SYSTEM DER POLITISCHEN OEKONOMIE
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ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DES ARABISCH-ISLAMISCHEN WELTREICHES. 43<br />
Die daraus erzielten Einnahmen werden für die Jahre 775 bis 786 n. Chr.<br />
auf 411 Millionen Franken angegeben. Das alles konnte in einem so großen<br />
Reiche der Fürst persönlich nicht mehr überschauen. Die ersten Abbasidenchalifen<br />
bedienten sich deshalb um so lieber hierzu der Mithilfe eines ihnen verantwortlichen<br />
Staatsmannes und dessen Gehilfen, als sich auf solche Weise die<br />
zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung unter Umständen leicht und<br />
vorteilhaft auf den leitenden Minister ablenken ließ. So ist Amt und Würde des<br />
ISLAMISCHEN VEZIR entstanden, welche von 750 bis 800 n. Chr. in den geschickten<br />
Händen der alten persischen Adelsfamilie der BARMEKIDEN ruhten.<br />
§ 47. Nach dem STURZE <strong>DER</strong> BARMEKIDENFAMILIE unter Haruûn al Raschid<br />
versuchte der Chalife Mamun (813 bis 833 n. Chr.) die Erblichkeit des Vezirates<br />
durch die ERBLICHKEIT <strong>DER</strong> STATTHALTERPOSTEN IN DEN PROVINZEN zu ersetzen.<br />
Die erbliche Vezirwürde mochte mit der Gefahr verknüpft erscheinen, bei einer<br />
schwächlichen Persönlichkeit des Chalifen zu einer Verdrängung der ganzen<br />
Herrscherfamilie vom Throne zu führen. Mit dem erblichen Statthalter dagegen<br />
konnte eine reiche und deshalb kräftige Zentralgewalt leichter fertig zu werden<br />
hoffen und doch die Vorteile genießen, welche aus dem größeren Interesse einer<br />
erblichen Statthalterwürde an dem Gedeihen der betreffenden Provinz fließen<br />
mußte. Anfangs schienen diese Erwartungen sich zu bestätigen. Die AGHLABI-<br />
DEN in Nordafrika haben unter Mamun SIZILIEN und SARDINIEN erobert, die von<br />
jetzt ab 200 Jahre unter islamischer � Herrschaft geblieben sind. Die EINNAH- 70<br />
MEN <strong>DER</strong> ZENTRALKASSE aber zeigten bald eine weniger günstige Entwickelung.<br />
Die 411 Millionen Franken in den Jahren 775 bis 786 n. Chr. sind auf 372 Millionen<br />
in den Jahren 819/20 n. Chr. und auf 293 Millionen im Jahre 845 n. Chr.<br />
zurückgegangen. Das ist ein Verlust von 119 Millionen gleich 29 % binnen 59<br />
Jahren. Weil aber das Ausgabebedürfnis des Chalifen in keiner Weise das Bestreben<br />
zeigte, sich nach der kürzer werdenden Decke zu strecken, wurde die<br />
STEUERSCHRAUBE fast überall noch weiter zu drehen versucht, mit VERMÖGENS-<br />
KONFISKATIONEN und Hinrichtungen der Reichen noch ausgiebiger vorgegangen<br />
und die STAATSÄMTER ÖFFENTLICH AN DEN MEISTBIETENDEN vergeben. Damit steigerte<br />
sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung bis zu dem Maße, daß der Chalife<br />
Motassim (833 bis 842 n. Chr.) sich in der Mitte heimischer Truppen nicht sicher<br />
genug fühlte und sich deshalb ein HEER AUS FREMDEN SÖLDNERN, Türken<br />
und Berbern zusammenstellte, deren Zahl bald die Höhe von 70 000 Mann erreicht<br />
haben soll. Diese Soldateska betrug sich in Bagdad so schlecht, daß die<br />
ernstesten Beschwerden darüber aus der Bevölkerung der Residenzstadt den<br />
Chalifen veranlaßten, mit seiner Leibgarde und seinen Beamten nach dem neu<br />
erbauten SSAMARRA auszuwandern.<br />
Das Los des Chalifen war damit noch schlechter geworden. Die hoch besoldete<br />
Leibgarde verwandelte sich rasch in übermütige PRÄTORIANER, die ihre<br />
eigentliche Aufgabe darin erblickten, aus der Kasse des Chalifen so viel als<br />
www.vergessene-buecher.de Gustav Ruhland, System der politischen Oekonomie, Band 2