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Unser Haus der Kinderrechte - Amadeu Antonio Stiftung

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Menschenrechtsbildung mit Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

Dr. Claudia Lohrenscheit<br />

Auf die Frage, was Menschenrechtsbildung ist, gibt es viele verschiedene Antworten. In gewisser<br />

Weise hat es ›Menschenrechtsbildung‹ schon immer gegeben, überall dort, wo sich<br />

Menschen zusammengeschlossen haben, um gegen erfahrenes Unrecht zu protestieren und<br />

ihre Würde zu verteidigen. Auch die Entstehung und Entwicklung <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte (AEMR) selbst kann als das Ergebnis eines solchen Lernprozesses<br />

verstanden werden. Die Diplomaten und Vertreter <strong>der</strong> Staaten, die übrigens nicht ausschließlich<br />

aus Europa und den USA kamen, son<strong>der</strong>n auch aus Asien und Lateinamerika,<br />

nahmen sich Zeit für das Verfassen und Aushandeln <strong>der</strong> dreißig Artikel <strong>der</strong> AEMR. Ihre unterschiedlichen<br />

Hintergründe und vor allem die Erfahrungen schlimmster Menschenrechtsverletzungen<br />

flossen in diesen Prozess ein.<br />

Die AEMR kann als eine zentrale Quelle für die weltweite För<strong>der</strong>ung von Menschenrechtsbildung<br />

gelten. Bereits in <strong>der</strong> Präambel wird sie als Aufgabe <strong>der</strong> Staaten und Gesellschaften<br />

beschrieben. Jede und je<strong>der</strong> Einzelne sowie alle Organe <strong>der</strong> Gesellschaft werden darin aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

»(…) durch Bildung und Erziehung die Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu<br />

för<strong>der</strong>n.« (1) Es wird offensichtlich, dass die Verfasser und Verfasserinnen die AEMR von vorn<br />

herein auch als didaktisches Mittel verstanden.<br />

Artikel 26 <strong>der</strong> AEMR normiert das Menschenrecht auf Bildung, das sowohl quantitative als<br />

auch qualitative Dimensionen umfasst. Die völkerrechtlich verbindlichen Normen zum<br />

Recht auf Bildung finden sich in verschiedenen Pakten und Übereinkommen wie auch <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>rechtskonvention (Artikel 28 und 29), in denen alle zentrale Aspekte für die umfassende<br />

Realisierung des Rechts auf Bildung enthalten sind.<br />

Die quantitative Dimension des Rechts auf Bildung umfasst zunächst alle Kin<strong>der</strong>, d.h., jedes<br />

Kind soll freien Zugang zu unentgeltlicher Schulbildung erhalten. Die qualitative Dimension,<br />

die für die Menschenrechtsbildung von beson<strong>der</strong>er Bedeutung ist, bezieht sich auf Inhalt<br />

und Form von Bildung und skizziert gleichzeitig die Bildungsziele:<br />

»Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an. Sie stimmen überein,<br />

dass die Bildung auf die volle Entfaltung <strong>der</strong> menschlichen Persönlichkeit und das Bewusstsein<br />

ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten<br />

stärken muss. Sie stimmen ferner überein, dass die Bildung es je<strong>der</strong>mann ermöglichen<br />

muss, eine nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft zu spielen (…).« (Artikel 13,<br />

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, 1966)<br />

Artikel 13 des Sozialpakts (und in ähnlicher Weise auch Artikel 28 und 29 <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>rechtskonvention)<br />

bindet das Recht auf Bildung normativ an die unveräußerliche Würde des Menschen<br />

und die Achtung <strong>der</strong> universellen Menschenrechte und Grundfreiheiten. Bildung und<br />

Menschenrechte stehen somit in einem wechselseitigen Verhältnis zueinan<strong>der</strong>. Die Verankerung<br />

von Bildung als Menschenrecht liefert die menschenrechtliche Grundlage für Bildung.<br />

Das Recht auf Bildung ist jedoch nicht isoliert zu betrachten, son<strong>der</strong>n steht in einem direkten<br />

Zusammenhang mit weiteren zentralen Rechten wie etwa dem Recht auf freie Meinungsäußerung,<br />

<strong>der</strong> Religionsfreiheit o<strong>der</strong> dem Schutz vor Diskriminierung. Exemplarisch<br />

wird hier die Unteilbarkeit und Interdependenz aller Menschenrechte deutlich, denn kein<br />

Recht steht für sich allein. Nur im Zusammenhang und als Ganzes kann <strong>der</strong> Anspruch <strong>der</strong><br />

Menschenrechte voll verwirklicht werden. Gleichzeitig erhält Bildung eine Schlüsselrolle<br />

für die Wahrnehmung und Verwirklichung aller an<strong>der</strong>en Menschenrechte, denn nur wenn<br />

Menschen ihre Rechte kennen, werden sie auch in die Lage versetzt, sie aktiv einzufor<strong>der</strong>n.<br />

Dies betont auch Katarina Tomasevski, die ehemalige Son<strong>der</strong>berichterstatterin zum Recht<br />

auf Bildung bei den Vereinten Nationen (1998-2004):<br />

»Es gibt eine große Anzahl von Menschenrechtsproblemen, die ohne die Realisierung des<br />

Rechts auf Bildung als ›Schlüssel‹ für die Inanspruchnahme an<strong>der</strong>e Menschenrechte nicht<br />

gelöst werden können. Wird das Recht auf Bildung effektiv garantiert, funktioniert Bildung<br />

wie ein ›Verstärker‹ für die Wahrnehmung aller individuellen Rechte und Freiheiten; wird<br />

hingegen das Recht auf Bildung verwehrt o<strong>der</strong> verletzt, werden Menschen vieler Möglichkeiten<br />

zur Inanspruchnahme ihrer Rechte beraubt.« (2)<br />

Gerade wegen dieses wechselseitigen Verhältnisses von Bildung und Menschenrechten und<br />

wegen <strong>der</strong> normativen Bindung an die Achtung <strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

entwickelt sich mehr und mehr ein Verständnis des Rechts auf Bildung als ein »Recht auf<br />

Menschenrechtsbildung«. Bereits wenige Jahre nach <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> AEMR, 1954,<br />

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