfalls ein Chelatbildner ist in Frage.<br />
Zink (150 mg/Tag bzw. 3 mg/kg KG) kann im Anschluss<br />
an die Entspeicherung mit D-Penicillamin oder Trientene<br />
gegeben werden. Zink und Chelatbildner müssen zeitlich<br />
versetzt eingenommen werden. Durch die konsequente<br />
Behandlung können eine völlige Normalisierung der<br />
Leberfunktion und bei frühzeitiger Diagnose auch eine<br />
normale Lebenserwartung erreicht werden.<br />
19
20<br />
3.4 α1-Antitrypsin-Mangel<br />
Der α1-Antitrypsin-Mangel ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung.<br />
Etwa einer von 2000 Menschen ist<br />
homozygot für ein mutiertes PiZ-Gen (ZZ- oder SS-Phänotyp).<br />
Die Patienten hatten in der Kindheit eventuell eine<br />
Cholestase. Eine gleichzeitige Lungenerkrankung ist<br />
häufig.<br />
Pathophysiologie<br />
Es wurden bisher über 60 verschiedene Mutationen im<br />
α1-Antitrypsin-Gen gefunden. Sie bewirken einen Aufstau<br />
von α1-Antitrypsin in der Leberzelle, wodurch diese<br />
geschädigt wird.<br />
Diagnose<br />
Die Diagnose wird durch den Nachweis einer Erniedrigung<br />
von α1-Antitrypsin im Serum (< 0,5g/l) gestellt. Zur<br />
Sicherung der Diagnose werden M-, Z- und S-Phänotyp<br />
analysiert.<br />
Therapie<br />
Eine krankheitsspezifische Behandlung existiert nicht.<br />
Eine Gentherapie durch Ersatz des krankhaften Gens ist<br />
in Entwicklung.
3.5 Porphyrien<br />
Die Porphyrien sind gekennzeichnet durch Störungen der<br />
Hämbiosynthese. Es können erythropoetische von hepatischen<br />
Porphyrien unterschieden werden, außerdem akute<br />
von nicht akuten. Eine Differenzierung der verschiedenen<br />
Formen ist durch die Bestimmung des Enzymdefekts, der<br />
die Stoffwechselstörung verursacht, möglich.<br />
Akute hepatische Porphyrien<br />
Pathophysiologie und Klinik<br />
Die akuten hepatischen Porphyrien (akute intermittierende<br />
Porphyrien [AIP], Porphyria variegata, hereditäre Koproporphyrie<br />
und Doss-Porphyrie) werden infolge einer<br />
Dysregulation mit Induktion der hepatischen Porphyrinbiosynthese<br />
metabolisch und klinisch manifest.<br />
Charakteristische Symptome<br />
• akute intermittierend einsetzende, kolikartige abdominelle<br />
Schmerzen, die sich bis zur Ileus-Symptomatik<br />
verstärken können<br />
• Rückenschmerzen<br />
• Erbrechen<br />
• Obstipation<br />
•Tachykardie und Hypertonie<br />
• neurologische Symptome wie Muskelschwäche,<br />
Parästhesien und periphere Lähmungen, epileptiforme<br />
Krämpfe<br />
• psychische Symptome, die als Psychose oder Depression<br />
fehlgedeutet werden können<br />
Aufsteigende Lähmungen bis zur Tetraparese sind die<br />
häufigsten Komplikationen einer nicht erkannten und<br />
unbehandelten Porphyriekrise.<br />
21
22<br />
Diagnose<br />
Die Diagnose beruht auf dem Nachweis einer exzessiv<br />
erhöhten Ausscheidung der beiden Porphyrinvorläufer<br />
δ-Aminolävulinsäure und Porphobilinogen sowie der<br />
Porphyrine im Urin.<br />
Zur Diagnosesicherung genügt eine Spontanurinprobe<br />
von ca. 20 ml während der akuten Phase.<br />
Bei manifester AIP sind diese Exkretionsparameter um<br />
das Mehrfache im Vergleich zur Norm erhöht. Zur Differenzialdiagnose<br />
der akuten und zur Abgrenzung der<br />
chronischen hepatischen Porphyrien sind weitere Untersuchungen<br />
der Porphyrinbiosynthese-Parameter in Stuhl<br />
und Blut erforderlich. Eine genetische Analyse ist heute<br />
möglich. Bei der akuten intermittierenden Porphyrie, die<br />
autosomal dominant vererbt wird, finden sich Mutationen<br />
auf Chromosom 11q24.1.-q24.2. Porphyria variegata<br />
und hereditäre Koproporphyrie werden ebenfalls<br />
autosomal dominant vererbt (Chromosom 1q22 bzw.<br />
3q12) während der Erbgang bei der ALA-Defizienz<br />
Porphyrie autosomal rezessiv ist (Chromosom 9q34).<br />
Therapie<br />
Mit Hämarginat steht ein wirksamer Arzneistoff zur Behandlung<br />
der akuten Porphyrien zur Verfügung, der die<br />
Induktion und Dysregulation des Porphyrieprozesses in<br />
der Leber unterdrückt. Dieses spezifische Wirkprinzip<br />
führt über einen Rückgang der metabolischen Expression<br />
zur klinischen Remission. Hämarginat sollte erst bei gesicherter<br />
Diagnose einer klinisch aktiven AIP oder anderer<br />
akuter hepatischer Porphyrien verabreicht werden. Das<br />
heißt, dass die Applikation von Hämarginat bei einer<br />
hohen Metabolitenausscheidung von δ-Aminolävulinsäure,<br />
Porphobilinogen und Porphyrinen indiziert ist. Zur<br />
Objektivierung von Therapieerfolg und Verlaufskontrolle<br />
sollten die Exkretionsparameter nach der Behandlung<br />
kontrolliert werden. Es ist ein Rückgang um mindestens
die Hälfte, je nach Höhe der pathologischen Ausgangslage,<br />
zu erwarten.<br />
Anwendung von Hämarginat<br />
Sobald die Diagnose einer hepatischen Porphyrie bestätigt<br />
ist, wird die intravenöse Behandlung mit Hämarginat<br />
begonnen. Hämarginat wird in einer Dosierung von<br />
3 mg/kg KG/Tag an 4 aufeinander folgenden Tagen verabreicht.<br />
Gleichzeitig sollte eine kohlenhydrat- und proteinreiche<br />
Nahrung per os oder über eine Sonde gegeben<br />
werden. Bei schweren Verlaufsformen empfiehlt sich die<br />
intravenöse Zufuhr von 300–400 g Glukose pro Tag bzw.<br />
4–6 g Kohlenhydrate/kg KG.<br />
Weitere Maßnahmen betreffen eine symptomatische<br />
Therapie (z. B. Opiate bei Schmerzen, Propranolol bei<br />
Hypertonie und Tachykardie etc.), Absetzen und Meidung<br />
porphyrinogener Medikamente, die in der Roten Liste<br />
im Anhang unter „Arzneistoffe bei akuten hepatischen<br />
Porphyrien” verzeichnet sind.<br />
23
24<br />
3.6 Autoimmunhepatitis<br />
Unter dem Begriff Autoimmunhepatitis werden eine<br />
Reihe seltener Formen chronischer Lebererkrankungen<br />
zusammengefasst, bei denen sich verschiedene Autoantikörper<br />
nachweisen lassen. Sie kommen bei Frauen<br />
häufiger als bei Männern vor. Typische Symptome sind<br />
Juckreiz, Gelenkschmerzen und ein Ikterus. Die extrahepatischen<br />
Symptome wie Arthralgien, Arthritis, kutane<br />
Vaskulitis und Glomerulonephritis werden durch zirkulierende<br />
Immunkomplexe hervorgerufen.<br />
Pathophysiologie<br />
Ätiologie und Pathogenese der Erkrankungen sind unklar.<br />
Genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen, da<br />
