SYSTEM DER POLITISCHEN OEKONOMIE
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ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DES ARABISCH-ISLAMISCHEN WELTREICHES. 41<br />
Zunft. Den Beginn der Auflösung des Geschlechterverbandes bezeichnet charakteristischerweise<br />
die willkürliche Einreihung jedes Einzelnen in den Heeresverband<br />
durch die Heeresleitung, ein Ereignis, welches in Vorderasien mit<br />
dem Beginn der Abbasidenherrschaft (750 n. Chr.) in Spanien erst mit der Ruhmeszeit<br />
ALMANSORS (etwa 990 n. Chr.) zusammenfällt.<br />
Die realistische Auffassung ging bei dieser neuen Zunftorganisation im<br />
Abbasidenreiche so weit, dass sich in der Residenzstadt Bagdad unter den Augen<br />
der Regierung auch eine ZUNFT <strong>DER</strong> DIEBE bildete. Und diese Diebsgenossenschaft<br />
kam gelegentlich zu solcher Macht, dass sie sich der Hauptstadt Bagdad<br />
bemächtigte und der Chalif, um sich und seine Schätze zu retten, es vorzog,<br />
seinen eigenen Sohn in die Diebszunft als Mitglied aufnehmen zu lassen. Dieser<br />
Situation ist es vollkommen entsprechend, wenn wir weiter hören, dass die<br />
Zunft der Diebe in Bagdad einem hohen Beamten für dessen Schutz monatlich<br />
150 000 Frcs. zahlte, und wenn die arabischen Historiker sich als besten Beweis<br />
für die allgemeine Verarmung des Volkes auf die Tatsache berufen, dass im Jahre<br />
989 n. Chr. die Zunft der Diebe in Bagdad der Staatspolizei für unbehelligte<br />
Plünderung der Mekkapilger nur lumpige 50 000 Frs. bieten konnte.<br />
§ 45. Im Uebrigen FLIESSEN auch um diese Zeit in der arabisch-islamischen<br />
Weltanschauung die BEGRIFFE DIEBSTAHL, RAUB UND ERWERB, ERPRESSUNG, BESTE-<br />
CHUNG UND STAATLICHE BESOLDUNG so sehr IN EINAN<strong>DER</strong> ÜBER, daß es unmöglich ist,<br />
sie auseinander zu halten. Ein Vezir, der auch nur einige Jahre seines � Amtes 67<br />
waltete, hat selbstverständlich inzwischen neben seinen Schätzen in Edelmetall<br />
und Edelsteinen auch einen Latifundienbesitz mit einer jährlichen Rente von<br />
etwa 10 Millionen Franken „erworben“. Ein Regierungsschreiber, oder um den<br />
entsprechenden modernen Ausdruck zu gebrauchen: ein vortragender Rat im<br />
Ministerium erhält aus der Staatskasse jährlich einen Sold von 3600 Frs. aber<br />
gegen Ende seiner Beamtenlaufbahn verfügt er seltsamer Weise über ein Gesamtvermögen<br />
von 20 Millionen Franken. Daß auch die anderen Berufsstände<br />
in ähnlicher Weise sich betätigten, bestätigt ein Epigramm des berühmten SYRI-<br />
SCHEN DICHTERS MA’RRY (973 bis 1057 n. Chr.), welches besagt: „In den Wüsten<br />
hausen die Räuber von Kamelen, in der Stadt sind Räuber anderer Art. Diese<br />
nennt man Notare und Kaufherren. Jene heißen einfach Beduinen.“ Auch diese<br />
Beduinen beschränken sich jedoch nicht immer auf den Diebstahl von Kamelen.<br />
In den Jahren 900 bis 915 n. Chr. plünderten sie so eifrig die Mekkapilger,<br />
daß zwei Jahre lang diese Wallfahrt überhaupt unterblieb, und die frommen<br />
Pilger sich dann entschließen mußten, ihre Sicherheit auf der Reise nach Mekka<br />
vorher von den Beduinen zu erkaufen.<br />
Da das „EIGENTUM“ bis zu solchem Maße „DIEBSTAHL“ war, mußten die RE-<br />
GELMÄSSIGEN VERMÖGENSKONFISKATIONEN durch die Staatsgewalt als EINE EINRICH-<br />
TUNG AUSGLEICHEN<strong>DER</strong> GERECHTIGKEIT erscheinen. Sobald irgend Jemand durch<br />
www.vergessene-buecher.de Gustav Ruhland, System der politischen Oekonomie, Band 2