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Handbuch um.welt - VNB

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<strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

<strong>Handbuch</strong> <strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

Klimawandel, Biodiversität und Kulturelle Vielfalt<br />

am Beispiel der Ju/‘Hoansi in Namibia<br />

Ein Projekt von:<br />

Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e. V., Hannover<br />

Arbeitsstelle Weltbilder e. V., Münster<br />

Bildung trifft Entwicklung – Regionale Bildungsstelle Nord, Göttingen


Die Förderer von <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> sind:<br />

Deutsche Bundesstiftung Um<strong>welt</strong><br />

Niedersächsische Bingostiftung für Um<strong>welt</strong> und Entwicklungszusammenarbeit<br />

Evangelischer Entwicklungsdienst<br />

Katholischer Fonds<br />

Die Projektträger von <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> sind:<br />

Arbeitsstelle Weltbilder e.V.


<strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

<strong>Handbuch</strong> <strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

Klimawandel, Biodiversität und Kulturelle Vielfalt<br />

am Beispiel der Ju/‘Hoansi in Namibia<br />

Ein Projekt von:<br />

Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e. V., Hannover<br />

Arbeitsstelle Weltbilder e. V., Münster<br />

Bildung trifft Entwicklung – Regionale Bildungsstelle Nord, Göttingen


2<br />

Inhalt<br />

Einführung<br />

1. Klimawandel, Biodiversität und Kulturelle Vielfalt<br />

1.1 Klimawandel<br />

1.2 Biodiversität<br />

1.3 Kulturelle Vielfalt<br />

2. Informationen zu den Ju/‘Hoansi und Namibia<br />

2.1 Lebensra<strong>um</strong> Namibia / Kalahari<br />

23<br />

24<br />

2.2 Die Ju/‘Hoansi<br />

27<br />

2.3 Traditionelle Lebens- und Wirtschaftsweise der Ju/‘Hoansi<br />

31<br />

2.3.1 Lebensart, Familie und Erziehung<br />

31<br />

2.3.2 Traditionelle Wirtschaftsformen: Jagen und Sammeln<br />

35<br />

2.3.3 Feste, Tänze, Musik und Rituale<br />

39<br />

2.3.4 Kunsthandwerk<br />

40<br />

2.4 Aktuelle Situation der Ju/‘Hoansi<br />

41<br />

2.4.1 Landkonfl ikte<br />

41<br />

2.4.2 Die WIMSA<br />

45<br />

2.4.3 Kritische Themen: Biopiraterie (Teufelskralle, Hoodia) versus traditionelle Heilpfl anzen 46<br />

2.4.4 Tradition vermitteln: Das Lebende Muse<strong>um</strong> in Grashoek<br />

51<br />

2.5 Aktuelle klimatische Situation in der Kalahari<br />

54<br />

4<br />

9<br />

10<br />

15<br />

18


3. Zeit zu handeln<br />

4. MethodenWerkstatt<br />

4.1 ZeitKapseln – z<strong>um</strong> Thema Biodiversität<br />

4.2 EigenArt – z<strong>um</strong> Thema Kulturelle Vielfalt<br />

4.3 Visuelle TageBücher<br />

4.4 Kreatives Schreiben z<strong>um</strong> Thema <strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

4.5 ZeitZeugen<br />

4.6 SchatzKiste<br />

4.7 Internationale Begegnungen<br />

5. Info.Box<br />

5.1 Arbeits- und Unterrichtsmaterialien zu Klimawandel, Biodiversität und<br />

Kulturelle Vielfalt<br />

5.1.1 Klimawandel<br />

5.1.2 Biodiversität<br />

5.1.3 Kulturelle Vielfalt<br />

5.2 Weiterführende Links<br />

5.3 Literaturverzeichnis für den Begleitkoffer der SchatzKiste_ Ju/‘Hoansi aus Namibia<br />

Allgemeine Projektinformationen / Impress<strong>um</strong><br />

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit sind nicht alle Formulierungen gender-gemäß.<br />

57<br />

63<br />

64<br />

67<br />

70<br />

75<br />

78<br />

80<br />

81<br />

85<br />

86<br />

86<br />

88<br />

90<br />

93<br />

97<br />

99<br />

3


4<br />

Einführung<br />

<strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

Klimawandel, Biodiversität und Kulturelle Vielfalt<br />

Herausforderungen für Um<strong>welt</strong>bildung und<br />

Globales Lernen<br />

Herausforderungen<br />

Um<strong>welt</strong>schutz und Um<strong>welt</strong>bildung sind keine moralischen Kategorien, sondern Grundvoraussetzung<br />

jeder menschlichen Tätigkeit. Artenvielfalt und natürlicher Reicht<strong>um</strong> sind, ebenso wie Gerechtigkeit<br />

und Teilhabe, Basis von Entwicklungsmöglichkeiten und damit von Wohlstand und<br />

Wohlfahrt. Dabei sind Um<strong>welt</strong> und Um<strong>welt</strong>schutz ebenso wie Wirtschaft, Politik, Transport und<br />

Kultur ohne eine internationale Dimension nicht mehr denkbar. Um<strong>welt</strong>probleme sind zunehmend<br />

miteinander und mit den anderen Dimensionen der menschlichen Entwicklung national und international<br />

verflochten. Das Projekt <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> behandelt diese Verflechtungen und die sich daraus ergebenden<br />

Herausforderungen am Beispiel des globalen Klimawandels und des rapiden Verlusts der<br />

Biodiversität und der Kulturellen Vielfalt. Die Auswirkungen dieser globalen Phänomene erscheinen<br />

vordergründig als Naturphänomene, doch sind sie in erster Linie das Ergebnis vorherrschender<br />

Kons<strong>um</strong>- und Wirtschaftsformen. Wie alle globalen Prozesse haben der Klimawandel, der Schwund<br />

der Artenvielfalt und der Kulturellen Vielfalt nationale und internationale Auswirkungen und Folgen.<br />

Weltweit, aber auch innerhalb eines Landes, verstärkt sich die Kluft zwischen Gewinnern und<br />

Verlierern. Globalisierung greift dementsprechend auch in unsere Biografien ein – meistens ka<strong>um</strong><br />

durchschaubar und durchaus ambivalent. Wir sind zugleich ZeugInnen und Teilnehmende einer<br />

Entwicklung in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft. Das ist so faszinierend wie verunsichernd<br />

und wird als Chance oder auch als Bedrohung erlebt. Auf jeden Fall müssen wir individuell<br />

neue und größere Orientierungsleistungen erbringen.<br />

Unser Projekt hat den Fokus darauf, was durch Globalisierung an Vielfalt zerstört oder unwiederbringlich<br />

vernichtet wird. Droht mit der Globalisierung auch eine Art Monokultur – und zwar im<br />

natürlichen und kulturellen Bereich? Verdrängt der Zwang zur internationalen Vergleichbarkeit die<br />

Vielfalt und Verschiedenheit? Verschwindet im Verlaufe dieser Entwicklung „das Andere“? Es gibt<br />

Untersuchungen, die besagen, dass <strong>welt</strong>weit die Sprachen ebenso schnell aussterben wie die Arten.<br />

Wir wissen inzwischen, dass das Überleben großer Ökosysteme bisweilen von einer einzelnen<br />

Pflanze oder einem einzelnen Tier abhängt und dass das System zusammenbricht, wenn diese eine<br />

Art verschwindet. Es ist zu befürchten, dass von den rund 6800 Sprachen, die heute auf der Welt<br />

gesprochen werden, nur etwa 500 übrig bleiben. Die Ursachen sind Kriege, Völkermord, staatliche<br />

Unterdrückung, aber auch der Raubbau an natürlichen Ressourcen und deren Zerstörung in Folge<br />

von Klimawandel und der Verlust von Biologischer Vielfalt. Was wird da an Vielfalt und Wissen verloren<br />

gehen? Wir wissen z<strong>um</strong> Beispiel, dass Sprache Träger der Gedanken ist und jede Art des Sprechens<br />

eine eigene Sicht auf den Menschen und die Natur ausdrückt. Verschwinden die Sprachen,<br />

verschwinden auch die damit verbundenen geistigen und kulturellen Ressourcen.


So gehen mit dem Klimawandel und dem damit verbundenen Verschwinden von Tier- und Pflanzenarten<br />

nicht nur die natürlichen Grundlagen unseres Lebens verloren, sondern auch das damit<br />

verbundene Wissen und die Kulturelle Vielfalt auf der Erde. Der Schutz von Biologischer Vielfalt<br />

und des globalen Klimas hat deswegen nicht nur den Erhalt der natürlichen Ressourcen z<strong>um</strong> Ziel<br />

– insbesondere in den Ländern des Südens steht über allem die damit verbundene Sicherung der<br />

Lebensgrundlagen von Menschen.<br />

Um für uns und für zukünftige Generationen eine größtmögliche Vielfalt zu erhalten, sind neue<br />

Formen des Denkens und Handelns in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gefragt. Der Beitrag von<br />

Schule und außerschulischer Bildung besteht darin, mit einer <strong>um</strong>fassenden Bandbreite an Vermittlungsformen<br />

und Methoden über die Thematik zu informieren und SchülerInnen und Lernende<br />

mit Handlungskompetenzen auszustatten, damit sie sich verantwortungsvoll für eine lebenswerte<br />

Zukunft engagieren.<br />

Globales Lernen<br />

Im Projekt <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> geht es uns auch <strong>um</strong> Verbindungen zwischen Um<strong>welt</strong>bildung und Globalem Lernen<br />

– und das aus gutem Grund: Das Wissen in der Welt und über die Welt verdoppelt sich circa<br />

alle fünf bis sechs Jahre (W. Sachs, Wuppertal Institut) – mit diesem Tempo kann keine Schule und<br />

kein noch so ausgefeiltes Lernsystem Schritt halten. Zudem scheint uns diese Tatsache vor eine ganz<br />

andere Herausforderung zu stellen, nämlich die, die Art des Wissens und der Wissensbeschaffung<br />

insgesamt kritisch zu hinterfragen. Würden wir auch nur versuchen, Jugendlichen diese Informationsflut<br />

einzutrichtern, so würden sie zu ohnmächtigen und verunsicherten Opfern von Angelerntem,<br />

denen jede Einsicht und eigene Erkenntnis fehlt.<br />

Eine Lösung bietet das Konzept des Globalen Lernens an: „Globales Lernen kennzeichnet ein Lernkonzept,<br />

nach dem Schülerinnen und Schüler über globale Fragen lernen und dabei Wissen und<br />

Kompetenzen auf eine ganzheitliche Weise erwerben“ (Internationale Enzyklopädie für Erziehungswissenschaften).<br />

Auf der Gegenstandsebene bedeutet dies, dass Themen und Inhalte im <strong>welt</strong>weiten<br />

Horizont und auf der Lernebene verortet sein müssen, dass sich diese erst in ganzheitlichen, interdisziplinären<br />

und multiperspektivischen Formen erschließen.<br />

Die Intention von Globalem Lernen ist, dass aus SchülerInnen entdeckende und erforschende LernerInnen<br />

werden, die ihre eigenen Fähigkeiten kennen und für die Gestaltung der Zukunft nutzen<br />

wollen. Insofern brauchen wir eine Lernkultur, in der Gestaltungs- und Schlüsselkompetenzen geübt<br />

werden können:<br />

„Die wesentlichen Elemente der neuen Lernkultur sind:<br />

· die Entwicklung und Förderung von Kernkompetenzen<br />

· individualisierende und kooperative Lernformen<br />

· die Stärkung von Eigenverantwortung<br />

· die Auseinandersetzung mit relevanten Themen des globalen Wandels<br />

· Methodenvielfalt<br />

· und die Förderung eines ganzheitlichen, fächerübergreifenden Ansatzes.<br />

In einer Welt, die durch Kulturelle Vielfalt, gesellschaftliche Pluralität und komplexe Globalisierungsprozesse<br />

geprägt ist, wird Perspektivenwechsel zur Schlüsselkompetenz. Perspektivenwech-<br />

5


6<br />

sel erfordert auch Kommunikationsbereitschaft über Grenzen hinweg, die Fähigkeit, Irritation zu<br />

ertragen, sich von bestimmen Vorstellungen lösen zu können und die Bereitschaft, zukunftsoffen<br />

eigene Grundsätze und Weltbilder zu entwickeln.“ 1<br />

Wir alle haben die Möglichkeit, die oben skizzierten Risiken zu mindern und abzuwenden. Als Voraussetzung<br />

für den Erhalt einer größtmöglichen Biologischen Vielfalt und den Kampf gegen Klimawandel<br />

sind neben den notwendigen politischen Entscheidungen neue Formen des Denkens<br />

und Handelns in der Gesellschaft gefragt:<br />

„Wir müssen die Änderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.“<br />

Mahatma Gandhi<br />

<strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

Das Projekt <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> möchte in diesem Sinne einen Beitrag leisten. Mit innovativen Methoden und<br />

Materialien der Um<strong>welt</strong>bildung und des Globalen Lernens möchten wir dazu beitragen, die Verbindungen<br />

zwischen Klimawandel, Erhalt der Biodiversität und der Kulturellen Vielfalt zu verstehen.<br />

In partizipativen Prozessen mit SchülerInnen und LehrerInnen aus Niedersachsen und Nordrhein-<br />

Westfalen werden dabei Lösungen und Handlungsmöglichkeiten gesucht – auch im internationalen<br />

und interkulturellen Dialog.<br />

Gemeinsam mit indigenen Gruppen aus drei Kontinenten untersuchen wir traditionelles Wissen<br />

auf Lösungen für aktuelle Klimaprobleme und wollen die Kenntnisse mit den Herausforderungen<br />

moderner Lebensweisen vernetzen. In jedem Projektjahr werden VertreterInnen jeweils einer indigenen<br />

Gruppe zu einem mehrwöchigen Projektaufenthalt nach Deutschland eingeladen. Im Dialog<br />

mit den Indigenen erhoffen wir uns neben einem fundierten fachlichen Austausch zur Relevanz des<br />

Klimawandels, des Erhalts der Biodiversität und der Kulturellen Vielfalt auch einen Perspektivenwechsel<br />

auf unsere Um<strong>welt</strong>- und Gesellschaftssituation.<br />

Wir wollen die am Projekt beteiligten Ethnien mit je einer Schule zu einer langfristigen Partnerschaft<br />

zusammen bringen, so dass gemeinsam mit anderen (außerschulischen) Akteuren ein<br />

Netz-Werk entsteht, deren Beteiligte über Handlungsmöglichkeiten und vielfältige Kompetenzen<br />

verfügen. Im Verlauf des Projekts entstehen drei unterschiedliche SchatzKisten, in denen jeweils<br />

verschiedene Aspekte der übergeordneten Themen Klimawandel, Biodiversität und Kulturelle Vielfalt,<br />

kombiniert mit dem Wissen und der Lebensweise der indigenen Ethnie, vorgestellt werden. Die<br />

am Projekt beteiligten Ethnien sind:<br />

Chanty und Mansi aus Russland / Sibirien<br />

Ju/‘Hoansi aus Namibia<br />

Adivasi aus Indien.<br />

1 VENRO: Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (2009): Halbzeit: Kurskorrekturen auf<br />

den Lernwegen zu nachhaltiger Entwicklung. In: VENRO Diskussionspapier 1/2009, S. 20f.