bestimmte Histokompatibilitätshaplotypen, die gehäuft<br />
bei Autoimmunerkrankungen beobachtet werden (HLA-<br />
B1, -B8, -DR3 und -DR4) auch bei der Autoimmunhepatitis<br />
vorkommen. Zudem treten andere Autoimmunerkrankungen<br />
wie Thyreoiditis, rheumatoide Arthritis, hämolytische<br />
Anämie, Colitis ulcerosa, proliferative Glomerulonephritis,<br />
juveniler Diabetes mellitus und Sjögren Syndrom<br />
häufiger bei Patienten mit Autoimmunhepatitis oder<br />
ihren Verwandten auf. Die zelluläre Immunantwort spielt<br />
wahrscheinlich eine wesentliche Rolle. Zytotoxische Lymphozyten,<br />
die gegen bestimmte Zellbestandteile gerichtet<br />
sind, sollen zur Zerstörung von Leberzellen führen. Die<br />
gemessenen Autoantikörper sind wahrscheinlich nur<br />
Ausdruck der Lebererkrankung, stellen jedoch nicht<br />
deren Ursache dar.<br />
Diagnose<br />
Bei einem Verdacht auf eine Autoimmunhepatitis werden<br />
Autoantikörper bestimmt: Antikörper gegen Zellkernbestandteile<br />
(ANA, antinukleäre Antikörper), gegen glatte<br />
Muskulatur (SMA, smooth muscle antibodies), gegen<br />
Mikrosomen aus Leber und Niere (LKM, liver, kidney
microsomal antibodies) und gegen lösliche Leberantigene<br />
(Anti-SLA, soluble liver antigen). Die feingewebliche<br />
Untersuchung stützt die Diagnose häufig.<br />
Therapie<br />
Durch die Gabe von Kortikosteroiden (initial 30–50 mg/Tag,<br />
dann Reduktion bis auf 5–10 mg/Tag) und Azathioprin<br />
(1 mg/Tag/kg KG oder 50 mg/Tag) kann die Erkrankung<br />
wesentlich gebessert, z. T. auch geheilt werden. Die<br />
Medikamente müssen über mehrere Jahre konsequent<br />
eingenommen werden. Zu beachten ist, dass Azathioprin<br />
selbst zu einer Leberschädigung führen kann.<br />
Zunehmend gelangen auch andere Immunsuppressiva<br />
wie Ciclosporin A, Tacrolimus und Mycophenolat Mofetil<br />
zum Einsatz.<br />
25
26<br />
3.7 Primär biliäre Zirrhose<br />
Die primär biliäre Zirrhose (PBC) ist eine chronisch progressive<br />
Lebererkrankung, die mit einer Zerstörung der<br />
kleineren und mittleren Gallengänge einhergeht. Die<br />
PBC tritt familiär gehäuft auf, und zwar bevorzugt bei<br />
Frauen (Verhältnis Männer zu Frauen 5 zu 95 bis 10 zu<br />
90) nach dem 40. Lebensjahr. Die Prävalenz wird mit<br />
etwa 30 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner bzw.<br />
80/100.000 Frauen angegeben. Die Häufigkeit der<br />
Erkrankung hat im letzten Jahrzehnt ständig zugenommen,<br />
was auch damit zusammenhängen kann, dass die<br />
Krankheit wegen besserer diagnostischer Möglichkeiten<br />
häufiger und früher entdeckt wird.<br />
Die Frühsymptome sind relativ unspezifisch. Am häufigsten<br />
klagen die Patienten über Müdigkeit/Abgeschlagenheit,<br />
Verdauungsbeschwerden und besonders über Juckreiz.<br />
Typische Leberzeichen, wie z. B. ein Ikterus oder<br />
Xanthelasmen, können im Frühstadium der Erkrankung<br />
fehlen.<br />
Pathophysiologie<br />
Die Ursache der primär biliären Zirrhose ist unklar. Ebenso<br />
wie erhöhte IgM-Spiegel weisen die antimitochondrialen<br />
Antikörper (AMA), die bei mehr als 95% der Betroffenen<br />
nachzuweisen sind, auf eine autoimmune Genese<br />
der Erkrankung hin. Die PBC tritt gehäuft zusammen mit<br />
anderen Autoimmunerkrankungen auf, wie z. B. Keratokonjunktivitis<br />
sicca (72–100%), Arthritis/Arthropathie<br />
(4–42%), Autoimmunthyreoiditis (15–20%), CREST-Syndrom<br />
(7%), Raynaud-Syndrom (8%) und Sklerodermie<br />
(3–4%).<br />
Virale, bakterielle sowie toxische Faktoren und Umwelteinflüsse<br />
wurden als eigentlicher Auslöser diskutiert. In<br />
der Regel verläuft die PBC über 5–10 Jahre asymptomatisch.<br />
Erst beim Fortschreiten der Erkrankung ist ein
zunehmender Pruritus, der das Hauptsymptom der PBC<br />
darstellt, festzustellen. Die durchschnittliche Überlebenszeit<br />
beträgt nach Auftreten des Ikterus 6–7 Jahre oder<br />
10–12 Jahre nach der Erstdiagnose.<br />
Diagnose<br />
Die Verdachtsdiagnose PBC sollte gestellt werden, wenn<br />
• γ-GT und/oder alkalische Phosphatase (AP) erhöht sind,<br />
IgM und/oder Bilirubin erhöht sind (die Transaminasen<br />
SGOT oder SGPT sind in der Regel nur wenig erhöht),<br />
• der Patient über Juckreiz klagt und<br />
• weiblich ist.<br />
Da Laborwerte in den Frühstadien noch wenig und uncharakteristisch<br />
verändert sein können, ist die Immunserologie<br />
von besonderer Bedeutung. Bei nahezu 100%<br />
der Betroffenen sind antimitochondriale Antikörper<br />
(AMA), insbesondere die Subgruppe AMA-M2, nachweisbar.<br />
Weitere Autoantikörper werden ebenfalls beobachtet;<br />
Rheumafaktoren (70%), Antikörper gegen glatte<br />
Muskulatur (SMA 66%), Schilddrüsen-Antikörper (41%)<br />
und antinukleäre Antikörper (35%).<br />
Zum Ausschluss von Tumoren oder Gallensteinen muss<br />
eine Sonographie durchgeführt werden. Eine Leberbiopsie<br />
ist zur Diagnosestellung nicht unbedingt erforderlich<br />
jedoch bei der Stadieneinteilung hilfreich.<br />
Therapie<br />
Die Behandlung der primär biliären Zirrhose mit Ursodeoxycholsäure<br />
(10–15 mg/kg KG/Tag) führt bei den meisten<br />
Patienten zu einer Besserung, bei 30% sogar zur Normalisierung<br />
der erhöhten Leberwerte, zum Teil wird auch<br />
bei der feingeweblichen Beurteilung der Leber eine Besserung<br />
beobachtet. Besonders im präzirrhotischen Stadium<br />
konnte eine Verlangsamung der Krankheitsprogredienz<br />
und Zunahme der Lebenserwartung gezeigt werden.<br />
Die Wirkung von Ursodeoxycholsäure ist umso<br />
besser, je früher mit der Therapie begonnen wird. Spät-<br />
27
28<br />
formen der PBC sind weniger effektiv zu behandeln.<br />
Die Behandlung muss mehrere Jahre, wenn nicht sogar<br />
lebenslang, fortgeführt werden.<br />
Einige Patienten profitieren von der Kombinationsbehandlung<br />
mit Ursodeoxycholsäure und Prednison oder<br />
dem topischen Kortikosteroid Budesonid (3 × 3 mg/Tag).<br />
Liegt eine Osteoporose vor, ist eine Substitutionstherapie<br />
mit Vitamin D und Kalzium indiziert, bei Nachtblindheit<br />
erfolgt eine Vitamin A-Gabe, bei Gerinnungsstörung<br />
wird Vitamin K gegeben. Der Pruritus wird mit Colestyramin<br />
(4-16 g/Tag) behandelt und muss im zeitlichen<br />
Abstand zur Ursodeoxycholsäure erfolgen.
