Ludwig Eschenlohr <strong>–</strong>Das Eisengewerbe im Jura <strong>–</strong> spätmittelalterlicher Werkplatz von Lajoux JU, Envers <strong>des</strong> CombesAbsolute Datierungen durch C14und DendrochronologieAnhand der Auswertung von rund hundert C14-Datierungenwurde eine bedeutende und sehr schnelleZunahme der Werkplatzzahl im Raum <strong>des</strong> KlostersBellelay in den östlichen Freibergen ab dem dritten Viertel<strong>des</strong> 13. Jh. vorgeschlagen. 17 Die ersten dendrochronologischenDatierungen von Holzkohle <strong>des</strong> PlatzesLajoux JU, Envers <strong>des</strong> Combes, zeigen nun, dass diesesallgemeine Postulat für die Gegend von Lajoux nuanciertwerden muss, auch wenn bereits klar war, dass dieserWerkplatz nicht nur in diese kurze «Boomphase» gehörte,da seine Datierung mittels C14 bei einer Wahrscheinlichkeitvon 95% einen Zeitraum zwischen 1276und 1395 ergab. 18Erzvorkommen. Dies dürfte wahrscheinlich seit Beginn<strong>des</strong> Eisengewerbes in den östlichen Freibergen ab dem11. Jh. der Fall gewesen sein. Aus diesem Grund mussdavon ausgegangen werden, dass der Rohstoff Erz ausdem nicht allzu entfernten westlichen Ende <strong>des</strong> Delsbergerbeckensherbeigeführt wurde. 19Dank der zahlreichen und präzisen Erkenntnisse, diedie Dendrochronologie an Holzkohle nun liefert, beginntman zu erahnen, wie die Verwaltung <strong>des</strong> Waldbestan<strong>des</strong>durch die Eisenhandwerker <strong>des</strong> Spätmittelalterserfolgte. Dieser Ansatz sollte nun zumin<strong>des</strong>tanhand dendrochronologischer Untersuchungen andererFundplätze in der Gegend von Lajoux vervollständigtwerden. 20Die nachweisbaren Fällphasen, und damit wahrscheinlichdie nicht ununterbrochene Funktionsdauer <strong>des</strong>Werkplatzes, erstrecken sich auf nahezu 150 Jahre, von1284 bis 1419. Die Anzahl der Fällphasen, zwischendrei und acht, sowie ihre zeitliche Abfolge weisen zusätzlichdarauf hin, dass die Waldnutzung ab dem Spätmittelalterauf die grossen Bedürfnisse an Brennstoffdurch die Eisenhandwerker abgestimmt wurde. Oderanders gesagt, dass die Handwerker zu dieser Zeit mitden zur Verfügung stehenden Ressourcen haushaltenmussten.SchlussfolgerungenDie Präsenz eines einzigen Rennofens in einer Ecke derPlattform, die aus bearbeiteten Kalksteinen, die vor Ortanstehen, gebaut wurde, bleibt bis zu einem gewissenPunkt für den heutigen Beobachter rätselhaft.Eine ausgedehntere hitzegerötete Zone unmittelbar südlich<strong>des</strong> ausgegrabenen Ofens lässt vermuten, dass sichvielleicht zwei Öfen gefolgt sind (Abb. 13). Trotzdemwäre die Plattform nur für einen tätigen Ofen erstelltworden.Woher im Fall von Lajoux der Rohstoff Erz kommt, kannbis jetzt nur vermutet werden. Im Bereich Lajoux gibtes beim heutigen Kenntnisstand keine abbauwürdigenEs darf mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommenwerden, dass das Metall, aus dem die Werkzeuge hergestelltwurden, in einem der Rennöfen <strong>des</strong> Werkplatzesproduziert worden war. Esfällt auf, dass diese Werkzeugeaus dem 14. Jh. denen in Larousse Universel amEnde <strong>des</strong> 19. Jh. ähnlich sehen. Dies unterstreicht, fallsdies nötig ist, dass Metallobjekte sehr langlebig seinkönnen, insbesondere Werkzeuge.Schliesslich erlaubt eine erste Einschätzung nachzuweisen,dass Eisen produziert wurde, obwohl bei der unmittelbarnachfolgenden Reinigung <strong>des</strong> Eisenschwammesziemlich viel von diesem Metall bereits wieder verlorenging. Dies bestätigt auch ein erster Eindruck derEisenproduktion in der Region Lajoux, der aufgrundvon Beobachtungen von mehreren prospektierten Werkplätzenentstand. Man findet nämlich regelmässig teilweisereduziertes Erz auf Fliesschlacken, was noch füreinen anderen, nicht unbedeutenden Verlust an Rohstoffen<strong>–</strong>vor allem Erz <strong>–</strong>imProzessvorgang spricht. Diessteht im Gegensatz zur Handhabung auf frühmittelalterlichenWerkplätzen, wo sorgfältig mit Rohstoffenund wiederverwendbarem Abfall umgegangen wird(z.B. Boécourt JU, Les Boulies). Diese Feststellung erweistsich als paradox, wenn man bedenkt, dass dasBohnerz für die Verwendung im Raum Lajoux vonweiter herangeführt werden musste. 2148 Mittelalter 16, <strong>2011</strong> /2