Vorbereitet werden die SchatzKisten von den indigenen Gruppen im Vorfeld ihrer Projektreise nach<br />

Deutschland. Sie bringen aus ihrem Umfeld Gegenstände, Texte, Bilder, Artefakte etc. mit, die für<br />

sie bzw. das Thema sprechen. Bei ihrem Aufenthalt werden dann die Inhalte der SchatzKisten gemeinsam<br />

mit der Projektleitung, den Beteiligten aus den Partnerschulen und weiteren MultiplikatorInnen<br />

vervollständigt.<br />

Das zweite Ergebnis dieser Arbeit haben Sie jetzt vor sich. Das <strong>Handbuch</strong> begleitet die zweite der<br />

drei SchatzKisten, in der die aktuelle und traditionelle Lebenssituation der Ju/‘Hoansi aus Namibia<br />

angesichts der Folgen des Klimawandels vorgestellt wird.<br />

„Es scheint wohl auf der ganzen Welt so zu sein, dass altes Wissen verschwindet. Ich habe das<br />

auch hier, auf meiner Reise in Deutschland, oft gehört. Und dabei brauchen wir dieses Wissen so<br />

dringend – z. B. wegen der Wetterveränderungen. Wir haben, genau wie ihr, beim Regen Veränderungen<br />

festgestellt. Manchmal kommt der Regen sehr spät und manchmal nur ganz kurz. Diese<br />

Veränderungen machen uns das Leben deutlich schwerer.“<br />

!Gao Naici, Lehrer und Jäger, Lebendes Muse<strong>um</strong> der Ju/‘Hoansi<br />

Sie finden in diesem <strong>Handbuch</strong> und in der SchatzKiste vielfältige Dok<strong>um</strong>ente, Bücher und Unterrichtsmaterialien,<br />

<strong>um</strong> Unterricht oder Mini-Projekte – interdisziplinär und fächerübergreifend –<br />

gestalten zu können; Original-Gegenstände und aktuelle multimediale Materialien, die die traditionelle<br />

und gegenwärtige Lebenssituation der Ju/‘Hoansi erklären; Good Practice, Informationen<br />

über Kampagnen und Aktionen sowie andere Handlungsvorschläge – verbunden mit der Bitte, dass<br />

Sie sich an der Aktion ZeitKapseln beteiligen (mehr dazu in Kapitel 4).<br />

Wir haben dieses <strong>Handbuch</strong> zusammengestellt, damit Sie sich zusammenfassend, schnell und kompakt<br />

informieren können – über die Zusammenhänge von Klimawandel, Biodiversität und Kultureller<br />

Vielfalt am Beispiel der Ju/‘Hoansi in Namibia.<br />

Es ist unser Interesse, dass der Erhalt von Biodiversität und Kultureller Vielfalt als neue Perspektive<br />

begriffen wird, deren Inhalte in verschiedene Fächer bzw. Seminare integriert werden können.<br />

Es ist zu befürchten, dass Globalisierung zu einer deutlichen Vereinfachung und Vereinheitlichung<br />

führt – dem setzen wir ein Plädoyer für Vielfalt entgegen.<br />

Elisabeth Marie Mars, Gabriele Janecki, Markus Hirschmann<br />

7


1. Klimawandel, Biodiversität<br />

und Kulturelle Vielfalt<br />

9


10<br />

1.1 Klimawandel<br />

Die Veränderung unseres globalen Klimas ist zu einer deutlich spürbaren Realität geworden und<br />

betrifft das Leben der Menschen überall auf der Erde.<br />

„Der exzessive Verbrauch von Kohle, Öl und Gas lässt die Durchschnittstemperatur steigen – so<br />

schnell und so stark, wie es wohl seit vielen Jahrmillionen nicht geschehen ist. Gletscher verschwinden,<br />

der Nordpol wird eisfrei, der Eispanzer auf Grönland schmilzt. Allein dadurch wird<br />

der Meeresspiegel <strong>um</strong> sieben Meter steigen, langfristig. Bereits kurzfristig geraten Küstenstädte<br />

wie Hamburg, New York, London und Shanghai in Not. Feuchtere Regionen werden vermutlich<br />

feuchter werden, trockene noch trockener. Es drohen Dürren und Überflutungen, Hungersnöte und<br />

Völkerwanderungen.“ 1<br />

Begriffsbestimmung – Klima<br />

Der Begriff Klima geht zurück auf das griechische Wort klimatos (= Neigung) – gemeint ist die<br />

Neigung der Erdachse gegen die Ebene ihrer Umlaufbahn <strong>um</strong> die Sonne.<br />

Das Klima ist definiert als die Zusammenfassung der Wettererscheinungen, die den mittleren Zustand<br />

der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem mehr oder weniger großen Gebiet<br />

charakterisieren. Üblicherweise werden hierzu die Messwerte eines genügend langen Zeitra<strong>um</strong>s,<br />

normalerweise 30 Jahre, zugrunde gelegt. Hierin unterscheidet sich das Klima grundsätzlich vom<br />

Wetter, das nur kurzfristige und lokale Erscheinungen wie ein Gewitter oder einen kalten Wintertag<br />

beschreibt. 2<br />

Das Klima ändert sich<br />

Seit der Entstehung der Erde hat sich das globale Klima über lange Perioden stetig verändert. Es<br />

gab sowohl Eiszeiten, die große Weltteile gefrieren ließen, als auch lange Wärmeperioden. Viele<br />

natürliche Faktoren, wie Vulkanausbrüche, Veränderungen der Erd<strong>um</strong>laufbahn, Verschiebungen<br />

der kontinentalen Platten oder Aktivitätszyklen der Sonne, beeinflussten so das globale Klima und<br />

ließen es langfristigen oder plötzlichen Schwankungen unterliegen. 3<br />

Die globale Durchschnittstemperatur ist im Laufe des 20. Jahrhunderts <strong>um</strong> circa 0,74 °C angestiegen,<br />

allerdings weder zeitlich noch regional gleichmäßig. Besonders in den Zeiträ<strong>um</strong>en 1910 bis<br />

1945 und seit 1976 bis heute ist es zu einer deutlichen Erwärmung gekommen. Zwischen 1995 und<br />

2006 fielen elf von zwölf Jahren unter die zwölf wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessungen<br />

im Jahr 1850. Der Anstieg fand vor allem über den Landflächen statt und hier besonders<br />

über der nördlichen Erdhalbkugel, weniger über den sich verzögert erwärmenden Ozeanen. Der<br />

durchschnittliche globale Meeresspiegel ist im 20. Jahrhundert <strong>um</strong> 12 bis 22 Zentimeter angestiegen.<br />

Zudem ist der Weltklimarat IPCC4 zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der hydrologische<br />

1 Vorholz, Fritz (2009): Wir sind noch zu retten. DIE ZEIT, Nr. 50, S. 23.<br />

2 Deutscher Wetterdienst, www.dwd.de.<br />

3 Janecki, Gabriele / Schnieders, Anne (2011): Chapter climate change. In: ExCHANGE – Change your mind. Global Learning<br />

for a Sustainable Development. <strong>VNB</strong> e.V., miranto e.V., Letsema Center (Hrsg.).<br />

4 Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC; Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen), im<br />

Deutschen oft als Weltklimarat bezeichnet, wurde im November 1988 vom Um<strong>welt</strong>programm der Vereinten Nationen<br />

(UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ins Leben gerufen. Hauptaufgabe des der Klimarahmenkonvention<br />

(UNFCCC) beigeordneten Ausschusses ist es, Risiken der globalen Erwärmung zu beurteilen sowie Vermeidungs-


Kreislauf (Wasserkreislauf) verändert hat. Während es auf der Nordhalbkugel eine Zunahme der<br />

kontinentalen Niederschläge <strong>um</strong> 5 bis 10 % während des 20. Jahrhunderts gegeben hat, ist in manchen<br />

Regionen (z. B. Nord- und Westafrika) ein Rückgang zu beobachten. In den mittleren und höheren<br />

nördlichen Breiten konnte eine Zunahme extremer Niederschlagsereignisse verzeichnet werden.<br />

Ferner zeigt sich ein weiträ<strong>um</strong>iger Rückzug von Berggletschern, die aufgrund ihrer Sensibilität<br />

gegenüber Temperaturveränderungen auch als „Fieberthermometer der Erde“ bezeichnet werden. 5<br />

Der Einfluss des Menschen auf das globale Klima<br />

Seit dem späten 18. Jahrhundert begann auch der Mensch das Klima durch seine wirtschaftlichen<br />

und industriellen Tätigkeiten stark zu beeinflussen.<br />

Mit der Industrialisierung begann der Mensch verstärkt fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdgas oder<br />

Erdöl für seine wirtschaftlichen Aktivitäten zu nutzen. Für die Massenproduktionen in Fabriken<br />

wurden fossile Brennstoffe benötigt. Der Einsatz dieser Energiequellen in großem Maße erlaubte<br />

die wirtschaftliche Entwicklung der westlichen Industrienationen und bescherte ihnen Wohlstand.<br />

Doch ist die Verbrennung von Kohle, Erdgas oder Erdöl keinesfalls unproblematisch. Bei diesem<br />

Prozess wird eine große Anzahl an Treibhausgasen freigesetzt, die in die Erdatmosphäre gelangen.<br />

Auch bei anderen Eingriffen des Menschen in die Um<strong>welt</strong> werden unterschiedliche Treibhausgase<br />

emittiert, beispielsweise durch das Abholzen von Wäldern, der Massenviehhaltung oder der Gewinnung<br />

von landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Brandrodung.<br />

Die in die Erdatmosphäre gelangten Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) oder Wasserdampf verursachen den Treibhauseffekt. Der Treibhauseffekt ist ein natürlicher geophysischer<br />

Prozess. Die Treibhausgase wirken als eine Art Filter für die Sonneneinstrahlung und<br />

verursachen so Wärme – wie in einem Treibhaus für Pflanzen. Dieser Prozess ist an sich unproblematisch<br />

und sogar notwendig für das Klima der Erde. Ohne ihn wäre es auf der Welt etwa 33 °C<br />

kälter. Jedoch hat mit der Industrialisierung und dem menschlichen Einfluss die Konzentration der<br />

Treibhausgase in der Erdatmosphäre sehr stark zugenommen. Zu dem natürlichen Treibhauseffekt<br />

kommt so der anthropogene, der vom Menschen verursachte. Er sorgt dafür, dass es auf der Erde<br />

langsam immer wärmer wird.<br />

Das wichtigste Treibhausgas, <strong>um</strong> das auch die Diskussionen <strong>um</strong> den Schutz des Erdklimas meist<br />

kreisen, ist CO2. Zwar reflektiert CO2 die Sonnenstrahlen gar nicht so stark wie andere Gase, doch<br />

sein Gehalt in der Atmosphäre ist sehr hoch. Außerdem verweilt es dort sehr lange – ungefähr hundert<br />

Jahre. So beeinflusst CO2, welches in der Vergangenheit ausgestoßen wurde, noch heute das<br />

Klimasystem der Erde. Dabei ist es irrelevant, wo das Gas ausgestoßen wurde. Es breitet sich grenzüberschreitend<br />

aus und kann an weit entfernten Teilen der Welt zu Schäden führen. 6<br />

Das Treibhausgas CO2 trägt zu etwa 55 % z<strong>um</strong> anthropogenen Treibhauseffekt bei und ist damit<br />

der Hauptfaktor in den vom Menschen verursachten Emissionen. Der Beitrag von Methan liegt bei<br />

etwa 15 %. Neben diesen Gasen gehören Distickstoffmonoxid (N2O, Lachgas) sowie industriell erzeugte<br />

Gase wie Fluorkohlenwasserstoffe zu den wichtigsten anthropogenen Treibhausgasen. Ozon<br />

(O3) wird nicht direkt ausgestoßen, sondern entfaltet seine Wirksamkeit als Folgeprodukt u. a. bei<br />

und Anpassungsstrategien zusammenzutragen. Der Sitz des IPCC-Sekretariats befindet sich in Genf.<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/IPCC.<br />

5 germanwatch (2008): Globaler Klimawandel: Ursachen, Folgen, Handlungsmöglichkeiten, S. 4–8.<br />

6 Janecki, Gabriele / Schnieders, Anne (2011): Chapter climate change. In: ExCHANGE – Change your mind. Global Learning<br />

for a Sustainable Development. <strong>VNB</strong> e.V., miranto e.V., Letsema Center (Hrsg.).<br />

11


12<br />

der Verbrennung fossiler Energieträger. Wasserdampf ist das natürlich am stärksten konzentrierte<br />

Treibhausgas in der Atmosphäre. Der Mensch beeinflusst seine Konzentration direkt durch den<br />

Flugverkehr und indirekt durch die erwärmungsbedingte Veränderung des Wasserkreislaufs. Aus<br />

der Analyse von Bohrungen im antarktischen Eis geht hervor, dass die atmosphärische CO2-Konzentration<br />

in den letzten 420.000 Jahren nie 290 ppm (parts per million) 7 überschritten hat. Seit<br />

Beginn der Industrialisierung <strong>um</strong> 1750 – und damit der massiven Ausweitung der oben skizzierten<br />

menschlichen Einflüsse – stieg die Konzentration von CO2 jedoch <strong>um</strong> circa 30 % und betrug im<br />

Jahre 2005 im Jahresmittel bereits 379 ppm, mit einer jährlichen Zuwachsrate von etwa 1,9 ppm<br />

zwischen 1995 und 2005. Die Methankonzentration steigerte sich sogar <strong>um</strong> circa 140 %. Allerdings<br />

gibt es auch menschliche Handlungen mit einem kühlenden Effekt, beispielsweise die industriellen<br />

Emissionen von Schwefeldioxid (SO2). Insgesamt aber überwiegt der Ausstoß erwärmend wirkender<br />

Treibhausgase deutlich. 8<br />

Schematische Darstellung des Treibhauseffekts 9<br />

Im Ganzen beträgt der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Kopf in Deutschland rund 11.000 Kilogramm<br />

jährlich. Rund 15 % davon verursachen private Haushalte direkt. 46 % entfallen auf die<br />