3.8 Primär sklerosierende Cholangitis<br />
Bei der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) handelt<br />
es sich um eine chronische obliterierende Entzündung<br />
der intra- und extrahepatischen Gallenwege. Männer<br />
sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Die Erstmanifestation<br />
liegt zwischen dem 25. und 40. Lebensjahr.<br />
Die PSC kommt bei 1–8 pro 100.000 Einwohner<br />
vor. In ca. 80% der Fälle ist die PSC mit einer chronisch<br />
entzündlichen Darmerkrankung vergesellschaftet.<br />
Pathophysiologie<br />
Die Ursache der PSC ist nicht geklärt. Möglicherweise<br />
basiert die Erkrankung auf einem Autoimmunprozess.<br />
Autoantikörper können bei einem Teil der Patienten<br />
nachgewiesen werden (ANCA, Autoantikörper gegen<br />
Granulozyten 84%; Anti-Cardiolipin-Antikörper 66%;<br />
antinukleäre Antikörper, ANA 53%). Auffallend ist eine<br />
hohe Assoziation (> 85%) mit Colitis ulcerosa oder Morbus<br />
Crohn. Umgekehrt liegt bei 4–6% der Patienten mit<br />
Colitis ulcerosa eine PSC vor. Neben immunologischen<br />
Aspekten wird auch eine genetische Disposition für die<br />
Krankheit verantwortlich gemacht.<br />
Diagnose<br />
Die Verdachtsdiagnose sollte gestellt werden<br />
• wenn γ-GT und/oder alkalische Phosphatase (AP) erhöht<br />
sind (die Transaminasen [SGOT oder SGPT] sind<br />
in der Regel nur wenig erhöht),<br />
• AMA negativ sind,<br />
• wenn der Patient über Juckreiz klagt,<br />
• eine chronisch entzündliche Darmerkrankung bekannt<br />
ist,<br />
•rezidivierend erhöhte Temperatur, Fieber oder Gewichtsverlust<br />
auftreten und<br />
• wenn es sich um einen männlichen Patienten zwischen<br />
25 und 40 Jahren handelt.<br />
29
30<br />
Die Diagnose wird durch die endoskopische retrograde<br />
Cholangiopankreatikographie (ERCP) gesichert, bei der<br />
sich typische Veränderungen zeigen. Bei ca. 5% der<br />
Patienten sind nur die kleinen Gallengänge (small-duct<br />
PSC) betroffen, die Diagnose erfolgt durch die Leberbiopsie.<br />
Zum Ausschluss von Tumoren oder Gallensteinen muss<br />
eine Sonographie durchgeführt werden.<br />
Therapie<br />
Eine kausale Therapie existiert nicht. Die Behandlung mit<br />
Ursodeoxycholsäure (10–20 mg/kg KG/Tag) bessert die<br />
Laborparameter bei einem Teil der Patienten. Die Stenosen<br />
können endoskopisch dilatiert werden. Die Kombination<br />
von Ursodeoxycholsäure und endoskopischer Dilatation<br />
führt zur Lebensverlängerung. Es muss rechtzeitig<br />
an eine Lebertransplantation gedacht werden, da bei der<br />
PSC gehäuft Gallengangskarzinome auftreten.
3.9 Overlap-Syndrome<br />
Overlap-Syndrome sind dadurch charakterisiert, dass sie<br />
typische Befunde verschiedener Erkrankungen gleichzeitig<br />
aufweisen, und eine eindeutige Zuordnung nicht<br />
möglich ist. Es kommen Kombinationen der Autoimmunhepatitis<br />
mit Veränderungen wie bei PBC oder PSC vor.<br />
Bei Hepatitis C-Infizierten können Autoantikörper auftreten.<br />
Patienten mit klinischen und histologischen Veränderungen<br />
der PBC können AMA-negativ sein. Auch kann<br />
es im Verlauf zu einer Änderung der klinischen Symptome<br />
und der immunologischen Befunde kommen.<br />
Pathogenese<br />
Die Pathogenese der Overlap-Syndrome ist unklar. Die<br />
bei einem Teil beobachteten Antikörper sind Indikatoren<br />
der Erkrankung, spielen aber bei der Pathogenese wahrscheinlich<br />
keine Rolle. Autoantikörper, die beobachtet<br />
werden, sind AMA, ANA, SMA, ANCA und LKM-1.<br />
Diagnostik<br />
Die Bestimmung der Transaminasen, der alkalischen<br />
Phosphatase, der γ-Glutamyltranspeptidase und der<br />
verschiedenen Autoantikörper ist ebenso notwendig<br />
wie die Leberhistologie. Bei einigen Patienten ist eine<br />
ERCP notwendig.<br />
Therapie<br />
Es wird mit Hilfe der aufgeführten Parameter versucht<br />
abzuklären, ob die Erkrankung mehr die Züge einer<br />
cholestatischen Lebererkrankung – PBC oder PSC – oder<br />
der Autoimmunhepatitis zeigt. Steht die Cholestase im<br />
Vordergrund, wird die Behandlung mit Ursodeoxycholsäure<br />
begonnen und bei Nichtansprechen Immunsuppressiva<br />
wie bei der Autoimmunhepatitis dazugegeben.<br />
Hat die Erkrankung mehr Züge einer Autoimmunhepatitis,<br />
so wird mit der immunsuppressiven Therapie begon-<br />
31
32<br />
nen und eventuell Ursodeoxycholsäure von Beginn an<br />
zugefügt. Bei Patienten mit Hepatitis C und im Blut<br />
nachweisbarer HCV RNA wird eine antivirale Therapie<br />
mit pegyliertem Interferon in Kombination mit Ribavirin<br />
durchgeführt. Ist die Behandlung erfolglos, kann ein Versuch<br />
mit Kortikosteroiden und Azathioprin durchgeführt<br />
werden.
