sind. Die befreite Zeit schickt uns nicht in die Ferien. Die unbesetzteZeit, die tote Zeit, die Zeit der Leere und der Angst vor der Leere, dasist die Zeit der Arbeit. Von nun an gibt es keine Zeit mehr zu füllen, abereine Befreiung von Energie, die keine »Zeit« beinhaltet; Linien, die sichabzeichnen, die deutlicher werden, denen wir nach Belieben folgen können,bis zum Ende, bis wir sehen, wie sie andere kreuzen.Plündern, anbauen, herstellenEhemalige Arbeiter von Metaleurop werden eher Räuber als Schließer.Die Angestellten von EDF lassen ihren Freundeskreis wissen, wie maneinen Stromzähler überbrückt. Die »vom Lastwagen gefallene« heißeWare wird schnell weiterverkauft. Eine Welt, die sich selbst derart offenzynisch erklärt, konnte seitens der Proletarier kaum viel Loyalitäterwarten.Einerseits kann eine Kommune nicht auf die Ewigkeit des Wohlfahrtsstaateszählen, andererseits kann sie nicht damit rechnen, auf langeSicht von Ladendiebstahl, vom Containern des Abfalls aus den Mülltonnender Supermärkte oder des Nachts aus den Warenlagern derIndustriezonen, vom Abzweigen von Subventionen, vom Versicherungs-und sonstigen Betrug, kurz: vom Plündern zu leben. Sie musssich also permanent damit beschäftigen, wie sie das Niveau und dieAusbreitung ihrer Selbstorganisation steigert. Nichts wäre logischer,als dass die Drehbänke, die Fräsen und Fotokopierer, die bei Schließungeiner Fabrik mit Rabatt verkauft werden, später zur Bekräftigungirgendeiner Verschwörung gegen die Warengesellschaft dienen.Das Gefühl des bevorstehenden Zusammenbruchs ist heutzutageüberall so akut, dass es schwerfällt, alle laufenden Experimente inden Bereichen Bau, Energie, Materialien, Illegalismus und Landwirtschaftaufzuzählen. Ein ganzes Ensemble von Wissen und Technikenwartet nur darauf, geplündert und seiner Verpackung entrissen zuwerden, sei diese moralistisch, kleinkriminell oder ökologisch. DiesesEnsemble aber macht nur einen Teil aller Intuition, allen Know-Howsund der den Slums eigenen Erfindungsgabe aus, die wir an den Taglegen müssen, um die metropolitane Wüste wieder zu bevölkernund mittelfristig die Lebensfähigkeit eines <strong>Aufstand</strong>es zu sichern.Wie kommunizieren und sich bewegen, wenn alle Flüsse unterbrochensind? Wie können wir die Subsistenz in den ländlichen Gebieten wiederherstellen,bis diese in der Lage sind, die Bevölkerungsdichte zu tragen,wie dies vor sechzig Jahren noch der Fall war? Wie können wir die70 - SICH ORGANISIEREN
etonierten Räume in städtische Gemüsegärten verwandeln, wie dieseinst Cuba tat, um das amerikanische Embargo und die Liquidierungder UdSSR zu verkraften?Ausbilden und sich formierenWas bleibt uns, die wir soviel Gebrauch gemacht haben von den autorisiertenVergnügungen, welche uns die marktwirtschaftliche Demokratiezugesteht? Was hat uns einst dazu getrieben, am Sonntag morgenjoggen zu gehen? Was fesselt all die Karate-Fanatiker, die Liebhaberder Bastelei, des Angelns oder der Pilzkunde? Was außer der Notwendigkeit,die vollkommene Untätigkeit zu füllen, die eigene Arbeitskraftoder das eigene »Gesundheits-Kapital« wiederherzustellen. Die meistenVergnügungen könnten mit Leichtigkeit ihren absurden Charakter ablegenund zu mehr als nur Vergnügungen werden. Das Boxen war nichtimmer für die Vorführungen auf Spenden-Galas und die Spektakel großerWettkämpfe reserviert. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts,im von Horden von Kolonisten ausgewaideten und aufgrund langerTrockenheit hungernden China, organisierten sich hunderttausende armerBauern rund um unzählige Boxclubs unter freiem Himmel, um sichvon Reichen und Kolonisten zurückzuholen, was ihnen geraubt wordenwar. Dies war die Revolte der Boxer. Wir können nicht früh genug damitbeginnen, zu lernen und anwenden, was weniger befriedete, wenigervorhersehbare Zeiten von uns verlangen werden. Unsere Abhängigkeitvon der Metropole – von ihrer Medizin, ihrer Landwirtschaft, ihrer Polizei– ist so groß, gegenwärtig, dass wir sie nicht angreifen können, ohneuns selbst in Gefahr zu bringen. Es ist das unausgesprochene Bewusstseindieser Verletzbarkeit, das die unaufgeforderte Selbstbeschränkungder aktuellen sozialen Bewegungen ausmacht, das uns die Krisen fürchtenund nach »Sicherheit« streben lässt. Ihm ist es zu verdanken, dassdie Streiks den Horizont der Revolution gegen den der Rückkehr zurNormalität eingetauscht haben. Aus diesem Schicksal auszubrechenverlangt nach einem langen und stichhaltigen Lernprozess, nach vielfältigenmassiven Experimenten. Es geht darum, kämpfen zu können,Schlösser zu knacken, Knochenbrüche ebenso zu heilen wie eine Angina,einen Piratensender zu bauen, Volksküchen einzurichten, genauzu zielen, aber auch darum, zerstreutes Wissen zu sammeln und eineLandwirtschaft des Krieges zu schaffen, die Biologie des Plankton unddie Zusammensetzung des Bodens zu verstehen, das Zusammenwirkender Pflanzen zu studieren und dadurch die verlorene Intuition, alle<strong>Der</strong> <strong>kommende</strong> <strong>Aufstand</strong> - 71
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Der kommendeAufstandUnsichtbares Ko
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Warum eine deutschsprachige Ausgabe
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Aus welcher Sicht man sie auch betr
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überhaupt noch reisen zu können.
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Erster Kreis»I AM WHAT I AM«»I A
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Permanenz des Ich, und der wenigen
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