Energiewirtschaft, 18 % auf den Verkehr, etwa 20 % auf Industrie und verarbeitendes Gewerbe. 10<br />

Folgen des Klimawandels<br />

Globale Auswirkungen des Klimawandels:<br />

Die Menschheit übernutzt die Biosphäre, und das Jahr für Jahr. Weil vor allem die globale Landfläche<br />

sowie die Atmosphäre in ihrer Tragfähigkeit überstrapaziert werden, treten vielfältige ökologische<br />

Krisen auf. 11<br />

7 Der englische Ausdruck parts per million (ppm, zu Deutsch „Teile von einer Million“) steht für die Zahl 10-6 und wird in der<br />

Wissenschaft für den millionsten Teil verwendet, so wie Prozent (%) für den hundertsten Teil steht.<br />

8 germanwatch (2008): Globaler Klimawandel: Ursachen, Folgen, Handlungsmöglichkeiten, S. 4–8.<br />

9 Bundesministeri<strong>um</strong> für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2008): Klimaforschung, Arbeitsblatt 2, S. 2.<br />

10 DIE ZEIT (2009) Nr. 50: Klima hausgemacht, S. 42.<br />

11 Bund für Um<strong>welt</strong> und Naturschutz Deutschland / Brot für die Welt / Evangelischer Entwicklungsdienst (2009):


Zu diesen Krisen gehören neben dem Anstieg des Meeresspiegels und der Oberflächentempera-<br />

turen, Dürren und Überschwemmungen. So haben die klimatischen Veränderungen vor allem Aus-<br />

wirkungen auf folgende Bereiche:<br />

Artensterben und andere ökologische Schäden:<br />

Infolge eines globalen Temperaturanstiegs von über 3 °C könnte die unglaubliche Zahl von 20–30<br />

Prozent der Tier- und Pflanzenarten der Erde vom Aussterben bedroht werden.<br />

Einbußen in der Landwirtschaft:<br />

Dürren und Schwankungen bei der Verteilung der Niederschläge würden zu einem Rückgang der<br />

landwirtschaftlichen Produktion und damit einhergehend zu einer drastischen Nahrungsmittelknappheit<br />

führen.<br />

Erschöpfung der Wasservorräte:<br />

Durch abschmelzende Gletscher würde es zunächst zu Überschwemmungen kommen. Danach würden<br />

die Flüsse versiegen, was zu massiver Wasserknappheit führen würde. Auch die Industrieländer<br />

würden nicht verschont bleiben. Wenn z. B. der „ewige“ Schnee auf den Gipfeln der kalifornischen<br />

Sierra Nevada abschmilzt, kann es in Städten wie Los Angeles leicht zu Wasserknappheit kommen.<br />

Gefahren für die menschliche Gesundheit:<br />

Die menschliche Gesundheit wäre sowohl direkt als auch indirekt betroffen. Beispielsweise können<br />

sich unter den veränderten Klimabedingungen bestimmte Krankheiten, wie das Dengue-Fieber<br />

oder Malaria weiter ausbreiten. 12<br />

Verwundbarkeit gegenüber dem Klimawandel<br />

Die Menschen dieser Welt sind gleichzeitig unterschiedlich verwundbar gegenüber dem Klimawandel,<br />

das heißt, dass sie unterschiedlich stark von seinen Folgen betroffen sind und unterschiedlich<br />

stark unter diesen Folgen leiden müssen. Am stärksten vom Klimawandel betroffen sind die ärmsten<br />

Menschen dieser Welt. Das bedeutet, dass die Menschen, die den Klimawandel am wenigsten<br />

verursacht haben, am stärksten unter seinen Folgen zu leiden haben, während die Menschen, die<br />

den Klimawandel am stärksten verursachen, ihn am wenigsten zu spüren bekommen. Für viele<br />

arme Menschen der Welt ist der Klimawandel kein abstraktes Phänomen der Zukunft, sondern<br />

bereits Realität. Gleichzeitig fehlen diesen betroffenen „armen“ Menschen die nötigen Mittel, <strong>um</strong><br />

Anpassungsmaßnahmen gegenüber dem Klimawandel vorzunehmen. Der Klimawandel verstärkt<br />

bereits bestehende globale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Er verschlimmert Armut, da er<br />

die Ärmsten am stärksten trifft. Wird nichts unternommen, <strong>um</strong> den Klimawandel einzudämmen,<br />

werden jegliche internationale Bemühungen, Armut zu bekämpfen, zunichte gemacht. Anpassungsund<br />

Minderungsmaßnahmen gegenüber dem Klimawandel stehen so in einem engen Verhältnis zur<br />

Erreichung der Millenni<strong>um</strong>-Entwicklungsziele. Eine Bekämpfung des Klimawandels dient so auch<br />

der Bekämpfung von Armut. 13<br />

Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt, S. 116.<br />

12 Vgl. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (2009): Zwei Grad – entscheiden über Hoffnung oder<br />

Verzweiflung, S. 7–9.<br />

13 Janecki, Gabriele / Schnieders, Anne (2011): Chapter climate change. In: ExCHANGE – Change your mind. Global Learning<br />

for a Sustainable Development. <strong>VNB</strong> e.V., miranto e.V., Letsema Center (Hrsg.).<br />

13


14<br />

Ökologischer Fußabdruck<br />

Der ökologische Fußabdruck, Anfang der 1990er Jahre von Mathias Wackernagel und William Rees<br />

entworfen, misst auf wissenschaftliche und zugleich verständliche Art und Weise die Auswirkungen<br />

unseres Wirtschaftens auf die Um<strong>welt</strong>. Der Fußabdruck zeigt deutlich, dass wir, die Kons<strong>um</strong>entInnen<br />

(vor allem in Europa, Japan und Nordamerika), wesentlich mehr Ressourcen verbrauchen, als<br />

die Erde uns zur Verfügung stellt.<br />

Die Länder der nördlichen Hemisphäre verbrauchen pro Kopf bis zu dreimal mehr Ressourcen als<br />

ihnen zustehen. Mit 9,5 gha14 pro Kopf übertrifft der ökologische Fußabdruck von Nordamerika alle<br />

anderen Regionen massiv und ist z<strong>um</strong> Beispiel neunmal größer als jener von Afrika. Auch der Fußabdruck<br />

Westeuropas ist mit 4,8 gha deutlich größer als der globale Durchschnitt, der bei 1,8 gha<br />

liegt. Die Länder des Südens hingegen – insbesondere jene auf dem afrikanischen Kontinent und<br />

in Südostasien – beanspruchen pro Kopf z<strong>um</strong> Teil deutlich weniger Biokapazität als im <strong>welt</strong>weiten<br />

Durchschnitt verfügbar ist.<br />

Über unsere Verhältnisse:<br />

Obergrenze – Um unter der kritischen Grenze von 2 °C 15 Erwärmung zu bleiben, dürfte die<br />

Menschheit jährlich höchstens etwa 14,5 Milliarden Tonnen (Gt) 16 CO 2 ausstoßen.<br />

Globaler Durchschnitt – Für ihren globalen Ausstoß von derzeit etwa 30 Gt pro Jahr brauchten<br />

die knapp 6,9 Milliarden Menschen also eigentlich schon zwei Erden.<br />

Deutschland – Würden alle Menschen <strong>welt</strong>weit so viel CO2 freisetzen wie der durchschnittliche<br />

Deutsche, wären vier Planeten nötig …<br />

USA – … oder gar neun Erden, wenn sich <strong>welt</strong>weit jeder an das Emissionsniveau eines typischen<br />

US-Amerikaners angleichen würde. 17<br />

Wie uns der ökologische Fußabdruck vorrechnet 18 , hat die Menschheit bereits am 9. Oktober eines<br />

jeden Jahres jene Ressourcen aufgebraucht, die bis Ende Dezember reichen sollten. Ab diesem Zeitpunkt<br />

werden die Ressourcen des nächsten Jahres verprasst. So geraten wir immer tiefer in die Ver-<br />

14 Das „globale Hektar“ ist eine einheitliche Währung, die die unterschiedliche Fruchtbarkeit von Böden ausgleicht.<br />

Denn eine Fläche in einem Ackerbau kann naturgemäß mehr erzeugen, als die gleiche Fläche in einer Wüste.<br />

15 Noch immer wird viel darüber diskutiert, ab welchem Punkt der Klimawandel wirklich gefährlich wird. Dabei steht schon im<br />

Bericht über die menschliche Entwicklung 2007/2008, dass es zu einem gefährlichen Klimawandel kommen wird, wenn die<br />

Temperatur <strong>welt</strong>weit <strong>um</strong> mehr als 2 °C über das vorindustrielle Niveau ansteigt. Das definierte Ziel: Begrenzung der globalen<br />

Erderwärmung auf 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau wurde im Dezember 2010 auf dem Klimagipfel in Cancun<br />

offiziell von der Weltgemeinschaft beschlossen.<br />

16 Die Gigatonne ist eine Masseneinheit. Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen oder einer Billion kg.<br />

17 DIE ZEIT (2009) Nr. 50: Klima hausgemacht, S. 42.<br />

18 Berechnungen der New Economics Foundation London basierend auf dem ökologischen Fußabdruck.<br />

http://www.neweconomics.org/gen/ecologicaldebt091006.aspx.


schuldung. KreditgeberInnen sind die nachfolgenden Generationen und jene Menschen, die bereits<br />

heute die negativen Folgen des Klimawandels tragen müssen. 19<br />

Weitere Informationen unter: www.mein-fussabdruck.at<br />

1. 2 Biodiversität<br />

Der Begriff Biodiversität oder auch Biologische Vielfalt bedeutet nicht nur die Heckenrose entlang<br />

von Feldwegen, den Baobab Ba<strong>um</strong> in der Kalahari, den Regenwurm in der Erde, den Elch in Alaska,<br />

den Bachflohkrebs in naturbelassenen Bächen, das Edelweiß in den Alpen, die Wale in den Weiten<br />

der Ozeane, den Kondor in den Anden oder wir Menschen in all den Ländern der Erde. Biodiversität<br />

bedeutet auch die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter Land-,<br />

Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören.<br />

Dies <strong>um</strong>fasst die Vielfalt innerhalb und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme (gemäß<br />

dem Übereinkommen zur Biologischen Vielfalt (Biodiversitäts-Konvention/CBD)).<br />

Bestandteil der Biodiversität soll also neben der Artenvielfalt, die genetische Vielfalt und die Vielfalt<br />

von Ökosystemen sein. Sie bezieht sich entsprechend auf alle Aspekte der Vielfalt in der lebendigen<br />

Welt. Die von der Biodiversität bereitgestellten Leistungen sind eine Grundlage für das menschliche<br />

Wohlergehen, weshalb ihre Erhaltung von besonderem Interesse ist. 20<br />

Arten<br />

Unter einer Art versteht man die Gruppe derjenigen Organismen, die sich untereinander<br />

fortpflanzen können.<br />

Die Biodiversitäts-Konvention<br />

Die Biodiversitäts-Konvention ist das offizielle Übereinkommen über die Biologische Vielfalt,<br />

engl. Convention on Biological Diversity (CBD). Die CBD wurde im Juni 1992 auf der Konferenz<br />

der Vereinten Nationen zu den Themen Um<strong>welt</strong> und Entwicklung in Rio de Janeiro verabschiedet<br />

und ist am 29. Dezember 1993 in Kraft getreten. Die CBD hat inzwischen 191 Vertragspartner<br />

und wurde von 168 Staaten sowie der EU unterzeichnet. Die drei wichtigsten Ziele sind der<br />

Schutz der Biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen und ein<br />

fairer, gerechter Vorteilsausgleich (Fair and Equitable Benefit-Sharing). Der Zugang zu diesen<br />

Ressourcen ist an folgende Bedingungen geknüpft:<br />

1. Prior Informed Consent (PIC, Art. 15 Abs. 5), also eine vorherige informierte Zustimmung der<br />

jeweiligen Länder.<br />

2. Mutually Agreed Terms (MAT, Art. 15 Abs. 4), eine einvernehmliche Aushandlung zwischen<br />

den Verhandlungspartnern in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang und die Nutzung der<br />

Ressourcen.<br />

3. Benefit-Sharing (Art. 15 Abs. 7).<br />

19 All we need (2007): Die Welt der Bedürfnisse – Eine pädagogische Mappe, S. 5.<br />

20 Wortlaut der CBD (deutsche Fassung). Zitat aus Art. 2.<br />

15


16<br />

Die Biologische Vielfalt besteht also aus der Vielfalt der Arten, von denen ungefähr zwei Millionen<br />

bislang beschrieben wurden. Das ist aber nur ein Bruchteil der gesamten Artenzahl der Erde, die<br />

von der Wissenschaft derzeit auf ca. 100 Millionen Arten geschätzt wird. Den größten Teil machen<br />

dabei kleine Lebewesen wie z. B. Insekten aus. Zwei Drittel aller zurzeit bekannten Arten stammen<br />

aus dieser Gruppe. Es gibt allein unter Käfern etwa doppelt so viel Arten wie bei den Pflanzen. So<br />

hat der Biologe Terry Erwin im Tropischen Regenwald im Kronendach eines einzigen Ba<strong>um</strong>es 1.200<br />

Käferarten gesammelt. Dies lässt ahnen wie wenig wir heute über den tatsächlichen Artenreicht<strong>um</strong><br />

vieler Lebensrä<strong>um</strong>e wissen. Weiter sind die Gene, die gespeicherten Daten des Lebens, ein anderer<br />

Teil der Biologischen Vielfalt. Dazu gehört beispielsweise der unterschiedliche Geschmack verschiedener<br />

Apfel- oder Tomatensorten oder das Aussehen der zahlreichen Hunderassen, aber auch die<br />

unterschiedliche Augen-, Haut- und Haarfarbe der Menschen. Die Informationen für die verschiedenen<br />

Erscheinungsformen einer Art liegen in den Genen und die ganze Bandbreite der genetischen<br />

Informationen ist somit Teil der Biologischen Vielfalt. Schließlich bezeichnet die Biologische Vielfalt<br />

die verschiedenen Landschaften und Lebensrä<strong>um</strong>e: Wüste und Wälder, Flüsse, Seen und Ozeane,<br />

Agrar- und Stadtlandschaften. Erst die Vielfalt der Lebensrä<strong>um</strong>e schafft die Voraussetzung dafür,<br />

dass Tiere und Pflanzen sowie der Mensch ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend leben kön-<br />

nen. 21<br />

All die verschiedenen Lebensformen und Lebensrä<strong>um</strong>e sind miteinander und mit ihrer Um<strong>welt</strong> verflochten.<br />

Sie tauschen sich untereinander aus und bilden immer neue Kombinationen – wie ein riesiges<br />