3.10 Leberbeteiligung bei der zystischen<br />
Fibrose<br />
Die zystische Fibrose ist eine der häufigsten vererbaren<br />
multisystemischen Erkrankungen. Ungefähr 5% der<br />
weißen Bevölkerung sind für das CFTR-Gen heterozygot;<br />
bei ihnen kommt eine <strong>Dr</strong>eibasenpaardeletion (△F08) am<br />
häufigsten vor (70%), obwohl inzwischen mehr als 1000<br />
Mutationen des CFTR-Gens beschrieben wurden.<br />
Die Prävalenz der Erkrankung beträgt 1:1600. Bis vor<br />
wenigen Jahren überlebten nur wenige Patienten das<br />
2. Lebensjahrzehnt. Angaben über eine Leberbeteiligung<br />
variieren zwischen 2 und 17%. Diese Differenz ergibt<br />
sich vermutlich aufgrund einer gestiegenen Lebenserwartung<br />
in den zurückliegenden 2 Jahrzehnten. Bei<br />
Erwachsenen ist die zunehmende Leberbeteiligung<br />
eines der Hauptprobleme der Erkrankung.<br />
Eine Leberbeteiligung kann sich in Form einer chronischen<br />
Cholestase, einer Entzündung, einer Fettleber,<br />
einer Fibrose bis hin zur Zirrhose äußern. Extrahepatische<br />
Erkrankungen der Gallengänge sind häufig.<br />
Pathophysiologie<br />
Die ursächliche Schädigung betrifft das Transportsystem<br />
der Cholangiozyten. Die verschlechterte Sekretionsfähigkeit<br />
des biliären Epithels ist vermutlich für die verminderte<br />
Gallefluidität und eine Alkalose verantwortlich. Zusammenhänge<br />
zwischen bestimmten Mutationen des<br />
CFTR-Gens und einer Leberbeteiligung konnten bisher<br />
nicht nachgewiesen werden.<br />
Diagnose<br />
Die Diagnose einer Leberbeteiligung bei der zystischen<br />
Fibrose wird gestellt wenn:<br />
• γ-GT, Transaminasen und die alkalische Phosphatase<br />
erhöht sind,<br />
33
34<br />
• die MRT Stenosen, Dilatationen und eine Versteifung<br />
der Gallengänge zeigt.<br />
Therapie<br />
Bei hochgradigen Stenosen im Gallengangsystem wird<br />
eine Dilatation empfohlen. Bei einer Cholangitis ist eine<br />
Antibiotikatherapie notwendig. Ursodeoxycholsäure<br />
(10–30 mg/kg KG/Tag) führt zu einer Verbesserung der<br />
Leberfunktionswerte. Hohe Dosierungen deuten auf eine<br />
höhere Wirksamkeit hin, wenngleich die Anzahl solcher<br />
Studien noch gering ist.
3.11 Leberbeteiligung bei Sprue<br />
Die Sprue ist eine Erkrankung des Dünndarms und Folge<br />
einer Glutenunverträglichkeit, die mit einer Abflachung<br />
des Zottenreliefs des Dünndarms einhergeht. Die Prävalenz<br />
der Sprue beträgt 1 pro 1000 Einwohner. Bis zu<br />
ca. 40% der Patienten mit gesicherter Sprue haben<br />
erhöhte Leberwerte. Bis zu 5% der Patienten mit ungeklärter<br />
Transaminasenerhöhung haben Antikörper gegen<br />
Gliadin und/oder Gewebstransglutaminase.<br />
Pathophysiologie<br />
Die Pathophysiologie der Lebererkrankung bei Sprue ist<br />
ungeklärt. Es finden sich häufig Antikörper gegen Gewebstransglutaminase<br />
(tTG).<br />
Diagnose<br />
Die Diagnose einer Leberbeteiligung bei der Sprue wird<br />
gestellt wenn:<br />
• γ-GT, Transaminasen und die alkalische Phosphatase<br />
erhöht sind,<br />
• Antikörper gegen Gewebstransglutaminase und/oder<br />
Gliadin positiv sind.<br />
Therapie<br />
Die Gluten-freie Diät führt bei ca. 90% der Patienten zu<br />
einer Normalisierung der Leberwerte. Unbehandelt kann<br />
die Sprue zu einer Leberzirrhose führen.<br />
35
36<br />
3.12 Medikamentöse Leberschädigung<br />
Medikamentöse Leberschäden, die klinisch bedeutsam<br />
sind, kommen – gemessen an der Gesamtheit aller Medikamente,<br />
selten vor. Weniger als 5% der akuten Leberschäden<br />
und Ikterus-Patienten sind durch Medikamente<br />
verursacht, bei den chronischen Lebererkrankungen ist<br />
der Anteil noch geringer. Bei älteren Patienten treten<br />
medikamentöse Leberschädigungen häufiger auf. Geringe<br />
Erhöhungen der Transaminasen, der γ-Glutamyltranspeptidase<br />
(γ-GT) und der alkalischen Phosphatase treten<br />
etwas häufiger auf, beispielsweise bei einigen Tuberkulostatika.<br />
Die Veränderungen sind in der Regel reversibel.<br />
In vielen Fällen kann bzw. muss das verantwortliche<br />
Medikament, trotz der geringen Leberschädigung, weitergegeben<br />
werden. Medikamente können auf ganz verschiedene<br />
Weise Lebererkrankungen verursachen. Bis auf<br />
wenige Ausnahmen kann jedes Medikament zu einer<br />
Leberschädigung führen.<br />
Eine Vielzahl von Chemikalien kann zu schweren Leberschädigungen<br />
führen. Hierzu gehören vor allen Dingen<br />
organische Lösungsmittel.<br />
Pathophysiologie<br />
Formal können toxische, also dosisabhängige, voraussagbare<br />
Leberschädigungen von idiosynkratischen, nicht<br />
voraussehbaren Überempfindlichkeitsreaktionen unterschieden<br />
werden.<br />
Bei den meisten Medikamenten erfolgt zunächst eine<br />
chemische Reaktion, die in nachfolgenden Schritten die<br />
Koppelung an körpereigene Substanzen erlaubt, wodurch<br />
eine Ausscheidung über die Niere oder die Galle ermöglicht<br />
wird. Diese Reaktionen sind z. T. sehr komplex und<br />
beinhalten Reaktionsschritte mit dem so genannten<br />
Zytochrom-P450-System. Bei der toxischen Form kommt<br />
es dosisabhängig bei jedem Menschen zur Schädigung,<br />
bei der Überempfindlichkeitsreaktion ist nur ein bestimmter<br />
Personenkreis entweder durch einen veränder-
ten Stoffwechsel oder durch eine allergisch-immunologische<br />
Reaktion betroffen.<br />
Die Substanzen können zu verschiedenen Schädigungsmustern<br />
führen: Leberzellverfettung, Zelluntergang,<br />
Cholestase (die in diesem Fall einem Galleaufstau in der<br />
Leberzelle entspricht), vermehrte Bindegewebsbildung,<br />
entzündliche Reaktion, Gefäßveränderungen und in<br />
seltenen Fällen auch Entstehung von Tumoren.<br />
Diagnose<br />
Diagnoseweisend ist die Krankengeschichte, aus der eine<br />
Exposition mit leberschädigenden Medikamenten oder<br />
potenziell leberschädigenden Chemikalien hervorgeht.<br />
Heutzutage muss insbesondere auch nach „alternativen“<br />
Medikamenten – wie Heilkräutern, Tees, gefragt werden,<br />
da diese ebenfalls leberschädigend sein können.<br />
Die feingewebliche Untersuchung erhärtet den Verdacht;<br />
das Verschwinden der Symptome und der pathologischen<br />
Leberwerte nach Absetzen des Medikaments<br />
bzw. das Ausschalten der Exposition gegenüber der<br />
Chemikalie beweist ihn.<br />
Therapie<br />
Eine spezielle Behandlung abgesehen vom Absetzen<br />
des Medikaments und der Vermeidung der ursächlichen<br />
Chemikalienexposition existiert nicht.<br />
37
38<br />
3.13 Alkoholischer Leberschaden<br />
Alkohol ist in Europa die häufigste Ursache für chronische<br />
Lebererkrankungen. <strong>Dr</strong>ei alkoholbedingte Krankheitsbilder<br />
