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Kienholz: Die Zeichen der Zeit - Artinside

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<strong>Kienholz</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Zeichen</strong> <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong><br />

Mit <strong>Kienholz</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Zeichen</strong> <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong> zeigt das Museum Tinguely<br />

das Werk von Edward <strong>Kienholz</strong> und Nancy Reddin<br />

<strong>Kienholz</strong>, zwei amerikanischen Künstlern, die zu<br />

den grossen Moralisten unserer <strong>Zeit</strong> gehören, wie – unter vielen<br />

an<strong>der</strong>en – Sebastian Brant, dessen Narrenschiff 1494 in moralsatirisch-didaktischer<br />

Weise die Welt beschrieb und einen<br />

neuen Typus <strong>der</strong> Weltsicht begründete. O<strong>der</strong> wie Francisco de<br />

Goya, <strong>der</strong> im frühen 19. Jahrhun<strong>der</strong>t mit seinen Pinturas Negras<br />

o<strong>der</strong> seinen Desastres de la Guerra für das Grauen von Krieg und<br />

Verzweiflung ganz neue Bildformen gefunden hat. Was diese<br />

Künstler in didaktischer Hinsicht auszeichnete, ist auch dem<br />

von Andres Pardey*<br />

<strong>Kienholz</strong>'schen Werk eigen: <strong>Die</strong> schliessliche, andauernde Hinwendung<br />

zum Guten und zum Menschen hin. Was <strong>Kienholz</strong><br />

von einem Werk wie dem Narrenschiff unterscheidet, ist die<br />

umfassende Kritik, die <strong>der</strong> Amerikaner an <strong>der</strong> Gesellschaft und<br />

an ihren Institutionen wie <strong>der</strong> Politik o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kirche übte. Und<br />

doch: es ist <strong>der</strong> Mensch, dem die uneingeschränkte Zuneigung<br />

<strong>Kienholz</strong>' galt und <strong>der</strong> nie als grundsätzlich böse, son<strong>der</strong>n als<br />

fehlgeleitet, irre gegangen, in Zwängen gefangen erscheint.<br />

Der Kunst von Ed <strong>Kienholz</strong> und ab den Siebzigerjahren von<br />

Ed und Nancy Reddin <strong>Kienholz</strong> fehlt jeglicher Zynismus. In einer<br />

<strong>Zeit</strong>, in <strong>der</strong> Szenen wie in den <strong>Kienholz</strong>'schen Tableaus im<br />

<strong>Kienholz</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Zeichen</strong> <strong>der</strong> <strong>Zeit</strong><br />

22.02.2012 – 13.05.2012<br />

Museum Tinguely<br />

www.tinguely.ch<br />

Vorabendprogramm staatlicher Fernsehstationen anzutreffen<br />

sind, ist eine Haltung, die mit dem Zeigen abgründiger und<br />

schrecklicher Szenen einen Glauben an das Gute im Menschen<br />

verbindet, eigentlich völlig überholt. <strong>Die</strong> Künstler wurden als<br />

Gesellschaftskritiker etikettiert, <strong>der</strong> moralische Tonfall spricht<br />

aber neutral über die <strong>Zeit</strong>. «Man kann kein Hurenhaus ohne<br />

zahlende Kunden haben», sagte <strong>Kienholz</strong> über sein Tableau Roxys,<br />

das eben dies – ein Bordell – zum Thema hatte.<br />

In Artforum schrieb Edward <strong>Kienholz</strong> 1968 als Antwort auf<br />

einen Kritiker seines Tableau Portable War Memorial, das den<br />

Krieg – in diesem Falle den Vietnam-Krieg, den die USA in den<br />

Sechzigerjahren mit unwahrscheinlicher Härte und unter dem<br />

Einsatz von Hun<strong>der</strong>ttausenden ihrer jungen Männer führte –<br />

kritisierte und ad absurdum führte: «Erstens würde ich niemals<br />

dieses Land (Amerika) beleidigen, da ich es vielleicht ebenso<br />

liebe wie Sie. Ich würde mir jedoch auf meine Weise gestatten,<br />

es zu verän<strong>der</strong>n. Meine Methode ist wie die <strong>der</strong> meisten Künstler<br />

ein System von Brennpunkt und Gesichtspunkt.» Und das<br />

war und ist es, was die Werke von Ed und Nancy Reddin <strong>Kienholz</strong><br />

auszeichnet: ein klarer Standpunkt, eine Meinung, eine<br />

Haltung, und dies alles unter unbedingter Wahrung <strong>der</strong> Würde<br />

eines womöglich an<strong>der</strong>sdenkenden Betrachters ihres Werks.<br />

Edward <strong>Kienholz</strong> & Nancy Reddin <strong>Kienholz</strong>, 76 J.C.s Led the Big Charade, 1993/1994<br />

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