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Fürsorgeerziehung der 1950er und 1960er Jahre - AFET

Fürsorgeerziehung der 1950er und 1960er Jahre - AFET

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unzweckmäßig“ 14 , für Kin<strong>der</strong> unter 10 <strong>Jahre</strong>n ein gr<strong>und</strong>sätzliches Verbot solcher<br />

Arbeiten auszusprechen.<br />

In den Heimen bestanden in unterschiedlichem Umfang Möglichkeiten, eine<br />

Berufsausbildung zu machen. Seit Ende <strong>der</strong> <strong>1950er</strong> <strong>Jahre</strong> scheint hier zudem<br />

vermehrt eine Art „Arbeitstraining“ eine Rolle gespielt zu haben, da die Jugendlichen<br />

nach ihrem Aufenthalt im Heim immer stärker an den Fließbän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Industrie ihr<br />

Auskommen fanden. In diesem Zusammenhang kam es in einigen Heimen wie dem<br />

Eduardstift in Helenenberg bei Trier o<strong>der</strong> dem Salvator-Kolleg Klausheide bei<br />

Pa<strong>der</strong>born auch zur Fertigung von Matratzen <strong>und</strong> zur Montage von Autoleuchten für<br />

auswärtige Firmen. Die dort tätigen Jugendlichen erhielten nur einen sehr geringen<br />

Teil ihres Lohnes ausgezahlt. Es wird zu prüfen sein, inwieweit im Einzelnen sowohl<br />

die Heime als auch die Jugendämter dafür verantwortlich waren, dass <strong>der</strong> Verdienst<br />

in die Finanzierung des Heimplatzes einfloss.<br />

Da bis zum Beginn <strong>der</strong> 1970er <strong>Jahre</strong> nach Auffassung <strong>der</strong> Sozialversicherungsträger<br />

nur für Heimkin<strong>der</strong> in einem Berufsausbildungsverhältnis Sozialbeiträge zu entrichten<br />

waren, mussten sich für diejenigen Jugendlichen, die in den Heimen ohne<br />

Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses Tätigkeiten verrichteten o<strong>der</strong> sich im<br />

„Arbeitstraining“ befanden, Versicherungsfehlzeiten ergeben. Dass für diesen<br />

Personenkreis zudem bislang ein System <strong>der</strong> Leistungsbelohnung in Form von<br />

Taschengeld <strong>und</strong> Arbeitsprämien anstelle von Ausbildungs- <strong>und</strong> Arbeitsvergütungen<br />

Geltung hatte, dürfte auch die wirtschaftliche Lage <strong>der</strong> Heime positiv beeinflusst<br />

haben. Ob hier die durch die niedrigen Pflegesätze bedingten Notwendigkeiten o<strong>der</strong><br />

aber mangelnde Anerkennung <strong>der</strong> Arbeitsleistung <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

ausschlaggebend waren, wird ebenfalls zu beleuchten sein.<br />

Umbruch <strong>der</strong> Erziehungswerte <strong>und</strong> –ziele seit dem Ende <strong>der</strong> <strong>1950er</strong><br />

<strong>Jahre</strong><br />

Der Reformdruck, <strong>der</strong> in den sozialpädagogischen Fachdiskussionen über<br />

Differenzierung, Professionalisierung <strong>und</strong> Liberalisierung <strong>der</strong> Heimerziehung sichtbar<br />

wurde, war Ausdruck eines sozialen Wertewandels. Die Zunahme <strong>der</strong> Heilpädagogik<br />

<strong>und</strong> Psychotherapie dürfte dabei auch ein Reflex auf die zunehmenden<br />

Erziehungsschwierigkeiten von Kin<strong>der</strong>n in einer sich verän<strong>der</strong>nden Gesellschaft<br />

gewesen sein. Der Eingriffsmodus wandelte sich von <strong>der</strong> Intervention zur Prävention,<br />

was u.a. im Ausbau <strong>der</strong> Erziehungsberatung verfolgt werden kann. In diesem<br />

Umbruchprozess zeigten viele konfessionelle Heime ein Mo<strong>der</strong>nisierungsdefizit, das<br />

durch die nach wie vor bestehenden, im RJWG bzw. JWG festgeschriebenen<br />

rechtlichen Rahmenbedingungen begünstigt wurde. Denn diese stärkten eine<br />

beständige Überwachung, eine keine Wahlmöglichkeiten einbeziehende autoritäre<br />

Fürsorge, eine Defizitorientierung statt För<strong>der</strong>ung bzw. Entwicklung von eigenen<br />

Fähigkeiten <strong>der</strong> „Zöglinge“, eine Betonung <strong>der</strong> Gruppe statt des Individuums,<br />

Belohnungs- <strong>und</strong> Bestrafungssysteme vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines kollektivistischen<br />

Tagesablaufes sowie Strafen offiziellen <strong>und</strong> inoffiziellen Charakters.<br />

Die theologischen <strong>und</strong> Mentalitätshintergründe dieser Form <strong>der</strong><br />

Erziehungsorientierung, die sich über Begriffe wie Disziplinpädagogik o<strong>der</strong><br />

Gehorsamsethik definiert, scheinen hier verstärkend gewirkt zu haben. Im Einzelnen<br />

gilt es dazu noch Aufklärung zu schaffen. Insbeson<strong>der</strong>e die noch zu leistende<br />

14 Stellungsnahme über die Anstaltserziehung in <strong>der</strong> FE o. D. [vermutlich aus <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong><br />

<strong>1950er</strong> <strong>Jahre</strong>], Archiv des Deutschen Caritasverbands, 319+354 Fasz. 01.<br />

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