SYSTEM DER POLITISCHEN OEKONOMIE
SYSTEM DER POLITISCHEN OEKONOMIE
SYSTEM DER POLITISCHEN OEKONOMIE
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DES ARABISCH-ISLAMISCHEN WELTREICHES. 21<br />
Mit der Ausdehnung, EINRICHTUNG UND ORGANISATION DES ARABISCHEN WELTHAN-<br />
DELS konnte sich um das Jahr 750 n. Chr. der Handel keines anderen Reiches<br />
der Erde vergleichen. Nicht minder haben sich GEWERBE und INDUSTRIE ausgebreitet.<br />
Die arabische Papierfabrikation aus Baumwolle hat im XI. und XII.<br />
Jahrhundert das Pergament in Europa verdrängt. In der Herstellung seidener<br />
Prachtgewänder mit Goldfäden hatten Irak und Syrien ein tatsächliches Monopol.<br />
Dazu kommt die Herstellung besonders wertvoller Teppiche und Tapeten,<br />
von kostbaren Möbeln, köstlichen Wohlgerüchen, von schönen Buchbinderarbeiten,<br />
kunstvollen Zelten, von berühmten Waffen und Rüstungen u.s.w.<br />
� § 21. Für die Volkswirtschaftslehre bietet noch die Tatsache ein besonde- 33<br />
res Interesse, daß auch die arabische Welt — ähnlich der griechischen — zu einer<br />
Zeit, in welcher der Untergang des Reiches schon besiegelt war, den Aristoteles<br />
der arabischen Kultur hervorgebracht hat: IBN CHALDUN. Geboren zu Tunis<br />
im Jahre 1332 n. Chr., aus einer angesehenen Familie des spanischen Arabien<br />
stammend, mit den Verhältnissen fast der ganzen arabischen Welt aus persönlicher<br />
Augenscheinnahme bekannt, starb er im Jahre 1406 n. Chr. als Oberrichter<br />
und Sekretär des Sultans in Kairo. Professor von Kremer hat ihn den ersten<br />
kritischen Kulturhistoriker mit induktiver Methode genannt. Sein Hauptwerk<br />
beschäftigt sich mit dem großen volkswirtschaftlichen Problem des Fortschritts<br />
und Niederganges der Völker. Seine Endresultate klingen in einem heute noch<br />
vielfach vertretenen Pessimismus aus: jedes Reich und jedes Volk geht nach einer<br />
bestimmten Zeit zu Grunde. Seine diesbezüglichen Untersuchungen ruhen<br />
auf einer ungewöhnlich umfassenden Basis. Er berücksichtigt die geographische<br />
Lage des Landes, Sitte, Moral, Religion, privates und öffentliches Recht,<br />
die Zeitverhältnisse, die Rassenfrage, die Landesverteidigung und ganz besonders<br />
die volkswirtschaftlichen Verhältnisse. Er untersucht das Geld bis in<br />
die letzten Konsequenzen der Kapitalistenherrschaft, die Bevölkerungsfragen<br />
mit der Brotversorgungspolitik und der öffentlichen Gesundheitspflege, er beschäftigt<br />
sich mit der Steuerpolitik und dem Finanzwesen, mit den Staatsmonopolen,<br />
der Agrarpolitik, der Handels- und Händlerpolitik. Schon Ibn Chaldun<br />
kennt den Unterschied zwischen Tauschwert und Gebrauchswert. Er schreibt<br />
sehr viel zutreffendes über Luxus und Reichtum. In seiner Getreidepreispolitik<br />
will er zu niedrige und zu hohe Getreidepreise gleich sehr vermieden wissen,<br />
ohne dabei zu vergessen, daß ein guter Markt für Getreide im Interesse des<br />
ganzen � Volkes am meisten zu wünschen sei. Wenn der Getreidebau viel ein- 34<br />
bringt, zieht der Staat den meisten Nutzen daraus. Hier finden sich deutlich<br />
die Elemente der Ricardo’schen Grundrententheorie. Die Arbeitsteilung wird<br />
eingehend als wichtige Quelle des Reichtums und der Kultur behandelt. Und<br />
selbst der Begriff „Lieferwaren“ unserer modernen Börsenusancen findet sich<br />
schon bei Ibn Chaldun. Wie Professor Kohler moderne Rechtsfragen mit entschiedenem<br />
Vorteile für unsere Kenntnisse an den Entscheidungen und Theo-<br />
www.vergessene-buecher.de Gustav Ruhland, System der politischen Oekonomie, Band 2