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DIE BRIEFFORM IM 18. JAHRHUNDERT - DEA - Debreceni Egyetem

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Brief-Stil zu verbreiten. 5<br />

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts erscheinen die ersten Anzeichnen von<br />

Interesse an freundschaftlichen Briefen. Der schriftliche Austausch von gleich<br />

empfindenden Seelen tritt in den Vordergrund. Die Briefe sind durch Religiosität<br />

durchdrungen, die Menschen haben Sehnsucht nach Tröstung und Erbauung, sprechen<br />

sich wechselseitig aus. Die Frauen beginnen auch, am Briefwechsel teilzunehmen. Der<br />

Stil ändert sich auch. Die Übergänge werden flieβender, Fremdwörter verschwinden<br />

völlig, in Briefen von Frauen wird die Bitte um Freundschaft wichtiger als die um<br />

Protektion. Als Norm für den Briefstil wird die „Sprache des gemeinen Lebens“<br />

bezeichnet. Die Themen umfassen fast alle Bereiche des Lebens: Bildung, Erziehung,<br />

Tod, Liebe und Freundschaft. Die ‚natürliche Sprache des Herzens’ und die<br />

‚Individualität’ sind die neuen Fixpunkte, an denen man sich zu orientieren hat. 6 Gellert<br />

arbeitete auch eine Brieftheorie aus. Er lehnte alle Anweisungs- und Regelbücher ab,<br />

und räumte dadurch mit dem Vorschriftenzwang hinsichtlich der einzelnen<br />

Briefgattungen auf. Er offenbart sein Programm: „Nun werde ich ihnen sagen sollen,<br />

welches ich denn für die besten Regeln halte. Ich antworte, die wenigsten.“<br />

In den Briefstellern des <strong>18.</strong> Jahrhundert taucht immer wieder die Vorstellung vom Brief<br />

als Gespräch auf. Gellert schreibt so: „Das erste, was uns bey einem Briefe einfällt, ist<br />

dieses, daβ er die Stelle eines Gesprächs vertritt. Dieser Begriff ist vielleicht der<br />

sicherste.“. Gellert kritisiert sowohl die antiken Gröβen Cicero und Plinius als auch die<br />

zeitgenössischen französischen Gelehrten, weil sie zu viel unnatürliche Elemente in<br />

ihren Schreiben verwenden. Gellert propagiert den natürlichen Stil, geht davon aus, dass<br />

diesem Anspruch nur genüge tun kann, wer sich der Regeln enthält und beim Schreiben<br />

„seinem eignen Naturelle“ folgt. Durch ihre soziale und emotionale Bewertung<br />

hält Gellert die Frau als Briefschreiberin von Natur aus für geeigneter. Der Brief ist ein<br />

Medium, das den Menschen ermöglichte, Individualität aufzubauen, denn „die<br />

Selbstartikulation durch das Schreiben, das Wahrgenommenwerden durch den Partner<br />

__________________<br />

5 Grenzmann, Wilhelm: Brief (Wörterbuchartikel), in: Kohlschmidt, Werner & Mohr, Wolfgang:<br />

Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Erster Band A-K, Berlin: Walter de Gruyter & Co<br />

1958, S. 187-193.<br />

6 Nörtemann, Regina: „Brieftheoretische Konzepte im <strong>18.</strong> Jahrhundert und ihre Genese“, in: Ebrecht,<br />

Angelika & Nörtemann, Regina & Schwarz, Herta: Brieftheorie des <strong>18.</strong> Jahrhunderts. Texte,<br />

Kommentare, Essays, Stuttgart: J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung 1990, S. 215., 217.<br />

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