Netz, in dem immer neue Knoten geknüpft werden. Dieses Netzwerk der Biologischen Vielfalt<br />

macht die Erde zu einem einzigartigen, bewohnbaren Ra<strong>um</strong> für die Menschheit und ist die Grundlage<br />

für das menschliche Wohlergehen, weshalb ihre Erhaltung von besonderer Bedeutung ist.<br />

Die Biologische Vielfalt ist keineswegs gleichmäßig verteilt. So nimmt die Biodiversität von den polaren<br />

Breiten hin z<strong>um</strong> Äquator stark zu: je wärmer, desto artenreicher die Lebensrä<strong>um</strong>e. So leben in<br />

Costa Rica mehr Vogelarten als auf den Kontinentalflächen von Nordamerika. In Venezuela wachsen<br />

ca. 2.400 Ba<strong>um</strong>arten, in Nordwesteuropa 40. Circa 70 % aller Arten finden sich in den 17 sogenannten<br />

Megadiversitätsländern (Hotspots).<br />

Hotspots<br />

Hotspots heißen Orte mit besonders vielen endemischen Arten. Das sind Arten, die nur an einem<br />

bestimmten Ort und nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen. Hotspots sind gleichzeitig<br />

sehr stark bedroht. Maximal 30 % ihrer ursprünglichen Vegetation sind noch erhalten. Weltweit<br />

wurden bisher 25 solcher Gebiete gefunden. Die meisten liegen in tropischen Gefilden. Sie beherbergen<br />

44 % aller Pflanzenarten und ein Drittel aller terrestrischen Wirbeltierarten <strong>welt</strong>weit<br />

auf nur 1,4 % der Erdoberfläche. Ungeachtet dieser enormen Artenfülle auf vergleichsweise kleinem<br />

Ra<strong>um</strong> ist nur ungefähr ein Drittel dieser „Hotspots“ unter Schutz gestellt. 22<br />

21 Bundesministeri<strong>um</strong> für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2007): Biologische Vielfalt – das Netz des Lebens,<br />

Mai 2007.<br />

22 Ebd.


Anhaltender Verlust der Biologischen Vielfalt<br />

Zurzeit schwindet die Biologische Vielfalt <strong>welt</strong>weit in einer Geschwindigkeit, wie sie in der Geschichte<br />

vorher nicht beobachtet wurde. Die aktuelle Rate des globalen Artensterbens übersteigt<br />

die angenommene natürliche Aussterberate <strong>um</strong> das 100- bis 1.000-fache. Nach Daten der Weltnaturschutzorganisation<br />

IUCN (International Union for Conservation of Nature) sind derzeit <strong>welt</strong>weit<br />

mehr als 16.000 Arten vom Aussterben bedroht, darunter etwa ein Viertel aller Säugetiere, ein Drittel<br />

aller Amphibienarten und 12 % der Vogelarten.<br />

Bei den Ökosystemen zeigt sich ein ähnliches Bild: z. B. wird jährlich eine Waldfläche von 13 Millionen<br />

Hektar zerstört. 23<br />

Auch in Deutschland ist es <strong>um</strong> die heimische Natur nicht gut bestellt: 72 % aller Lebensrä<strong>um</strong>e sind<br />

gefährdet oder sogar akut von Vernichtung bedroht, so die Rote Liste der Biotoptypen von 2006.<br />

Schuld daran ist der Mensch, vor allem der Lebensstil in den westlichen Industriestaaten. Denn so<br />

ist z. B. die Artenvielfalt insbesondere durch die direkte Übernutzung von Beständen und durch den<br />

Lebensra<strong>um</strong>verlust bedroht, wie das Beispiel des sibirischen Tigers zeigt. Die Vielfalt der Lebensrä<strong>um</strong>e<br />

ist bedroht durch Bebauung, Zerschneidung und Zerstörung (Straßen- und Siedlungsbau),<br />

Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft unter verstärktem Einsatz von Pestiziden / Dünger<br />

und Entwässerung, Begradigung und Eindeichung von Fließgewässern, durch den Eintrag von<br />

Schad- und Nährstoffe in die Luft, die Meere, die Flüsse und die Böden. Nicht zuletzt durch den<br />

Klimawandel, der bereits jetzt durch die Erderwärmung ökologisch sensible Ökosysteme, wie die<br />

Polarzonen bedroht. Außerdem ist die genetische Vielfalt durch die Einengung des Spektr<strong>um</strong>s genutzter<br />

Arten, Rassen und Sorten in der Landwirtschaft bedroht. Der Verlust an Biologischer Vielfalt<br />

ist aber nicht nur aufgrund des Eigenwertes der Natur besorgniserregend. Denn die Biologische<br />

Vielfalt ist die „Datenbank der Natur“, Rohstoffbasis einer wachsenden Weltbevölkerung und Lebensversicherung<br />

vor allem für die Menschen in armen Ländern, kurz: Sie sorgt für die Grundlagen<br />

unserer Existenz. Die Natur liefert Nahrung, sauberes Wasser, fruchtbare Böden, Brennstoffe und<br />

Medikamente. Insekten sichern unsere Ernten, indem sie Obst- und Gemüsepflanzen bestäuben.<br />

Wälder schützen uns vor Überschwemmungen, speichern große Mengen Kohlendioxid und wirken<br />

damit gegen den Klimawandel. Die Palette der Leistungen der Natur ist so vielfältig wie die Natur<br />

selbst. 24<br />

Vielfach treffen die Folgen einer abnehmenden Biodiversität als erstes die arme ländliche Bevölkerung<br />

der Erde, da diese häufig unmittelbar von Ökosystemdienstleistungen abhängig und Substitute<br />

für sie nicht zugänglich oder erschwinglich sind. 25<br />

23 http://www.bmu.de/dossier_biologische_vielfalt/doc/45491.php, Mai 2010.<br />

24 Ebd.<br />

25 Shigeo Yachi / Michel Loreau (1999): Biodiversity and ecosystem productivity in a fluctuating environment: The insurance<br />

hypothesis. Proceedings of the National Acadademy of Science USA 96, S. 1463–1468. Bundesamt für Naturschutz (2007):<br />

Biologische Vielfalt – das Netz des Lebens. Rettet den Regenwald, den Reicht<strong>um</strong> der Regenwälder bewahren, Nr. 5/10.<br />

Josef H. Reichholf (2000): Der tropische Regenwald-Die Ökobiologie des artenreichsten Naturra<strong>um</strong>s der Erde, Fischer<br />

Verlag. Bundesministeri<strong>um</strong> für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2000): Anhaltender Verlust der biologischen<br />

Vielfalt (Artikel).<br />

17


18<br />

1.3 Kulturelle Vielfalt<br />

Eine weitere Auswirkung des Klimawandels und dem damit einhergehenden Verlust von Biologischer<br />

Vielfalt ist der Verlust von Kultureller Vielfalt bzw. indigenem Wissen.<br />

Begriffsbestimmung – Kulturelle Vielfalt<br />

Was versteht man unter Kultur?<br />

Grob kann man unter dem Wort ‚Kultur’ erst einmal all das verstehen, was Menschen tun <strong>um</strong> sich<br />

in natürlicher oder künstlicher Um<strong>welt</strong> zu behaupten. Somit macht Kultur all das aus, was erworben<br />

und nicht biologisch festgesetzt ist. Kultur ist eine Sammlung von geistigen, materiellen, intellektuellen<br />

und emotionalen Eigenschaften einer Gesellschaft oder einer sozialen Gruppe. Dies reicht<br />

von Kunst, Musik, Geschichten und Mythen, Lebensweisen, Wertesystemen, bis zu Traditionen und<br />

Glaubensvorstellungen.<br />

Kulturabhängig ist auch die Form, wie sich die Gesellschaft organisiert oder die Art und Weise wie<br />

Landwirtschaft betrieben wird. Kulturelle Ausdrucksformen sind somit sowohl die Rundhütten im<br />

äthiopischen Hochland als auch spanischer Flamenco-Tanz oder der Schwingpflug mit einem Wasserbüffel<br />

als Zugtier in Vietnam.<br />

Es gibt offensichtliche und leicht messbare Faktoren einer Kultur, wie Kleidung, Sprache, Lieder<br />

und unterschiedliche landwirtschaftliche Geräte. Gleichzeitig gibt es auch andere, nicht so leicht<br />

messbare Ausdrucksformen der Kultur wie Verhaltensweisen, Moralvorstellungen und die Interaktion<br />

mit der Um<strong>welt</strong>.<br />

Kultur ist dynamisch und facettenreich und vor allen Dingen stark vom gegebenen Kontext abhängig,<br />

da kulturelle Ausdrucksformen durch soziale, wirtschaftliche, politische und ökologische Faktoren<br />

beeinflusst werden.<br />

Was versteht man unter Kultureller Vielfalt?<br />

Kulturelle Vielfalt bezeichnet das Vorhandensein unterschiedlicher Werte, Glaubensvorstellungen,<br />

Verhaltensmustern und auch unterschiedliche materieller Ausdrucksformen und Ressourcen, eben<br />

verschiedener Kulturen im oben beschriebenen Sinn. Unter kultureller Vielfältigkeit versteht man<br />

nicht nur die mannigfaltigen Kulturen der Erde, sondern diese kann auch regional eingegrenzte<br />

Gebiete meinen, wie z. B. das Neben- und Miteinander unterschiedlicher Kulturen innerhalb eines<br />

Landes oder in einer einzelnen Gesellschaft. Was Kulturelle Vielfalt, als heterogene Zusammensetzung<br />

der Bevölkerung von Gebieten oder Nationalstaaten, für Ausmaße annehmen kann, wird am<br />

Beispiel Kamerun (West Afrika) deutlich. Hier leben ca. 240 Kulturen, mit eigenständigen indigenen<br />

Sprachen, verschiedenen Essensgebräuchen, unterschiedlichen traditionellen Kleidungen und<br />

Traditionen friedlich miteinander. Hinzu kommen EinwanderInnen aus Europa oder den Nachbarländern.<br />

Kulturelle Vielfalt setzt die Anerkennung von grundlegenden Freiheiten voraus, z. B. der Meinungsfreiheit,<br />

Freiheit der persönlichen Wahl der Weltanschauung und Religion, die Freiheit an dem kulturellen<br />

Leben seiner Wahl teilzunehmen und die Kommunikation mit anderen, <strong>um</strong> sich gegenseitig<br />

zu respektieren und voneinander zu lernen.


Es ist schwierig zu ermitteln wie viele Kulturen es auf der Welt gibt, da die Übergänge zwischen<br />

den einzelnen Gruppen fließend sein können. Als ein einfacher Indikator wird meist die Anzahl der<br />

Sprachen genommen. Wissenschaftler gehen von ca. 6.000–6.500 verschiedenen Sprachen und somit<br />

Kulturen auf der Welt aus. Wobei Untersuchungen schon in den 1990er Jahren ergeben haben,<br />

dass alle zwei Wochen eine indigene Sprache ausstirbt, so dass am Ende des Jahrhunderts nur noch<br />

10 % der momentan gesprochenen Sprachen übrig sein könnten. 26<br />

Sprache kann man als Kulturträger begreifen. Stirbt eine Sprache aus, so stirbt auch eine Kultur.<br />

Denn damit die Überlieferung der kulturellen Gehalte gelingt, bedarf es einer regelmäßigen Wiederholung<br />

dessen, was überliefert werden soll. Beispielsweise eines bestimmten Rituals zu einer<br />

bestimmten Jahreszeit. Eine wesentliche Form der Wiederholung ist nicht nur die tatsächliche Ausübung<br />

dessen, was überliefert und weitergegeben wird, sondern auch die Fixierung in der Sprache.<br />

Sprache ist daher ein vorrangiges Medi<strong>um</strong> der Überlieferung, welches auch jede nicht sprachliche<br />

Weitergabe von Wissen begleitet. Wenn die Kinder einer Generation nicht mehr die Sprache ihrer<br />

Vorfahren sprechen (beispielsweise, weil in der Schule nur in einer Kolonialsprache unterrichtet<br />

wird, wie in vielen Ländern Afrikas) können das indigene Wissen, die Traditionen und Gebräuche<br />

nicht weitergeführt werden.<br />

Mit einer Sprache sterben also nicht nur Worte. Es sterben auch Vorstellungs<strong>welt</strong>en, Welt anschauungen,<br />

Gemeinschaftsmodelle, Lebensauffassungen, Traditionen und indigenes Wissen.<br />

Begriffsbestimmung – Indigene Völker<br />

Von den Vereinten Nationen (UN) und den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) werden Ureinwohner<br />

eines Gebietes auch als „indigene Völker“ bezeichnet. Der Begriff „indigen“ wurde 1995 von<br />

der UN-Arbeitsgruppe zu Indigenen Bevölkerungen (UNWGIP) geprägt und soll für Völker gelten,<br />

die ein bestimmtes Territori<strong>um</strong> als Erste besiedelt und genutzt haben. Meist bilden indigene Gruppen<br />

eine Minderheit und werden von der eingewanderten Mehrheitsbevölkerung diskriminiert.<br />

Wie beispielsweise die Mapuche in Chile, die mit rund 1,3 Millionen Angehörigen fast zehn Prozent<br />

der 15,8 Millionen Einwohner Chiles bilden. Die Mapuche müssen <strong>um</strong> ihr Land kämpfen, das sie<br />

Jahrhunderte lang gemeinschaftlich und nachhaltig genutzt hatten, denn ihre Entscheidungsgewalt<br />

über ihre Landnutzung wird von der nationalen Regierung aberkannt und ihr Gebiet in immer kleinere<br />

Reservate eingeteilt. Wo einst in ihren Gebieten Urwälder wuchsen, pflanzen heute Großunternehmen<br />

in Holzplantagen schnell wachsende Bä<strong>um</strong>e wie Kiefern und Eukalyptus vor allem für die<br />

Zellstoffindustrie an. Mapuche, die sich gegen den Landraub wehren, werden kriminalisiert und zu<br />

hohen Geld- und Haftstrafen verurteilt. Beispiele wie diese gibt es leider viele.<br />

Für Kulturelle Vielfalt zählt nicht die Größe und politische Einflussnahme einer Gruppe, sondern<br />

die Vielzahl an verschiedenen Sprachen und Lebensweisen. Leider verhält es sich empirisch oft so,<br />

dass kleine (indigene) Gruppen von politisch einflussreicheren vereinnahmt werden und in ihrer<br />

Einzigartigkeit verloren gehen. Statt ihrer Lebensweise nachzugehen, werden sie in Zeiten der Nationalstaaten<br />

in eine Mehrheitsbevölkerung (zwangs-)integriert. Ihr kultureller Beitrag, ihr Wissen<br />

und ihre Erzählungen gehen damit verloren. Weltweit wird derzeit von 350 bis 400 Millionen Menschen<br />

ausgegangen, die einem der ca. 5.000 indigenen Völker in 75 Staaten angehören. 27<br />

