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<strong>Kultur</strong><br />
Die Deutsche Kammerphilharmonie <strong>Bremen</strong><br />
geprägten Stadtteil Osterholz-Tenever, in dem viele Kinder auf<br />
Hartz IV-Niveau leben müssen, im positiven Sinne auf. Und<br />
siehe da: Wunder geschehen.<br />
Das Problempotenzial, das <strong>zu</strong> einem unüberwindlichen Eisberg<br />
aufgetürmt schien, beginnt <strong>zu</strong> schmelzen. Ganz so, wie beim<br />
„KonTakt“-Projekt im Bremer Umland. Auch dort mussten behutsam<br />
Berührungsängste abgebaut und Vereinzelungs-Tendenzen<br />
aufgebrochen werden.<br />
Ein ganz besonderer unter vielen denkwürdigen Momenten war<br />
für Alexander Hauer dieser: „Nach der Uraufführung des einstündigen<br />
Stücks in der Syker Olympiahalle gingen die so genannten<br />
,auffälligen‘ Schüler des Förderzentrums für emotionale und<br />
soziale Entwicklung Wichern-Stift in Ganderkesee und die<br />
Behinderten aufeinander <strong>zu</strong> und klatschten sich anerkennend<br />
mit den Händen ab“. <strong>Der</strong> Eisberg aus anfänglichem Misstrauen,<br />
mangelndem Selbstwertgefühl und Aggression war geschmolzen.<br />
Das gute Gefühl „Wir haben es geschafft!“ und der Riesenapplaus<br />
ließen die Glückshormone tanzen.<br />
Einmal im Mittelpunkt stehen und Anerkennung für das bekommen,<br />
was man geschafft hat. Wertschät<strong>zu</strong>ng und Respekt für<br />
und vor dem anderen sind die Zauberworte. Glücksgefühle sol-<br />
cher Art gehören normalerweise nicht <strong>zu</strong>m Alltag der Wichern<br />
Schüler. In dem kirchlichen Förderzentrum sollen Jugendliche<br />
aufgefangen werden, die durch ihr auffälliges, aggressives Verhalten<br />
die Kreise ihrer unauffälligeren Schulkollegen stören.<br />
Ohnmachtsgefühle und die Angst vor einer Stigmatisierung in<br />
einer knallharten Leistungsgesellschaft sind da schnell bei der<br />
Hand.<br />
Viele dieser Jugendlichen umgeben sich mit einer Mauer des<br />
Schweigens. Da ist eine Geste wie die von Alex Shelley, dem<br />
musikalischen Leiter des „KonTakt“-Projektes und Spezialbeauftragten<br />
der Kammerphilharmonie für Jugendarbeit, ein heilsames<br />
Signal. <strong>Der</strong> jugendlich wirkende Dirigent „ging erstmal mit<br />
den Jungs auf den Bolzplatz und spielte Fußball mit ihnen“,<br />
erinnert sich Uli König schmunzelnd. „Das ist kein großer Maestro,<br />
vor dem man Angst haben muss“. Die kindliche und jugendliche<br />
Neugier wurde nicht beschnitten. Keiner sagte: „Hey, weg<br />
da von den Instrumenten!“<br />
„Von einer quirligen Menge umgeben <strong>zu</strong> sein und dabei noch in<br />
Ruhe <strong>zu</strong> spielen, das müssen die Musiker erst einmal aushalten.<br />
Das wäre mit vielen Orchestern einfach nicht machbar“, meint<br />
Alexander Hauer. Mit der Kammerphilharmonie allerdings schon.<br />
So legte eine kleine Grundschülerin ihr Ohr ganz nah an den