können unterschieden werden: 1. die Fettleber,<br />
2. die Alkoholhepatitis und 3. die Leberzirrhose. Die<br />
regelmäßig konsumierte Alkoholmenge, ab der eine<br />
Leberschädigung innerhalb von 10 Jahren auftreten<br />
kann, beträgt bei der Frau 20–30 g/Tag und beim Mann<br />
70–80 g/Tag. Der Übergang zwischen den 3 Krankheitsbildern<br />
ist fließend.<br />
Bei der Fettleber steht die stark vergrößerte Leber im<br />
Vordergrund, und häufig wird ein <strong>Dr</strong>uckgefühl im Oberbauch<br />
angegeben. Die Leberfunktion ist meist nicht<br />
beeinträchtigt. Klinisch bedeutsamer ist die Fettleberhepatitis,<br />
die mit Leberzellschädigung, Zelltod und Funktionseinbuße<br />
einhergeht. Es können lebensbedrohliche Verläufe<br />
vorkommen. Beide Krankheitsbilder sind bei völligem<br />
Verzicht auf Alkohol in der Regel reversibel. Die<br />
alkoholische Leberzirrhose unterscheidet sich von den<br />
Symptomen und den Befunden nicht von einer Zirrhose<br />
anderer Ursache.<br />
Pathophysiologie<br />
Alkohol führt zu einer Vielzahl von Beeinflussungen des<br />
Stoffwechsels. Bei chronisch erhöhtem Alkoholkonsum<br />
können sich die Störungen des Redoxpotenzials auswirken.<br />
Dem ersten Abbauprodukt des Alkohols, dem Acetaldehyd,<br />
wird eine wesentliche Rolle bei der Leberzellschädigung<br />
und der Bindegewebsneubildung zugeschrieben.<br />
Im Fettstoffwechsel kommt es zu einer vermehrten Bildung<br />
von Fetten und einem verminderten Abbau, hieraus resultiert<br />
die Verfettung der Leberzelle. Die Eiweißsynthese<br />
wird ebenfalls gestört. Der Abbau von Medikamenten
wird häufig verlangsamt, so dass ihre Wirkung verstärkt<br />
und verlängert ist. Durch chronischen Alkoholkonsum<br />
und der häufig mit dem Alkoholismus verbundenen<br />
Mangelernährung kommt es zu Vitamin- und Spurenelementemangel.<br />
Diagnose<br />
Die Fettleber kann getastet werden. Im Ultraschall weist<br />
sie ein typisches Bild auf, während die Laboruntersuchungen<br />
keine wesentlichen Funktionseinschränkungen<br />
anzeigen. Die γ-GT ist häufig mehr oder weniger stark<br />
erhöht und das Erythrozytenvolumen ebenfalls. Differenzialdiagnostisch<br />
muss bei der Fettleber an einen Diabetes<br />
mellitus, Übergewicht und Medikamente gedacht werden<br />
(Tab. 3).<br />
Ätiologie Pathogenese Fettverteilung Lokalisation Andere<br />
des Zellkerns Charakteristika<br />
Alkohol Oxidation von diffus peripher neutrophile<br />
Fettsäuren Infiltrate<br />
toxisch Mallory bodies<br />
Diabetes<br />
mellitus Typ I<br />
Lipolyse diffus peripher unspezifisch<br />
Diabetes<br />
mellitus Typ II<br />
Lipogenese<br />
Adipositas Nahrungsfett zentrolobulär<br />
diffus<br />
peripher unspezifisch<br />
medikamen- Sekretion von diffus zentral unspezifisch<br />
tentoxisch<br />
(z. B. Tetrazykline)<br />
VLDL<br />
Tabelle 3<br />
Klinische Symptome und Befunde bei Alkoholhepatitis und anderen Lebererkrankungen mit Fettleber<br />
39
40<br />
Die Fettleberhepatitis ist durch eine hohe Leukozytenzahl<br />
im Blut, ein hohes Serumbilirubin und hohe Leberenzyme<br />
im Blut charakterisiert, als Ausdruck einer schweren<br />
Leberschädigung. Auch die Synthese ist eingeschränkt,<br />
erkenntlich an einer erniedrigten Prothrombinzeit (Quickwert).<br />
Therapie<br />
Bei der Therapie aller Formen der alkoholischen Lebererkrankung<br />
steht der absolute und dauerhafte Verzicht auf<br />
Alkohol im Vordergrund. Eine ergänzende Maßnahme<br />
kann in der Anfangsphase die Einnahme von Vitaminen<br />
und Spurenelementen sein.
3.14 Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung<br />
(NAFLD) und nicht-alkoholische<br />
Fettleberhepatitis (NASH)<br />
Diese Leberkrankheiten sind charakterisiert durch eine<br />
vermehrte Fetteinlagerung in die Leber (NAFLD), die<br />
z. T. mit erhöhten Transaminasen einhergehen (NASH).<br />
Die Terminologie ist derzeit noch uneinheitlich. Andere<br />
Ursachen, insbesondere ein erhöhter Alkoholgenuss,<br />
müssen zuvor ausgeschlossen werden. Eine Fettleber –<br />
vermehrte Fetteinlagerung in die Leber ohne erhöhte<br />
Transaminasen – findet sich bei Übergewicht. Aus unbekannten<br />
Gründen kann sich daraus eine nicht-alkoholische<br />
Fettleberhepatitis mit erhöhten Transaminasen entwickeln,<br />
bei der es bei 15–50% zu einer Fibrose oder<br />
Zirrhose (7–16%) kommt.<br />
Bei der NASH sollen neben dem Übergewicht noch eine<br />
Insulinresistenz oder ein Diabetes mellitus, eine Hyperlipidämie<br />
und eventuell ein rascher Gewichtsverlust eine<br />
Rolle spielen. Nach ausgedehnten Dünndarmresektionen<br />
und operativen Eingriffen zur Gewichtsreduktion – wie<br />
Gastropexie und jejunoilealem Bypass – wurde eine NASH<br />
ebenfalls beobachtet.<br />
Pathophysiologie<br />
Eine einheitliche Pathogenese existiert nicht. Derzeit<br />
besteht die Annahme, dass NASH multifaktoriell ist. Eine<br />
Rolle sollen ein Ungleichgewicht im Aminosäurestoffwechsel,<br />
eine Hyperglykämie, erhöhte Insulinspiegel,<br />
vermindertes Leptin und Endotoxin spielen. Durch diese<br />
Faktoren kommt es zu einer Steigerung der Lipogenese.<br />
NASH und alkoholischer Leberschaden haben einige<br />
Gemeinsamkeiten, wie die Aktivierung mikrosomaler<br />
Enzyme, erhöhte Endotoxinkonzentrationen im Blut,<br />
erhöhte TNF-α-Konzentration und verringerte ATP-Gehalte<br />
im Lebergewebe.<br />
41
42<br />
Diagnose<br />
Patienten mit NASH haben typischerweise leicht bis mittelgradig<br />
erhöhte Transaminasen, häufig ist die γ-Glutamyltranspeptidase<br />
ebenfalls erhöht. Erhöhte Glukosekonzentrationen,<br />
bedingt durch eine Insulinresistenz, Hypercholesterinämie<br />
und Hypertriglyceridämie finden sich bei<br />
25–75% der Patienten. Im Ultraschall werden Zeichen<br />
einer Leberverfettung mit homogener Vermehrung der<br />
Binnenechos beobachtet. Diagnoseweisend ist die Leberhistologie.<br />
Hier zeigen sich eine großtropfige, seltener<br />
kleintropfige Fetteinlagerung, fokale Nekrosen und entzündliche<br />
Infiltrate. Im weiteren Verlauf kommt es zur<br />
Fibrose und später Zirrhose.<br />
Therapie<br />
Eine spezifische Therapie existiert nicht. Empfohlen wird<br />
eine (langsame) Normalisierung des Gewichts, eine optimale<br />
Blutzuckereinstellung bei Diabetikern und eine Behandlung<br />
einer eventuell vorhandenen Hyperlipidämie.<br />
In ersten Pilotuntersuchungen wurde Ursodeoxycholsäure<br />
eingesetzt. Dabei kam es unter anderem zu einem Abfall<br />
von GPT, GGT und ChE sowie in einer der Studien zu einer<br />
signifikanten Abnahme des Leberfettgehalts.<br />
Falls Medikamente als Ursache mit in Frage kommen,<br />
sollen diese – wenn möglich – abgesetzt werden.
