04.12.2012 Aufrufe

Kienholz: Die Zeichen der Zeit - Artinside

Kienholz: Die Zeichen der Zeit - Artinside

Kienholz: Die Zeichen der Zeit - Artinside

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

10<br />

Karlheinz Weinberger<br />

In <strong>der</strong> Ausstellung Intimate Stranger präsentiert<br />

das Museum für Gegenwartskunst<br />

die selten gezeigten Fotografien<br />

von Karlheinz Weinberger (1921–2006). Zusammen<br />

mit Magazinen und einer Auswahl<br />

von Vintagekleidung dokumentieren sie eine<br />

Jugendkultur in Zürich, die sich in <strong>der</strong> Folge<br />

des Zweiten Weltkrieges bildete, um die zeitgenössischen<br />

Vorstellungen von «Schweizer<br />

Korrektheit» zu untergraben.<br />

<strong>Die</strong> meiste <strong>Zeit</strong> seines Lebens arbeitete<br />

Weinberger als Lagerist bei Siemens-Albis in<br />

Zürich. In seiner Freizeit widmete er sich als<br />

Autodidakt <strong>der</strong> Fotografie, und portraitierte<br />

seine Liebhaber und Menschen auf <strong>der</strong> Strasse.<br />

Ab den späten 1940er-Jahren veröffentlichte<br />

er unter dem Pseudonym «Jim» seine<br />

Fotografien regelmässig in <strong>der</strong> international<br />

beachteten Homosexuellen-<strong>Zeit</strong>schrift «Der<br />

Kreis» (erschienen von 1943 bis 1967 in Zürich).<br />

1958 begann er die Arbeit an einem<br />

grösseren Projekt, für das er eine Gruppe<br />

Teen ager, die sogenannten «Halbstarken»,<br />

über einen längeren <strong>Zeit</strong>raum hinweg fotografierte.<br />

Mit einem immer respektvollen<br />

Blick fing Weinberger den Nonkonformismus<br />

<strong>der</strong> «Halbstarken» gegenüber den gesellschaftlichen<br />

Konventionen sowie <strong>der</strong>en<br />

Spiel mit maskulinen und femininen Stereotypen<br />

ein, das sie am augenscheinlichsten<br />

durch ihre Art, sich zu kleiden, veräusserten.<br />

Mit bestickten Jeansjacken und überdimensionierten<br />

Gürtelschnallen mit dem Konterfei<br />

von Idolen wie Elvis o<strong>der</strong> James Dean<br />

präsentieren sich die Heranwachsenden mal<br />

in Gang-artiger Manier an öffentlichen Plätzen,<br />

mal alleine vor Weinbergers Kamera in<br />

dessen improvisiertem Wohnzimmerstudio.<br />

Weinberger nimmt dabei die Rolle eines Intimate<br />

Stranger ein, eines vertrauten Fremden,<br />

<strong>der</strong> die Haltung einer Generation und<br />

<strong>der</strong>en periphere gesellschaftliche Positionierung<br />

unvermittelt einfängt. Während seines<br />

langjährigen Schaffens bildete Weinberger<br />

Karlheinz Weinberger<br />

Intimate Stranger<br />

21.01.2012 – 15.04.2012<br />

Museum für Gegenwartskunst<br />

www.kunstmuseumbasel.ch<br />

von Nikola <strong>Die</strong>trich*<br />

ab, was hinter den Kulissen <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Schweiz <strong>der</strong> 1960er-Jahre verborgen lag, und<br />

verstand es, das Konzept <strong>der</strong> An<strong>der</strong>sartigkeit<br />

zu dokumentieren, ohne die Protagonisten<br />

zur Schau zu stellen.<br />

Intimate Stranger wurde vom Swiss Institute<br />

/ Contemporary Art in New York organisiert<br />

in Zusammenarbeit mit dem Nachlass<br />

von Karlheinz Weinberger, Patrik Schedler<br />

und Artist Resources Management, New<br />

York. Begleitet wird die Ausstellung von <strong>der</strong><br />

Publikation «Jeans» – ein Faksimile eines von<br />

Weinberger in den 50er Jahren selbst entworfenen<br />

Portfolios –, die vom MGK, dem Swiss<br />

Institute, <strong>der</strong> Presentation House Gallery,<br />

Vancouver und Bywater Bros. Editions herausgegeben<br />

wurde.<br />

* Nikola <strong>Die</strong>trich ist Kuratorin für<br />

Mo<strong>der</strong>ne und <strong>Zeit</strong>genössische Kunst am<br />

Museum für Gegenwartskunst Basel<br />

Tim Rollins and the K.O.S.<br />

On Transfiguration von Nikola <strong>Die</strong>trich*<br />

Tim Rollins and the K.O.S.<br />

On Transfiguration<br />

21.01.2012 – 15.04.2012<br />

Museum für Gegenwartskunst<br />

www.kunstmuseumbasel.ch<br />

Nachdem das Museum für Gegenwartskunst vor mehr als 20<br />

Jahren eine Ausstellung mit Tim Rollins + K.O.S. (Kids of<br />

Survival) präsentierte, zeigt das Kollektiv in <strong>der</strong> Ausstellung<br />

