Vorlesen in Familien - elementargermanistik.uni-bremen.de ...
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Vorbemerkung<br />
Entschei<strong>de</strong>nd für <strong>de</strong>n schulischen Wer<strong>de</strong>gang e<strong>in</strong>es<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>s ist nach wie vor <strong>de</strong>ssen Herkunft, po<strong>in</strong>tiert<br />
gesagt: Die Schule stellt <strong>de</strong>m Elternhaus e<strong>in</strong> Zeugnis<br />
aus. K<strong>in</strong><strong>de</strong>r aus bildungsfernen Elternhäusern haben<br />
es schwerer, <strong>in</strong> zukünftigen Lernwelten zu bestehen.<br />
E<strong>in</strong> wesentlicher Indikator für Bildungsferne bzw. Bildungsnähe<br />
ist <strong>de</strong>r Umgang mit Literatur <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie,<br />
das Vorhan<strong>de</strong>nse<strong>in</strong> von K<strong>in</strong><strong>de</strong>r- bzw. Bil<strong>de</strong>rbüchern.<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rbücher s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong> <strong>Familien</strong>klima,<br />
das durch H<strong>in</strong>wendung zum K<strong>in</strong>d, mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>n<br />
und geme<strong>in</strong>same Aktivitäten wie „Erzählen“ und „<strong>Vorlesen</strong>“<br />
bestimmt ist. Die Pisa-Studie hat noch e<strong>in</strong>mal<br />
daran er<strong>in</strong>nert, dass K<strong>in</strong><strong>de</strong>r <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Familie zu Lesern<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n. 2<br />
Für <strong>de</strong>n Elementarbereich und die Schule 3 folgt daraus,<br />
K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn – und vor allem K<strong>in</strong><strong>de</strong>rn aus bildungsfernen<br />
Elternhäusern – lebendige Begegnungen mit Literatur<br />
zu ermöglichen, Literatur als lohnen<strong>de</strong>n „Gesprächspartner“<br />
zu zeigen, Lust aufs Lesen zu machen.<br />
Leselust ist das Fundament, auf <strong>de</strong>m Lesefähigkeit<br />
erst aufbauen kann. Und gera<strong>de</strong> für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r mit<br />
ger<strong>in</strong>gem literarischen H<strong>in</strong>tergrund ist die „Brückenfunktion“<br />
<strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>rbuches wichtig. Die ger<strong>in</strong>ge Textmenge<br />
wirkt nicht überfor<strong>de</strong>rnd und ermuntert zum<br />
Lesen. Die Bil<strong>de</strong>r übernehmen es, e<strong>in</strong>en Teil <strong>de</strong>r Geschichte<br />
visuell zu erzählen und unterstützen das<br />
Textverstehen. Und die Überschaubarkeit <strong>de</strong>r <strong>in</strong>s Bild<br />
gesetzten Geschichten im Zusammenspiel von durchschaubarer<br />
Dramaturgie unterstützt antizipatorisches<br />
Denken, d.h. die Lust und die Fähigkeit, Erzählmuster<br />
zu durchschauen und z.B. im ersten Ahnen <strong>de</strong>s episodischen<br />
Aufbaus e<strong>in</strong>er Geschichte <strong>de</strong>ren mögliche<br />
Fortsetzung vorwegnehmen zu können. Diese Fähigkeit<br />
ist später grundlegend für das Erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n eigener<br />
Geschichten und für die Fähigkeit, eigene Erfahrungen<br />
– sei es mündlich o<strong>de</strong>r schriftlich – narrativ weiterzugeben.<br />
Die Arbeit mit Bil<strong>de</strong>rbüchern – <strong>in</strong> Schule wie Elementarbereich<br />
– setzt u.a. theoretisches Wissen, methodische<br />
Fähigkeiten und praktisch-ästhetische Fertigkeiten<br />
voraus. Wer <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>de</strong>rgarten o<strong>de</strong>r Grundschule mit<br />
