Unser Haus der Kinderrechte - Amadeu Antonio Stiftung
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plausibel, bedenkt man, welchen Belastungen sie tagtäglich ausgesetzt sind. Zunächst muss<br />
jedoch auch hier eingewandt werden, dass Erwachsene zwar selbstverständlich das selbe<br />
Recht auf Anerkennung ihrer Würde und ihrer Rechte haben, seine Verletzung jedoch nicht<br />
die Bedeutung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>echte sowie den Anspruch <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> auf ihre Einhaltung min<strong>der</strong>t.<br />
Zum an<strong>der</strong>en stellt sich hier mitunter auch die Frage nach Ursache und Wirkung, also<br />
danach, welche Anerkennungsdefizite Kin<strong>der</strong> bereits erfahren haben bzw. noch erfahren<br />
und wie Pädagoginnen und Pädagogen damit umgehen. Hier liegt ein wesentlicher Teil <strong>der</strong><br />
Verantwortung von Erwachsenen: Kin<strong>der</strong> als Kin<strong>der</strong> zu sehen und sie dabei zu unterstützen,<br />
selbst positive Erfahrungen mit Anerkennung zu machen und eine an<strong>der</strong>e Anerkennungskultur<br />
einzuüben. Die Verantwortung und Initiative hierfür kann und darf keinesfalls auf<br />
die Kin<strong>der</strong> abgewälzt werden, wie es die For<strong>der</strong>ung nach Pflichterfüllung nahe legt. Lehrerinnen<br />
und Lehrer, die oftmals selbst unter Anerkennungsdefiziten leiden, können dies in<br />
ihren Kollegien thematisieren und sich, wenn nötig, externe Unterstützung suchen.<br />
In engem Zusammenhang zu dem Thema Anerkennungsdefizite steht das fehlende Zutrauen<br />
von Lehrerinnen und Lehrern zu im schulischen Sinne »leistungsschwachen« Kin<strong>der</strong>n,<br />
beson<strong>der</strong>s zu Integrationskin<strong>der</strong>n und bildungsfernen Kin<strong>der</strong>n mit Migrationshintergrund.<br />
Es ist jedoch wissenschaftlich nachgewiesen, dass <strong>der</strong> Leistungsstand vieler Kin<strong>der</strong> unmittelbar<br />
das Vertrauen und Zutrauen <strong>der</strong> Erwachsenen in die Ressourcen und Fähigkeiten <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>spiegelt. <strong>Unser</strong>e Erfahrungen bestätigen, was Untersuchungen schon lange belegen,<br />
dass sich Kin<strong>der</strong> mit Lern- und/o<strong>der</strong> Verhaltensschwierigkeiten von vielen Lehrerinnen<br />
und Lehrern bloßgestellt, ausgegrenzt und diskriminiert fühlen, auch wenn dies zumeist<br />
nicht einem absichtsvollem Handeln <strong>der</strong> Pädagoginnen und Pädagogen, son<strong>der</strong>n eher<br />
<strong>der</strong> Unsicherheit im Umgang mit diesen Kin<strong>der</strong>n geschuldet ist. Oft sind sie unzureichend<br />
darauf vorbereitet, mit Unterschieden in <strong>der</strong> Klasse umzugehen und wissen nicht, wie sie individuelle<br />
Ressourcen gerade von »schwierigen« Kin<strong>der</strong>n för<strong>der</strong>n und integrieren sollen. Behin<strong>der</strong>te<br />
o<strong>der</strong> »verhaltensauffällige« Kin<strong>der</strong> werden in unserem Schulsystem oftmals als Störung<br />
o<strong>der</strong> Unterbrechung des »Normalen« gesehen, anstatt den Alltag mit ihnen<br />
gemeinsam und nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Hierfür müssen natürlich auch die<br />
Rahmenbedingungen (z.B. zu wenig Personal und ungenügende Qualifikation) verän<strong>der</strong>t<br />
werden, welche Lehrerinnen und Lehrer oftmals einschränken, wenn sie etwas verän<strong>der</strong>n<br />