On Transfiguration ein weiteres Mal eine Werkauswahl. Sie basiert auf<br />

Tim Rollins’ Untersuchungen von Kunst als einer Form von Kollaboration<br />

und individueller Kreativität als Vermittler von sozialem Wandel<br />

und ist eine poetische Hommage an die Gemeinschaft, aber auch<br />

ein politischer Verweis auf das Potenzial jedes Einzelnen.<br />

Als Rollins 1982 begann, in einer Schule in <strong>der</strong> South Bronx in New<br />

York zu unterrichten, entwickelte er eine sozial-engagierte Lehrmethode,<br />

die auf die Herausstellung individueller Fähigkeiten zielte. Im<br />

Rahmen des Workshops «Art and Knowledge», angesiedelt an einem<br />

<strong>der</strong> extremen sozialen Brennpunkte <strong>der</strong> USA, waren fortan klassische<br />

und mo<strong>der</strong>ne Literatur, Philosophie und politische Theorie<br />

das Rohmaterial für Rollins und seine Arbeitsgruppe. <strong>Die</strong> Texte von<br />

Martin Luther King Jr., Lewis Carroll, Gustave Flaubert, Franz Kafka,<br />

Homer und William Shakespeare – um nur einige zu nennen – sind<br />

Ausgangspunkt einer reichen Bildsprache. Dabei werden bearbeitete<br />

Buchseiten direkt auf Leinwand aufgeklebt, worauf die Interpretationsansätze<br />

künstlerisch ausgearbeitet werden.<br />

Das Konzept dieser Art von Transformation ist ein Leitmotiv, das<br />

das gesamte Werk des Kollektivs prägt, das seit mehr als zwanzig Jahren<br />

in wechseln<strong>der</strong> Besetzung arbeitet. Es ist nicht nur un trennbarer<br />

Bestandteil des kreativen Schaffensprozesses an sich, son<strong>der</strong>n auch<br />

verbindendes Motiv, das sich hinter <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Textgrundlage<br />

verbirgt. <strong>Die</strong> Verbindung, die zwischen Werken wie Shakespeares<br />

Macbeth, Kafkas <strong>Die</strong> Verwandlung und Collodis Pinocchio zu Tage tritt,<br />

Weitere Ausstellungen<br />

im Kunstmuseum Basel<br />

Roza El-Hassan<br />

In Between<br />

Zeichnungen und Objekte<br />

11.02.2012 – 20.05.2012<br />

Fokus: Max Kämpf<br />

Malerei und Arbeiten<br />

auf Papier<br />

11.02.2012 – 29.04.2012<br />

ist, so Rollins, die Thematik <strong>der</strong> Aufopferung, die zu neuem Leben,<br />

neuen Vorstellungen, neuer Hoffnung führt. Durch die Aufnahme<br />

<strong>der</strong> Erzählungen in den Kanon klassischer Literatur und dadurch,<br />

dass sich Tim Rollins + K.O.S. <strong>der</strong>en annehmen, werden die Figuren<br />

und ihre Geschichten letztlich wie<strong>der</strong>belebt. So ist Transfiguration<br />

nicht als blosse Verän<strong>der</strong>ung zu verstehen, wie die Übersetzung einer<br />

literarischen Grundlage in Bildende Kunst, son<strong>der</strong>n als wun<strong>der</strong>same<br />

Auferstehung in einem metaphorischen Sinne.<br />

Das Werk von Tim Rollins + K.O.S. vereint klassische Bildung und<br />

Street-Culture, Gelehrsamkeit und Spontaneität, und verbindet Elemente<br />

künstlerischer Bewegungen, wie die Funktion <strong>der</strong> Sprache als<br />

künstlerische Ausdrucks form in <strong>der</strong> Conceptual Art, mit dem Verweis<br />

auf die politische Bedeutung alltäglicher Objekte in <strong>der</strong> italienischen<br />

Arte Povera.<br />

* Nikola <strong>Die</strong>trich ist Kuratorin<br />

für Mo<strong>der</strong>ne und <strong>Zeit</strong>genössische Kunst<br />

am Museum für Gegenwartskunst Basel<br />

Im Vorfeld zur Ausstellung wird eine neue Arbeit vor Ort entstehen,<br />

die aus einem von Tim Rollins + K.O.S. durchgeführten Workshop<br />

mit einer Basler Schulklasse hervorgeht.<br />

<strong>Die</strong> Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Galleria d’Arte Mo<strong>der</strong>na<br />

e Contemporanea (GAMeC) in Bergamo. Ein begleiten<strong>der</strong> Katalog erscheint bei<br />

JRP I Ringier, herausgegeben von GAMeC, MGK und <strong>der</strong> Fondazione Galleria<br />

Civica in Trient.<br />

<strong>Artinside</strong> <strong>Artinside</strong><br />

Karlheinz Weinberger, Basel, 1962 Tim Rollins + K.O.S., Amerika – Everyone is Welcome! (After Franz Kafka), 2002<br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!