Die schrittweise Heraufsetzung der sog. "Regelaltersgrenze"auf 67 Jahre - beginnend 2012 - ist eineder gravierendsten Veränderungen in der Arbeitsmarkt-und Rentenpolitik. Mit dem "RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz" 15 wurden für denZeitraum von 2012 bis 2029 stufenweise die Regelaltersgrenzenneu festgeschrieben und ein vorzeitigerRentenbezug eingeschränkt. Dies zieht folgendeWirkungen nach sich:• Es führt zu einer Verkürzung der Rentenlaufzeitum zwei Jahre. Das heißt, dass die Rentenlaufzeitnicht mehr 15 Jahre für Männer und 19 Jahre fürFrauen betragen wird, sondern nur noch 13 bzw.17 Jahre. Das führt zu einer Kürzung der Gesamtrentenleistung(berechnet für den Standardrentner)um rd. 13 %.• Die Möglichkeit, vorzeitig in Rente zu gehen, wirdauf 63 Jahre angehoben (schwerbehinderte Versichertemit 62), was bedeutet, dass nur noch 4 Jahrefür einen flexiblen Renteneintritt möglich sindanstelle bisher 5 Jahre.• Sie vergrößert den Druck auf ältere Arbeitnehmer/-innen,vorzeitig und mit Abschlägen in dieRente zu gehen, und verschiebt gleichzeitig denRentenzugang mit Abschlägen in ein höheres Lebensalterund verkürzt diese Zeit zugleich auf 4Jahre.Die Heraufsetzung des Renteneintrittsalterserfordert zusätzlicheArbeitsplätze für ältereBürger, was bundesweit zwischenca. einer und drei MillionenArbeitsplätzen veranschlagtwird. 16 Da - trotz der Entwicklungenauf dem Arbeitsmarkt -eine solche Veränderung desArbeitsplatzangebotes nicht inAussicht steht, ist weiterhin mitvorzeitiger Berentung und abschlagsbelastetenRenten zurechnen. Das heißt nach aktuellerGesetzeslage im Februar2008: Zwangsverrentung für ab63-jährige Langzeitarbeitslosemit Abschlägen. Eine von derBundesregierung in AussichtWarum länger arbeiten? - Rente mit 67Abb. 7:706050403020100Gehen Sie davon aus, bis zurRegelaltersrente zu arbeiten?6144gestellte Abwendung dieser Konfliktlage steht trotzakuten Handlungsbedarfs aus.Bei den heute rentennahen Jahrgängen (50 bis 65Jahre) in den neuen Bundesländern ist das Bestreben,bis zur Regelaltersrente erwerbstätig zu bleiben,ausgeprägt vorhanden. Sie wollen im Beruf etwasleisten, ihre Rentenanwartschaften ausbauen undAbschläge vermeiden. So stieg das durchschnittlicheRenteneintrittsalters von 1997 bis 2006 in den altenBundesländern um 0,85 Jahre und in den neuen Bundesländernum 1,67 Jahre an. Dennoch ist die "Rentemit 67" vor allem mit Zweifeln hinsichtlich der individuellenRealisierbarkeit verbunden. Nur 14 % gehendavon aus, mit 67 Jahren noch körperlich und geistigden Anforderungen der Erwerbstätigkeit gewachsenzu sein. Ganze 5 % glauben, dass mit 67 Jahren fürsie noch ein Arbeitsplatz vorhanden sein wird. Vielmehrsehen sich 47 % mit der Perspektive einer abschlagsbelastetenvorzeitigen Berentung konfrontiert.Für 2010 ist durch den Gesetzgeber vorgesehen, dieAnhebung der Altersgrenze "unter Berücksichtigungder Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen undsozialen Situation älterer Arbeitnehmer" 17 nochmalszu prüfen. Seitens der <strong>Volkssolidarität</strong> wurden dazuentsprechende Vorschläge in die Diskussion eingebracht18 , die gegenwärtig mit anderen Sozialverbändenund Gewerkschaften diskutiert werden.Aussagen zur Rente mit 67 Jahren (nach Altersgruppen- nur Befragte unter 65 Jahren) - 2007 - neue Bundesländer- in Prozent - (nur Antwort: "ja")35 35Glauben Sie, dass Sie mit 67 Jahrenden Anforderungen Ihres Berufesgewachsen sein werden?Glauben Sie, dass für Arbeitendebis zum 67. Lebensjahr Arbeitsplätzevorhanden sind?3430 142914231714 7 7910685 7018-24 25-39 40-49 50-59 60-64 18-24 25-39 40-49 50-59 60-64 18-24 25-39 40-49 50-59 60-64Datenbasis: sfz/leben 2007 (gew.)jeweiliger Durchschnitt15 Vgl. Deutscher Bundestag: Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlageder gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz), BGBl I, Nr. 16 vom 30.4.2007.16 Vgl. Fuchs, Johann: Rente mit 67: Neue Herausforderungen für die Beschäftigungspolitik, in: IAB-Kurzbericht Nr. 16 vom 12.10.2006.17 Vgl. § 154, Abs. 4 SGB VI.18 Vgl. Winkler, Gunnar: Rente mit 67 - wie soll es weitergehen?, in gleichnamiger Tagungsdokumentation zum Workshop der <strong>Volkssolidarität</strong>am 3. Juli 2007 in Berlin.12