3.15 Leberzirrhose<br />
Die Leberzirrhose stellt das Endstadium vieler Lebererkrankungen<br />
dar. Es kommt zu einem Umbau der Leberarchitektur<br />
mit einer Zerstörung des geordneten und<br />
funktionell notwendigen Aufbaus der Leber. Dies hat<br />
Auswirkungen auf den Blutfluss, den Stoffwechsel und<br />
die Entgiftungsfunktion der Leber.<br />
Durch die behinderte Leberdurchblutung kommt es zum<br />
Aufstau vor der Leber in der Pfortader mit der Ausbildung<br />
von Krampfadern in der Speiseröhre (Ösophagusvarizen),<br />
die zu starken Blutungen führen können. Eine<br />
weitere Konsequenz ist die Entwicklung einer Wasseransammlung<br />
im Bauch (Aszites). Durch den eingeschränkten<br />
Stoffwechsel ist die Eiweißsynthese vermindert. Hiervon<br />
können Gerinnungsfaktoren, Enzyme und Albumin<br />
betroffen sein.<br />
Durch die gestörte Verstoffwechselung von Substanzen –<br />
unabhängig, ob es sich dabei um körpereigene Verbindungen,<br />
Nahrungsbestandteile oder Medikamente<br />
handelt – werden diese Substanzen vermindert ausgeschieden<br />
und können zu einer Störung anderer Organe,<br />
zum Beispiel des Gehirns, der Niere oder des Herzens,<br />
führen. Offensichtliches Zeichen dieser mangelhaften<br />
Entgiftungsfunktion ist in den meisten Fällen eine Gelbsucht<br />
(Ikterus).<br />
Symptome<br />
Die Patienten haben die unspezifischen Symptome der<br />
chronischen Leberkrankheit. Sie berichten von einer neu<br />
aufgetretenen Blutungsneigung, dunklem Urin, starken<br />
Blähungen, Wasseransammlung in den Beinen (Ödeme)<br />
oder einer Konzentrationsschwäche (hepatische Enzephalopathie).<br />
43
Tabelle 4<br />
Child-Pugh-Klassifikation<br />
44<br />
Untersuchungsbefund<br />
Bei der Untersuchung ist in vielen Fällen der Allgemeinzustand<br />
reduziert, sie haben eine Gelbsucht, so genannte<br />
Lebersternchen (Spider naevi), eine hochrote Zunge<br />
(Lackzunge), Einrisse in den Mundwinkeln (Rhagaden),<br />
eine verminderte Schambehaarung, eine Bauchglatze<br />
und so genannte Weißnägel. Blutergüsse (Hämatome)<br />
sind gehäuft zu beobachten. Einige Patienten sind<br />
örtlich und zeitlich desorientiert und haben einen<br />
Tremor.<br />
Punkte/<br />
Parameter<br />
1 2 3<br />
Bilirubin (mg %) < 2,0 2,0 bis < 3,0 > 3,0<br />
µmol/l < 35 35 bis < 50 > 50<br />
Albumin (g %) > 3,5 2,8 bis < 3,5 < 2,8<br />
Prothrombinzeit<br />
(Quick %)<br />
> 60 40 bis < 60 < 40<br />
INR < 1,7 1,7 – 2,3 > 2,3<br />
Aszites nein kontrolliert refraktär<br />
Hepatische<br />
Enzephalopathie<br />
nein Stadium I und II Stadium III und IV<br />
Child-Pugh A: 5–6 Punkte, B: 7–9 Punkte, C: 10–15 Punkte.
Diagnose<br />
Die Diagnose beruht<br />
1. auf dem Tastbefund, das Organ ist hierbei derb,<br />
2. auf der Ultraschalluntersuchung,<br />
3. auf den klinisch-chemischen Veränderungen mit der<br />
Verringerung der Syntheseparameter: verlängerte<br />
Prothrombinzeit (sog. Quickwert), erniedrigtes Albumin<br />
und verringerte Cholinesteraseaktivität; pathologisch<br />
erhöhte Enzymwerte (GOT, GPT, γ-GT und alkalische<br />
Phosphatase) und erhöhter Bilirubinwert und<br />
4. dem Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung.<br />
Der klinische Verlauf der Leberzirrhose wird am einfachsten<br />
mit der Child-Pugh-Klassifikation beurteilt<br />
(Tabelle 4). Alternativ kann die MELD-Klassifikation<br />
(Model for End-Stage Liver Disease) eingesetzt werden,<br />
bei der Alter, Bilirubin, Kreatinin und Prothrombinzeit<br />
(Quickwert) berücksichtigt werden.<br />
45
46<br />
Therapie<br />
Die Therapie (siehe auch Abb. 2) richtet sich nach den<br />
Symptomen und Komplikationen des individuellen Patienten.<br />
Bei der Ernährung muss häufig die Salz- und<br />
Eiweißmenge reduziert werden.<br />
Bei vermehrter Wassereinlagerung werden verschiedene<br />
wassertreibende Medikamente verabreicht, außerdem<br />
muss die Flüssigkeitsmenge eingeschränkt werden. Zur<br />
Verhinderung und Behandlung der neurologischen<br />
Symptome kann die Aufnahme von giftigen Substanzen<br />
aus dem Darm durch Lactulose reduziert werden. Verzweigtkettige<br />
Aminosäuren stellen eine weitere Möglichkeit<br />
dar, die hepatische Enzephalopathie zu behandeln,<br />
ebenso wie Ornithinaspartat.<br />
Latente HE Manifeste HE<br />
Behandlung der auslösenden Faktoren<br />
Lactulose<br />
Stadium I II III IV<br />
Stationäre Behandlung<br />
Verzweigtkettige Aminosäuren (VKAS) oral (z. B. <strong>Falk</strong>amin ® Pellets)<br />
mod. nach Häussinger (1997)<br />
Antibiotika (z. B. Neomycin)<br />
Flumazenil<br />
Lebertransplantation<br />
Abbildung 2<br />
Therapieschema bei hepatischer Enzephalopathie (HE) (modifiziert nach Häussinger, 1997)
3.16 Primäres Leberzellkarzinom<br />
Das primäre Leberzellkarzinom ist weltweit – besonders<br />
in Asien – die häufigste Krebsart. Risikofaktoren sind Infektionen<br />
mit Hepatitis B, Hepatitis C, Hämochromatose,<br />
α1-Antitrypsin-Mangel und Alkoholismus. Plötzliche,<br />
rasche Verschlechterungen bei bekannter Leberzirrhose<br />
können ein Zeichen für dieses Karzinom sein. In einigen<br />
Fällen ist eine Teilresektion der Leber möglich. Die Ergebnisse<br />
der Lebertransplantation sind ermutigend, wenn<br />
