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Unser Haus der Kinderrechte - Amadeu Antonio Stiftung

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partizipatorischer Rechte. Zudem ist die Demokratie diejenige Herrschaftsform, in <strong>der</strong> sich<br />

die Menschenrechte am ehesten verwirklichen lassen. Aber die Menschenrechte beanspruchen<br />

auch dort Geltung, wo Demokratie noch nicht, nicht mehr o<strong>der</strong> überhaupt nicht existiert.<br />

Einige Beispiele:<br />

■ Kin<strong>der</strong>rechte markieren einen Geltungsbereich <strong>der</strong> Menschenrechte, ohne dass die Familie<br />

o<strong>der</strong> auch die Wirtschaft, in <strong>der</strong> sie eingefor<strong>der</strong>t werden, demokratisiert sein müssen.<br />

■ Menschenrechte gelten auch für Auslän<strong>der</strong>innen und Auslän<strong>der</strong>, die nicht über demokratische<br />

Bürgerrechte verfügen.<br />

■ Die Umsetzung von Menschenrechten wie dem auf Nahrung o<strong>der</strong> auf Bildung kann<br />

nicht auf die Verwirklichung demokratischer Verhältnisse warten, so sehr diese auch<br />

för<strong>der</strong>lich für die Umsetzung sein werden.<br />

■ Und schließlich: Auch dort, wo eine funktionierende Demokratie besteht, setzen vor allem<br />

die Menschenrechte <strong>der</strong> demokratischen Mehrheit Grenzen für einen humanen<br />

Kern, <strong>der</strong> nicht zu ihrer Disposition steht.<br />

Auch die Menschenrechtsbildung und die Interkulturelle Bildung haben große Gemeinsamkeiten:<br />

die anti-diskriminierende Stoßrichtung und <strong>der</strong> anerkennende und tolerante<br />

Umgang <strong>der</strong> Kulturen. Menschenrechtsbildung geht aber darüber hinaus: Sie zielt nicht nur<br />

auf ein Verständnis <strong>der</strong> Kulturen und eine gelingende Kommunikation zwischen den Kulturen,<br />

son<strong>der</strong>n sie entwickelt das anzustrebende und mögliche Gemeinsame und Verbindende<br />

aller Kulturen. Sie vermittelt den kulturübergreifenden, gemeinsamen Werte- und Zielhorizont,<br />

<strong>der</strong> an den Menschenrechten orientiert ist: Selbstbestimmung und Gleichwertigkeit<br />

aller Menschen. Menschenrechtsbildung zielt auf die Vermittlung dieses universellen<br />

Wertekerns <strong>der</strong> Menschenrechte. Sie ist damit normativer, stärker orientierend als die Interkulturelle<br />

Bildung. Das Diskriminierungs- bzw. Gleichberechtigungsgebot in <strong>der</strong> Menschenrechtsbildung<br />

bezieht sich zudem nicht nur auf kulturelle Unterschiede, son<strong>der</strong>n ist ein<br />

generelles Verbot, das sich auf alle möglichen Gründe erstreckt, aus denen diskriminiert werden<br />

kann, z.B. Geschlecht, Alter o<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung. Menschenrechtsbildung wendet sich<br />

also an Menschen (und Lernende) nicht nur als Träger einer kulturellen Identität, son<strong>der</strong>n<br />

auch als Träger von Berechtigungen, von einfor<strong>der</strong>baren und manchmal sogar einklagbaren<br />

Ansprüchen. Diese Anspruchsberechtigung macht aber vielen Lehrern Sorgen. Wir kommen<br />

damit zum nächsten Einwand.<br />

3. Kin<strong>der</strong>rechte verdrängen das Problem <strong>der</strong> Pflichten <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>.<br />

Allen denjenigen, die befürchten, dass Kin<strong>der</strong>rechte einen pflichtenfreien Raum schaffen<br />

würden, kann gesagt werden: Kin<strong>der</strong> haben auch Pflichten - auch im Rahmen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>rechtskonvention!<br />

Sie haben die Pflicht, die Rechte <strong>der</strong> Eltern und aller an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> und<br />

Erwachsenen anzuerkennen. Kin<strong>der</strong>rechte haben als Menschenrechte eine Doppelstruktur:<br />

Es sind »meine Rechte« und in gleicher Weise »deine Rechte«. Kin<strong>der</strong>rechte sind egalitär, sie<br />

gelten für alle Kin<strong>der</strong> gleich, und daraus folgt auch, dass je<strong>der</strong> die Pflicht hat, die gleichen<br />

Rechte aller an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> anzuerkennen. Diese Pflicht stellt das soziale Band <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

dar, das verhin<strong>der</strong>t, dass die Menschenrechte egoistisch missverstanden werden.<br />

Die menschenrechtliche Begründung <strong>der</strong> Pflichten besagt aber nicht, dass zuerst die Pflichten<br />

kommen und nur, wenn diese erfüllt werden, die Menschenrechte als eine Art Belohnung<br />

gewährt werden. Eine wichtige Botschaft <strong>der</strong> Menschenrechte, die somit auch für die<br />

Kin<strong>der</strong>rechte gilt, besagt vielmehr, dass man sie nicht verdienen muss, dass man sie nicht verlieren<br />

kann, dass sie einem niemand nehmen kann. Sollten Kin<strong>der</strong> aber die eigenen Rechte<br />

missbrauchen, um die Rechte an<strong>der</strong>er zu verletzen (Gewalt, Mobbing, Diskriminierung),<br />

müssen sie gleichwohl mit Sanktionen rechnen. Diese Sanktionen schließen aber niemals<br />

den Verlust o<strong>der</strong> den Entzug <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>rechte ein.<br />

4. Kin<strong>der</strong>rechte bedeuten eine Entrechtung <strong>der</strong> Erwachsenen o<strong>der</strong> »Kin<strong>der</strong> an die Macht«.<br />

Implizit und auch explizit wird <strong>der</strong> Hinweis auf die erfor<strong>der</strong>liche Pflichtenperspektive oft<br />

verknüpft mit <strong>der</strong> Sorge, dass Kin<strong>der</strong>rechte (vor allem die Beteiligungsrechte) dazu führten,<br />

dass Kin<strong>der</strong> zuviel Macht erhielten und die Erwachsenen in ihren Rechten beschnitten würden.<br />

Diese Befürchtung ist völlig unberechtigt und wird in keiner Weise von Text o<strong>der</strong> Geist<br />

<strong>der</strong> Konvention gedeckt. Vielmehr geht es darum, kindliche Ohnmacht dadurch zu überwinden,<br />

dass man Kin<strong>der</strong> als Rechtssubjekt anerkennt und auch so behandelt. Vielleicht verstört<br />

auch die modisch gewordene Rhetorik des »Empowerment« im Zusammenhang mit<br />

den Kin<strong>der</strong>rechten Eltern und Lehrkräfte. Dieser Begriff ist eine Art »magic word« in <strong>der</strong> internationalen<br />

Diskussion geworden. Ursprünglich kommt er aus <strong>der</strong> Bürger- und Frauenbewegung<br />

und bedeutet dort das politische Mächtigwerden <strong>der</strong>er, die sich ohnmächtig fühlen.<br />

Seit einiger Zeit hat <strong>der</strong> Begriff auch Eingang in pädagogische Bereiche gefunden. Er signalisiert<br />

dort einen Perspektivenwechsel von den Defiziten zu den Stärken <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, von den<br />

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