06<strong>Moskau</strong>erWirtschaftNeues ausder AHKDieser Infodienst wirdzusammengestellt von:Umfrage unterdeutschenUnternehmenDie Deutsch-Russische Auslandshandelskammer(AHK) hat in Russlandtätige deutsche Firmen nach denAuswirkungen der Spannungen zwischender Russland und Georgienbefragt. Weitestgehend übereinstimmendsind die Generaldirektoren,Geschäftsführer und Repräsentanzleiterder Überzeugung, dassdie aktuelle Situation bisher keineAuswirkungen auf ihr Geschäftund geplante Investitionen hat. DieEntwicklung betrachten die meistenUnternehmen jedoch mit Sorge. Solltesich der Konflikt zuspitzen oder längerals unbedingt notwendig andauern,sind Auswirkungen auch aufdie Wirtschaft nicht auszuschließen.Insgesamt erging der Appell an diePolitiker und Diplomaten aller beteiligtenSeiten nach Weitsicht undVernunft.VerkaufausländischerMedikamenteZum 01.01.2009 plant das russischeGesundheitsministerium nachInformationen der Bundesagentur fürAußenwirtschaft (bfai) eine Änderungder bisherigen DLO-Richtlinien.Diese Richtlinien regeln den Verkaufausländischer Medikamente in derRussland. Die neue Liste soll deutlichweniger ausländische Präparate beinhaltenund damit zur Stärkung dereinheimischen Produzenten beitragen.Sollte das Vorhaben in dieserWeise umgesetzt werden, könnte esmassive Umsatzeinbußen für ausländische,darunter auch deutschePharmaunternehmen bedeuten.Branchenkenner befürchten,dass kostenintensive ausländischeProdukte ersatzlos durch russischePräparate ersetzt werden, die jedochin Anwendung und Wirkungsweiseoftmals nicht dem neuesten Stand derForschung entsprechen.Weitere Informationen: Bernd Hones,bfai Russland, E-Mail: hones@bfai.deClearingstellebei der ahkeingerichtetAm 1. Juni 2007 ist das EU-Russland-Visaerleichterungsabkommen in Kraftgetreten und hat damit das bilateraleAbkommen zwischen Deutschland undRussland ersetzt. Trotz des EU-Russland-Visa erleichterungsabkommens führenviele Firmen Beschwerde in Bezugauf die Erteilung von Visa für dieBundesrepublik Deutschland, egal obfür Geschäftsreisen, Ar beits aufenthalteoder Fort bildungsmaßnahmen fürrussische Mitarbeiter. Aus diesemGrund hat die Deutsch-RussischeAuslands handelskammer (AHK) eine sogenannte Clearingstelle eingerichtet,die zur Unterstützung für russischeStaatsbürger zur Erlangung einesVisums für Deutschland oder dieSchengenstaaten genutzt werdenkann.Ansprechpartner: René Harun, Deutsch-Russische Auslands handelskammer(AHK), E-Mail: ha-run@russland-ahk.ruKühles KlimaDer Georgienkonflikt belastet die russische VolkswirtschaftAnfang September erlebte der russische Aktienmarkt eine schwarze Börsenwoche.Der Leitindex RTS fiel auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren.Allein in den ersten Septembertagen rutschte er um elf Prozent in den Keller.Während Premier Wladimir Putin auf die Krise der westlichen Finanzmärkteverweist, sehen Analysten den Krieg in Georgien und die politischenVerstimmungen zwischen Russland und dem Westen als Ursache.Die Folgen waren schon zu spüren,als noch die Generäle das Sagenhatten. Mehr als 20 Milliarden US-Dollar betrug nach Ansicht vonExperten die Kapitalabwanderungim August aus Russland. FinanzministerAlexej Kudrin sprach von mehrals sieben Milliarden US-Dollar, dieallein in den ersten vier Kriegstagenvor allem von ausländischen Anlegernabgezogen worden seien.Auf das Konto des Krieges gehenauch die Einbrüche bei den GoldundWährungsreserven Russlands.Nach Informationen des Magazins„Expert“ schrumpften sie MitteAugust um 16,4 Milliarden US-Dollar. Zu solch einem Reserveverlustwar es zuletzt im August 2006gekommen, als <strong>Moskau</strong> mit einemSchlag seine Gesamtschulden anden Pariser