der Tumor kleiner als 3 (5) cm im Durchmesser ist und<br />
nicht mehrere Tumoren vorhanden sind.<br />
Weitere Behandlungsalternativen sind die Alkoholinjektion<br />
direkt in den Tumor (perkutane Ethanolinjektion,<br />
PEI), die Radiofrequenzablation (RFTA) und die transkutane<br />
arterielle Chemoembolisation (TACE).<br />
<strong>Falk</strong>amin ®<br />
Zusammensetzung: 1 Beutel mit 9,33 g <strong>Falk</strong>amin ® Pellets enthält: Arzn. wirks. Bestandteile:<br />
Leucin 3,62 g, Valin 1,94 g, Isoleucin 1,45 g. Sonstige Bestandteile: Crospovidon, Povidon, Maisstärke,<br />
hochdisp. Siliciumdioxid, Talkum, Magnesiumstearat, Macrogol 6000, Poly[butylmethacrylat-co-(2-dimethylaminoethyl)=methacrylat-co-methylmethacrylat]<br />
(1:2:1), Triacetin, Titandioxid,<br />
Chinolingelb. Anwendungsgebiete: Behandlung und Vorbeugung von Hirnfunktionsstörungen<br />
bei chronischen Lebererkrankungen (latente/manifeste hepatische Enzephalopathie).<br />
Gegenanzeigen: Störungen der Nierenfunktion, angeborene Stoffwechselstörungen verzweigtkettiger<br />
Aminosäuren (Ahornsirup-Krankheit), bekannte Überempfindlichkeit gegenüber<br />
der sonstigen Bestandteile. Nicht bei Kindern unter 2 Jahren. Schwangerschaft und Stillzeit: nur<br />
nach strenger Indikationsstellung. Nebenwirkungen und Wechselwirkungen: Sind bisher<br />
keine bekannt. Dosierung: Ca. 0,3 g verzweigtkettige Aminosäuren/kg Körpergewicht täglich.<br />
Bei einem Körpergewicht von etwa 70 kg 3 x täglich 1 Beutel <strong>Falk</strong>amin ® Pellets. Das Präparat soll<br />
unzerkaut mit etwas Flüssigkeit zu den Mahlzeiten eingenommen werden. Die Dauer der Anwendung<br />
wird vom Arzt bestimmt. Packungsgröße: 30 Beutel (N1).<br />
Stand: 11/2004<br />
47
48<br />
3.17 Gallensteinleiden<br />
Gallensteine sind seit der Einführung der Ultraschalluntersuchung<br />
ein häufiger (Zufalls-)befund. In den westlichen<br />
industrialisierten Ländern haben etwa 10–15%<br />
der Gesamtbevölkerung Gallensteine, Frauen wesentlich<br />
häufiger als Männer. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht,<br />
Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen.<br />
Einige Medikamente, wie Östrogene oder einige lipidsenkende<br />
Arzneimittel, können bei einer Langzeittherapie<br />
ebenfalls zur Gallensteinbildung führen.<br />
Nur ein Teil der Patienten (etwa 20%) hat Beschwerden<br />
in Form von rechtsseitigen Oberbauchbeschwerden,<br />
Koliken (möglicherweise nahrungsabhängig), Fettunverträglichkeit,<br />
Stuhlentfärbung und dunklem Urin. Zur<br />
Behandlung des Gallensteinleidens stehen derzeit 4<br />
Verfahren zur Verfügung:<br />
• Cholezystektomie (offene oder laparoskopische<br />
Operation)<br />
• Orale Litholyse mit Gallensäuren (Ursodeoxycholsäure/<br />
Chenodeoxycholsäure)<br />
• Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL) mit<br />
adjuvanter Gallensäurentherapie<br />
•Direkte perkutane transhepatische Litholyse (PTL) mit<br />
Methyl-tert-butyl-Ether (MTBE)<br />
Alle genannten Verfahren sollten lediglich bei Patienten<br />
mit symptomatischen Gallensteinen zur Anwendung<br />
kommen, wobei heute die laparoskopische Cholezystektomie<br />
die Therapie der Wahl ist. Eine Behandlung von so<br />
genannten stummen Gallensteinen, d. h. von Gallensteinen,<br />
die keine Beschwerden bereiten, sollte nur im<br />
Ausnahmefall erfolgen.
Wichtig ist, dass für die 3 nichtoperativen Therapieverfahren<br />
unbedingt eine radiologische Steintypisierung<br />
erfolgen muss, da nur Cholesterinsteine erfolgreich<br />
behandelt werden können.<br />
Welches der 3 Gallenblasen-erhaltenden Therapieverfahren<br />
für den betreffenden Patienten in Frage kommt,<br />
hängt sowohl von der Krankheitssymptomatik als auch<br />
vom Steintyp, der Steingröße und Steinzahl ab (Abb. 3).<br />
49
50<br />
Operation<br />
Operation<br />
1) Nach Röntgen (orale/i.v. Galle)<br />
am stehenden Patienten<br />
2) Direkte Lyse mit Methyl-tert-butyl-Ether<br />
(MTBE), 3 Monate Nachbehandlung mit<br />
Gallensäuren<br />
Abbildung 3<br />
Kolikartige Oberbauchbeschwerden mit<br />
der Verdachtsdiagnose: Gallensteine<br />
Konkremente in der<br />
Gallenblase<br />
Röntgenleeraufnahme<br />
Gallensteine<br />
schattengebend (verkalkt)<br />
Anamnese, klinische und<br />
Laboruntersuchungen<br />
Sonographie der<br />
Gallenblase<br />
Gallensteine nicht<br />
schattengebend<br />
Gallenblase nicht<br />
darstellbar<br />
oder<br />
Kriterien für<br />
Pigmentsteine 1)<br />
oder<br />
Gallenblase nicht<br />
funktionsfähig oder mit<br />
Steinen prall gefüllt<br />
Orale Lyse mit<br />
Ursodeoxycholsäure<br />
Steine max. 1,5 cm<br />
Keine Konkremente in<br />
der Gallenblase<br />
Weitere Diagnostik,<br />
– Gallenwege, z. B. ERCP<br />
– evtl. Ösophagus, Magen, Duodenum<br />
Röntgen: orale/i.v. Galle<br />
mit Prüfung der<br />
Gallenblasenfunktion<br />
Nicht schattengebende<br />
Cholesterinsteine<br />
ESWL + Lyse<br />
Steine 0,5–3 cm,<br />
max. 3 Steine<br />
Keine Verkleinerung in 6 Monaten<br />
(MTBE nach 2–3 Stunden)<br />
Operation<br />
MTBE 2)<br />
alle<br />
Steingrößen
3.18 Funktionelle Störungen der<br />
extrahepatischen Gallenwege<br />
Postcholezystektomiesyndrom<br />
Nach einer Cholezystektomie haben bis zu 40% der Patienten<br />
