FOCUSPERSONALITYUPDATEKNOWHOWCARTE BLANCHE«Die Rehabilitation im Rollstuhlwar körperlich und mentaldas härteste Trainingscamp»Sie kennt Sport und Sport-Karrieren wie kaum einezweite Sportlerin. Von beiden Seiten, sozusagen.Karin Suter-Erath (38) spielte mit 17 Jahren Handballbeim ATV Basel in der Nationalliga A, kurz daraufin der Schweizer Nationalmannschaft. Mit 26ereilte sie der brutale Schnitt in ihrer Laufbahn:Querschnittlähmung, Rehabilitation in Nottwil,Rollstuhl. Ihren Sportsgeist hat das nicht bezähmt.Bereits zwei Jahre später bestritt sie internationaleTennis-Turniere, gewann im Doppel (zwei Olympiadenvor Federer/Wawrinka) zusammen mitSandra Kalt Bronze an den Paralympics in Athen,war vor ihrem Rücktritt vom Spitzensport auch inPeking dabei. Heute gibt sie ihre ungebrochene undansteckende Begeisterung für den Sport im REHABBasel als Sportlehrerin an Rollstuhlfahrer undSchädel-Hirn-Verletzte weiter, hat also auch die Dimension«Sport als Therapie» in ihr wahrhaft komplettesCurriculum integriert.Interview: Roland de RocheAlso war Sport schon damals mehr als die wichtigste Nebensachein Ihrem Leben?…und darum habe ich mich auch früh entschieden, Sportzu studieren. Diesen Abschluss habe ich gemacht undzwei Jahre im Gymnasium Kirschgarten in Basel unterrichtet.Nach meiner Rehabilitation im Rollstuhl habe ichmich natürlich neu orientieren müssen. Eine vollständigandere Studienrichtung hat mich wenig interessiert, unddeshalb war ich froh, im Sportamt Basel eine Anstellungzu bekommen. Da war ich jetzt plötzlich mehr organisatorischfür den Sport im Einsatz, habe fünf Jahre langSchwimmkurse und Skilager organisiert und daneben alszweites Standbein dann doch Betriebswirtschaft studiert.Dieses Studium hat auch meine Samstage ausgefüllt, sodass mir für mein Tennis-Training eigentlich zu wenigZeit blieb. Unmittelbar nach diesem Abschluss hat dasREHAB Basel eine Stelle für eine Sportlehrerin ausgeschrieben.Es gab das grossartige neue Gebäude vonHerzog und De Meuron, ein neues Sportkonzept, einenNeuanfang des ganzen Zentrums. Und mir die Chance,wieder als Sportlehrerin einzusteigen.<strong>fmCh</strong> <strong>DIRECT</strong>:Vom Handball zum Tennis – welche Sportartwürden Sie als «Ihren» Sport bezeichnen?Karin Suter-Erath: Eigentlich vor allem Fussball! Wenndie anderen Mädchen mit ihren Barbies spielten, war ichmit den Buben auf dem Fussballplatz. Doch Frauenfussballwar damals ganz am Anfang, in den wenigen Mannschaftenwaren zu oft seltsame Mannsweiber. Meineältere Schwester spielte schon Handball, als ich ins Gymnasiumkam. Es herrschte damals ein grosser Nachwuchsmangelin dem Verein, und so haben sie und zweiFreundinnen ihre Schwestern mitgebracht, es entstandein eigentliches Familien-Team. So bin ich beim Handballgelandet. Aber ich hatte immer alles gern, was mitBällen zu tun hat, auch Volleyball, Basketball und späterdann eben Tennis.Und die erste Karriere führte bis ins Nationalteam?Irgendwann fusionierte der Verein mit dem ATV Basel,ich begann mit 17 Nationalliga zu spielen und betriebden Sport zehn Jahre sehr intensiv, auch in der Nationalmannschaft.Bis ich in den Rollstuhl kam…«Der Sport hat mir geholfen,Lebensfreude und Selbstbewusstseinwieder zu finden»Hat Sie der Sport auch in Ihrer persönlichen Krise nachder Querschnittlähmung gestärkt?Selbständigkeit und Unabhängigkeit Schritt für Schrittneu erkämpfen zu müssen, hat mich als Bewegungsmenschenhart getroffen. Die Rehabilitation war körperlichund mental das härteste Trainingscamp meines Lebens.Das Wichtigste war, meine Lebensfreude und meinSelbstbewusstsein wieder zu finden. Der Sport hat mirdabei viel geholfen, auch wenn meine Bereitschaft, imRollstuhl weiter Sport zu treiben, erst nach ein paar Monatenwuchs.14 4/2009
FOCUSPERSONALITYUPDATEKNOWHOWCARTE BLANCHERollstuhl-Tennis an den Paralympics Beijing 2008.Schon in der Rehabilitation in Nottwil habe ich verschiedeneSportarten durchprobiert. Badminton zum Beispielkonnte ich von früher her spielen, allerdings noch nichtgenügend gut Rollstuhl fahren; dennoch war ich einenMonat nach meiner Entlassung aus der Rehabilitation bereitsim Team der Badminton-Europameisterschaft. Danachhabe ich zwei Jahre intensiv Badminton gespielt,daneben auch Basketball, Schwimmen, Handbiken undMonobob-Skifahren betrieben. Besonders gut gefiel mirRollstuhl-Tennis. Ich fand Tennis schon in meinem Sportstudiumanspruchsvoll; neben der Schlagtechnik kamjetzt das richtige Fortbewegen des Rollstuhls mit demSchläger in der Hand dazu. Diese Herausforderung hatmich fasziniert.Und brachte auf Anhieb grosse Erfolge!Nicht sofort, denn vorerst haben wir uns für die Paralympicsin Sydney nicht qualifizieren können, weil es eineQuoten-Qualifikation der Länder war. Sandra Kalt undich waren zwar bereits Nummer 1 und 2 der Schweiz,aber leider waren wir in Sydney nicht dabei. Aber späterwar ich fünf Mal am Australian Open, meinem absolutenLieblingsturnier, und vielen andern grossen Turnieren invier Kontinenten. Die Tennis-Tour der Rollis ist demWeltverband angegliedert und recht professionell geführt;2005 bis 2007 war ich in den Top Eight und konntedamit an allen grossen Turnieren teilnehmen, in Melbourneund Roland Garros sogar parallel zu den GrandSlam Events. Das waren natürlich Höhepunkte.4/2009 15