DIE BRIEFFORM IM 18. JAHRHUNDERT - DEA - Debreceni Egyetem
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freuen können. Oft nennt sie ihn „mein Lieber“, demgegenüber Goethe sie „mein<br />
Kind“. Er bedeutet für sie den Mann ihres Lebens, was denkt Goethe aber über sie? Sie<br />
ist 16 Jahre jünger als er. Das kann ein Grund für „liebes Kind“ sein. Es wird aber aus<br />
seinen Briefen klar, dass er keine Vaterrolle in Christianes Leben einnehmen will.<br />
Es ist nicht unnötig, in den Briefen seine Liebe zu ihr zu betonen. Wegen seiner<br />
Reisen verbringt sie allein mit dem Kind viel Zeit zu Hause. Oft kommen bestimmte<br />
Nachrichten in Weimer auf, die einmal sagen, dass viele Frauen um Goethe kreisen, ein<br />
andermal z.B., dass Goethe schlieβt eine Ehe, nur nicht mit Christiane:<br />
„… kommt Meisel und fragt mich ohne Umstände, ob es wahr wär, daβ Du heurathst,<br />
du schafftest Dir ja schon Kutsche und Pferde an. …“ 49<br />
Es ist kein Wunder, wenn sie in ihren Briefen von Goethe über die „Äugelchen“<br />
Rechenschaft verlangt. (Äugelchen ist ein Wort aus ihrer gemeinsamen Geheimsprache,<br />
bedeutet eine Annäherung an eine andere Person, darüber werde ich aber noch später<br />
schreiben.) In solchen Fällen strebt sie besser danach, Goethe ihre Liebe zu versichern:<br />
„… Was willst Du denn mit allen Äuglichen anfangen? Das wird zu viel. Vergiβ nur<br />
nicht ganz Dein ältstes, mich, ich bitte Dich, denke doch auch zuweilen an mich. Ich<br />
will indeβ fest auf Dich vertrauen, man mag sagen, was man will. Denn Du bist es doch<br />
allein, der meiner gedenkt.“ 50<br />
Zum Grunde meiner Diplomarbeit dienen die Briefe, die zwischen Goethe und<br />
Christiane entstanden sind. Die Zahl dieser Briefe beweist nicht nur, dass sie viele Jahre<br />
lang zusammengelebt haben, sondern auch das, dass Goethe in diesen Jahren – wie<br />
immer in seinem Leben – viel gereist hat. Ich denke mich in Christianes Lage hinein. Es<br />
kann für eine junge Frau nicht leicht sein, allein mit dem Kind zu Hause zu bleiben,<br />
während ihr Geliebter in ganz Europa reist. Es stellt die Beziehung auf die Probe. Die<br />
Briefe liegen vor mir, sie drücken oft von Christianes Seite gegen diese Reisen Proteste<br />
aus:<br />
__________________<br />
49 Gräf, Hans Gerhard: Goethes Ehe in Briefen. Insel Verlag 1956. S. 111.<br />
50 a.a.O. S. 271-272.<br />
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