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Greifswald blockiert - webMoritz

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Vom Regenin die TraufeEin Gespenst geht um in Europa – der Flüchtlingsstrom. Von den Tagesschau-Bildern aus Lampedusa in Italien hin zur Lebenswirklichkeit dreier Flüchtlinge in<strong>Greifswald</strong> – eine Reise in eine andere Welt, unweit vom Stadtkern entfernt.Reportage: Ole Schwabe // Fotos: Gjorgi Bedzovski & Ole SchwabeedzovskiAhmed Omar Ali*,31möchte in DeutschlandbleibenWie schnell vergisst man, dass hinter den Zahlenkolonnenin den Medien Menschen mit individuellenEinzelschicksalen stehen. Brechen wir die Problematikeinige Ebenen runter, landen wir direkt vor unsereHaustür. Auch in <strong>Greifswald</strong> steht ein Asylbewerberheim, einesvon vier in ganz Vorpommern. Seit letztem November istes wieder geöffnet und vorläufig neues Zuhause für rund hundertMenschen aus zwölf verschiedenen Ländern. Getragenwird die Einrichtung vom Deutschen Roten Kreuz KreisverbandOstvorpommern, unterstützt von verschiedenen Vereinenund Initiativen, von denen sich einige im Netzwerk fürMigration Vorpommern zusammengeschlossen haben.Ein Donnerstag im April. Sonnenstrahlen fallen auf dieschmutzig-braune Fassade des Hauses in der SpiegelsdorferWende 4, eine jener Hinterlassenschaften des Arbeiter- undBauernstaates, die auch beim schönsten Frühlingswetternoch Tristes und Trostlosigkeit verbreiten.Ich trete ein, kleine Kinder flitzen auf Inline Skates an mirvorbei, es riecht nach Kaffee, kaltem Rauch und Essen. JungeMänner in Jogginghose und Unterhemd, Mütter mit kleinenKindern auf dem Arm. Neonröhren tauchen die verlebtenFlure in fahles Licht. Kulisse und Stimmung gehen hier Handin Hand. Denn trotz zahlreicher Bemühungen ist Perspektivlosigkeitein mächtiger Gegner im Kampf um Zukunft.Mitunter erscheint er, so erzählen mir später Bewohner wieSozialarbeiter, unbesiegbar, da per Asylbewerberleistungsgesetz(AsylbLG) verordnet. Dieses stammt aus dem Jahre1993 und verströmt trotz mehrmaliger Novellierungen immernoch restriktiven Geist. Im ersten Jahr des Aufenthaltsgibt es keine Arbeitserlaubnis, Deutschkurse werden nicht finanziert,der Alltag vieler Flüchtlinge in Deutschland pendeltzwischen nervenaufreibenden Gängen zum Amt und ziellosemWarten. Oftmals erlittene Grausamkeiten im Herkunftslandoder während der Flucht immer im Hinterkopf, fernabvon Familie und vertrauter Umgebung in Gemeinschaftsunterkünftenuntergebracht. Und über allem schwebt beständigdas Damoklesschwert „Abschiebung“. Es bleibt die Frage, obwir satten Mitteleuropäer uns trotz guten Willens in eine solcheLage überhaupt hineinversetzen können.Ich bin mit Ahmed Omar Ali *verabredet. Ich treffe ihn inseinem Zimmer im ersten Stock. Er ist einer der wenigen, dieein Eigenes haben. Ein Spind, ein Tisch, ein Bett, dazwischensurrt monoton ein Kühlschrank. Ein Fernseher mit Kommode,es läuft das Vormittagsprogramm der ARD, ein deutscherHeimatfilm. Ist das Leitkultur? Unbefangenheit fühlt sich andersan, die ersten Gesprächsansätze verlaufen noch schleppend,schließlich beginnt der 31-jährige von seinem Zuhause,Somalia, zu erzählen. Er musste seine Frau und fünf Kinderzurücklassen, saß einige Zeit im Gefängnis, seine Tante gabihm schließlich das Geld für die gefährliche Reise. Über denSudan ging es nach Syrien, von da aus in die Türkei, nachGriechenland, Norwegen, Schweden, Dänemark, schließlichnach Deutschland. Registriert wurde er in Griechenland, dahermüsste er im Fall einer Abschiebung dahin zurück. Dorthabe er auch einen falschen Pass samt Visa sowie gefälschterFahrkarten gekauft. „Die Lage dort ist katastrophal“, sagt er,die Menschen hausen förmlich auf der Straße, polizeilicheWillkür sei an der Tagesordnung. Seit November 2010 lebt ernun in <strong>Greifswald</strong>. Ich frage ihn, wie sein Alltag aussehe. Ergeht täglich in die Moschee oder spazieren, kocht gemeinsammit seinen Landsleuten, lernt Deutsch in der Volkshochschule,finanziert aus eigenen Ersparnissen.32 | GreifsWelt v

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