Ludwig Eschenlohr <strong>–</strong> Das Eisengewerbe im Jura <strong>–</strong> spätmittelalterlicher Werkplatz von Lajoux JU, Envers <strong>des</strong> CombesWie bereits gesagt, gilt es nun, weitere Daten aus ähnlichenFundplätzen im Bereich <strong>des</strong> Einflussgebietes <strong>des</strong>Klosters Bellelay zu sammeln, um die eisengewerblichenTätigkeiten, die praktisch keine schriftlichen Spurenhinterlassen haben, besser zu erfassen, insbesonderein ihrer räumlichen und zeitlichen Organisation:In welchem Rhythmus wird ein Werkplatz benutzt, aufgelassenund wieder benutzt? In welcher Distanz findetsich der nächste Werkplatz, der in der Folge wieder aufgenommenwird? Können eigentliche Arbeitszyklen indiesem Kleinraum nachgewiesen werden?Mit nahezu 60 lokalisierten Verhüttungsplätzen in16 km 2 ,einer Gesamtbenutzungsdauer von etwa 500Jahren und einer mengenmässigen Konzentration <strong>–</strong>ungefähr zwei Drittel der Plätze <strong>–</strong>auf etwa 200 Jahrevereinigt der Raum Lajoux in den östlichen Freibergenauf einzigartige Weise mehrere Voraussetzungen,um in der Erforschung der hoch- und spätmittelalterlichenEisenerzverhüttung weiterhin neue Erkenntnissezu liefern.Es kann so mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommenwerden, dass vor dem Jahr 1000 keine Verhüttungim Bereich der östlichen Freiberge erfolgte und dass dieTätigkeit der handwerklichen Eisenherstellung <strong>–</strong> mitAusnahme einzelner «Schwarzbrenner» <strong>–</strong>mit dem Aufkommender Hochöfen im Delsbergerbecken ums Jahr1500 spätestens eingestellt worden ist.Viele dieser Werkplätze, wie zum Beispiel derjenigevon Lajoux JU, Envers <strong>des</strong> Combes, sind heute nochgut erhalten und weisen <strong>–</strong> für einen handwerklichenBetrieb <strong>–</strong>beträchtliche Ausmasse auf. Ihre Unterschutzstellungund weitere Erforschung ohne totale Zerstörung,das heisst Ausgrabung, sollte in nächster Zukunftins Auge gefasst werden, damit ein in der jurassischenBevölkerung noch sehr lebendiges Erbe weiterhin entdecktund erhalten werden kann.RésuméAprès d’intenses travaux de recherche dans le Jura centralsuisse (cantons du Jura et de Berne), menés depuis le début<strong>des</strong> années nonante du XX e siècle, de nombreuses découvertesont pu être faites sur la sidérurgie ancienne. Les nouveauxrésultats ont, àleur tour, fait surgir d’autres questions, quiont conduit àdenouveaux projets de recherche.Au cours d’une campagne de fouille en 2006, àLajoux JU,dans les Franches-Montagnes orientales, une coupe de deuxmètres de large àtravers l’amas de scories d’environ deuxmètres de haut a été pratiquée au cœur de l’atelier métallurgique.Près de 30 m 3 de scories ont été déplacés et triés.On distingue deux gran<strong>des</strong> catégories de scories. La majeurepartie <strong>–</strong>plus de 70% <strong>–</strong>secompose de scories de réduction,assez aérées. La plus faible part <strong>–</strong>soit les quelque 30%restants <strong>–</strong>est formée de scories denses riches en fer.Avant le début <strong>des</strong> fouilles, toutes les données disponiblessur les sites métallurgiques situés dans le Jura central suisseindiquaient que, dans un tel atelier sidérurgique, caractérisépar un amas de scories en anneau avec, en son centre, unbas fourneau, au moins un <strong>des</strong> bas fourneaux devait setrouver dans une position centrale. L’exemple de Lajouxrévèle une image différente: le bas fourneau est placé enpériphérie d’une plateforme aménagée sur le versant.La détermination <strong>des</strong> essences de bois révèle la dominancede hêtre (plus de 74%), suivie de sapin blanc (15%), d’épicéa(6%) et d’érable (4%). Les datations dendrochronologiquesde charbon de bois montrent que l’atelier métallurgique afonctionné entre 1284 et 1419, pendant près de 150 ans.Dans le cas de Lajoux, la provenance du minerai ne peut êtreque supposée. En effet, en l’état <strong>des</strong> connaissances actuelles,il n’existe pas, dans les environs de Lajoux, de gisement deminerai exploitable. Aussi, nous devons partir du principeque le minerai était acheminé depuis l’extrémité ouest duBassin de Delémont, qui n’est pas trop éloigné.Aux environs de Lajoux, près de 60 ateliers de réductionsont localisés dans un rayon de 16 km 2 ; ils représententune durée d’exploitation totale de près de 500 ans même sideux tiers d’entre eux ont fonctionné dans un intervalle de200 ans. Vu ces conditions exceptionnelles, il est probable17Siehe dazu EschEnLohr 2001 (wie Anm. 3) 92 und 153<strong>–</strong>157.18Die Dendrodatierungen erfolgten im Dendrolabor <strong>des</strong> ArchäologischenDienst <strong>des</strong> Kantons Graubünden (Trivun Sormaz).19Dies stimmt mit einem bereits durch Auguste Quiquerez formuliertenPostulat überein, das besagt, dass das Erz zum Rohstoff Holzgeführt wird und nicht umgekehrt. augustE QuiQuErEz, Del’âge duFer. Recherches sur les anciennes forges du Jura bernois (Porrentruy1866).20Erfahrungsgemäss ist eine übereinstimmende Indizienkette, die aufeinem interdisziplinären Ansatz beruht, aussagekräftiger als einDatensatz aus einer einzigen Forschungsrichtung. Die dendrochronologischenUntersuchungen sollten so durch zusätzliche Holzartenbestimmungenund Pollendiagramme ergänzt werden.21Siehe dazu weiter oben.Mittelalter 16, <strong>2011</strong>/249