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Begrenzter Journalismus - MainzerMedienDisput

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14. <strong>MainzerMedienDisput</strong> <strong>Begrenzter</strong> <strong>Journalismus</strong>organisation „Lobby Control“ feststellen konnte (Müller/Klein2009). Auch gelang es einem Bahn-Lobbyistenmit Gastkommentaren in der „Financial Times Deutschland“,„Capital“ und „Tagesspiegel“ unterzukommen,ohne dass den Redaktionen sein Hintergrund bekanntwar. Die Reaktion der Deutschen Bahn auf die Enthüllungenvon Lobby Control bestand darin, den für Kommunikationund Marketing Verantwortlichen zu entlassen.Auch die Politik betreibt „Public Relations“ - und dieAbhängigkeit ist gegenseitig, stellte Sigrid Baringhorstfest: „Liefern die Journalisten den Politikern Arenen derSelbstdarstellung und Legitimationsbeschaffung, soversorgen Politiker die Journalisten mit den Rohstoffenjedes Massenmediums: aktuelle Informationen und mitteilenswerteEreignisse, Aufmerksamkeit erzeugendeBilder von Kriegen und Katastrophen, Staatsbesuchenund nationalen Erinnerungsritualen“ (Baringhorst 1997).Politische Akteure versuchen jedoch der Presse als„Vierter Gewalt“ im Staat etwas Macht abzutrotzen,indem sie Öffentlichkeitsabteilungen einrichten, dienicht nur auf Journalistenanfragen reagieren, die alsoeiner gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichtnachkommen, sondern die quasi proaktiv eigene Darstellungenmediengerecht vorbereiten. Sie beauftragenPR-Experten und -Agenturen damit, Kampagnen zuentwerfen, die ihr politisches Handeln kommunizieren -und rechtfertigen sollen. „Wesentlich ist allein die strategischeNutzung des öffentlichen Wirkungsraumes“,sagt Baringhorst. Dabei werden auch hier zunehmendethische Grenzen überschritten. In den letzten Jahrenwurden mehrere Fälle bekannt, in denen BundesministerienRadiobeiträge und Zeitungsartikel produzierenließen, die Redaktionen zur kostenlosen Übernahmeangeboten wurden.Die Frage der „Authentizität“ und des Wirklichkeitsbezugspolitischer Berichterstattung stellt sich zudemangesichts einer zunehmenden „Theatralisierung politischerKommunikation“ (Schicha 2003, Schicha 2007,Kurbjuweit 2009). Christian Schicha stellt hierzu fest:„Es ist bislang ungeklärt, ob mediale Politikinszenierungenin Wahlkämpfen politische Anschlussdiskurse durcheine angemessene Reduktion von Komplexität bei denRezipienten befördern, oder ob sie verhindern, dass dastatsächliche politische Handeln von den Rezipienten sowahrgenommen werden kann, wie es die Rationalitätsanforderungeneines deliberativen Demokratieverständnissesnahelegen. Es darf jedoch vermutet werden,dass die moderne Form politischer Wahlkampfwerbung,die gerne mit dem Schlagwort „Amerikanisierung“beschrieben wird, nicht dazu beiträgt, das argumentativeNiveau politischer Diskurse zu verbessern“. Die hiermitverbundene Personalisierung beruhe darauf, dass„dominant visuell ausgerichtete elektronische Massenmedienauch für die Vermittlung politischer Inhalte Personenbenötigen, die diese Inhalte vermitteln und verkörpern“.Schicha stellt aber fest, dass tragfähige empirischeStudien, „die den Visualisierungsgrad in Bezugzum Informationsgehalt des Berichteten setzen undauch die Frage der Angemessenheit der Berichterstattungzulassen, fehlen“.Politmarketing und Kampagnenmanagement ist allerdingslängst nicht mehr nur ein Merkmal etablierterPolitik. Zivilgesellschaftliche Organisationen aus denBereichen der Netzpolitik des Umweltschutzes, der Entwicklungspolitik,des Antirassismus oder der Wohlfahrtversuchen ebenfalls das öffentliche Meinungsklima zubeeinflussen. Hierfür nutzen sie nicht nur traditionellePR-Mittel, sondern auch neue Kommunikationsstrategienim Internet (Schulzki-Haddouti/Lorenz-Meyer2008).WerbungDie aktuelle Studie „Wandel bei aktuellen Massenmedien:<strong>Journalismus</strong> in veränderten Medienkontexten“(Kutscha et al. 2009) stellt fest, dass unter dem gegenwärtigenwirtschaftlichen Druck journalistische Inhaltezunehmend als Umfeld für Werbekunden betrachtetwerden: „Die Werbeindustrie braucht ein spannendesUmfeld, indem sie ihre Werbung für Zuschauer gezieltschalten kann“, zitiert sie den Redakteur eines Privatfernsehsenders.Die Autoren sind der Ansicht, dass folglichInhalte für Werbekunden geschaffen werden. DerLeser, Zuschauer oder Hörer sei primär als Konsumentinteressant. Fast die Hälfte der befragten Journalistenglaubt denn auch, dass es wichtiger werde, Werbekundenein passendes redaktionelles Umfeld zu liefern.91 Prozent meinen, einen Trend hin zu wenigerpointierten Politikberichterstattung, die Werbekundenwenig attraktiv finden könnten, hin zu mehr Unterhaltungfeststellen zu können. Politische Themen verkauftensich „oft schlechter“.Die Grenzen zwischen Redaktion und Anzeigen verwischendabei zunehmend. Auch der „Spiegel“ schrecktvor „Experimenten“ wie einer nicht gekennzeichnetenToyota-Anzeige in Anmutung einer „Hausmitteilung“nicht zurück, die in der Branche eher wie Kavaliersdeliktebewertet werden (Weichert/Kramp 2009d). Gleichwohlräumte die Chefredaktion zwischenzeitlich ein,hier einen „Fehler“ gemacht zu haben. Der Presserat36

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