Fürsorgeerziehung der 1950er und 1960er Jahre - AFET
Fürsorgeerziehung der 1950er und 1960er Jahre - AFET
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Matthias Benad, Hans-Walter Schmuhl <strong>und</strong> Kerstin Stockhecke<br />
Endstation Freistatt.<br />
<strong>Fürsorgeerziehung</strong> in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel<br />
bis in die 1970er <strong>Jahre</strong>, Bielefeld 2009 15<br />
Das vorzustellende Buch wurde erarbeitet aufgr<strong>und</strong> eines Forschungsauftrages <strong>der</strong><br />
v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel an das Institut für Diakonie- <strong>und</strong><br />
Sozialgeschichte an <strong>der</strong> Kirchlichen Hochschule Wuppertal-Bethel, das vom<br />
Referenten geleitet wird. Die in Peter Wensierskis Buch „Schläge im Namen des<br />
Herrn. Die verdrängte Geschichte <strong>der</strong> Heimkin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik“ 16 <strong>und</strong> in<br />
zahlreichen Medien erhobenen Vorwürfe sollten, soweit sie die Freistätter<br />
<strong>Fürsorgeerziehung</strong> betrafen, auf sachlich <strong>und</strong> fachlich angemessene Weise<br />
untersucht, tatsächliche Missstände dargestellt <strong>und</strong> kritisch bewertet <strong>und</strong> allzu<br />
pauschale Urteile durch differenzierte Betrachtungen korrigiert werden. Es wurde das<br />
Ziel vorgegeben, die aus heutiger Sicht außerordentlich harte, pädagogisch höchst<br />
fragwürdige <strong>Fürsorgeerziehung</strong> <strong>der</strong> <strong>1950er</strong>/60er <strong>Jahre</strong> mit den professionellen<br />
Methoden <strong>und</strong> Fragestellungen einer kritischen Diakoniegeschichtsschreibung<br />
unserer Tage zu erklären <strong>und</strong> zu bewerten.<br />
Untersuchungsansatz<br />
Angesichts dieser Vorgaben schien eine Einordnung des Geschehens in Freistatt in<br />
größere Zusammenhänge zwingend notwendig:<br />
1. Freistatt musste als Teil <strong>der</strong> v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel<br />
betrachtet werden. Zum einen war nämlich die <strong>Fürsorgeerziehung</strong> in den Betheler<br />
Anstalten nicht auf Freistatt beschränkt. Auch die Zweig- beziehungsweise Teilanstalt<br />
Eckardtsheim in <strong>der</strong> Senne <strong>und</strong> wichtige, von Sarepta-Diakonissen betreute Häuser,<br />
wie die Evangelischen Frauen- <strong>und</strong> Mädchenheime in Bielefeld-Ummeln o<strong>der</strong> die<br />
Waldheimat in Werther, die nicht in Trägerschaft <strong>der</strong> v. Bodelschwinghschen<br />
Anstalten standen, waren in die Untersuchung einzubeziehen.<br />
2. Zum an<strong>der</strong>en war die <strong>Fürsorgeerziehung</strong> mit den vielen an<strong>der</strong>en<br />
Arbeitsfel<strong>der</strong>n Bethels keineswegs nur im Zusammenhang mancher<br />
Quersubventionierung verb<strong>und</strong>en. Sie war um 1900 in einem christlichen<br />
Anstaltsmilieu von mehreren tausend Personen entstanden, das sich erst ab 1968<br />
aufzulösen begann. Seit den Zeiten Friedrich von Bodelschwinghs d.Ä. (1831-1910,<br />
Anstaltsleiter seit 1872) hatten sich die Anstalten im Sinne <strong>der</strong> inneren Mission als<br />
vorbildhafte Reichgottesgemeinde verstanden, die <strong>der</strong> unerlösten Welt vor Augen<br />
führen sollte, wie in einer vom Geist des Evangeliums durchdrungenen „Stadt <strong>der</strong><br />
Barmherzigkeit“ <strong>und</strong> ihren Tochterortschaften Ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Kranke, Hilfsbedürftige<br />
<strong>und</strong> Helfende (mehr o<strong>der</strong> weniger) freiwillig unter einer christlichen Ordnung<br />
miteinan<strong>der</strong> lebten. Im Kern dieses Selbstbildes standen bis um 1970 die Schwestern<br />
<strong>und</strong> Brü<strong>der</strong> <strong>der</strong> beiden Betheler Mutterhäuser Sarepta <strong>und</strong> Nazareth, die bis dahin<br />
den Auftrag wahrnahmen, das gesamte Pflege- <strong>und</strong> Erziehungspersonal zu stellen<br />
<strong>und</strong> als Hausmütter <strong>und</strong> -väter die Anstaltseinrichtungen zu leiten. Weit über<br />
15 Das Buch wurde von Matthias Benad vorgestellt. Beim vorliegenden Text handelt es sich um eine<br />
gekürzte Fassung <strong>der</strong> Einleitung dieses Bandes, die von <strong>der</strong> Herausgeberin <strong>und</strong> den Herausgebergn<br />
verfasst wurde.<br />
16 München 2006.<br />
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