Club zurückzahlte. DieFolgen der Kapitalabwanderung:Der Wert des Rubels sinkt. AnfangSeptember senkte die russischeZentralbank den amtlichen Wechselkurszum US-Dollar.Seit einigen Monaten war der RTSbereits auf Abwärtskurs. „Aber erstder Krieg hat diesen Trend regelrechtbeschleunigt“, sagt MariaTscheremissina, stellvertretendeVorsitzende der „Nationalen Assoziationder Fondsmarktanleger“ in<strong>Moskau</strong>. Auch Kirill Pensin, Chef derAbteilung für „Strukturproblemedes Finanzmarktes“ an der <strong>Moskau</strong>erBörse hält den Kaukaus-Konfliktfür eine der wichtigsten Ursachendafür. Wie nervös die Anleger aufdie politische Lage reagieren, zeigtVon Roman Schelleine Äußerung US-VizepräsidentenRichard Cheney Anfang September,Amerika unterstütze den BeitrittGeorgiens in die Nato. Der LeitindexRTS verlor an zwei aufeinanderfolgendenjeweils vier Prozentund fiel auf 1469 Punkte - der tiefsteStand seit zweieinhalb Jahren.Während Präsident Dmitrij Medwedewund Premier Wladimir Putinunisono vor allem die Krise auf denwestlichen Finanzmärkten für denschwächelnden Anlegermarkt verantwortlichmachen, sehen Analystenund Wirtschaftsvertreter auchdie hausgemachten Probleme. Siefürchten, dass die Märkte sich nichtin kurzer Zeit erholen werden.Neben der weltweiten Finanzkrisemachen sie dafür auch das derzeiteisige politische Klima zwischenRussland und dem Westen verantwortlich,das beispielsweise dengeplanten Beitritt Russlands zurWelthandelsorganisation WTO inweite Ferne rücken dürfte.„In Zeiten drohender Sanktionengegen Russland und eines erhöhtenpolitischen Risikos ändern viele Investorenihre Portfolios und konzentrierensich auf andere Wachstumsmärkte“,sagt Alexander Schochin,Präsident des russischen Verbandesder Industriellen und Unternehmer.Bei ihrem Sondergipfel in BrüsselEnde August verurteilten europäischeVertreter Russlands Anerkennungvon Südossetien und Abchasien.Die EU setzte die Verhandlungenüber ein neues Partnerschafts- undKooperationsabkommen mit KremlUnendliche GeschichteAls Konsequenz der aktuellen Ereignisse im Kaukasus hat die EU die Verhandlungenüber ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russlandzwar nicht ausgesetzt aber verschoben. Russland ist und bleibt ein wichtigerweltweiter Handelspartner, schon allein wegen seiner Öl- und Gasvorkommen.Trotzdem ist der Beitritt in die WTO bisher nicht zustande gekommen.<strong>MDZ</strong>-Redakteurin Anne Wäschle sprach darüber mit Georg Koopmann, demWTO-Experten des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts.Seit fast zwei Jahrzehnten verhandeltRussland mit der Welthandelsorganisation.Ist nach dem Konfliktmit Georgien der Beitritt wiedereinmal fraglich geworden?Die Politik eines Landes wirktsich immer auch auf seine Handelsbeziehungenaus. Es gibt einenindirekten Zusammenhang zwischendem, was im Kaukasus passiert,und der Entscheidung übereine Aufnahme Russlands in dieWTO. Da eine Mitgliedschaft ebennicht nur an wirtschaftliche Auflagengebunden ist, wird sich derBeitritt Russlands zur Welthandelsorganisationnoch hinzögern.Was würde eine NichtaufnahmeRusslands in die WTO eigentlichbedeuten?