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Fachgesellschaften dürfen endlich mitreden - Deutsche Gesellschaft ...

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Aus unserem Fachund Ausbildung, die er darin beschreibt,spüren wir auch in der medizinischenWissenschaft. Die Politik will uns aufdrücken,Wissen als etwas zu behandeln, dasman messen kann. Universitäten erstellenWissensbilanzen – Wissen kann manaber nicht bilanzieren. Die Auswirkungenspüren wir unmittelbar in unserem Fach.Wir kämpfen damit, dass die Impact-Faktorenin der Orthopädie geringer sind alsin anderen Disziplinen. Weniger Impact-Punkte bedeuten weniger Geld für dieForschung. So werden gesellschaftlichund für Patienten relevante Themen wenigererforscht als andere, die möglicherweiseeine geringere Bedeutung, aber einenhöheren Impact-Faktor haben.Damit einher geht ein weiteres Problem:Wir pressen unsere Ausbildungsinhaltein Multiple-Choice-Fragen. Zu einerumfassenden Ausbildung gehört abernicht nur die Vermittlung von Fachwissenund Fertigkeiten, die punktgenauabgefragt werden können. Dazu sollteauch gehören, dass sich die jungen Medizinerein berufsadäquates und professionellesVerhalten aneignen. Das hatviel mit sozial- und geisteswissenschaftlichenKategorien zu tun. Die gehen imMultiple-Choice-System unter, so dasseine ganz andere Art von Arztpersönlichkeitenheranwächst. Das quält michsehr. Wir brauchen Arztpersönlichkeiten,die sich nicht beugen und ducken; diesich keine Verträge aufzwingen lassen,die dazu führen, dass man bei der Indikationsstellungunvorsichtig wird. Wirbrauchen Ärzte, die sich als Anwalt ihrerPatienten verstehen, die auch mit den Patientenumgehen können, ihnen zuhörenkönnen. Die Universitäten haben sich vonder Idee verabschiedet, Persönlichkeitenzu bilden. Reduzieren wir die Medizinerausbildungrein auf den Wissenstransfer,wird die Medizin nur mehr technokratischbetrieben.Sie meinen, es gibt zunehmend Ärzte,die sich zu sehr den ökonomischenZwängen und den Vorgaben der Klinikleitungbeugen?Ja, leider.Hat ein Chefarzt denn die Chance zusagen, dass er die Zielvereinbarung nichtunterschreibt?Ja natürlich, zu einer Vertragsunterzeichnunggehören ja immer zwei. Es kannnatürlich sein, dass er den Job dann nichtkriegt.Andererseits gibt es ja einen Ärztemangel,gerade Führungskräfte werden inden Kliniken händeringend gesucht.Eben. Man muss halt wissen, wie weitman gehen kann. Dazu braucht man eineinnere moralische Instanz. Wer die nichthat, kann nicht Anwalt der Patienten sein.Haben Sie ein persönliches Kongress-Highlight?Mir hat die Sitzung zur Sicherheit sehrgut gefallen. Die Referenten haben anhandpraktischer Beispiele berichtet, wiein ihren Kliniken mit Behandlungsfehlernund danach mit den Medien umgegangenwurde. Ich bin mir sicher, dass die Zuhörereine wichtige Botschaft aus dieserSitzung mitnehmen konnten, nämlichdie Botschaft, dass es extrem wichtig ist,offen zu Fehlern zu stehen, nicht nur imUmgang mit den Medien, sondern zuallererstgegenüber dem betroffenen Patienten.Er darf nicht allein gelassen werden,die Situation muss mit ihm bereinigtwerden – schon allein, weil die Mediendas auch beobachten.Damit wären wir wieder bei der Arztpersönlichkeit.Es gehört einiges dazu,einen Fehler zuzugeben und es danntrotzdem zu schaffen, das Vertrauen desPatienten aufrechtzuerhalten.Im vorgestellten Fall ist das gelungen.Es hat sich übrigens auch gezeigt, wiewichtig es ist, denjenigen, dem der Fehlerunterlaufen ist, zu schützen. Da istes passiert, dass die Journalisten jedeneinzelnen Mitarbeiter in der Abteilungangerufen und gefragt haben, ob er derjenigeist, der den Fehler begangen hatte.Das ging so lange, bis sie im Ausschlussverfahrenauf den betreffenden Mitarbeitergekommen waren. Bei dem sind siedann vor der Haustür aufgetaucht undhaben vor laufender Kamera seine Kinderbefragt, ob sie denn wüssten, was derPapa getan habe. Man muss also wirklichmit den Mitarbeitern absprechen, wiesie sich in einem solchen Fall verhaltensollen, und man muss die Mitarbeiter inSchutz nehmen, auch jene, die für denFehler verantwortlich sind. Sonst kann esgeschehen, dass die eigenen Mitarbeiternur mehr im Sinne der eigenen Risikominimierungtätig sind.Wie ist es denn um die Fehlerkultur andeutschsprachigen Kliniken bestellt?Ganz unterschiedlich, aber ich denke,insgesamt schlechter als in manchen anderenLändern. Das liegt daran, dass wirim Krankenhaus in einem sehr autoritärenUmfeld agieren. Dort ist es leichter,auf Jemanden zu zeigen und zu sagen:„Der war‘s.“ In einem weniger hierarchischenUmfeld spricht man eher über Fehler,weil alle in derselben Situation sind.In einem autoritären Umfeld hängt der Umgang mit Fehlern sehrstark vom Chef ab. Ein Chef, der bei einem Fehler großes Theatermacht, erstickt jegliche Fehlerkultur im Keim.In einem autoritären Umfeld hingegenhängt der Umgang mit Fehlern sehr starkvom Chef ab. Ein Chef, der bei einemFehler großes Theater macht, ersticktjegliche Fehlerkultur im Keim. Ein Chefmuss eher supportiv sein, die Leute auffangen,mit allen gemeinsam die Situationdurchsprechen. Nur so kann man ausFehlern lernen.Sie haben ihren Eröffnungsvortrag ganzfrei gehalten. Waren Sie aufgeregt?Nein, eigentlich nicht. Ich schätze Leutesehr, die frei sprechen können. So habeich schon lange vor dem Kongress fürmich beschlossen, dass auch ich, wennich eine Rede halten muss, diese nichtvom Blatt ablese. Der große Vorteil ist,dass ich dabei flexibel bleiben kann. Natürlichhabe ich mich vorbereitet, sehrintensiv sogar. Ich habe viel gelesen, unddann habe ich einzelne Passagen erarbeitet,die ich frei zusammenfügen kann. DieWortwahl und die Abfolge sind spontan,auch wenn ich genau im Kopf habe, wasich sagen möchte. Würde ich den Vortragin einem halben Jahr noch einmal halten,würde er wahrscheinlich völlig andersklingen.Vielen Dank für das Gespräch!Interview: Jana Ehrhardt256Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten | Juni 2012

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