Tino Sehgal im Kunstverein Hamburg - Das Magazin für Kunst ...
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FOTO: © 1. STEFFEN SOLTAU<br />
Auf- oder Absatteln,<br />
das ist hier die Frage<br />
FLACHDÄCHER HABEN ES SCHWER GEGEN DAS DOMINANTE SATTELDACH. OFT SIND<br />
SIE UNGEWOLLT, MANCHMAL AUCH UNPASSEND. CHRISTIN SPRINGER ÜBER DIE<br />
DACH-ALTERNATIVE IN DER DEUTSCHEN EINFAMILIENHAUS-LANDSCHAFT.<br />
Nach Entwürfen des Lübecker Architekten<br />
Steffen Soltau sind <strong>im</strong> Hochschulstadtteil<br />
Lübecks, der seit einigen Jahren neu entwickelt<br />
wird, neben Sattel- und Pultdachhäusern<br />
zwei Häuser mit einem Flachdach<br />
entstanden. Eines davon steht in der Dorothea-Erxleben-Straße:<br />
ein kubischer weißer<br />
Betonbau mit horizontalen Übereckfenstern<br />
und weit auskragendem Obergeschoss. <strong>Das</strong><br />
Einfamilienhaus gehört zu einer Hausserie,<br />
die Soltau <strong>für</strong> eine Baufirma konzipiert hat.<br />
Inspiriert vom Bauhaus | Flachdachhaus des Architekten<br />
Steffen Soltau in Lübeck<br />
Neben Frank Lloyd Wright und Tony Garnier<br />
waren es Bauhausarchitekten wie Walter<br />
Gropius und Ludwig Mies van der Rohe, die<br />
<strong>im</strong> zweiten Viertel des vergangenen Jahrhunderts<br />
den Internationalen Stil schufen.<br />
Seine Merkmale sind asymmetrische Komposition,<br />
kubische Hauptformen, horizontale<br />
Fenster, weißer Verputz und das Fehlen<br />
von Ornament und Profilierung. In den<br />
1920er Jahren erreichte der Internationale<br />
Stil auch den deutschen Wohnhausbau.<br />
Soltau selbst spricht nicht von Bauhaus<br />
oder Neuem Bauen, wenn man ihn nach<br />
seinen architektonischen Vorbildern fragt,<br />
wohl aber über seine Vorliebe <strong>für</strong> eine klare<br />
Formensprache ohne Schnörkel, Erker und<br />
Rundbögen. Gemeinsam mit seinen Kunden<br />
entwickelt er das zukünftige Haus von<br />
innen nach außen, eine Vorgehensweise,<br />
die auch mit der griffigen Formel „Form follows<br />
function“ beschrieben werden kann.<br />
Doch wer möchte solch ein Haus in einem<br />
Land, in dem das Satteldachhaus als der<br />
Archetypus des Hauses hartnäckig <strong>im</strong> Unbewussten<br />
der Bevölkerung verankert ist?<br />
So beschreibt es jedenfalls der <strong>Hamburg</strong>er<br />
Architekturkritiker Gert Kähler. Ein Quadrat<br />
mit einer Tür in der Mitte, flankiert von zwei<br />
Fenstern. Darauf wird ein spitz zulaufendes<br />
Dreieck mit einem rauchenden Schornstein<br />
gesetzt. Fertig ist das Einfamilienhaus.<br />
Nach Soltaus Erfahrung sind es zumeist Menschen<br />
mit höherem Bildungsgrad, die sich ein<br />
Haus in kubischen Formen mit einem Flachdach<br />
wünschen. Neben ästhetischen Präferenzen<br />
spielen dabei auch praktische Erwägungen<br />
eine Rolle. „Die künftigen Bewohner<br />
wollen ein Haus mit Räumen, die sie vernünftig<br />
nutzen können“, sagt Soltau. Ein Flachdach<br />
hat den Vorteil, dass es keine schrägen<br />
Wände erzeugt. Allerdings erteilen die Baubehörden<br />
nur selten da<strong>für</strong> eine Genehmigung.<br />
In den 20er Jahren blieben die <strong>im</strong> Internationalen<br />
Stil gestalteten Landhäuser eine exklusive<br />
Erscheinung. Bungalow-Wohnhäuser hingegen<br />
erreichten in den 60er und 70er Jahren<br />
auch die breite Masse. Gibt es heute einen<br />
deutlichen Trend hin zu mehr sachlichen Formen<br />
<strong>im</strong> Einfamilienhausbau? Björn Bergfeld,<br />
Architekt und Vorsitzender des Bundes Deutscher<br />
Architekten Schleswig-Holstein, kann<br />
dies nicht feststellen. Er bedauert, dass <strong>im</strong><br />
Hinblick auf moderne Architektur nicht mehr<br />
ästhetische Erziehung stattfindet. In der<br />
BUCERIUS<br />
K U N S T<br />
FORUM<br />
Architektur o.T. 11<br />
Beliebigkeit der Stilwahl sieht er ein großes<br />
Problem: „Bei der Entwicklung von Wohnsiedlungen<br />
fehlt häufig der rote Faden.“<br />
Tatsächlich zeigt sich heute eine große<br />
formale Bandbreite an Möglichkeiten des<br />
Wohnens. Bei einem Spaziergang durch<br />
den Lübecker Hochschulstadtteil entdeckt<br />
man das klassische Satteldachhaus neben<br />
Pultdachreihenhäusern, welche sich wiederum<br />
in direkter Nachbarschaft zum Krüppelwalmdachhaus<br />
mit Sprossenfenstern<br />
befinden. Auch Häuser in Pastelltönen mit<br />
barockisierenden Giebeln sind darunter.<br />
Bergfeld plädiert <strong>für</strong> ein Mehr an Gestaltungssatzungen.<br />
Die Koexistenz unterschiedlicher<br />
Stile sei nicht unbedingt positiv. Außerdem<br />
spricht er sich <strong>für</strong> eine Architektur aus, die<br />
stärker an regionalen Gegebenheiten orientiert<br />
ist. Heute finden sich in vielen Wohngebieten<br />
Häuser, die überall auf der Welt stehen<br />
könnten: Toskanische Villen auf Sylt, französische<br />
Landhäuser in Nordfriesland und Südstaatenvillen<br />
in Buxtehude. „Wenn es in die<br />
Region passt und gut gebaut ist, warum dann<br />
nicht ein Satteldachhaus?“, findet Bergfeld.<br />
Kleopatra<br />
und die Caesaren<br />
28. 10. 2006 – 4. 2. 2007<br />
täglich 11 bis 19 Uhr<br />
donnerstags bis 22 Uhr<br />
Rathausmarkt, <strong>Hamburg</strong><br />
<strong>Das</strong> Bucerius <strong>Kunst</strong> Forum<br />
ist eine Einrichtung der ZEIT-Stiftung<br />
Ebelin und Gerd Bucerius