13.07.2015 Aufrufe

Reichtum - Vontobel

Reichtum - Vontobel

Reichtum - Vontobel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

zur Freude am Leben bloss minimalen Aufwand benötigt.Ausserdem muss man daran denken, wer Alexander ist: derInbegriff überwältigender Grösse und Macht. Und ebendieserAlexander habe, nachdem er Diogenes getroffen, festgestellt:«Wäre ich nicht Alexander, wollte ich Diogenes sein.»So sei nämlich die Replik gewesen auf die berühmte Antwortdes Philosophen, mit der er Alexanders Aufforderungquittierte, ihm seinen Wunsch zu nennen. Man kennt sie:«Geh mir ein wenig aus der Sonne; mehr brauche ich nicht.»Wer sicher ist, das nicht zu wollen, was ihn von der Gunst deranderen abhängig macht, der vermag sich leicht im Gleichgewichtvon Wirklichkeit und Wunschtraum zu halten. Er istreich genug, weil ihm niemand den <strong>Reichtum</strong> seiner Seelestreitig machen kann. Zu heftige Bedürfnisse lassen ihn nichtzum Narren werden; selbst in Gegenwart des prächtigstenHerrschers nicht. Exakt das scheint Alexander zu begreifen,wenn er beim Abschied vom Mann in der Tonne den merkunddenkwürdigen Satz über die Gleichwertigkeit der alexandrinischenund der dionysischen Existenzform äussert.Auf den wunderbar klugen Aristoteles hörenDa ich nun schon dabei bin, an die Weisheiten des griechischenAltertums zu erinnern (was nicht ohne Hintersinngeschieht; Hellas verdanken wir mehr als die aktuelle Euro-Schuldenkrise), möchte ich zum Schluss den wunderbarklugen Aristoteles ins Spiel bringen, den unübertroffenenMeister der mittleren Wege. Da er weder mit Midas noch mitDiogenes zu verwechseln ist, ermöglicht er eine Synthese zwischendem Zuviel von Midas’ Goldlust und dem – auch nachmeinem Geschmack – allzu minimalistischen Ideal diogenesischerGenügsamkeit.In der aristotelischen Doktrin des guten Lebens findet dieBemühung um Besitz und materiellen Wohlstand durchausihren angemessenen Platz. Jedenfalls für weitaus die meistenvon uns, sagt Aristoteles, ist radikale Askese kein gangbarerWeg zum Glück. Genau so wenig freilich wie das endloseBegehren derer, die sich dem Immer-mehr-haben-Wollen verschriebenhaben.Was Aristoteles über diese negativen Festlegungen hinausbetont – und was ihn so wesentlich macht –, ist seinHinweis auf die Wichtigkeit jener beiden Qualitäten, ohnedie ein wahrhaft reiches Leben zu führen, für uns Menschenunmöglich ist: seine Betonung der Bedeutung und Unentbehrlichkeitvon Vertrauen und Freundschaft; dadurch seinHinweis auf zentrale Eigenschaften der Mitmenschlichkeit –auf die Vermögen der Empathie, der Fairness und der Bereitschaft,im anderen mehr als einen gefährlichen Konkurrenten,gleichgültigen Fremden oder den eigennützigen Nutzniesserunserer Unzulänglichkeiten zu erkennen.Vertrauen und Freundschaft sind nicht nur für Aristotelesentscheidende Schlüssel der Türe zum sinnvollen Dasein.Ohne sie lässt sich der Raum nicht öffnen, der materiellen Besitzmit dem verbindet, was zu erreichen wir allemal erhoffen:dass zu leben uns gefällt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!