weiterhin Beschwerden. Die Symptomatik kann<br />
dem Bild vor der Operation entsprechen oder eine neue<br />
Qualität aufweisen. Der konsequente Einsatz diagnostischer<br />
Verfahren wie Ultraschall und ERCP (endoskopische<br />
retrograde Cholangiopankreatikographie = Röntgenuntersuchung<br />
der Gallen- und Bauchspeicheldrüsengänge<br />
mit Hilfe einer Spiegelung des Zwölffingerdarms) führt in<br />
den meisten Fällen zur Klärung der Beschwerden. Nur<br />
bei einem kleinen Teil der Patienten bleibt die Ursache<br />
der Beschwerden unklar.<br />
51
4 Diagnostisches Vorgehen<br />
4.1 Feststellung einer Leberschädigung<br />
Zellschädigung<br />
GOT (AST, Glutamat-<br />
Oxalacetat-Transaminase)<br />
GPT (ALT, Glutamat-<br />
Pyruvat-Transaminase)<br />
GLDH (Glutamat-Dehydrogenase)<br />
LDH (Lactat-Dehydrogenase)<br />
IDH (Isosorbid-Dehydrogenase)<br />
SDH (Sorbitol-Dehydrogenase)<br />
4.2 Abklärung der Ätiologie der chronischen Leberschädigung<br />
1. Stufe<br />
Virale Ursache:<br />
HBsAg<br />
(Hepatitis B)<br />
Anti-HCV<br />
(Hepatitis C)<br />
4.3 Verlaufskontrollen bei chronischen Lebererkrankungen<br />
52<br />
2. Stufe<br />
Metabolische Ursache:<br />
Ferritin (falls nicht im Normbereich,<br />
Eisensättigung)<br />
Autoimmunhepatitis/<br />
PBC/PSC:<br />
ANA, AMA<br />
Allgemeine Tests: GOT, GPT<br />
Verlaufsparameter bei speziellen Erkrankungen:<br />
HBeAg bei Patienten mit Hepatitis B unter Interferon-Therapie<br />
HCV RNA bei Patienten mit Hepatitis C unter Kombinationstherapie<br />
Ferritin und Eisensättigung bei Hämochromatose<br />
Kupfer im Urin bei Patienten mit Morbus Wilson<br />
α-Fetoprotein und Ultraschall (1-mal pro Jahr) bei Hämochromatose<br />
Verlaufsparameter bei Leberzirrhose: Bilirubin, Albumin, Prothrombinzeit, Kreatinin<br />
Tabelle 5<br />
Diagnostisches Vorgehen bei Lebererkrankungen<br />
Cholestase<br />
AP (alkalische<br />
Phosphatase)<br />
γ-GT<br />
(γ-Glutamyltranspeptidase)<br />
5’-Nukleotidase<br />
LAP (Leucin-<br />
Aminopeptidase)<br />
Exkretion und Konjugation<br />
Bilirubin<br />
Hinweis: Die nicht gelb hinterlegten<br />
Tests sind in der Regel<br />
überflüssig, da sie weder für die<br />
Diagnose noch bei der Abklärung<br />
der Ätiologie von Nutzen sind.<br />
3. Stufe<br />
Metabolische Ursache:<br />
Coeruloplasmin, Kupfer im Serum<br />
α1-Antitrypsin<br />
δ-Aminolävulinsäure (bei Beschwerden)<br />
Porphobilinogen (bei Beschwerden)<br />
Uroporphyrin/<br />
Koproporphyrin im Urin (bei Beschwerden)<br />
Autoimmunhepatitis:<br />
SMA, anti-LKM, evtl. anti-SLA
<strong>Ursofalk</strong>®<br />
Hoffnungsträger für Leberpatienten<br />
<strong>Ursofalk</strong> ®<br />
<strong>Ursofalk</strong> ®<br />
lindert die Beschwerden<br />
verzögert das Fortschreiten<br />
schützt vor den Folgen<br />
verlängert das Leben<br />
bei cholestatischen Lebererkrankungen<br />
Kapseln und Suspension – die therapeutische Gallensäure<br />
<strong>Ursofalk</strong> ® Kapseln, <strong>Ursofalk</strong> ® Suspension. Wirkstoff: Ursodeoxycholsäure. Zusammensetzung:<br />
1 Hartkapsel bzw. 5 ml Suspension enthalten: Arzneil. wirks. Bestandt.: 250 mg Ursodeoxycholsäure.<br />
Sonstige Bestandteile: Hartkapseln: Magnesiumstearat, Titandioxid (E171), Maisstärke, hochdisp. Siliciumdioxid,<br />
Gelatine, Natriumdodecylsulfat, Wasser. Suspension: Benzoesäure, Wasser, Xylitol, Glycerol,<br />
mikrokr. Cellulose-Carmellose-Natrium, Propylenglycol, Natriumcitrat, Natriumcyclamat, Citronensäure,<br />
Natriumchlorid, Zitronenaroma. Anwendungsgebiete: 1. Symptomatische Behandlung der<br />
primär biliären Zirrhose, solange keine dekompensierte Leberzirrhose vorliegt. 2. Auflösung von Cholesterin-Gallensteinen<br />
der Gallenblase. Die Gallensteine dürfen nicht größer als 15mm sein, auf dem Röntgenbild keine Schatten geben und die<br />
Gallenblase muss trotz Gallenblasenstein(en) funktionsfähig sein. 3. Gallenrefluxgastritis (nur <strong>Ursofalk</strong> ® Kapseln). Dosierung: Zu 1. Ca. 10<br />
bis 15 mg/kg Körpergewicht tägl. Zu 2. Ca.10 mg/kg Körpergewicht tägl. vor dem Schlafengehen. Zu 3. 1 Hartkps. 1 x tägl. vor dem Schla-<br />
fengehen. Gegenanzeigen: Akute Entzündungen der Gallenblase und der Gallenwege; Verschluss der Gallenwege<br />
(Choledochus- oder Zystikusverschluss). Röntgenologisch nicht darstellbare Gallenblase, kalzifizierte<br />
Gallensteine, gestörte Kontraktionsfähigkeit der Gallenblase, häufige Gallenkoliken, erstes Trimenon der<br />
Schwangerschaft, Stillzeit. Nebenwirkungen: Häufig breiförmige Stühle bzw. Durchfall. Sehr selten: schwere<br />
rechtsseitige Oberbauchbeschwerden, Verkalkung von Gallensteinen, Urticaria. Bei Therapie der primär<br />
biliären Zirrhose im fortgeschrittenen Krankheitsstadium sehr selten Dekompensation der Leberzirrhose<br />
(reversibel). Wechselwirkungen: siehe Gebrauchsinformation. Packungsgrößen: 50 Hartkps. (N2); 100<br />
Hartkps. (N3); 200 Hartkps.; 250 ml Susp. (N2); 500 ml Susp. (N3). Verschreibungspflichtig. Stand: 6/2004<br />
DR. FALK PHARMA <strong>GmbH</strong><br />
Leinenweberstr. 5<br />
Postfach 6529<br />
79041 Freiburg<br />
Germany
DR. FALK PHARMA <strong>GmbH</strong><br />
Leinenweberstr. 5<br />
Postfach 6529<br />
79041 Freiburg<br />
Germany<br />
U6 6–9/2005/5.000 Konk