13.07.2015 Aufrufe

Reichtum - Vontobel

Reichtum - Vontobel

Reichtum - Vontobel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Prof. Georg Kohlerstudierte in Zürich und in Basel Philosophie. In seiner Habilitationsschrift«Handeln und Rechtfertigen» untersuchte er die Struktur der praktischenRationalität. Von 1994 bis zu seiner Emeritierung hatte er an derUniversität Zürich den Lehrstuhl für politische Philosophie inne.Zu einem seiner zentralen Forschungsinteressen gehören unter anderemdie Grundlagen des Politischen und Fragen von Gemeinsinn undCommon Sense. Prof. Georg KohlerWer ist reich? – Eine Auswahl denkbarer Antworten istrasch gefunden. Antworten, die <strong>Reichtum</strong> nicht durch eineZahl und nicht durch Geld definieren: Reich sei, wer ein erfülltesLeben lebt. Reich sei, wer geliebt wird und selber zu liebenversteht. Reich sei, wer seine Talente zu entfalten vermag;wer die eigene Existenz als sinnvoll erfährt, und zwar nicht nureinmal, sondern immer wieder. Und reich seien auch die, welchetatkräftig und angstlos neugierig auf die eigene Zukunftsind und fähig bleiben, für all dies dankbar zu sein.Das sind nicht sehr philosophische Antworten. Sie fallenuns beinahe von selber zu, wenn wir ein wenig darüber nachdenken,was «<strong>Reichtum</strong>» für das Gelingen eines Lebens heissenkann – und welche Rolle das Geld und quantifizierbarerBesitz dabei spielen.Doch was ist «Geld»? Kann Geld, viel Geld, überhauptein letztes, in sich selbständiges Ziel sein? Ein Endzweck,von dem her alle anderen Ziele und Zwecke ihre Rechtfertigungund ihren Sinn gewinnen? Ist es nicht vielmehr so, dassdas gerade nicht der Fall ist, weil Geld stets nur etwas Zweitletztesist? Das Mittel und das quantifizierbare Mass an (käuflichen)Handlungsmöglichkeiten? Möglichkeiten, die manjedoch ergreifen und verwirklichen muss, damit ein Lebengut wird und gelingt…?Gelingt die Verwandlung oder misslingt sie?So oder so: «Geld», grundsätzlich definiert, ist nicht mehrals ein Quantum für eine von aller konkreten Bestimmtheitabstrahierte Verfügungsmacht. Gewiss, Besitz von Geld eröffnetMacht. Doch damit (Geld-)Macht wirksam und zu realemLebensglück wird, hat man sie – und sich – aus ihrer purenPotenzialität zu befreien.Darin liegt zugleich, dass wir uns dem Risiko aussetzenmüssen, dass diese Verwandlung misslingt. Ohne den Mutzur riskanten Ausübung der Freiheit der Wahl ist man im Vakuumder blossen Möglichkeiten gefangen. Wer zum Schrittin die Entscheidung nicht imstande ist, geht ein und ersticktim luftleeren Raum der reinen Chance.Der antike Mythos von König Midas will ebendiesenZusammenhang vor Augen führen: Midas ist der törichteMensch, dem Dionysos, der Gott der Lüste, den Wunschgewährt, dass ihm alles zu Gold wird, was er berührt.Dionysos erfüllt den Wunsch so erbarmungslos konsequent,dass Midas bald verdursten und verhungern müsste, wennihn der Gott nicht doch noch von den Folgen seiner Habgiererlösen würde. Wer nicht fähig ist, von dem, was er hat, auchwieder etwas wegzugeben, dem bleibt am Ende gar nichtsmehr. So lässt sich die Geschichte deuten. Allerdings ist damithöchstens ein erster Schritt getan, im Versuch, das Verhältniszwischen <strong>Reichtum</strong>, Geld und Glück zu klären.Freier Mut und innere UnabhängigkeitDamit aus Geld(-Macht) wahrer <strong>Reichtum</strong> wird, brauchtes erstens freien Mut. Und es braucht zweitens die innereUnabhängigkeit, die diejenigen charakterisiert, die gelernt haben,im Gleichgewicht von Möglichkeitsentwurf und Wirklichkeitsanspruchzu existieren. Das klingt abstrakt, doch solautet die Lehre der Weisheit der Völker seit mehr als 2’000Jahren. Um sie zu illustrieren, erzähle ich eine andere Anekdoteaus der Antike. Sie handelt von der Begegnung zwischenAlexander dem Grossen und dem Bettlerphilosophen Diogenes.Um die Pointe zu verstehen, sollte man wissen, dassder fröhliche Asket Diogenes, wie es heisst, in «einer Tonne»wohnte. Also in unübersehbarer Armut, aber mit Witzund Frechheit seine Überzeugung demonstrierte, dass man28 <strong>Vontobel</strong> Porträt 2013

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!