wollen.<br />
In <strong>der</strong> Arbeit mit den Kin<strong>der</strong>n hat es sich als schwierig erwiesen, die vielen einzelnen Erfahrungen<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> hinreichend zu besprechen und bei Verletzungen von Rechten gemeinsam<br />
nach Lösungen bzw. Verän<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten zu suchen. Da <strong>der</strong> Projektzeitraum<br />
sehr begrenzt war und zwischen einzelnen Projektphasen lange Zeiträume lagen, konnten<br />
manche Themen nicht wie<strong>der</strong> aufgegriffen werden, und wir waren darauf angewiesen, dass<br />
die Lehrerinnen, die bei <strong>der</strong> Projektarbeit in <strong>der</strong> Regel dabei waren, die offen gebliebenen<br />
Fragen mit den Klassen noch einmal besprochen haben. In einigen Fällen ist dies geschehen,<br />
in vielen wissen wir es nicht, weil oftmals auch für die Auswertungsgespräche mit den Lehrerinnen<br />
nur wenig Zeit zur Verfügung stand.<br />
Bei <strong>der</strong> Vermittlung des Rechtsbegriffes stießen wir ebenfalls auf eine Grenze: Für die Altersgruppe<br />
<strong>der</strong> 10- bis 12-jährigen Kin<strong>der</strong> war es zum Teil schwierig zu verstehen, was z.B. Wünsche<br />
und Bedürfnisse von Rechten unterscheidet o<strong>der</strong> wie Regeln und Rechte zusammenhängen.<br />
Eine altersangemessene Vermittlung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>rechte und dafür geeignete<br />
Textfassungen sind deshalb grundlegende Voraussetzung für eine Vertiefung des Themas.<br />
Bei <strong>der</strong> Erarbeitung von Schulregeln erwies es sich überdies als Schwierigkeit, dass Kin<strong>der</strong><br />
häufig ihnen bereits bekannte, durch Erwachsene vorgegebene Regeln reproduzierten, anstatt<br />
den Freiraum für eigene Ideen und Vorschläge zu nutzen. Kin<strong>der</strong>, die diesen Freiraum<br />
selten erfahren, brauchen deshalb an<strong>der</strong>e Beispiele und Erfahrungen.<br />
Die Zusammenarbeit mit den Eltern war nicht immer in wünschenswerter Intensität möglich.<br />
Trotz umfangreicher Information aller Eltern konnten wir an einer Schule nur zwei Eltern<br />
motivieren, in Kontakt mit uns zu treten. Die Schwierigkeit lag hier in <strong>der</strong> Ergebnisoffenheit.<br />
Von den Eltern selbst bekamen wir den Rat, uns nach <strong>der</strong> Entscheidung für ein<br />
konkretes Projekt noch einmal an sie zu wenden. Tatsächlich unterstützten dann auf Initiative<br />
<strong>der</strong> Schule viele Eltern die Aktion Spieletaschen. An <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Schule, an <strong>der</strong> wir<br />
zweimal zu Gesamtelternversammlungen einluden, war die Resonanz wesentlich größer.<br />
Hier stand bereits im Vorhinein fest, dass es um die Erarbeitung von Schulregeln unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>rechte gehen sollte. Die anwesenden Eltern brachten zahlreiche<br />
Themen, Vorschläge und Fragen mit, die in die Arbeit <strong>der</strong> Aushandlungsgruppe einflossen.<br />
Während <strong>der</strong> Aushandlungen selbst waren die Eltern jedoch immer die am wenigsten repräsentierte<br />
Gruppe. Von fünf Elternvertretern waren in <strong>der</strong> Regel höchstens drei anwesend.<br />
Ein großer Teil <strong>der</strong> Elternschaft konnte gar nicht erreicht werden, was ein grundsätzliches<br />
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