Bil<strong>de</strong>rbüchern Erzählfreu<strong>de</strong>, Lesefreu<strong>de</strong> und Lesefähigkeit<br />
vermitteln bzw. för<strong>de</strong>rn möchte,<br />
Grundgedanken zum Forschungsprojekt<br />
„<strong>Vorlesen</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“<br />
„E<strong>in</strong> erfahrener Mensch ist natürlich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nicht<br />
e<strong>in</strong>er, <strong>de</strong>r richtige Urteile zur Hand hat, son<strong>de</strong>rn e<strong>in</strong>er,<br />
<strong>de</strong>r auf irgen<strong>de</strong><strong>in</strong>em Gebiete, und mag es sich schließlich<br />
um bloße körperliche Geschicklichkeit han<strong>de</strong>ln, etwas<br />
aufgebaut, verfügbar hat und e<strong>in</strong>fach kann.“<br />
Arnold Gehlen 1<br />
1. braucht zunächst Wissen um die Entwicklungsstufen<br />
<strong>de</strong>s Sprach- und Erzählerwerbs. Die Studieren<strong>de</strong>n<br />
sollten dieses Wissen als Vorwissen<br />
<strong>in</strong> die Veranstaltung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen 4;<br />
2. braucht e<strong>in</strong>en literarischen Fundus, aus <strong>de</strong>m er<br />
schöpfen kann. Ohne Fundus ist e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dorientierte<br />
literarische Arbeit nicht möglich 5;<br />
3. braucht grundlegen<strong>de</strong>s literaturtheoretisches<br />
Wissen (Erzählstrukturen und Dramaturgie, Text-<br />
Bild-Beziehungen, Kriterien zur Beurteilung literarisch-ästhetischer<br />
Qualitäten etc. 6 );<br />
4. braucht reflektierte Erfahrungen und theoretisches<br />
Wissen über <strong>de</strong>n Zusammenhang von Literatur<br />
und Lese-Lust/-Freu<strong>de</strong>;<br />
5. muss sich – damit zusammenhängend – Gedanken<br />
über die Auswahl von Büchern machen,<br />
6. braucht Kriterien für e<strong>in</strong>e begrün<strong>de</strong>te Auswahl;<br />
7. braucht Metho<strong>de</strong>nkenntnis, z.B. im Bereich <strong>de</strong>r<br />
För<strong>de</strong>rung antizipatorischen Denkens;<br />
8. braucht Wissen über und Empathie für K<strong>in</strong><strong>de</strong>r,<br />
um von – <strong>in</strong>dividuellen wie alterstypischen - Erlebnissen,<br />
Interessen, Bedürfnissen, Möglichkeiten<br />
ausgehen zu können.<br />
Für „ungeübte Leser“ ist das Bil<strong>de</strong>rbuch überschaubar.<br />
Es bietet die Möglichkeit, beim <strong>Vorlesen</strong> zunächst<br />
mitzulesen, dabei, <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Antizipation <strong>de</strong>s Kommen<strong>de</strong>n,<br />
kompetent <strong>in</strong>nerlich mitzulesen, danach selbst zu<br />
lesen. Wer K<strong>in</strong><strong>de</strong>r so för<strong>de</strong>rn möchte, braucht praktisch-ästhetische<br />
Fähigkeiten. <strong>Vorlesen</strong> will gelernt<br />
se<strong>in</strong>.<br />
� Was ist e<strong>in</strong>e „Vorleseatmosphäre und wie<br />
schaffe ich sie?<br />
� Was für Vorleserituale bieten sich wozu an?<br />
� Wie br<strong>in</strong>ge ich e<strong>in</strong> Buch zum Kl<strong>in</strong>gen?<br />
� Wie lese ich mit Hän<strong>de</strong>n und Füßen vor?<br />
� Wie führe ich e<strong>in</strong>en Vorlesedialog? 7<br />
Praktische Kompetenzen, wozu beim <strong>Vorlesen</strong> beispielsweise<br />
die Arbeit mit Stimme, Gestik und Mimik<br />
gehört, wer<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r Universität – wenn überhaupt –<br />
nur theoretisch behan<strong>de</strong>lt. Dabei käme es – nach<br />
me<strong>in</strong>en Erfahrungen mit Studieren<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren<br />
praktischen Fertigkeiten – gera<strong>de</strong> auf das praktische<br />
5