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Begrenzter Journalismus - MainzerMedienDisput

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14. <strong>MainzerMedienDisput</strong> <strong>Begrenzter</strong> <strong>Journalismus</strong>zu identifizieren gewesen wären“. Als weiteren Faktornennt sie „Feigheit des Managements“: „Zu viele Chefredakteureglauben, den Wünschen von Anzeigenkundennachkommen zu müssen, aus Angst, sonst gehe esmit ihrem Blatt ökonomisch bergab. Tatsächlich setzensie damit aber die Glaubwürdigkeit ihres Mediums aufsSpiel. In the long run wird genau diese mangelndeGlaubwürdigkeit solchen Medienprodukten den Garausbereiten“.Annette Bolz selbst hat sich als Redakteurin und Textchefingeweigert, auf die Wünsche von Anzeigenkundeneinzugehen: „Ich habe als Textchefin bei stern.de dieEinflussnahme eines Pharmakunden geblockt, zusammenmit der Redaktionsleitung haben wir es auf einenStreit ankommen lassen. Wir haben einen Gesundheitsratsgebergemacht, in dem wahrheitsgemäß stand, dassSalben gegen Gelenkschmerzen nicht helfen, weil derWirkstoff nicht tief genug ins Gewebe eindringt. DerWerbebanner um diesen Ratgeber herum hat abergenau das behauptet: Die Creme wirke prima beiGelenkschmerzen. Die Pharmafirma war natürlich sauer,sie wollte, dass diese Stelle im Ratgeber umgeschriebenwird. Aber wir sind hart geblieben“.Domenika Ahlrichs, Chefredakteurin der Netzeitung,kennt ebenfalls die Versuche, über Anzeigen oderKooperationen Einfluss auf redaktionelle Inhalte zunehmen. Sie wehrt diese mit einer „klaren Ansage“ ab,„dass wir Anzeigen als solche klar kennzeichnen“. BeiThemen-Specials, die von einem Sponsor unterstütztwurden, achtete sie darauf, dass das Thema sehr breitangelegt ist. So etwa beim Thema „Globalisierung“, dasvon der Deutschen Post finanziell unterstützt wurde. Ineiner Ecke wurde das Postlogo angezeigt, doch dieRedaktion nahm inhaltlich keine Rücksicht: „Wir konntenjeden Artikel zur Arbeitsplatzverlagerung einstellenund haben durch klare Ansagen die Distanz gewahrt“.Der stellvertretende AP-Chefredakteur Peter Zschunkeverweist auf die „exklusiven“ Angebote: „Bei Informationenaus der zweiten oder dritten Reihe kriege ich dasAngebot, dass ich was exklusiv kriege. Das ist ein zarterVersuch von Sponsoring. Da sage ich immer, dass Exklusivitätkeine Relevanz hat“.Fernsehredakteur Marcel Schilling sagt, man müsseüberlegen, „wie und wie oft man einen Sponsorerwähnt. Wenn man es machen muss, reicht es einmal“.Es gebe außerdem Versuche von Sponsoren ins Bild zukommen, etwa wenn Hintergründe reingerückt werden:„Hier muss man vor Ort aufpassen und Grenzen setzen.Interviews darf man nicht vor Sponsorenwändenführen. Wenn der Interviewpartner offizieller Vertreterder Firma ist, ist das was anderes. Joachim Löw voreinem Firmen-Schild zu interviewen, finde ich aber problematisch,wenn er für diese Firma Werbung macht.Das geht nicht. Wenn es eine Veranstaltung des Sponsorsist, kann ich die Räumlichkeiten bei einer Pressekonferenznicht ändern. Aber ich habe Möglichkeitendas aufdringlich oder weniger aufdringlich zu machen.Da kommt es auf die Sensibilität des Redakteurs und desKameramanns an, das zu erkennen. Die Sensibilität hierfürnimmt zu, da wir diese Versuche wahrnehmen undunsere Erfahrungen sammeln“.Marcel Schilling sieht die Debatte um die gut dotiertenNebentätigkeit von Journalisten des öffentlich-rechtlichenRundfunks differenziert: „Ich glaube, dass bestimmteLeute ihren Namen wert sind. Auch hier mussklar sein, dass man sich nicht durch den Auftraggebereinschränkt; dass ein Journalist bestimmte Fragen nichtmehr stellt, weil er für eine bestimmte Firma etwasgetan hat. Er darf seine Unabhängigkeit nicht aufgeben.Er ist auch ein Repräsentant für das Medium, das kannauch ein Mehrwert für das Mediums ein, wenn jemandauftritt. Die Alternative wäre, dass das sonst einer vonden privaten Sendern machen würde. Peter Klöppel vonRTL würde dann für den gesamten Fernsehjournalismusstehen. Ein Verbot ist daher für die Öffentlich-Rechtlichenkeine Alternative. Ein Festangestellter muss dasaber mit seinem Arbeitgeber abstimmen. Bei Freiensieht das ganz anders aus“.Hardy Prothmann hat als bloggender Journalist, bislangkeinen Versuch einer direkten Beeinflussung durch Werbekundenfeststellen können, dafür aber einen Boykott-Aufruf durch „lokale einflussreiche Persönlichkeiten“erlebt: „Potenziellen Anzeigenkunden wurde deutlichgemacht, dass Anzeigen auf meiner Site Nachteile fürdiese Unternehmen mit sich bringen könnten“. Das Verhältniszu seinen Anzeigenkunden beschreibt er folgendermaßen:„Da Werbekunden die journalistische Arbeitfinanzieren, ist es selbstverständlich, dass man Wünschevon Werbekunden zumindest hört. Das heißt nochlange nicht, dass man diesen Wünschen nachkommt,vor allem nicht, wenn redaktionell in unzulässiger WeiseEinfluss zu nehmen versucht wird.Eine Verknüpfung von Werbung und Redaktion ist fürmich nicht vorstellbar - das bedeutet den inhaltlichenTod des <strong>Journalismus</strong> und ist die Geburtsstunde für PR.Meiner Meinung nach darf es keine unmittelbare Beziehungzwischen Berichterstattung und Werbung geben.Sollte ein bei uns werbendes Unternehmen beispielsweisejournalistisch kritisch betrachtet werden müssen,wird dies auch stattfinden. Auch wenn der Kunde dieWerbung dann storniert“.Von Autoren angebotene Geschichten, die ihr PR-lastig39

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