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Fachgesellschaften dürfen endlich mitreden - Deutsche Gesellschaft ...

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PolitikDie Auswahlkriterien in Deutschland sagenden Studienerfolg des Examens gutvorher, denn fast alle Studenten legen inder kürzesten Zeit ihr Examen ab, es gibtkaum Studienabbrecher. Nur dann nehmenvon allen jungen Ärztennur circa 60 Prozent eine Tätigkeitals Arzt in Deutschlandauf. Die anderen gehenins Ausland, zu Beratungsfirmen,Verlagen oder in dieIndustrie. Die Auswahlkriterienbewerten also nicht dieBereitschaft und Fähigkeit, als Arzt tätigzu sein. Der „Gesundheitsmarkt“ hat diegrößten Wachstumschancen, aber immermehr Menschen verdienen ihr Geld ander Medizin als Berater, Gesundheitsökonomen(so wie der mit der Fliege), Controllerund Manager, statt in der Medizinals Ärzte oder Pflegepersonal. Aber nurdurch letztere werden Patienten gesund.Oder liegt die „Abwanderung“ der jungenÄrzte an den schlechten Arbeitsbedingungenin Deutschland? Die finanzielleSituation hat sich zumindest für die niedergelassenenÄrzte ständig verschlechtert.Ich bin jetzt 21 Jahre in meiner eigenenPraxis tätig. In der Zeit hat sich dieZahl der von mir versorgten gesetzlichversicherten Patienten („Kassenpatienten“)um circa 20 Prozent erhöht, das Honoraraber um 20 Prozent vermindert. Ichmusste deshalb in dieser Zeit 50 Prozentdes Personals entlassen, was die Therapiemöglichkeitenund den Service einschränkt.Ich bekomme zurzeit circa 24Euro für die Behandlung eines Kassenpatientenpro Quartal (eventuell plus fünfEuro für Chirotherapie und plus elf Eurofür Röntgendiagnostik), egal wie häufiger behandelt wird. Mein Besuch beim Frisörist teurer, zweimal im Quartal erforderlichund zweimal zu bezahlen. DiesePauschalen bekomme ich auch nur biszu einem Budget, das so niedrig bemessenist, das es jedes Quartal nur für zweiMonate reicht. So ist es beispielsweise imMärz besonders motivierend, die Knöchelverstauchungeines Skifahrers, der inÖsterreich für die ambulante Behandlung800 Euro (!) bezahlt hat, ohne Bezahlungweiter zu behandeln.Auch die Gebührenordnung für die Behandlungder Privatpatienten wurdeimmer noch nicht angepasst. Sie ist seit1988 in der Struktur und seit 1996 in derHöhe unverändert! Die Kosten für Praxisräume,Energie, Material usw. sind inden 21 Jahren aber um mindestens 30Prozent gestiegen! Dass wir dennochunseren Lebensstandard halten konnten,liegt an meinen überdurchschnittlichenPrivateinnahmen und Einnahmen ausEngagierte Ärzte werden gebraucht. Der Arztberufist weiterhin der schönste Beruf, da die Dankbarkeitder Patienten einem jeden Tag wieder das Gefühlgibt, Sinnvolles zu tun.„Selbstzahlerleistungen“ (die der Herrmit der Fliege und seine Partei nun auchnoch unterbinden wollen), der Rückzahlungdes Praxiskredites und an praxisunabhängigenFamilieneinnahmen.Außerdem arbeite ich weiterhin fast 70Stunden pro Woche und mache unverändertnur zweimal zwei Wochen Urlaubpro Jahr.Die finanzielle Situation der angestelltenÄrzte ist ebenfalls nicht gerade üppig:Das Anfangsgehalt ist für alle Akademikergleich, aber das Medizinstudiumdauert doppelt so lange wie ein Bachelor-Studiengang. Nach weiteren sechs Jahrender Facharztweiterbildung steigt das Gehaltwie im öffentlichen Dienst üblich,aber in der Wirtschaft wird erheblichmehr bezahlt. Nach frühestens 15 Jahrenkönntest du Chefärztin sein. Dein Gehaltläge dann bei einem Drittel bis der Hälfteeines Vorstandsvorsitzenden einer Krankenkasse.Während früher Chefärzteerhebliche Nebeneinnahmen von ihrenPrivatpatienten bekamen, kassieren heutedie Klinikkonzerne das meiste davon.Eventuell erhält ein Chefarzt einen umstrittenen„Bonus“, wenn er die Zahl derteuren Operationen erhöht, hoffentlichnicht zu Lasten seiner Patienten.Aber auch die Arbeitsbedingungen vergraulenjunge Ärzte: Die Bürokratie hatin den letzten acht Jahren weiter zugenommen.So gibt es zum Beispiel für einenKassenpatienten, der eine Kur benötigt,das „Muster 60“ (R. Mey: „Antrag aufErstellung eines Antragformulars“), einFormular, mit dem der Patient zu seinerKasse gehen muss, um das „Muster 61“zu erhalten. Dieses Formular darf derArzt nur ausfüllen, wenn er einen Kursuszum Ausfüllen bei der Kasse besucht hat.Weiterhin vorgeschrieben sind Nachweisezur Fortbildung, die überflüssig sind,da Ärzte sich immer fortgebildet haben.Das „Qualitätsmanagement“ beschreibtjeden Handgriff selbst in kleinen Praxen,misst aber nicht die Ergebnisqualität derBehandlung, und „Korruptionsbeauftra g-te“ sind kostspielig und beschreiben Papier,verhindern aber keine Korruption.Aber dennoch rate ichdir nicht von deinen Plänenab. Engagierte Ärztewerden gebraucht. DerArztberuf ist weiterhinder schönste Beruf,da die Dankbarkeit derPatienten einem jeden Tag wieder dasGefühl gibt, Sinnvolles zu tun. Ich gehejeden Morgen wieder gern in meine Praxiszu meinen Patienten. Du hast nachAbschluss des Studiums die Wahl zwischenganz unterschiedlichen Fächernund kannst dir aussuchen, was dir ambesten liegt und gefällt: zum BeispielKinderärztin oder Labormedizinerin,Orthopädin oder Hausärztin. Da immermehr Frauen Medizin studieren (es sindjetzt schon 70 Prozent), wird es nachAbschluss deiner Weiterbildung familienfreundlicheArbeitsbedingungen inPraxen und Krankenhäusern geben müssen,sonst werden wir den Ärztemangelnicht beseitigen können. In der Zukunftwird kein Arzt arbeitslos sein, denn derBedarf wird wegen der Zunahme an älterenMenschen und der Zahl der Krankensteigen. Ob wir in Zukunft noch Hedgefonds-Managerbenötigen, ist hingegenungewiss. Und wenn dir die Arbeitsbedingungenin Deutschland nicht gefallen,kannst du den Beruf als Ärztin in jedemanderen Land der Welt ausüben, weil dieMedizin eben überall gleich ist und Ärztegebraucht werden, im Gegensatz zumBeispiel zum deutschen Fachanwalt fürSteuerrecht. Ich bin stolz auf deine Berufswahlund werde dich bei deinen Plänenimmer unterstützen.Dein PapaDr. Torsten Hemkerist niedergelassenerFacharzt für Orthopädiein Hamburg.250Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten | Juni 2012

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