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AUF DEM ABSTELLGLEIS - tages anzeiger

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24. Mai 20135ReportageMIT GESCHNÜRTEN BERGSCHUHENDie drei-köpfige Bessatzung der Rega-Einsatzzentrale in Locarno ist an sieben Tagen die Woche, 24 Stundenzum Einsatz bereit. Vom Notruf bis zum Abflug des Helikopters vergehen tagsüber nicht mehr als vier MinutenRettungsspezialist Helikopter Ambrosini Das Rega-Team bei einem Patiententransfer Sanitäter Beldì und Pilot Sasselli beim Briefing Rega-Ärztin Manuela Zamprognovon Martina KobielaDer Tag in der Rega-Basis Locarno beginnt fürCorrado Sasselli noch vor acht Uhr. Er ist an diesemMittwoch der diensthabende Pilot der dreiköpfigenRettungscrew. Bevor das Briefing beginnt,informiert er sich im Einsatzleitsystem derRega REMICO (REga MIssion COntrol) über dieheutigen Flugverhältnisse. Dazu gehört auch dasLawinenbulletin, das heute die Gefahrenstufe 3anzeigt. Die Basis Tessin wird hauptsächlich zuUnfällen auf Skipisten sowie Einsätzen mit derRettungswinde in den Bergen, über Seen undWasserläufen aufgeboten. Pro Jahr werden etwa500 Einsätze geflogen. Sasselli sitzt vor einemBildschirm und studiert die für Laien zum Grossteilunverständlichen Flug- und Wetterkarten,druckt sie aus und legt sie in eine rosafarbene abgegriffenePapiermappe. Durch eine Glasscheibehat er den Blick frei auf den Hangar, in dem der roteGebirgshelikopter AgustaWestland Da Vincieinsatzbereit wartet. Noch liegt in der Höhe so vielSchnee, dass der Hubschrauber mit Kufen zurLandung im Schnee ausgerüstet ist. Spätestensvier Minuten nach dem Eintreffen des Notrufsmuss der Hubschrauber in der Luft sein. Nochwährend der Anrufer die Notlage beschreibt,macht sich das Team für den Abflug bereit, rolltden Hubschrauber aus dem Hangar, startet denMotor und schnallt sich an.Um so einen schnellen Abflug sicherzustellen,muss der Pilot jeden Morgen die gesamte Flugvorbereitungdurchführen. Dazu gehört auch die Gewichts-und Schwerpunktberechnung für denHubschrauber. Ohne einen Patienten wiegt derRettungshelikopter an diesem Tag 2’948 Kilogramm.Daraus errechnet Sasselli die Leistungsfähigkeitdes Hubschraubers. Mit vollem Tankkann er heute auf eine Maximalhöhe von knapp2’650 Metern steigen. Nach 40 Minuten Flug hatsich der Tank bereits soweit geleert, dass Corradoin einer Höhen von über 3000 m ü. M. fliegenkönnte. Trotzdem wird ein Alpenüberflug, für einenPatiententransport zum Beispiel, an diesemregnerischen Tag kaum möglich sein. Die Sicht istmit weniger als 600 Metern zu schlecht. Doch einRettungs- oder Transferflug in der italienischenSchweiz würde drinliegen, sagt Sasselli. Tatsächlichhat er erst am Tag zuvor, einem nassen undgrauen Dienstag, einen Patienten mit Herzrhythmusstörungenvom Maggiatal ins Krankenhausnach Lugano geflogen. Technisch war es ein einfacherFlug, meint er, aber medizinisch von höchsterPriorität. Denn die Minuten bis zum Eintreffenim nächstgelegenen Traumazentrum sind oftlebenswichtig. Kann der Patient innerhalb kurzerFrist dem Spital übergeben und mit professionellerDiagnostik und Behandlung begonnen werden,beeinflusst dies seine Prognose günstig, insbesonderebetreffend Spätfolgen, erklärt Manuela Zamprogno,die Notfallärztin im Team.Die neue Einsatzbasis der Rega am Flugplatz Locarno, mitten in der MagadinoebeneWenn die Italienerin Manuela Zamprogno nichtbei der Rega mitfliegt, arbeitet sie als Anästhesistinin der Notaufnahme in Lugano. Das machendie meisten Rega-Ärzte so. Die Rega arbeitet