26 Zeitschrift: Entwicklungspolitik Nr. 9/ 2005; Verein zur Förderung der entwicklungspolitischen Publizistik e.V. (Hrsg.),<br />

S. 28–31.<br />

27 Gesellschaft für bedrohte Völker (2006): ‚Indigene Völker – Ausgegrenzt und Diskriminiert‘, S. 5.<br />

19


20<br />

Zusammenhang Biodiversität und Klima mit Kultureller Vielfalt<br />

Der Begriff Kultur stammt von den lateinischen Wörtern cultura, das mit Landwirtschaft/Bebauung/Pflege<br />

übersetzt wird und dem lateinischen Verb colere, ‚wohnen’/‚pflegen’/‚den Acker bestellen’.<br />

Bereits in dieser Herkunft liegt das besondere Verhältnis von Kultur und Natur begründet.<br />

Kultur ist zielgerichtete Veränderung und Einflussnahme auf die Natur. Daraus ergibt sich die Veränderung<br />

des einen mit dem anderen: verändert sich durch etwa den Klimawandel die Landschaft,<br />

das Wetter, die Natur, muss die ansässige Gruppe, die diese bearbeitet, darauf kulturelle Antworten<br />

finden. Dies können neue landwirtschaftliche Strategien sein oder aber auch die Migration an einen<br />

anderen Ort.<br />

Nehmen wir als Beispiel die rund 30 indigenen Gruppen der Arktis, sie leben seit Jahrhunderten<br />

von der Jagd auf Eisbären, Walrosse und Robben, von der Rentierhaltung, vom Fischfang und Sammeln.<br />

Seit Jahrhunderten haben sie ihre Lebensweise den sich wandelnden Um<strong>welt</strong>bedingungen<br />

anzupassen gewusst. Der Klimawandel verändert ihren Lebensra<strong>um</strong> jedoch so rasant, grundlegend<br />

und zerstörend, dass eine Anpassung ka<strong>um</strong> möglich erscheint. Die Indigenen nördlich des Polarkreises<br />

müssen beobachten, wie die Eisbären verhungern und bestimmte Pflanzenarten nicht mehr<br />

wachsen. Die Winter sind kürzer und wärmer geworden, Gletscher ziehen sich zurück oder tauen<br />

gänzlich ab, und Menschen sterben, weil ihre vertrauten Wege durch die dünner gewordene Eisdecke<br />

nicht mehr sicher sind. 28<br />

Die artenreichsten Regionen der Erde – „Megazentren Biologischer Vielfalt“ – sind auch jene Gebiete,<br />

in denen die größte Kulturelle Vielfalt besteht – gemessen z<strong>um</strong> Beispiel an den indigenen Gruppen,<br />

die dort leben, oder den Sprachen, die in diesen Gegenden gesprochen werden. Es leben also<br />

viele (meist) indigene Völker in den biodiversitätsreichen Regionen unserer Erde. Dies kann kein<br />

Zufall sein und so wird gleich klar, dass eine enge Beziehung zwischen Biologischer und Kultureller<br />

Vielfalt besteht. Gerade in den tropischen Regenwäldern, wo über die Hälfte aller Pflanzen- und<br />

Tierarten vermutet wird, leben zahlreiche indigene Völker unterschiedlicher Größe, Sprache und<br />

Kultur.<br />

Man knüpft an das „traditionelle Wissen“ dieser Völker die Hoffnung, dass es wichtige Einsichten<br />

über Zusammenhänge und Bestandteile der Biologischen Vielfalt enthält. Da mit Schrecken erkannt<br />

wurde, dass angesichts fortschreitender Um<strong>welt</strong>zerstörung diese enorme Vielfalt zunehmend von<br />

der Erde verschwinden wird, bevor Botanik, Zoologie, Ökologie etc. sie ausreichend erforschen können.<br />

Man erhofft sich zudem Einblicke in Praktiken, die für den Schutz und die nachhaltige Nutzung<br />

der Biologischen Vielfalt von Interesse sind. Immerhin verstehen es viele indigene Völker, mit und<br />

von der Biologischen Vielfalt zu leben, ohne sie zu zerstören. Sie verfügen meist über sehr spezifisches<br />

lokales botanisches Wissen, das sie beispielsweise für die traditionelle Medizin nutzen. Sterben<br />

die Kulturen aus, geht auch ihr Wissen verloren. Ansätze z<strong>um</strong> Schutz der Biodiversität sollten<br />

sich daher auch dar<strong>um</strong> bemühen, die Vielfalt an Kulturen zu erhalten.<br />

Ein großer Zusammenhang zwischen Biodiversität und kultureller Vielfältigkeit sind die gemeinsamen<br />

Gefahren, denn wo die Biologische Vielfalt bedroht ist, ist es auch die Kulturelle. Die Verluste<br />

haben meist dieselben Ursachen. Es gibt globale Trends, die meist beide Formen der Diversität<br />

schwinden lassen. Im Wesentlichen sind es Tendenzen der Globalisierung und der Modernisierung:<br />

28 Gesellschaft für bedrohte Völker (2005): ‚Wenn ihnen der Boden unter den Füßen schmilzt...‘.


etwa das verstärkte Ausbeuten der Natur, dem nicht nur Wälder, sondern auch Lebensrä<strong>um</strong>e für<br />

Menschen z<strong>um</strong> Opfer fallen. Ebenso das Aussterben von Sprachen, eine Vereinheitlichung der Bildungs-<br />

und Erziehungssysteme und das Ausweiten globaler Transportsysteme, die nicht nur mehr<br />

Energie und Land benötigen, sondern es auch dominanteren Kulturen ermöglicht, andere zu verdrängen.<br />

Hinzu kommen Abholzung, Monokulturen, nicht nachhaltige landwirtschaftliche Produktionsweisen<br />

und vereinheitlichte Essensweisen. Dies alles führt zu einer globalen Homogenisierung<br />

von Kulturen und Landschaften. 29 Mit der Kultur verschwindet auch das indigene Wissen. Indigenes<br />

Wissen zeichnet sich durch eine exakte Anpassung an einen bestimmten Lebensra<strong>um</strong> aus, die<br />

oft über lange Zeiträ<strong>um</strong>e, von Generation zu Generation, im alltäglichen Versuch verbessert wurde.<br />

Stirbt dieses Wissen aus, könnten wir Jahrhunderte brauchen, <strong>um</strong> Krankheiten zu heilen, für<br />

die diese eine Kultur seit jeher ein Heilmittel hatte. Ähnlich verhält es sich in der Landwirtschaft:<br />

Während der globale Trend zu Monokultur und Vereinheitlichung der Anbauweise geht, ist doch<br />

jede Landschaft einzigartig und das agrarische Wissen, das eine seit langem in dieser Landschaft<br />

lebende Gruppe über unzählige Ernteperioden erlangt hat, ein sehr viel besser angepasstes als die<br />

moderne Agrarwissenschaft, die fern ab dieser Gebiete entwickelt wurde.<br />

Im Folgenden werden die Lebensverhältnisse und die Kultur der Buschmann, auch San genannt,<br />

am Beispiel der Ju/‘Hoansi im heutigen Namibia detailliert dargestellt. Sie sind ein wunderbares<br />

Beispiel wie sich ein indigenes Volk an die klimatischen Bedingungen und ihr <strong>um</strong>gebendes ökologische<br />

System angepasst hat. Auch die Problematiken und Konflikte der San bzw. Ju/‘Hoansi werden<br />

deutlich.<br />

29 Pilgrim, Sarah: The Intersections of Biological Diversity and Cultural Diversity: Towards Integration. In: Conservation and<br />

Society. http://www.conservationandsociety.org/.<br />

21


2. Informationen zu den<br />

Ju/‘Hoansi und Namibia<br />

23


24<br />

2.1 Lebensra<strong>um</strong> Namibia / Kalahari<br />

Namibia ist ein sehr dünn besiedelter Staat im südlichen Afrika, der an Angola, Sambia, Botswana,<br />

Südafrika und an den Atlantischen Ozean angrenzt. Die Landschaft Namibias ist hauptsächlich<br />

durch das Binnenhochland und die daran grenzenden Wüsten Namib im Westen und Kalahari im<br />

Osten, geprägt. Mit einer Gesamtfläche von rund 824.000 km² ist Namibia mehr als doppelt so<br />

groß wie Deutschland. Höchster Gipfel Namibias ist der Brandberg mit einer Höhe von 2.579 m.<br />

In Namibia gibt es überwiegend Trockenflüsse auch Riviere genannt, die nur periodisch, während<br />

der feuchten Jahreszeit mit Wasser gefüllt sind. Die Ausnahmen bilden die Grenzflüsse Oranje im<br />

Süden und Kunene, Okavango und Zambesi im Norden.<br />

Die Niederschläge in Namibia variieren jährlich zwischen 50 mm in der Namib und 700 mm im<br />

Caprivi und nehmen von Südwesten nach Nordosten hin zu. Regen kommt meist von Nordosten<br />

zwischen Dezember und Februar in Form von heftigen Gewittergüssen, die allerdings meist sofort<br />

verdunsten oder versickern, ohne von der Vegetation aufgenommen zu werden. Ein Großteil der<br />

Wasserreserven für Siedlungen und Farmen bildet das Grundwasser, welches durch die wasserundurchlässigen<br />

Ton- und Gesteinsschichten angesammelt wird. 1<br />

Der Lebensra<strong>um</strong> der Ju/‘Hoansi, einer der Buschmann- bzw. San-Gruppen, ist die Kalahari. Die<br />

Kalahari-Wüste erstreckt sich über 900.000 km² im südlichen Afrika und reicht von Südafrika<br />

über Namibia bis nach Botswana. Eigentlich ist sie eine Trockensavanne mit Busch und Strauch Bewuchs<br />

– denn es gibt immerhin noch eine durchschnittliche Niederschlagsmenge zwischen 76 und<br />

190 mm Regen pro Jahr. Mit dieser geringen Niederschlagsmenge können jedoch bestimmte Pflanzen-<br />

und Tierarten, sowie die Buschmann-Gruppen in der Kalahari überleben. In der Tat hat die<br />

Kalahari einen immensen Artenreicht<strong>um</strong>, so kennen z. B. die Ju/‘Hoansi mindestens 260 Tierarten,<br />

darunter zählen 50 Säugetiere, 90 Vogelarten, 25 Reptilien und bis zu 90 Wirbellose. 2 Des Weiteren<br />

kennen sie mindestens 200 verschiedene Pflanzenarten für die Ernährung, für die Wasserversorgung,<br />

für medizinische Zwecke, für rituelle Zwecke und zur Herstellung von Alltagsgegenständen<br />

wie z. B. Pfeil und Bogen.<br />

Die Ju/‘Hoansi unterscheiden vier verschiedene Landschaftsarten in der Kalahari: (1) Dünen, (2)<br />

Flachgebiete, (3) das Melapo (ausgetrocknetes Flussbett) und (4) trockene Flusstäler. Die Dünen<br />

der Kalahari unterscheiden sich von denen der Namib-Wüste indem sie eine feste Vegetation besitzen.<br />

Hier wächst vor allem der Mongongoba<strong>um</strong>, dessen Nuss für die Ju/‘Hoansi eine zuverlässige<br />

Quelle für Eisen und Vitamin E darstellt. Zwischen den Dünen und dem Melapo befinden sich die<br />

Flachgebiete, die durch eine weiße, dichte Sandschicht gekennzeichnet sind. Dieses Habitat bietet<br />

SammlerInnen Sternbuschbeeren (Grewia), Steinnusspalmen und ihre kostbare Frucht sowie<br />

andere essbare Pflanzen, an. Auf der kompakten, schlammigen Erdschicht des Melapos wachsen<br />

auch Akazienbä<strong>um</strong>e. Beim Ortstein trifft man größere Steine und Schlamm. Dort wachsen v.a. die<br />

bekannten Affenbrotbä<strong>um</strong>e (Andansonia digitata), deren Höhlungen als Wasser- bzw. Getreidespeicher<br />

in Trockenperioden fungieren. 3<br />

1 Namibia-Geographie. http://www.namibia-info.net/namibia/geographie.html.<br />

2 Lee, Richard (1993): The Dobe Ju/’Hoansi. Fort Worth: Harcourt College Publishers (2.Ausgabe), S. 27.<br />

3 Ebd. S. 24–26.


Der Affenbrotba<strong>um</strong><br />

Der Affenbrotba<strong>um</strong> (Andansonia digitata) ist einer der charakteristischen Bä<strong>um</strong>e Afrikas.<br />

Dieser vergleichsweise eher kleinere Ba<strong>um</strong> mit einem massiven Ba<strong>um</strong>stamm befindet sich vor<br />

allem in niedrigen Höhenlagen Afrikas, wo es überwiegend trockene Vegetation gibt. Der charakteristische<br />

Ba<strong>um</strong> kann bis zu 1.000 Jahre alt werden und hat zahlreiche Verwendungszwecke<br />

unter den Ju/‘Hoansi. Der Ba<strong>um</strong>stamm enthält einen hervorragenden Faserstoff, der für<br />

das Weben von Bodenmatten verwendet wird. Ähnlich wie Spinat werden die fünf-fingrigen<br />

Blätter gekocht und gegessen. Auch die Frucht und deren Samen bieten leckere Durstlöscher,<br />

wenn sie mit etwas Wasser gemischt werden: Während aus den gemahlenen, gerösteten Samen<br />

eine Art Getreidekaffee entsteht, ist das weiße, pulverartige Mark der Frucht, das die Samen<br />

<strong>um</strong>schließt, der Hauptbestandteil von einem Getränk, der ein hohes Maß an Vitamin C, Eisen<br />

und Alterungsschutzmitteln in sich birgt.<br />

Dürren und Wasserknappheit gab es schon immer in der Kalahari und die Ju/‘Hoansi haben sich<br />

im Laufe ihrer langen Geschichten und Tradition gut an diese Situationen in der Kalahari angepasst.<br />

Neben einer Handvoll permanenter Wasserlöcher gibt es auch saisonale Wasserlöcher, die<br />

zwischen 1–6 Monate existieren und zwischen den Dünen zu finden sind. Diese Wasserlöcher variieren<br />

in Fülle und Größe, jedoch bieten sie den Ju/‘Hoansi die Möglichkeit über weite Distanzen<br />

auf Nahrungssuche zu gehen. Wenn allerdings das Wasser sehr knapp wird, greifen die Ju/‘Hoansi<br />

auf Wasserreserven in Höhlungen von alten und großen Bä<strong>um</strong>en bzw. wasserreiche Wurzeln, die<br />

tief in der Erde liegen, zurück. An das Wasser, dass sich in den Höhlungen von alten und großen<br />

