Kienholz: Die Zeichen der Zeit - Artinside
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<strong>Artinside</strong><br />
Renoir: Zwischen Bohème und Bourgeoisie.<br />
<strong>Die</strong> frühen Jahre<br />
Renoir. Zwischen Bohème<br />
und Bourgeoisie.<br />
<strong>Die</strong> frühen Jahre<br />
01.04.2012 – 12.08.2012<br />
Kunstmuseum Basel<br />
www.kunstmuseumbasel.ch<br />
Pierre-Auguste Renoir (1841–1919) zählt zu <strong>der</strong> Gruppe französischer<br />
Maler, die den Impressionismus begründet haben.<br />
Mit heller Palette, einer lockeren Pinselführung, Motiven aus<br />
dem mo<strong>der</strong>nen Stadtleben und des Freizeitvergnügens in <strong>der</strong> Natur<br />
schrieben er und seine Mitstreiter Kunstgeschichte. Nimmt man sein<br />
gesamtes Œuvre in den Blick, entspricht Renoirs Engagement als<br />
Mitglied dieser Gruppe einer Phase innerhalb seines langen Lebens.<br />
Eine weitere Phase bildet das Spätwerk, das zuletzt mit einer grossen<br />
Ausstellung in Paris, Los Angeles und Philadelphia gewürdigt wurde.<br />
In <strong>der</strong> allgemeinen Wahrnehmung gilt Renoir als «Maler des Glücks».<br />
Als dieser ist er gefeiert, aber auch auf ein Klischee reduziert worden.<br />
Das Kunstmuseum Basel richtet in einer grossen Überblicksausstellung<br />
nun erstmals den Fokus auf das künstlerisch herausragende<br />
und überraschend vielschichtige Frühwerk des Künstlers bis hin zu<br />
bedeutenden impressionistischen Gemälden <strong>der</strong> 1870er-Jahre. Renoir<br />
ist in <strong>der</strong> Sammlung des Kunstmuseums Basel mit wichtigen frühen<br />
Werken vertreten. Darunter <strong>Die</strong> Dame mit dem Möwenhütchen, ein Gemälde,<br />
in dem Renoir sein erstes zentrales Modell, Lise Tréhot, als<br />
modisch gekleidete Pariserin inszeniert.<br />
Renoir wurde in Limoges in eine Handwerkerfamilie geboren. Bereits<br />
im Alter von vier Jahren zog er mit seinen Eltern zur <strong>Zeit</strong> eines<br />
grossen Zustroms an Handwerkerfamilien nach Paris. Hier absolvierte<br />
er eine Lehre zum Porzellanmaler in <strong>der</strong> Pariser Manufaktur<br />
Lévy frères et compagnie und arbeitete zunächst erfolgreich in diesem<br />
Metier. Schon damals zeichnete sich ab, dass die Industrialisierung<br />
eine Krise für dieses Handwerk und die damit verbundene<br />
Laufbahn mit sich bringen würde. Renoir erneuerte jährlich seine Erlaubnis,<br />
im Louvre Gemälde studieren und kopieren zu können, und<br />
erreichte eine Aufnahme in die École des Beaux-Arts. Hier durchlief<br />
er zeitweilig eine Ausbildung zum akademischen Maler, dann wechselte<br />
er in das Atelier des Genfer Malers Charles Gleyre. Dort lernte<br />
er gleichaltrige Kollegen wie Claude Monet, Alfred Sisley, Frédéric<br />
Bazille und Jules Le Cœur kennen. Le Cœur hatte sich nach einem<br />
schweren Schicksalsschlag dagegen entschieden, eine Laufbahn als<br />
Architekt weiterzuverfolgen. Das Klima eines Lebens in <strong>der</strong> Bohème<br />
unter Gleichaltrigen, wo Neigung und Haltung höher gewichtet wurden<br />
als ererbter Status und Repräsentation, sagte ihm zu. Er zog aus<br />
<strong>der</strong> Stadt aufs Land, wo er in Marlotte ein Haus mietete, und das sich<br />
rasch zu einem Treffpunkt entwickelte. In diesem Umfeld lernte Le<br />
Cœur Clemence Tréhot kennen und Renoir <strong>der</strong>en Schwester Lise.<br />
Lise stand ab 1865 nicht nur regelmässig für Renoir Modell, sie wurde<br />
auch seine Geliebte und Mutter zweier von Renoir gezeugter Kin<strong>der</strong>,<br />
die er bis über seinen Tod hinaus verheimlichte.<br />
Mit Lise erprobte sich Renoir im grossen Format: 1868 feierte er<br />
im Pariser Salon sein Debüt mit einem Gemälde, das sie als junge Pariserin<br />
im weissen Musselinkleid zeigt. Bereits im darauffolgenden<br />
Jahr gelang es ihm, mit Im Sommer an diesen Erfolg anzuknüpfen.<br />
*von Stefanie Manthey<br />
Hier erscheint Lise als bohemiennehaftes Landmädchen vor einem<br />
in Grüntönen gehaltenen Hintergrund. In <strong>der</strong> Pinselführung sind<br />
Formen von Blättern aufgenommen, die zwischen sich Naturlicht<br />
hindurchdringen lassen. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass <strong>der</strong><br />
Landschaftshintergrund in seinen prä-impressionistischen Zügen<br />
kein durchgehendes Merkmal dieser Frauendarstellung ist. Ihr Gesicht,<br />
ihre Arme und Hände sind so aus Farbe modelliert, dass sie wie<br />
individualisierende Merkmale wahrgenommen werden, die auf die<br />
reale Person bezogen bleiben. Sie werden nicht geschönt o<strong>der</strong> perfektioniert.<br />
Zuletzt hatte sich Gustave Courbet mit diesem Einsatz von<br />
Malerei eine Position erarbeitet, die von jungen Künstlern als Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
begriffen wurde.<br />
Auguste Renoir, Stillleben mit Blumenbouquet, 1871 Auguste Renoir, Frau mit Papagei, um 1870<br />
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