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Kirchentagssonntag - Diözesankomitee im Erzbistum Paderborn

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Für den wirkungsgeschichtlichen Horizont notiert: Wenige Bibelhandschriften legen das Lied derElisabeth in den Mund, wie ein Hinweis, dass auch die alte Frau in das Lied der jungen Frau hätteeinst<strong>im</strong>men können. Für andere schreibt Maria das Magnificat mit eigener Hand auf, Sandro Botticell<strong>im</strong>alt sie um 1485 mit dem Jesuskind auf dem Schoß, das ihr die Hand führt, oder: Marie Ellenrieder(1833) lässt sie in einsamer Stille meditierend schreiben.Mit Herzen, Mund und Händen, mit Leib und Seele singt Maria: Sie will Gott groß machen, sie will Gotthoch halten, sie lässt Gott hoch leben. Dre<strong>im</strong>al Hoch, Gottes Geburtstag ist <strong>im</strong> Blick. Das erfährt Gottsozusagen unmissverständlich aus dem Munde der Maria, weil sie das entsprechend erfahren hat.Dabei redet Maria von sich selbst in der dritten Person, sie bezeichnet sich als „Magd des Herrn“,wie schon bei ihrer Antwort auf die Ankündigung der Geburt des Jesuskindes durch den Engel. Damitbringt sie die Haltung eines Menschen zum Ausdruck, der sich von Gott ansprechen lässt, der sich vonGott in Anspruch nehmen lässt, der auf Gott eingeht und mit ihm an der Seite aus sich herausgeht,der einwilligt in einen Weg, der wundervoll offen ist. Da sind für den Augenblick alle Selbstzweifelüberwunden. Denn: Gott hat mich angesehen (vgl. Hagar in Genesis 16). Wer weiß nicht, was dasschon für ein Leben bedeutet, von einem anderen Menschen ehrlich angesehen und wirklich begrüßtzu werden?! Was für ein überraschtes und überwältigendes Erstaunen bei Menschen bahnt sich an,die nicht wissen, wie ihnen geschieht, wenn sie anerkannt und wertgeschätzt werden – da verblasstauf einmal alles andere, an Leistung und Versagen; die auf einmal erleben, was daraus werden kann,wenn du hoch gehalten wirst, wenn man / frau dich hoch leben lässt, das ist wie neu geboren werden… da ist Zukunft offen, da reißt der H<strong>im</strong>mel auf. Und so redet Maria von ihrer „Niedrigkeit“, aus dersie herausgeholt wird und vor der sie bewahrt wird: Für damaliges Verständnis zum einen aus belastenderund gefürchteter „Kinderlosigkeit“, zum anderen voll von Hoffnung auf eine neue Zeit – jenseitsdes Elends.So unvergleichlich diese persönliche Gotteserfahrung gewesen sein mag, so weitet sich in diesemLied zugleich der Blick auf einen Gott, der die Welt auf unnachahmliche Weise in Händen hält, der dieMächtigen nicht nur in Schach hält und in Schranken weist, sondern ihre Pläne vereitelt und von ihrenThronen herunterholt und stürzt; der die Erniedrigten aufatmen lässt, die Gedemütigten aufhebt unddie Unterdrückten aufrichtet; der den Hunger der Hungrigen stillt und Leben für alle in Fülle schenkt– und die gottvergessenen Reichen haben das Nachsehen. Überraschende Erfahrungen für dieMühseligen und Beladenen – wie die Bibel sie kennt (Mt 11,28), für die Verlassenen und Verachteten– wie Karl Marx sie nennt. Perspektivenwechsel: Ein Gott, der die Welt ins Gebet n<strong>im</strong>mt und dem dasSchicksal der einzelnen Menschen so wenig gleichgültig ist wie das Ergehen der Völker dieser Erde.Immerhin ist es erstaunlich, was für Glaubenstraditionen die Zwölfjährige da in ihrem Lied der Hoffnungaufn<strong>im</strong>mt, auch wenn sie – wie es das Lukasevangelium nahe legt –, eine enge Beziehung zuihrer Verwandten Elisabeth hat, einer Frau aus dem Hause Aarons, einem priesterlichen Geschlecht,dazu der Frau eines Priesters, wo solche Traditionen angesagt und lebendig sind. Wer heute in denOrient reist, kann <strong>im</strong>mer noch erleben, welche Bedeutung aus- und inwendig eingeprägte Texte fürMenschen haben, die sie für sich oder gemeinsam laut und mit rhythmischen Bewegungen rezitierenund neu lebendig werden lassen – ob an der Klagemauer oder in einer Moschee, ob in einem Teehausoder in einem Beduinenzelt. Unter uns ist solche Vertrautheit mit der Bibel selten geworden.17

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