Eifel
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<strong>Eifel</strong><br />
Idylle entstanden, sie wurde dazu gemacht. Und zwar ausschließlich im Kopf!<br />
1801 schrieb der damals in einer Monschauer Tuchfi rma angestellte Johann<br />
Conrad Seyler seinem Bruder Benedikt: „Montjoye ist ein kleiner Ort von ca.<br />
300 Häusern, wovon die meisten sehr schlecht gebaut sind, bloß einige Häuser<br />
der Kaufl eute zeichnen sich aus.“ Öde, feucht, unwirklich, eng, ungesund<br />
sind weitere, wenig schmeichelhafte Urteile anderer Ortsansässigen aus der<br />
1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gut 50 Jahre später schrieb derselbe Seyler,<br />
wie pittoresk und anheimelnd ein Aufenthalt in Monschau sei. Der Wandel in<br />
der Wertschätzung entstand durch Arbeitsbesuche von Malern und Zeichnern<br />
wie Jean Nicolas Ponsart, Francois Antoine Bossuet, Jean Baptiste van Moer,<br />
Paul Lauters, Jacques Francois Joseph Carabin und später Paul Pützhoven-<br />
Hambrüchen, Fritz von Wille, Nicolaas van der Waay, Alfred Holler oder Heinrich<br />
Gesemann. 1865 wurde Monschau auch Objekt der jungen Fotografi e. Ab Mitte<br />
des 19. Jahrhundert vollzog sich demnach ein Wandel in der Wahrnehmung<br />
des Ortes, dem Hans Gerd Lauscher vor wenigen Jahren in einem Aufsatz<br />
nachgegangen ist. In der topographisch bedingten, rein zweckmäßig begründeten<br />
Bauweise des Städtchens im engen Rurtal sahen Fremde plötzlich einen<br />
malerisch empfundenen Formenreichtum der Architektur, interpretierten die<br />
Fachwerkhäuser in den schmalen Gassen ästhetisch und sentimental, aus<br />
romantisch verklärender Perspektive. „Aus dem ursprünglich überfüllten,<br />
ungesunden, schlecht gebauten und übel gelegenen Montjoye wurde nun das<br />
Spitzweg-Idyll, das traumhafte Monschau, das Bilderbuch aus Fachwerk und<br />
Stein, die Postkartenidylle, das Klein-Venedig, Nizza der <strong>Eifel</strong>, die <strong>Eifel</strong>perle<br />
mit nervenstärkender Berg- und Waldluft – ohne dass sich inzwischen baulich<br />
irgend etwas wesentlich verändert hatte.“<br />
Traum und Wirklichkeit<br />
„Wie persönliche Dokumente belegen, empfanden die Exkursionsteilnehmer<br />
um den Akademieprofessor Adolf Hölzel im Jahre 1912, ihren Aufenthalt in<br />
Monschau als überaus produktiv, bereichernd und als eine Zeit fast idealer<br />
Gemeinschaft. Sowohl von Hölzel selbst als auch von seinen Schülern haben<br />
sich wichtige Werke aus jener Zeit erhalten“, wusste Kunsthistoriker Ulrich<br />
Röthke zu berichten. Der erste Teil der im KuK gezeigten Werke dokumentiert<br />
genau diese produktive Zeit. Gezeigt werden Werke von Adolf Hölzel, Hermann<br />
Stenner, Heinrich Eberhard, Josef Eberz und anderen. Dabei lassen sich zum<br />
einen Monschau-Motive fi nden und zum anderen auch religiöse Darstellungen.<br />
Als ein Kennzeichen der Künstlergruppe gilt die besondere Affi nität zu christlichen<br />
Themen. Zwei Jahre nach der <strong>Eifel</strong>fahrt der Gruppe brach der 1. Weltkrieg<br />
aus. Die meisten der männlichen Künstler fanden sich an der Front wieder und<br />
sahen sich mit der grauenvollen Realität des Krieges konfrontiert. Einige, wie der<br />
hoch talentierte Hermann Stenner, fi elen gleich in den ersten Kriegsmonaten.<br />
Diejenigen, die den Krieg überlebten, setzten sich in unterschiedlicher<br />
Art und Weise mit den existentiell bedrohten Geschehnissen auseinander.<br />
Die Stellungnahmen dieser Künstler zum Krieg werden im zweiten Teil der<br />
Ausstellung gezeigt. Das Buch „Krieg und Kunst“ von Hans Hildebrandt bildet<br />
die Grundlage für den dritten Ausstellungsteil. Er hatte die Exkursion persönlich<br />
begleitet. Anhand zahlreicher im KuK gezeigter Dokumente ist erkennbar, dass<br />
er nicht - wie viele seiner Zeitgenossen und Künstlerfreunde – in chauvinistische<br />
Töne verfi el und die gesamte Moderne wie den Expressionismus, Futurismus<br />
und die neuere französische Kunst in Bausch und Bogen verdammte. Ganz im<br />
Gegenteil – er verteidigte die Moderne und kam am Ende seines Buches zu der<br />
Erkenntnis, dass die Menschen nach dem Krieg wieder zu einer „Europa und die<br />
ganze Erde umspannende Kulturgemeinschaft“ fi nden müsse.<br />
Hölzel und seinen Schülern ging es in ihrem Schaffen bis 1914 in erster Linie<br />
darum, Bilder zu gestalten, die als „harmonisches Ganzes“ wahrgenommen<br />
werden sollten. Mit politischen oder sozialkritischen Themen setzten sie sich<br />
im Werk nur am Rande auseinander. Wie die Künstler mit den erschütternden<br />
Ereignissen des Weltkrieges umgingen und diese künstlerisch verarbeiteten,<br />
ist bisher weder in der kunsthistorischen Forschung noch in einer Ausstellung<br />
thematisiert worden. Diese Lücke wird nun im Rahmen der Möglichkeiten im<br />
KuK geschlossen. Die Monschauer Präsentation setzt daher einen eigenen<br />
Akzent in der Vielfalt der Veranstaltungen zum Thema 1. Weltkrieg. Durch<br />
die Präsentation namhafter Künstler der klassischen Moderne erringt die<br />
Ausstellung eine überregionale Bedeutung.<br />
Die Ausstellung „Von der Idylle in den Schützengräben“ ist noch bis Freitag,<br />
5. Mai 2014 in den Räumlichkeiten des KuK, Austraße 9, in Monschau zu sehen.<br />
Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags zwischen 14 und 17 Uhr sowie an<br />
Wochenenden von 11 bis 17 Uhr. Weitere Informationen unter:<br />
www.kuk-monschau.de