Bä<strong>um</strong>en befindet, gelangen sie mit einem hohlen Grashalm, den sie im Köcher (siehe SchatzKiste<br />

Nr. 18) mitführen. An die Wasserreichen Wurzeln gelangen sie mit Hilfe eines sog. Grabstocks (siehe<br />

SchatzKiste Nr. 14).<br />

Köcher (SchatzKiste Nr.18)<br />

25


26<br />

Die Ju/‘Hoansi wieder<strong>um</strong> teilen das Klima in fünf Jahreszeiten: (1) !h<strong>um</strong>a, (2) bara, (3) ≠tobe, (4)<br />

!g<strong>um</strong> und (5) !gaa. !H<strong>um</strong>a lässt sich mit „Frühlingsregen“ gut übersetzen. Die im Oktober und November<br />

stattfindende heiße !h<strong>um</strong>a-Saison ist gekennzeichnet durch sporadische Regenfälle und<br />

häufige Blitzschläge. Bara fällt mit den Sommerregen zwischen Dezember und März zusammen und<br />

ist die fruchtbarste Jahreszeit: Wandervögel kehren an die Pans (Pan oder Pfannen: Seen mit erhöhtem<br />

Salzgehalt) zurück und verschiedene Wildpflanzen sind im Busch einfach zu finden. ≠Tobe<br />

– Herbst – findet in April und Mai statt. Obwohl die Ju/‘Hoansi in dieser Zeit zu den größeren<br />

Pans migrieren, sind Nahrungsquellen noch vorhanden und die Mongongonuss-Ernte sichert genug<br />

Eiweiß für alle. Die Wintersaison, !g<strong>um</strong>, bringt kühle Nächte und das Leben an einer permanenten<br />

Wasserquelle mit sich, denn Wildpflanzen werden mit der Zeit ständig weniger. Im Anschluss<br />

folgt !gaa, die trockene Frühlingssaison, zwischen August und Oktober. Es herrschen in dieser Zeit<br />

sehr heiße Temperaturen (zwischen 34–42 °C) gekoppelt mit monatelanger Trockenheit, die die<br />

Nahrungssicherung schwierig machen, denn die essbare Wildpflanzen sind nun fast abgeerntet und<br />

die Wasserquellen gehen zur Neige. 4<br />

Zusammenhänge Namibia – Deutschland<br />

Von 1884 bis 1915 war Namibia, damals Deutsch-Südwestafrika genannt, eine deutsche Kolonie.<br />

Während der Jahre 1904 bis 1908 tobte der Kolonialkrieg zwischen den deutschen Truppen und den<br />

Völkern der Herero und Nama, den man bis heute als Aufstand der Herero und Nama bezeichnet.<br />

Nach der Niederschlagung des eigentlichen Aufstandes mündete der Krieg in einen Völkermord<br />

an den Herero und Nama durch die deutsche Kolonialmacht. Im Ersten Weltkrieg wurde Namibia<br />

durch südafrikanische Truppen erobert und 1919 im Friedensvertrag von Versailles der südafrikanischen<br />

Verwaltung unterstellt. In den darauf folgenden Jahren setzte sich in dem Land eine Apartheidpolitik<br />

(Rassentrennung) gegen die indigenen Bevölkerungsgruppen durch. Erst nach massiven<br />

Protesten und internationalem Druck erlangte Namibia am 21. März 1990 nach mehr als 100 Jahren<br />

4 Lee, Richard (1993): The Dobe Ju/‘Hoansi. Fort Worth: Harcourt College Publishers (2. Ausgabe), S. 29–31.<br />

Grabstock (SchatzKiste Nr. 14)


Fremdbestimmung die Unabhängigkeit. 5 Seit der Unabhängigkeit haben sich besonders enge, bi-<br />

laterale Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia entwickelt. Besonders in den Bereichen<br />

Politik, Wirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Kultur besteht eine enge Zusammenarbeit<br />

zwischen den Staaten. Die deutschsprachige Gemeinschaft in Namibia (heute ca. 20.000 Personen)<br />

hat ein sehr aktives Kulturleben, verfügt über ein dichtes Netzwerk von Institutionen und spielt eine<br />

tragende Rolle im namibischen Wirtschaftsleben. 6<br />

2.2 Die Ju/‘Hoansi<br />

Wenn man von Ethnien im namibischen Ra<strong>um</strong> spricht, sollte man zuerst zwischen den Kategorien<br />

Buschleute oder auch San (im Folgenden einheitlich als „San“ bezeichnet) genannt und Khoi differenzieren.<br />

Khoi bezieht sich auf die Selbstbezeichnung von den dort ansässigen Vieh- und Ziegenhütern<br />

und bedeutet so viel wie „Menschen“. Als die Holländer im 17. Jahrhundert ankamen, nannten<br />

sie diese Hottentotos, eine Bezeichnung, die versuchte, die Klicklaute nachzuahmen.<br />

Wenn man die physiognomischen Unterschiede der San-Gruppen berücksichtigt, können zwei Untergruppierungen<br />

festgestellt werden. Z<strong>um</strong> einem gibt es die sogenannten Schwarzen San, also die<br />

San-Gruppen, die von ihren Bantu sprechenden Nachbarn genetisch nicht zu unterscheiden sind.<br />

Sie wohnen in Südost-Angola, im westlichen Sambia und östlichen Botswana aber auch z. T. im Norden<br />

von Namibia (vgl.: Hai//k<strong>um</strong> und Nama). Ihre Sprache gehört zur Tshu-Khwe Sprachfamilie<br />

und ihre Wirtschaft besteht in einer aus Viehhaltung, Ackerbau, Sammeln und Lohnarbeit zusammengesetzten<br />

Mischung. Z<strong>um</strong> anderen gibt es die sogenannten Gelben San, also die San-Gruppen<br />

die eher kleinwüchsig sind, hellere Haut haben und zierliche Gesichtscharakteristika aufweisen. Die<br />

Gelben San sind im südlichen Angola, westlichen und zentralen Botswana und nördlichen und östlichen<br />

Namibia zu Hause und sie sprechen Sprachen, die zu einer von drei Sprachfamilien gehören,<br />

nämlich die nördliche !Kung, die zentrale Tshu-Khwe, und die südliche !Xo. Während in der Vergangenheit<br />

ihre Wirtschaft auf Jagen und Sammeln basierte, finden heute mehrere San eine Tätigkeit<br />

als Bauern, Viehhüter und als Lohnarbeiter. Die Ju/‘Hoansi gehören der Gruppe der Gelben San an.<br />

Die San sind zusammen mit den Khoi Khoi (oder auch Khoe-Khoe) die ersten Bewohner des südlichen<br />

Afrikas und dank der vielen Feldforschungen, Filme, Bücher und Artikel, eine der bekanntesten<br />

indigenen Bevölkerungsgruppen. Die meist beschriebene San-sprechende Gruppe sind die<br />

Ju/‘Hoansi. 7<br />

Anfängliche Beschreibungen über Kultur und Sprache der San durch Entdeckungsreisende oder<br />

Missionare, reichten von „exotisch, friedliches, primitives Leben im Einklang mit der Natur“ bis zu<br />

„wilden, gefährlichen, tierähnlichen Kreaturen“ 8 . Die erste bekannte ethnographische Forschung<br />

5 Aus Deutsch-Südwestafrika wird Namibia. http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2010-03/namibia-unabhaengigkeit.<br />

6 Beziehungen zu Deutschland. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Namibia/<br />

Bilateral_node.html.<br />

7 Guenther, Mathias (1996): Diversity and flexibility: the case of the Bushmen of southern Africa. In: Susan Kent (Hrsg.),<br />

Cultural Diversity among Twentieth-Century Foragers: An African perspective. Cambridge: Cambridge University Press,<br />

S. 65–86.<br />

8 Hohmann, Thekla (2003): San and State: An Introduction. In: Thekla Hohmann (Hrsg.), San and the State: Contesting<br />

Land, Development, Identity and Representation. Köln: Rüdiger Köppe Verlag, S.6.<br />

27


28<br />

wurde von der Marshall Familie zwischen 1951 und 1961 über die Ju/‘Hoansi in der Nyae Nyae Region<br />

im westlichen Namibia durchgeführt. 9 Weitere Feldforschungen bei den Ju/‘Hoansi in der Dobe<br />

Region von Botswana wurden von Richard Lee durchgeführt und in seinem Werk The !Kung San:<br />

Men, Women and Work in a Foraging Society (1979) zusammengefasst.<br />

Durch die Feldforschungen von Richard Lee und seinen StudentInnen wurden auch andere ForscherInnen<br />

auf die San aufmerksam und so kam es in den 1980er Jahren zu einer wissenschaftlichen<br />

Auseinandersetzung zwischen den sogenannten Traditionalisten und den Revisionisten in der<br />

sogenannten Kalahari Debatte. 10 Die Revisionisten kritisierten die Beschreibungen und Forschungen<br />

der Traditionalisten, welche die San isoliert von interethnischen Beziehungen, politischen, ökonomischen<br />

Prozessen und von dem Einfluss des Staates beschrieben. 11<br />

Doch wer sind die San und wie lebten und leben sie heutzutage?<br />

San ist eine ethnographische Bezeichnung, die im weiteren Sinne die südafrikanischen Khoisan<br />

bezeichnet, deren Sprache durch Klicklaute gekennzeichnet ist. Die San-Sprachen werden der Khoisan-Sprachfamilie<br />

zugeordnet, die wieder<strong>um</strong> in drei Gruppen unterteilt werden kann: Die nördlichen<br />

Khoisan (Ju/‘Hoansi , !Xu, und Au//ei), die zentralen Khoi Gruppen (G/wi, G//ana, Khoe,<br />

Nharo und //Anikhoe u.a.) und die südliche Khoisan Gruppe (!Xoo und Tsassi). 12<br />

Angesiedelt in und <strong>um</strong> die Kalahari Region im südlichen Afrika, lebten die San als nomadische<br />

Jäger und Sammler. In Gruppen von meist 5 bis 6 Familien (ca. 25 bis 50 Personen), die durch<br />

Verwandtschaft, Heirat, Freundschaft und Handel miteinander verbunden waren, wanderten sie<br />

gemeinsam als Gruppe oder zerstreut, abhängig von Ressourcen, saisonalen Gegebenheiten und der<br />

Verbreitung von anderen Gruppen, <strong>um</strong>her. 13<br />

Seit Jahrhunderten werden die San durch Verdrängung, Verfolgung und Kontrolle über Land und<br />

Ressourcen geprägt. Im präkolonialen südlichen Afrika lebten ungefähr 150–300.000 San in ganz<br />

Südafrika verbreitet, genauer gesagt von Zentralafrika bis z<strong>um</strong> Kap von Südafrika. Diese standen<br />

vor allem mit bantu-sprechenden ViehhalterInnen in Kontakt. 14 Mit der Ankunft der Niederländer<br />

1652 wurden die San systematisch verfolgt, bis 1850 südlich des Oranje Flusses fast keine San mehr<br />

lebten. Im weiteren historischen Verlauf verwehrte die diskriminierende Politik des Apartheidregimes,<br />

den San den Zugang zu Arbeitsplätzen, Bildungsmöglichkeiten und Land. Die Einteilung in<br />

die sogenannten Homelands, bedeutete für die San der Verlust eines großen Teils ihres Landes und<br />

somit auch ihrer traditionellen Lebensweise. 1977 wurden viele Homelands unter Naturschutz gestellt,<br />

was zur Folge hatte, dass die San nur noch einige wenige Tierarten innerhalb des Homelands<br />

jagen durften. 15<br />

9 Barnard, Alan (1992): Hunters and Herders of South Africa. A comparative ethnography of the Khoisan peoples. Cambridge:<br />

Cambridge University Press, S. 41 ff.<br />

10 Ebd.<br />

11 Hohmann, Thekla (2003): San and State: An Introduction. In: Thekla Hohmann (Hrsg.), San and the State: Contesting<br />

Land, Development, Identity and Representation. Köln: Rüdiger Köppe Verlag, S. 8.<br />

12 Wilmsen, Edwin (1995): San-Speaking People. In: John Middelton und Amal Rassam (Hrsg.), Encyclopedia of World<br />

Cultures: Vol<strong>um</strong>e IX – Africa and the Middle East. New York: Hall & Co., S. 300–304.<br />

13 Biesele, Megan und Robert Hitchcock (2010): San, Khwe, Basarwa, or Bushmen? Terminology, Identity, and Empowerment<br />

in Southern Africa. Elektronisches Dok<strong>um</strong>ent: [11.08.2010].<br />

14 Lee, Richard B. (1976): Introduction. In: Richard Lee und Irven De Vore (Hrsg.), Kalahari Hunters – Gatherers. Studies of<br />

the !Kung San and Their Neighbours. Cambridge: Harvard University Press, S. 6.<br />

15 Ritchie, Claire (1986): From Foragers to Farmers: The Ju/wasi of Nyae Nyae Thirty Years On. In: Megan Biesele, Robert


Heutzutage gibt es noch ungefähr 100.000 San, von denen 55.000 in Botswana leben. Weitere San-<br />

Gruppen finden sich verteilt in Namibia (35.000), in Südafrika (8.500) sowie in Angola, Sambia<br />

und Zimbabwe (4.500), überall eine verschwindende Minderheit. 16 In kleinen Siedlungen lebend,<br />

verdient eine große Anzahl der San ihren Lebensunterhalt durch eine Kombination aus Jagen und<br />

Sammeln, landwirtschaftlichen Tätigkeiten, Viehzucht, Industrie- und Lohnarbeit. Eine weitere<br />

Einnahmequelle ist die Tourismusbranche (siehe Kapitel 2.4.4 „Tradition vermitteln: Das Lebende<br />

Muse<strong>um</strong> in Grashoek“), in der die San ihre traditionellen Fähigkeiten vermarkten, Tänze aufführen,<br />

touristische Jäger- und Sammlertrips organisieren und Kunsthandwerk für den Weltmarkt herstellen.<br />

17 Viele von ihnen leben unterhalb der Armutsgrenze. Dazu kommen eine hohe Analphabetenund<br />

Sterberate, Alkoholismus, Mangelernährung und HIV/AIDS. Seitdem das Jagen sehr stark eingeschränkt<br />

wurde, erhält ein erheblicher Prozentsatz der San Essen und einen Teil des Einkommens<br />

durch regierungsgesponserte Programme. 18<br />

San Terminologie<br />

Die Komplexität und die Schwierigkeit die San-Terminologie zu erfassen, ist eine Frage des Respekts,<br />

der Identität und der Anerkennung. Z<strong>um</strong> einen gibt es eine Vielzahl von verschiedenen<br />