Die nächste Rentnergeneration wird geringere Alterseinkommen habenEin Vergleich der im Rahmen der Untersuchung "Altersvorsorgein Deutschland 2005 (AVID 2005)" 19für die Geburtenkohorten 1942 bis 1946 und 1957 bis1961 projizierten Erwerbsverläufe bis zum 65. Lebensjahrlegt gravierende Veränderungen in den Erwerbsbiographienoffen und lässt drastische Auswirkungenauf die künftigen Alterseinkommen erkennen.Die über ein Jahrzehnt anhaltende hohe Massenarbeitslosigkeit,die weite Verbreitungprekärer Beschäftigungsverhältnisseund Niedrigstlöhneführen sowohl zu sinkendenAnwartschaften in den Alterssicherungssystemenals auchim Leistungsfall zu geringerenRentenzahlbeträgen. Das giltfür die gesetzlichen Renten,aber auch die betriebliche Altersvorsorgeund die Zusatzversorgungdes öffentlichenDienstes. Diese Entwicklungbetrifft künftige Rentner/-innenin den neuen Bundesländernstärker als in Westdeutschlandaufgrund• der durchgängig fast doppeltso hohen Arbeitslosenquotenin Ostdeutschland,Abb. 8:• des höheren Verbreitungsgrades von prekären Beschäftigungsverhältnissenund Niedrigstlohnbereichen.Zugleich finden in den ErwerbsbiographienerheblicheVerschiebungen zwischen Teilzeitarbeit,geringfügiger Beschäftigungund Zeiten.• Während sich z.B. bei Arbeiternin Westdeutschlanddie Vollzeitarbeit um 2,2 Jahreverringert bzw. sich zuTeilzeitarbeit oder geringfügigerBeschäftigung verschiebt,entsteht bei dieserGruppe in Ostdeutschlandein absolutes Minus von 6,7Jahren.• Die Zeiten zurückgelegterArbeitslosigkeit bleiben beiden Arbeitern in den altenLändern nahezu unverän-2.0001.5001.000500dert bei 7 bzw. 6,9 Jahren. Anders in Ostdeutschland,hier wächst die Arbeitslosigkeit bei Arbeiternvon 5,1 Jahren auf 12,0 Jahre an.• Die Zeiten der Haushaltsführung mit Erziehung vonKindern verringern sich bei den Arbeiterinnen inWestdeutschland von 15,5 Jahren auf 10,2 Jahre,im Osten hingegen bleiben sie bei Arbeiterinnenkonstant bei 3,4 Jahren.Höhe der projizierten Anwartschaften auf Netto-Alterseinkommenim 65. Lebensjahr nach Geschlecht (Geburtenkohorten1942 bis 1961) - in Euro -Quelle: Heien, Thorsten; Kortmann, Klaus; Schatz, Christof: Altersvorsorge in Deutschland2005, Alterseinkommen und Biographie. Hrsg.: Deutsche Rentenversicherung Bund/BMAS, in:DRV-Schriften, Bd. 75, Berlin 2007, S. 50Abb. 9:3.0002.5002.0001.5001.0005001.7002.477 2.4711.140Aus der Entwicklung der Erwerbsbiographien, deransteigenden betrieblichen und privaten Vorsorge sowie- im Osten - steigender Anzahl von Beamten er-Höhe der projizierten Anwartschaften auf Netto-Alterseinkommenim 65. Lebensjahr nach Familienstand (Geburtenkohorten1942 bis 1961) - in Euro -1.145Alte Länder1.625 1.613 1.596788 802 81101942-1946 1947-1951 1952-1956 1957-1961 1942-1946 1947-1951 1952-1956 1957-1961MännerFrauenAlte Länder8502.535 2.480980 97701942-1946 1947-1951 1952-1956 1957-1961 1942-1946 1947-1951 1952-1956 1957-1961Ehepaare1.073allein stehende FrauenNeue LänderQuelle: Heien, Thorsten; Kortmann, Klaus; Schatz, Christof: Altersvorsorge in Deutschland2005, Alterseinkommen und Biographie. Hrsg.: Deutsche Rentenversicherung Bund/BMAS, in:DRV-Schriften, Bd. 75, Berlin 2007, S. 511.958942Neue Länder1.063898 919 907 9112.0291.1229691.8958131.0522.09975019 Heien, Thorsten; Kortmann, Klaus; Schatz, Christof: Altersvorsorge in Deutschland 2005, Alterseinkommen und Biographie. Hrsg.:Deutsche Rentenversicherung Bund/BMAS, in: DRV-Schriften, Bd. 75, Berlin 2007.13