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Begrenzter Journalismus - MainzerMedienDisput

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14. <strong>MainzerMedienDisput</strong> <strong>Begrenzter</strong> <strong>Journalismus</strong>wohl aber die systematische Erfassung von Erfahrungswissendurch De-Briefing und den geregelten Wissenserwerbdurch Briefing und die Bereitstellung von Plattformenzum Austausch von Erfahrungen. Das ist beiJungjournalisten und -redakteuren besonders zielführendund auch bei alten Hasen, die ihr Ressort wechselnund vom Kontext- und Kontaktwissen der Vorgängeroder Kollegen stark profitieren können. Die Bündelungallgemeiner Informationsquellen über einheitlichePlattformen mit hoher Usability wie etwa Wikis wirktpositiv verstärkend.Der nachteiligste Faktor für die Effizienz in der journalistischenTätigkeit ist die Beschäftigung mit Inhalten,die nicht zum Kerngeschäft gehören oder die durchDoppelungen unsinnigerweise mehrfach veröffentlichtwerden. Journalisten sollten etwa keine anzeigenabteilungsinduziertenAufgaben erledigen müssen („Schaufensterund Jubiläums“-Problem). Sie sollten beispielsweiseauch Meldungen von Nachrichtenagentureninhaltlich nur dann überarbeiten, wenn sie damit entwedereinen lokalen Bezug herstellen oder Hintergrundinformationenbeisteuern können, die beim Leserzu einem besseren Verständnis der Sachlage führen. Andieser Stelle kann man auch fragen: Braucht eine regionaleTageszeitung einen Mantel herkömmlicher Art?Müssen Serviceseiten selbst gebaut werden? Konsequentabgeleitete Antworten würden die notwendigenFreiräume für das Kerngeschäft schaffen.FinanzierungLetztlich ist der Faktor Zeit auch eng an den Faktor Geldgekoppelt. Lösungsvorschläge hinsichtlich der Finanzierungjournalistischer Arbeit lassen sich insofern auchauf diesen Faktor übertragen.4 Faktor Routinen„In den Chefetagen von Print- und Online-Medien findensich fast ausschließlich Männer, fast ausschließlich ausder oberen Mittelschicht. Das heißt: Alles, was diese gutsituierten Männer nicht im Blick haben, kommt ehernicht ins Blatt, auch wenn die Zielgruppe durchausInteresse daran haben könnte. Auf diese Weise entstehtein Bias, eine systematische Verzerrung der Wirklichkeitin den seriösen Medien.“Annette BolzProblemaufrissInformationen wahrnehmen, Informationen filtern,Informationen beschaffen, Beiträge verfassen: JournalistischeArbeit ist vielfältig und hat im Laufe der JahrhunderteRoutinen hervorgebracht, die sich mehr oderminder auf die Qualität und die Nachrichtenauswahldes Medienproduktes auswirken. Am Anfang steht dieredaktionsinterne Aufteilung in Rubriken, Ressortsund Redaktionen und andere Organisationsformen,die den Fluss an Informationen und die journalistischeAufmerksamkeit lenken. Auch die Art und Weise derOrganisation kann Einfluss auf Themenauswahl undQualität nehmen, weil sie Arbeitsbedingungen undStrukturen vorgibt (s. „Faktor Organisation“). Aber auchdie Grundtätigkeiten und ihre Routinen bergen Probleme.Routine 1: Informationen sammelnZentrale Arbeitsroutine im <strong>Journalismus</strong> ist das Sammelnvon Informationen - die Recherche. Eine Routine,die wie alle Routinen dem Wandel der Zeit unterliegtund derzeit im Zuge der Qualitätsdebatte (s. „Was istguter <strong>Journalismus</strong>?“) von Medienwissenschaftlern undJournalisten intensiv disktutiert wird. Denn: „Durch dasÜberangebot an Informationen verliert das Sammelnvon Informationen an Bedeutung im journalistischenAlltag. Parallel dazu gewinnt die verständliche Aufbereitungvon Informationen zunehmend an Stellenwert:der Schwerpunkt der journalistischen Aufgaben verlagertsich von der Thematisierung hin zur Vermittlung“,schreibt Monika Pater bereits 1993 (Pater 1993). EinTrend, der sich in der Zwischenzeit weiter verstärkt hat:Die Journalistenstudie von Weischenberg/Malik/Schollzeigt, dass Journalisten durchschnittlich 117 Minutenrecherchieren (Weischenberg/Malik/Scholl 2006a: 80).Im Vergleichsjahr 1993 waren es immerhin noch 140Minuten. Und: Jeder fünfte Journalist findet, dass Zulieferungenvon PR-Profis (fertige Beiträge mit verschiedenenZitatgebern, vorproduzierte O-Töne und Videos)zunehmend Beiträge ersetzen, die Journalisten selbstrecherchiert haben.Weischenberg urteilt drastisch über den von ihm erhobenenTrend: Ein Journalist, der sich lediglich auf dieVermittler-Rolle konzentriere, verliere die ihm zugeschriebenegesellschaftliche Legitimation als Beobach-16

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