Fremdbezeichnungen wie San, Basarwa oder Buschmann, die meist durch eine problematische<br />

Vergangenheit geprägt sind und eine negative Konnotation haben. Z<strong>um</strong> anderen sprechen diese<br />

Gruppen oft nicht die gleichen Sprachen oder die gleichen Dialekte, kommen aus unterschiedlichen<br />

kulturellen, politischen und ökonomischen Hintergründen und leben in verschiedenen<br />

Teilen Afrikas, was eine Homogenisierung unmöglich macht. 19 San oder auch Sonqua, stammt<br />

von den niederländischen Siedlern und hat in der Sprache der Khoikhoi die Bedeutung Stammoder<br />

Urvolk. Ferner wurden die San auch als Bojesman oder Buschmann bezeichnet und unter<br />

diesem Begriff auf der ganzen Welt bekannt. Die Bezeichnung San, die als erstes durch die<br />

Havard Kalahari Research Group verwendet wurde20 , ist ein häufig gebrauchter Begriff in der<br />

Anthropologie und löste die oftmals missverständliche Bezeichnung Buschmann in der moderneren<br />

ethnographischen Literatur ab. Doch auch der Begriff San ist in seiner Bedeutung nicht<br />

vollkommen zufrieden stellend, denn im Khoikhoi-Dialekt bedeutet San Räuber oder Bandit.<br />

Obwohl der Begriff San in Namibia weit verbreitet ist, ist in Botswana Masarwa der Überbegriff<br />

für die San-sprechenden Gruppen. Masarwa ist ein Setswana Wort, die Sprache der Tswana,<br />

und bedeutet „Menschen aus dem Westen“. 21 In vielen englischsprachigen Publikationen wird<br />

Gordon / Richard B. Lee (Hrsg.): The Past and Future of !Kung Ethnography: Critical Reflections and Symbolic Perspectives<br />

Essays in Honour of Lorna Marshall. (Quellen zur Khoisan Forschung 4). Hamburg: Helmut Buske Verlag, S. 311–325.<br />

16 Wynberg, Rachel / Chennells, Roger (2009): Green Diamonds of the South: An Overview of the San-Hoodia Case. In: Rachel<br />

Wynberg / Doris Schroeder /Roger Chennells (Hrsg.): Indigenous People, Consent and Benefit Sharing: Lessons from the<br />

San-Hoodia Case. Heidelberg: Springer, S. 91.<br />

17 Hitchcock, Robert K. (2005): Sharing the Land: Kalahari San Property Rights and Resource Management. In: Thomas<br />

Widlok / Wolde Gossa Tadesse (Hrsg.): Property and Equality. Encapsulation, Commercialisation, Discrimination. Vol<strong>um</strong>e<br />

II. New York: Berghan Books, S. 192.<br />

18 Ebd.<br />

19 Hohmann, Thekla (2003): San and State: An Introduction. In: Thekla Hohmann (Hrsg.): San and the State: Contesting<br />

Land, Development, Identity and Representation. Köln: Rüdiger Köppe Verlag, S.3.<br />

20 Lee, Richard B. (1979): The !Kung San. Men, Women, and Work in a Foraging Society. Cambridge: Cambridge University<br />

Press, S. 29 ff.<br />

21 Ebd.<br />

29


30<br />

anstelle von Masarwa auch Basarwa verwendet. Dieser Begriff ist eine Wortschöpfung, die erst<br />

seit den 1970er Jahren genutzt wird. Die Eigenbezeichnungen der San-Gruppen kommen jedoch<br />

aus ihrer jeweiligen Sprache wie z. B. Ju/‘Hoansi , !X<strong>um</strong>, Hai//om oder Khwe. Mittlerweile<br />

werden immer häufiger die Begriffe San oder Buschmann als Eigenbezeichnung gebraucht, <strong>um</strong><br />

sich als eine einheitliche Gruppe nach außen zu präsentieren und dadurch bestimmte politische<br />

Ziele zu erreichen, wie z. B. das South African San Institute (SASI). 22<br />

Die Ureinwohner des südlichen Afrika, vertrieben und versklavt<br />

Einst durchstreiften die ‡Khomani, die Khwe, !Kung, Hai||om, Ju/‘Hoansi und andere San-Gruppen<br />

als Jäger und Sammler das ganze Gebiet zwischen Atlantik, Kap und Indischem Ozean. Sie gelten<br />

als die ältesten BewohnerInnen des südlichen Afrika. Typisch sind die Klicklaute ihrer Sprache,<br />

die schriftlich mit Zeichen wie !, || oder ‡ dargestellt werden. In Tausenden von Felszeichnungen,<br />

teilweise über 20.000 Jahre alt, haben sie Alltags- und Jagdszenen, Jäger mit Pfeil und Bogen und<br />

eine Vielzahl von Wildtieren festgehalten, möglicherweise als Tribut an die Götter. Erst kamen nomadische<br />

Viehhalter aus dem Norden, afrikanische Bantu-Völker, seit der Mitte des 17. Jahrhunderts<br />

dann die europäischen Entdecker, Abenteurer und Kolonisatoren. Portugiesen landeten im<br />

Westen und im Osten, die Buren und Engländer im Süden. Als koloniale Nachzügler setzten sich<br />

Ende des 19. Jahrhunderts die Deutschen für eine kurze, aber blutige Besatzungszeit im damaligen<br />

Deutsch-Südwest, dem heutigen Namibia, fest (siehe Kapitel 2.3). Von den Küsten aus drangen sie<br />

immer weiter vor ins Landesinnere, auf der Suche nach Land, Wasser und nach Bodenschätzen –<br />

den reichen Vorkommen von Diamanten, Halbedelsteinen, Gold, Kupfer oder Uran. Die San wurden<br />

von ihrem Land, von den Gräbern ihrer Vorfahren und von ihren spirituellen Plätzen vertrieben<br />

und versklavt. Zeitweise wurden sie wie Tiere gejagt und ermordet. Ihre Namen, ihre Sprachen, ihre<br />

Kultur wurden ihnen genommen und durch christliche Namen, Afrikaans und Englisch ersetzt. Die<br />

Apartheidsgesetze zwangen sie, ihre Identität zu verbergen. Wie bereits erwähnt, gibt es nur noch<br />

etwa 100.000 San, vermutlich weniger als ein Zehntel der indigenen Bevölkerung (Begriffserklärung<br />

siehe Kapitel 1.3), wie gegenüber vor der Kolonialzeit. Die Hälfte von ihnen lebt in Botswana,<br />

36.000 in Namibia, jeweils einige Tausend in Angola, Südafrika, Sambia und Simbabwe – überall<br />

eine verschwindende Minderheit. Nur etwa zweitausend Ju/‘Hoansi in der Nyae Nyae-Conservancy<br />

im Ts<strong>um</strong>kwe-Distrikt nahe der Grenze zu Botswana können noch wie ihre Vorfahren auf die Jagd<br />

gehen. Als Lebensra<strong>um</strong> blieb ihnen das, was andere übrig ließen – der Busch, die Savanne, die Halbwüste.<br />

Oder sie wurden Dienstboten oder Hirten auf den Farmen, gegen magere Kost und Logis.<br />

Oft gerieten sie in Schuldknechtschaft, der Sklaverei ähnlich. Einigen kamen ihre Fähigkeiten als<br />

Spurenleser zugute. Als Fährtensucher halfen sie der Armee des Apartheid-Regimes in Südafrika,<br />

die Kämpfer der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO aufzuspüren. Diese Rolle wird ihnen<br />

in Namibia bis heute nachgetragen und als Rechtfertigung für ihre andauernde Benachteiligung<br />

benutzt, obwohl auch Angehörige anderer ethnischer Gruppen wie der Ovambo oder der Herero auf<br />

der Seite der weißen Südafrikaner standen. 23<br />

22 Hohmann, Thekla (2003): San and State: An Introduction. In: Thekla Hohmann (Hrsg.): San and the State: Contesting<br />

Land, Development, Identity and Representation. Köln: Rüdiger Köppe Verlag, S.3.<br />

23 Rakelmann, Georgia A.: Anpassungskünstler – Die Buschleute der Kalahari-Wüste. In: Evangelischer Entwicklungsdienst:<br />

Biopiraten in der Kalahari? – Wie indigene Völker <strong>um</strong> ihre Rechte kämpfen – die Erfahrung der San im südlichen Afrika.


2.3 Traditionelle Lebens- und Wirtschaftsweise der Ju/‘Hoansi<br />

Dieses Kapitel beschreibt unterschiedliche Aspekte des Alltags bei den Ju/‘Hoansi, wie sie bis vor<br />

ungefähr 50 Jahren waren. Wie unten beschrieben wird, besitzen die Ju/‘Hoansi eine sehr reiche<br />

Kultur, die von ihrem natürlichen Umfeld in großem Maße geprägt war. Obwohl manche Gebräuche<br />

und Rituale noch existieren, kann man sagen, dass die Lebensweise sich inzwischen z<strong>um</strong> großen<br />

Teil verändert hat. Politische und ökonomische Einflüsse von Bantu sprechenden Nachbarn sowie<br />

Kolonisten europäischer Abstammung haben dazu geführt, dass das kulturelle Selbstverständnis<br />

der Ju/‘Hoansi z<strong>um</strong> Teil gefährdet war bzw. ist.<br />

2.3.1 Lebensart, Familie und Erziehung<br />

Da die traditionelle Wirtschaftsform der Ju/‘Hoansi auf Jagen und Sammeln basierte, war ihre Lebenssituation<br />

von Mobilität geprägt. Als Nomaden besaßen sie keine festen Wohnungen oder gar<br />

Häuser, wie es hier in Deutschland üblich ist, denn sie wechselten häufig ihren Wohn-/Aufenthaltsort<br />

– in der Regenzeit z. B. wurde alle paar Wochen <strong>um</strong>gezogen. Innerhalb von einigen Stunden<br />

konnten Hütten aus <strong>um</strong>liegenden Blättern und Ästen geschaffen werden, die oft nicht mehr als einen<br />

Meter hoch waren. Darin schliefen ganze Familien zusammen. Durch das Nomadent<strong>um</strong> (Jägerund<br />

Sammlerkultur) war es nicht zu empfehlen, viele Gegenstände zu besitzen bzw. mitzutragen.<br />

Frauengegenstände z. B. waren eher pragmatisch; dazu gehörten nicht mehr als ein Mörser und ein<br />

Stößel (siehe SchatzKiste Nr. 11), Kochutensilien wie z. B. ein Feuerbohrset (ist mit im Pfeilköcher/<br />

siehe SchatzKiste Nr. 18), ein Grabstock (siehe SchatzKiste Nr. 14), Wassergefäße, z. B. Straußenei<br />

(siehe SchatzKiste Nr. 43 ), Kleidungsstücke (siehe SchatzKiste Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6), Schmuck (siehe<br />

SchatzKiste Nr. 24) und Utensilien für die Schmuckherstellung (Plattbeeren/siehe SchatzKiste Nr.<br />

39, Kameldorn-Akazie/siehe SchatzKiste Nr. 40, Stachelschweinborsten und Straußeneischalen/<br />

siehe SchatzKiste Nr.41 und 43), Puderdose (siehe SchatzKiste Nr. 25) und Tragebehältnisse (siehe<br />

SchatzKiste Nr. 26 und 28). Da die Männer traditionell eher zur Jagd gingen benötigten sie hierfür<br />

die entsprechenden Gegenstände, die leicht, praktisch und transportabel waren, wie Pfeil und Bogen<br />

samt Köcher (siehe SchatzKiste Nr. 17, 18), ein Messer (siehe SchatzKiste Nr. 15), das Multitalent<br />

Chop-Chop (siehe SchatzKiste Nr. 10), kleine und große Schlingen (siehe SchatzKiste Nr. 21 und 22),<br />

einen Lederbeutel oder eine Ledertasche (siehe SchatzKiste Nr. 26), eine Pfeife samt Tabakbeutel<br />

(siehe SchatzKiste Nr. 12, 13 und 23), Tiersehnen zur Herstellung von Schnüren (siehe SchatzKiste<br />

Nr. 29) und ein Knüppel (siehe SchatzKiste Nr. 19). Die traditionelle Kleidung der Männer ist dabei<br />

die Männerlederhose (siehe SchatzKiste Nr. 7 und 8). Nicht zuletzt gehören die Medizinpflanzen<br />

(eine kleine Auswahl siehe SchatzKiste Nr. 31, 32, 33, 35, 36, 37) mit z<strong>um</strong> Lebensalltag der<br />

Ju/‘Hoansi.<br />

31


32<br />

Chop-Chop (SchatzKiste Nr. 10), Mörser und Stößel (SchatzKiste Nr. 11); Pfeife (SchatzKiste Nr. 12)<br />

In der Trockensaison wohnten Gruppierungen von Ju/‘Hoansi zusammen bei Wasserlöchern in sogenannten<br />

„Camps“. Zu einem solchen Camp zählten 10–30 Personen, die aus Verwandten, Freunden<br />

oder angeheirateten Verwandten bestanden. Die Kernmitglieder eines Camps waren in der Regel<br />

Geschwister oder Cousinen, die als „Besitzer“ (k“ausi) der <strong>um</strong>liegenden Ressourcen (n!ore) galten.<br />

Die Zahl der Camp-Mitglieder war keineswegs fest determiniert, denn Knappheit der <strong>um</strong>liegenden<br />

Nahrungsressourcen, Besuche in/von anderen Camps sowie interne Konflikte führten dazu, dass<br />

bestimmte Camp-Mitglieder teilweise woanders lebten. Ein Camp konnte allerdings auch expandieren,<br />

denn es war nicht selten, dass, nachdem ein Mann eine Frau geheiratet hatte, seine Geschwister<br />

und ihre Ehegatten bzw. ihre Kinder monatelang im Camp seiner Braut mit einzogen. Wichtig war,<br />

dass gute Zusammenarbeit und Kohärenz herrschte, nicht eine feste Zahl von Menschen.


