1. „Wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“ (1. Petr. 1,3) (Bibelzitate nach Luther‘84)Der 1. Petrusbrief beginnt mit einem Lobpreis. Schon hier fällt die Bemerkung von der Wiedergeburtzur lebendigen Hoffnung, die jeden Christen auszeichnet. Für die „verstreut wohnenden Fremdlinge“(1,1) des 1. Petrusbriefes gibt es eine Menge, was gegen eine solche Auszeichnung spricht. Dennsie sind verschiedenen Widrigkeiten ausgesetzt. Die allgemeine St<strong>im</strong>mung ist ihnen nicht unbedingtfreundlich gesonnen. Manche sprechen gar von latenter Verfolgung. Jedenfalls sehnen sie sich nacheiner großen Gemeinschaft, da sie in ihrem Alltag doch weit verstreut auseinander wohnen und ihnendort auch ein mitunter scharfer Gegenwind ins Gesicht bläst. Der 1. Petrusbrief will sie stärken, so wieuns der ÖKT stärken soll und will.Doch wenn ich mehr die Widrigkeiten sehe und den Gegenwind spüre, verspricht da dieser Lobpreiszu Beginn des 1. Petrusbriefes nicht das Blaue vom H<strong>im</strong>mel? Genau das tut er – mit gutem Grund.Denn solche Hoffnung fällt vom H<strong>im</strong>mel und hat gleichwohl ihren Grund: Gott hat uns wiedergeboren„aufgrund seiner großen Barmherzigkeit [...] durch die Auferstehung Jesu Christi“ (1,3). Damit istsogar ein doppelter Grund der Hoffnung benannt. Hoffnung wächst, weil Gott sie pflanzt. Hoffnunghaben wir nicht aus uns selbst, sondern weil Gott sie setzt – wie eine Pflanze <strong>im</strong> Mai. Und: LebendigeHoffnung vermag die Todes(be)drohungen unserer Welt zu unterlaufen, weil sie sich auf das Ereignisgründet, das dem Tod seine Macht genommen hat. Die Auferstehung Jesu Christi von den Toten istdas Ereignis, was all unsere Vorstellungskraft sprengt, was zugleich aber den Nucleus der Energiedarstellt, von der her wir Christen leben: Dem Tod ist die Macht genommen. So definiert der 1. PetrusbriefBarmherzigkeit. Der ÖKT möchte uns versammeln, damit wir wieder in den Bannkreis dieserHoffnung geraten, damit wir wie neugeboren voll Hoffnung in unseren Alltag kehren: Es gibt mannigfacheWidrigkeiten, scharfen Gegenwind und viele hausgemachten Probleme – verliert nicht euren Mut,sondern seid fröhlich in Hoffnung, denn die Macht des Todes ist schon gebrochen. Versteht euch undeuer Handeln in Kirche und Welt nicht mehr von der Bedrohung durch irgendeinen Tod, sondern vonder Barmherzigkeit Gottes her.Lied: Großer Gott, wir loben dich (EG 331 / GL 257), Strophen 6–72. „Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade!“ (1. Petr, 1,13)Solch lebendige Hoffnung könnte Anlass geben zu einem Siegesbewusstsein, das die Anderen überrolltmit dem, was man selbst für befreiend, lebensfördernd, wegweisend hält. Sehr schnell geratenwir damit auf die Seite der Richtigen, der Besseren, der Heiligeren. „Seid nüchtern!“ (1,13), warnt derSchreiber des 1. Petrusbriefes. Du kannst Deine Hoffnung nicht auf alles Mögliche setzen, sondernnur auf eines: auf die Gnade Gottes. Und die will, dass allen Menschen geholfen werde. Diese Gnadeist zuvorkommend, nicht nachtragend. Sie ist gewissenhaft, nicht rechthaberisch: „Denn das ist Gnade,wenn jemand vor Gott um des Gewissens willen das Übel erträgt und leidet Unrecht.“ (2,19)Lied: Großer Gott, wir loben dich (EG 331 / GL 257), Strophe 812
3. „Damit ihr Hoffnung habt“ (1. Petr. 1,21)Solche Hoffnung führt in die Anfechtung. Dort aber wird die Sehnsucht geweckt, Anteil zu haben andem, was der Auferstandene für uns ge- und bewirkt hat, „damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gotthabt“ (1,21). Der Genuss solchen Glaubens und solcher Hoffnung geschieht nur durch die Anfechtungendes Alltags hindurch, wozu auch die real existierende Ökumene gehört.Glauben und Hoffnung haben eines gemeinsam: Beide leben davon, dass jemand Vertrauen fasst indas, was trägt und bewegt. Beide wollen und müssen erlernt sein, obwohl sie beide durch Lernennicht bewerkstelligt werden können. Der ÖKT hat genau hierin eine gesellschaftliche Bildungsaufgabe,denn nur eine Hoffnung, die nicht trügerisch ist, kann tragen und bewegen in Zeiten, wo alles zuzerbrechen oder zu zerfließen droht.Lied: Großer Gott, wir loben dich (EG 331 / GL 257), Strophe 94. „Gebt Rechenschaft über die Hoffnung!“ (1. Petr. 3,15)In genau dieser Situation zieht uns der Schreiber des 1. Petrusbrief zur Rechenschaft: „Seid allezeitbereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die ineuch ist.“ (3,15) Das war auch schon der Predigttext für den Schlussgottesdienst des Bremer Kirchentages.Die Predigt von Daniele Garrone empfehle ich hier noch einmal zur Vor- bzw. Nachbereitung.In der Kirchentagsübersetzung hieß es damals nicht „über die Hoffnung, die in euch ist“, sondern„über die Hoffnung, die euch treibt.“ Auch Christen sind getriebene Leuten. Wir stehen nicht außerhalbdes Weltgetriebes, sondern mitten drin. Aber es macht eben einen Unterschied, wer oder wasuns treibt, mit welchem Treibstoff wir laufen.Für die Rechenschaft über die Hoffnung, die uns treibt, brauchen wir die Gemeinschaft aller Christinnenund Christen. Wir brauchen sie, weil sie uns stärkt. Und wir brauchen sie, weil so Hoffnung fürdiese Welt laut wird. So lasst uns lauter sein und werden!Lied: Großer Gott, wir loben dich (EG 331 / GL 257), Strophen 10–11Harald Schroeter-Wittke13