fürden Einsatz der Notärztinnen und Notärzte aufden Helikopterbasen seit Jahren mit den Anästhesieabteilungender Zentrumsspitäler zusammen,die der jeweiligen Rega-Einsatzbasis am nächstenliegen. Die Mediziner machen vier bis fünf Malim Monat eine 24-Stunden-Schicht auf der Rega-Basis. Im ersten Stock der im April, nach zweiJahren Bauarbeiten, eingeweihten Basis befindensich drei Schlafzimmer, für die drei diensthabendenTeammitglieder. Sie müssen jederzeit zumEinsatz bereit sein. Auch während des reichhaltigenFrühstücks mit Kaffee, Croissants, Marmelade,Erdbeeren und Tessinerbrot sitzen ManuelaZamprogno, Corrado Sasselli und der RettungssanitäterGiovanni “Hans“ Beldì in ihren Overallsund mit geschnürten Bergwanderschuhen amTisch. Ihre Bekleidung und ihre Ausrüstung sindnormiert. Doch ausser dem Vorgeschriebenenträgt Pilot Sasselli zum Beispiel immer eine Taschenlampe,einen Kugelschreiber und ein Patientenformularin seiner rechten Hosentasche. Sokann er die Patientendaten aufnehmen, währendsich der Arzt und der Sanitäter auf die medizinischeVersorgung konzentrieren können. Die ÄrztinManuela Zamprogno trägt immer ein Stethoskopmit sich und Sanitäter Beldì trägt immerzwei scherenartige Pinzetten zum durchschneidender Nabelschnur in seiner linken Brusttasche. Inseiner rechten Hosentasche trägt er eine Elektrikerschere.Er benutzt sie zum Beispiel, um dieKleider eines Patienten wegzuschneiden, wie ererklärt: “Ich empfinde den Umgang mit der Schereals sicherer und effizienter als denjenigen mitdem Taschenmesser. Anders als bei einer Ambulanz,sind wir im Hubschrauber sehr beschränktbei dem Material, das wir dabeihaben können.”Jeder hätte einen oder zwei individuelle Gegenständebei sich, die er persönlich bei der Arbeitnicht entbehren könne.Jedes Teammitglied hat seine eigenen Aufgaben.Doch, so wie der Pilot auch manchmal bei der Anamnesehilft, können auch die Mediziner manchmalbei dem Finden eines Verunfallten im Gebirgehelfen. Für alle Teammitglieder gilt es, einegründliche Kenntnis der vielen Täler, Abgründe,Steilhänge, Alpen und Gewässer zu haben. Beischwierigen Fällen jedoch holt das Basis-Team einenortskundigen Alpinisten hinzu. Oft ist das JuanitoAmbrosini.Juanito Ambrosini ist seit dreizehn Jahren RettungsspezialistHelikopter bei der Rega Basis Locarno.Seine Basis befindet sich jedoch nicht indem modernen Hangar auf dem Flughafen. Ersteht auf Abruf bereit. Seine Hauptkompetenzensind Alpinismus und eine präzise Ortskenntnis derTessiner Berge. Er kennt die vielen kaum einsichtbarenSchluchten, er weiss wo unter dem dichtenBlätterdach des Kastanienwaldes ein Gebirgsbachhinabrauscht und wo die schönsten Wasserfälle indie Tiefe donnern. Denn dort sind oft die Canyoning-Gruppenunterwegs. Er selbst erklettert underschwimmt die engen Schluchten oft in seinerFreizeit. Besonders wichtig, so erklärt er, sei dieTechnik beim Springen, denn man könnte vomWassersfall unter Wasser gedrückt werden.Zu den Kompetenzen als Rettungsspezialist Helikopterder Rega-Basis Locarno gehören im Tessinaber mehr als eine ausgezeichnete Ortskenntnis,alpine Erfahrung und medizinische Grundkenntnisse:Hilfreich sei es auch des Deutschen mächtigzu sein, meint Ambrosini, denn 90 Prozent der Patienten,die mit der Rega zusammenarbeiteten seiennicht italienischer Muttersprache: “Viele vonihnen sprechen Deutsch, das liegt auch daran, dassTouristen sich leichter verlaufen, weil sie eine geringereOrtskenntnis haben, als die Einheimischen.“

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