Ökonomen sprechen in so einemFall nicht von einem „Verlust“, sondernvon einem „entgangenenGewinn“. Für alle beteiligten Länderwäre die stärkere IntegrationRusslands von Vorteil. Die wirtschaftlichenBeziehungen wärendurch die Maßgaben geregelt, aufdie sich die WTO verständigt hat.Investoren würden von mehrRechtssicherheit durch die Einschränkungder handelspolitischenWillkür profitieren. Für den Westenist dabei natürlich vor allem einbesserer Zugang zu den Rohstoffenund Energiequellen interessant.Deutsche Zeitung Nr. 17 (240) September 2008Ein zerstörtes Haus im georgischen Gori Ende August. Die langfristigen Folgen fürbeide Seiten beschäftigten derzeit die Ökonomen.Russlands WTO-Beitritt ist nach der Kaukasuskrise wieder fraglicher gewordenFoto: ArchivDer britische Premierminister GordonBrown hat ebenso wie die Regierungder USA vor dem Hintergrundder Georgienkrise damit gedroht,Russland aus der G8 auszuschließenund die WTO-Mitgliedschaft zu verwehren.Wie sinnvoll wären solcheSanktionen aus europäischer Sicht?Generell halte ich nichts davon,mit wirtschaftlichen Sanktionenpolitische Konflikte lösen zu wollen.Meist hat das einen negativenEffekt für beide Seiten. HandelspolitischeSanktionen schaden demLand, gegen das sie sich richten,genauso wie dem Land, von demsie ausgehen.Welche Vorteile bietet Russland eineWTO-Mitgliedschaft überhaupt?Und welche Verpflichtungen müsstees eingehen?Russland würde gegenüber seinenHandelspartnern an Glaubwürdigkeitgewinnen. Allerdingsist Russland institutionell nochnicht bereit für die WTO. Das russischeRechtssystem muss angepasstwerden, ich denke zum Beispielan den Schutz von geistigemEigentum und die staatswirtschaftlicheMonopolbildung. Die Wettbewerbsmöglichkeitenmüssenaus – so lange, bis Russland dienoch verbliebenen Truppen imKernland Georgiens abgezogen hat.Um schwerwiegendere Maßnahmenoder gar Sanktionen gegen <strong>Moskau</strong>ging es nicht.Weniger nervös als der Kapitalmarktreagieren Unternehmen, dienach Russland Waren exportierenoder hier produzieren. „Russland istein großer und viel versprechenderMarkt. Allein der deutsche Maschinenexportnach Russland wächstJahr für Jahr. Wenn jemand meintnicht mehr liefern zu müssen, dannmüssten wir in einem anderen Teilder Welt einkaufen. Aber wer hatdas nötig?“, fragte PremierministerWladimir Putin bei einem Interviewmit der ARD.Nach Angaben der NachrichtenagenturRIA Nowosti rechnet Putinin diesem Jahr mit einem Kapitalzustromnach Russland in Höhe von 40Milliarden Euro – das ist halb sovielwie noch im vergangenen Jahr. Beieiner Konferenz im usbekischenTaschkent gab sich der PremierAnfang September betont gelassen:Es sei normal, dass politische Ereignisseden Kapitalzufluss hemmenund den Kapitalabfluss anspornenwürden, für die russische Volkswirtschaftsei dies im Augenblick auch„nicht so schlimm“: Der gewaltigeGeldzufluss aus dem Ausland habeim vergangenen Jahr die Inflation indie Höhe getrieben.Als eine weitere Konsequenz desKonflikts bezeichnen Beobachtereine Abkühlung des Investitionsklimasauch in die andere Richtung.Investitionen russischer Unternehmenin Europa, ein erklärtes strategischesZiel des Kremls, dürftennun noch schwieriger werden.sich verbessern. Die WTO siehtaußerdem klare Regelungen fürstaatliche Subventionen vor. Dieliegen im roten Bereich, wenn dieRegierung einigen Unternehmendirekt und unmittelbar Vorteileverschafft.Welche Rolle spielen dieseDiskussionen für ausländische, insbesonderedeutsche Investoren inRussland?Es gibt ein starkes Interessedaran, nach Russland zu kommenund zu investieren. Der Beitritt indie WTO würde die Effizienz derHandelsbeziehung steigern unddas Investitionsrisiko minimieren.Eine Nichtaufnahme in die WTO wäre für beide Seiten keinVerlust, aber ein entgangener Gewinn.Alle Transaktionen würden untergrößerer Sicherheit verlaufen.Wann wird Russland WTO-Mitglied?Nachdem wir zuletzt im vergangenenJahr sicher waren, dass dielangjährigen Verhandlungen nunendlich von Erfolg gekrönt seinwerden, bin ich mit einer Prognosevorsichtig. Die Kaukasuskrise wirddie Aufnahme erneut verzögern.Für mich wäre 2009 vorstellbar,aber leider können wir nicht ausschließen,dass sich das Spiel nochein paar Jahre hinzieht.Foto: Wikipedia