Verhalten innerhalb der Familie und Namensgebung<br />

Die Ju/‘Hoansi weisen eine etwas komplexere Namensgebung ihrer Verwandten auf. Ähnlich<br />

wie in Deutsch gibt es separate Namen für die unmittelbaren Familienmitglieder, allerdings<br />

wird ein Unterschied zwischen Geschwistern gemacht. Während ältere Geschwister jeweils<br />

einen separaten Name haben (z. B. ältere Schwester = !kwi; älterer Bruder = !ko), werden jüngere<br />

Brüder und Schwestern über einen Kamm geschoren, also nennt man beide einfach tsin.<br />

Alle Familienmitglieder gehören wieder<strong>um</strong> in eine von zwei Kategorien, nämlich in Scherzbeziehungen<br />

(k“ãi = „witzen“) oder in Meide-Beziehungen (kwa = „etwas befürchten“ oder „respektieren“).<br />

Scherzbeziehungen tauchen über verschiedene Generationen hinweg auf, z<strong>um</strong><br />

Beispiel zwischen einem Großvater und seiner Enkelin. In solchen Beziehungen herrscht ein<br />

entspanntes, liebevolles Verhältnis, in dem schlüpfrige Witze ausgetauscht werden dürfen.<br />

Demgegenüber sind Meide-Beziehungen von Respekt und Reserviertheit gekennzeichnet und<br />

finden innerhalb der ersten und zweiten Generationen statt. Lee deutet darauf hin, dass Meide-<br />

Beziehungen zwischen Eltern und ihren Kindern ein Zeichen der Autorität sind, die Eltern auf<br />

ihren Nachwuchs ausüben. 24<br />

Es soll nicht interpretiert werden, dass die Ju/‘Hoansi Eltern-Kind Beziehung streng ist, nur<br />

dass ein bestimmter Grad an Respekt gegenüber den Eltern bzw. Tanten und Onkeln in der<br />

Öffentlichkeit gezeigt werden muss.<br />

Um das ganze System komplizierter zu machen, besteht eine strikte – und enge – Namensauswahl<br />

unter den Ju/‘Hoansi, denn alle Namen sind von Verwandten der dritten Generation<br />

geerbt. In der Regel sollte der erste Sohn den Namen seines Großvater väterlicherseits bzw. die<br />

erste Tochter den Namen ihrer Großmutter väterlicherseits bekommen. Ein zweiter Sohn bzw.<br />

zweite Tochter bekommt den Namen seines Großvaters bzw. ihrer Großmutter mütterlicherseits.<br />

Eltern dürfen ihre Kinder allerdings keinesfalls nach sich benennen. Da die Ju/‘Hoansi<br />

bis vor kurzem keine Nachnamen hatten, gab es häufig mehrere Personen mit dem gleichen<br />

Namen. Um Verwechslungen zu vermeiden, wurden oft Spitznamen angehängt, die ein bestimmtes<br />

Charakteristik<strong>um</strong> einer Person beleuchten sollten. So werden z. B. „≠Toma kurz“ von<br />

„≠Toma Kleingesicht“ unterschieden. Wenn sich zwei Verwandte mit dem gleichen Name begegneten,<br />

musste die respektive Generation berücksichtigt werden, sodass alle älteren ≠Tomas mit<br />

der Bezeichnung !kun!a (älterer Name) und alle jüngeren ≠Tomas als !k<strong>um</strong>a (jüngerer Name)<br />

benannt wurden. Das Ereignis von geteilten Namen schafft sogar neue Dimensionen von Verwandtschaft,<br />

denn alle Menschen mit dem gleichen Namen wie z. B. derjenige, der den gleichen<br />

Namen seines eigenen Vaters hat, sollte man dann auch „Vater“ nennen und so weiter.<br />

Wie auch in anderen Kulturen der Welt haben die Ju/‘Hoansi Kleinkinder besonders viel Kontakt<br />

mit ihren Müttern innerhalb der ersten drei oder vier Jahre ihres Lebens. Eingewickelt und getragen<br />

in ihren Tragefellen (siehe SchatzKiste Nr. 3) begleiteten sie stets ihre Mütter beim Sammeln<br />

und allen anderen alltäglichen Aufgaben. Es ist keine Überraschung, dass die Ju/‘Hoansi Kinder<br />

relativ lange gestillt wurden: manche Kinder wurden erst mit drei oder vier Jahren abgestillt. Wurde<br />

eine Frau allerdings wieder schwanger, musste ihr Kleinkind, aufgrund des Glaubens dass die<br />

Muttermilch dem ungeborenen Kind gehört und schädlich für das ältere Kind sein könnte abgestillt<br />

24 Lee, Richard (1993): The Dobe Ju/’Hoansi. Fort Worth: Harcourt College Publishers (2.Ausgabe), S. 70.<br />

33


34<br />

werden. Die längere Stillzeit trug auch dazu bei, die Geburtsrate in einem Vierjahrestakt zu balancieren.<br />

Das Abstillen erfolgte nicht ohne Schwierigkeiten. Hierfür verwendeten die Frauen eine<br />

Paste aus der dcha-Wurzel (Lat.: Citrullus naudinianus) die sie auf ihre Brustwarzen auftrugen, in<br />

der Hoffnung, dass der bittere Geschmack ihr Kind nun vom Stillen abhalten würde. 25<br />

Tragefell (SchatzKiste Nr. 3)<br />

Obwohl Ju/‘Hoansi Männer als liebevolle, nachgiebige Väter gelten, wird erst später eine tiefere Beziehung<br />

zu ihren Kindern etabliert. Erst wenn ihre Kinder das fünfte oder sechste Lebensjahr erreichen,<br />

wird eine sinnvolle Beziehung geschaffen, besonders bei Söhnen, die ihren Vätern bei der Jagd<br />

helfen. Als Resultat der oben erwähnten Scherz- bzw. Meide-Beziehungen entsteht so eine enge Beziehung<br />

zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern, besonders wenn zwei Personen einen Namen<br />

teilen. Marjorie Shostak weist darauf hin, dass diese Beziehung immer wieder vertieft wird, denn<br />

ältere Menschen und Kinder beschäftigen sich eher wenig mit der Nahrungssuche und haben daher<br />

mehr Zeit, die sie miteinander verbringen können. In der Regel vertrauen Kinder ihren Großeltern<br />

sogar mehr als ihren Eltern: Geheimnisse und intime Gespräche finden also Platz zur Äußerung. 26<br />

Von einem sehr jungen Alter an lernten Ju/‘Hoansi Kinder das Teilen. Ihre Eltern dienten als Vorbild,<br />

da sie das gejagte Fleisch mit dem gesamten Camp teilten. Auch beim Spielen mit anderen<br />

Kindern wurde das Teilen gelernt. Es gab viel Spielzeit für Kinder, denn ihre Eltern hielten es für<br />

ineffizient, sie beim Jagen und Sammeln mitzunehmen, weil sie die längeren Fußmärsche ka<strong>um</strong><br />

durchhielten. Das Camp bot Kindern einen sicheren Spielplatz, wo es vertraute Menschen und keine<br />

gefährlichen Gegenstände gab (die mit Gift angestrichenen Pfeile wurden außer Reichweite der Kinder<br />

aufbewahrt). Die Spielkameraden eines Kindes waren wie viele Aspekte der Ju/‘Hoansi Kultur<br />

saisonal abhängig: z<strong>um</strong> Beispiel gab es in der Trockensaison, wenn mehrere Familien sich an permanenten<br />

Wasserquellen versammelten, eine große Spieltruppe. Das Spielverhalten war keineswegs<br />

Gender-definiert, d.h. es gab keine überwiegenden „Mädchenspiele“ oder Erwartungen an Jungen,<br />

„kämpferische Spiele“ durchzuführen. 27 In der Tat waren solche Spiele ka<strong>um</strong> konkurrenzbetont,<br />

denn die Ju/‘Hoansi-Verhaltensregeln vermeiden Hierarchien und egozentrisches Verhalten.<br />

25 Shostak, Marjorie (1983): Nisa: The Life and Words of a !Kung Woman. New York: Vintage, S. 45–46.<br />

26 Shostak, Marjorie (1983): Nisa: The Life and Words of a !Kung Woman. New York: Vintage, S. 50.<br />

27 Ebd. S. 107–108.


2.3.2 Traditionelle Wirtschaftsformen: Jagen und Sammeln<br />

Wenn man archäologische Funde der Region analysiert, ist klar, dass das Jagen und Sammeln seit<br />

Jahrtausenden die Hauptwirtschaftsform war. Lee berichtet, dass in der botswanischen Dobe-Region,<br />

z<strong>um</strong> Beispiel Steinwerkzeuge aus der Zeit 3000 v. Chr. gefunden wurden. 28 Das Bild von den<br />

Ju/‘Hoansi als ausdauernde Jäger und Sammler ist bis heute noch zu erfahren. In den allgemein<br />

verbreiteten Darstellungen von San sprechenden Gruppen (z. B. in dem Film: „Die Götter müssen<br />

verrückt sein“, der den Rassismus des Apartheid – Regimes thematisiert) wurde ihre Lebensweise<br />

des Jagen und Sammelns betont. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass weniger als 5 %<br />

dieser Gruppen im 20. Jahrhundert noch ausschließlich von dieser Art der Nahrungsbeschaffung<br />

lebten.<br />

Die Lebensweise sowie die Nahrungsbeschaffung der San sind unter anderem durch die extremen<br />

klimatischen Verhältnisse (Regen- und Trockenzeiten) geprägt. So müssen sie mit Wasserknappheit<br />

und unregelmäßiger Vegetation leben. 29 Anhand von zwei San-Gruppen sollen beispielhaft zwei<br />

verschiedene Wirtschaftweisen aufgezeigt werden.<br />

Die Dobe Region, in der die Ju/‘Hoansi leben, ist reich an Pflanzenarten und permanenten Wasserbeständen.<br />

In der Trockenzeit werden die permanenten Wasserlöcher mit anderen Gruppen geteilt.<br />

Während der Regenzeit versuchen einige Ju/‘Hoansi ihren Standort zu wechseln, <strong>um</strong> weitere<br />

Wasserstellen zu finden oder sich mit Regenwasser aus Becken und Ba<strong>um</strong>stämmen zu versorgen. 30<br />

Obwohl Fleisch in der Kultur der Ju/‘Hoansi sehr geschätzt wird, sind sie in erster Linie auf pflanzliche<br />

Nahrung angewiesen, denn im Vergleich zu Wildtieren, sind die Pflanzenvorkommnisse eine<br />

verlässlichere und üppigere Nahrungsquelle. So besteht ihre Grundnahrung primär aus Früchten,<br />

Beeren, Wurzeln und anderen essbaren Pflanzen.<br />

Innerhalb dieser Kerngruppe hat jeder freien Zugang zu den Ressourcen des n!ore. Um Trockenzeiten<br />

zu überstehen wird ein n!ore auch von anderen Gruppen, auf der Suche nach Ressourcen,<br />

besucht. Wenn eine Nachbargruppe ihr Lager in dem n!ore aufschlagen will, muss sie die jeweilige<br />

Gruppe <strong>um</strong> Erlaubnis fragen. In der Regel wird eine solche Bitte jedoch nicht abgewiesen, denn das<br />

System beruht auf Gegenseitigkeit und garantiert, dass jeder Zugang zu den n!oresi hat.<br />

Die Ju/‘Hoansi sind nach Richard Lees Beschreibung hervorragende BotanikerInnen und NaturalistenInnen,<br />

mit einem sehr feinen Verständnis ihrer natürlichen Umgebung. Nach Lees Beschreibung<br />

kennen sie über 200 Pflanzenarten, von denen ein Großteil auch verzehrt wird. 31 Ein sehr beliebtes<br />

Nahrungsmittel ist die Mongongonuss von dem Mongongoba<strong>um</strong>, dessen Ba<strong>um</strong>stamm während der<br />

Regenzeit auch viele Liter Wasser auffängt. 32<br />

28 Lee, Richard (1993): The Dobe Ju/’Hoansi. Fort Worth: Harcourt College Publishers (2.Ausgabe), S. 18–19.<br />

29 Yellen, John E. / Lee, Richard B. (1976): The Dobe-/Du/da Environment. Background to a Hunting and Gathering Way of<br />

Life. In: Richard B. Lee / Irven DeVore (Hrsg.): Kalahari Hunters-Gatherers. Studies of the !Kung San and Their Neighbours.<br />

Cambridge: Harvard University Press, S. 42.<br />

30 Barnard, Alan (1992): Hunters and Herders of South Africa. A comparative ethnography of the Khoisan peoples. Cambridge:<br />

Cambridge University Press, S. 43 f.<br />

31 Ebd.<br />

32 Yellen, John E. (1977): Archaeological Approaches to the Present: Models for Reconstructing the Past. New York: Academic<br />

Press, S.55.<br />

35


36<br />

Im Gegensatz zu der Dobe Region leben die #Kade San in der zentralen Kalahari in einer sehr trockenen<br />

Gegend, in der Wasser eine sehr knappe Ressource ist. Mehr als 90 % der Wasserversorgung<br />

gewinnen die #Kade durch Pflanzen, wenn Wasserlöcher und Regenwasserauffangbecken keine Alternative<br />

bieten. Auch die #Kade ernähren sich hauptsächlich von Pflanzen und Früchten. Fleisch<br />

wird nur als sekundäres Lebensmittel verwendet. 33<br />

Obwohl es nicht festgeschrieben ist, gibt es eine geschlechtsspezifische Arbeitstrennung: Männer<br />

jagen und Frauen sammeln. Kinder, Jugendliche und ältere Menschen sind eher wenig mit der<br />

Nahrungssuche beschäftigt. Als Sammlerinnen beschaff(t)en Frauen bis zu 80 % der Nahrung, die<br />

Früchte, Beeren, essbare Blätter und Wurzeln <strong>um</strong>fasst(e). Es wird behauptet, dass Frauen bis zu 105<br />

verschiedene Spezies von Wildpflanzen kennen und nutzen, dazu zählen 14 Früchte und Nüsse, 15<br />

Beeren, 18 Spezies von essbarem Pflanzeng<strong>um</strong>mi, 41 essbare Spezies von Wurzeln und Knollen, und<br />

17 Blätter, Bohnen und Melonen. 34 Auch werden Honig und kleine Säugetiere von Frauen gesammelt<br />

bzw. gejagt. Insgesamt liefen Frauen bis zu 20 Kilometer und verwendeten bis zu 20 Stunden pro<br />

Woche fürs Sammeln. Hierbei ist der Grabstock (siehe SchatzKiste Nr. 14) das wichtigste Instr<strong>um</strong>ent,<br />

<strong>um</strong> Knollen und Wurzeln aus der Erde zu befreien. Der Grabstock dient auch bei der Jagd<br />

als Speer und als Schaufel, denn die vorne angespitzte und abgeflachte Form des Stocks hilft dabei,<br />

Gräber zu graben.<br />

Die Mongongonuss<br />

(Lat.: Ricinodendron rautanenii; Ju: //xa; Herero: mangetti)<br />

Diese sehr geschätzte (und weitverbreitete) Nuss macht mehr als die Hälfte der pflanzlichen Ernährung<br />

der Ju/‘Hoansi aus und wird sowohl wegen ihres süßen Fleisches als auch wegen ihres<br />

schmackhaften Kerns gesammelt. Die Nuss ist reich an Vitamin E und Eiweiß und lässt sich<br />

selbst während der Trockenperiode gut sammeln. In früheren Zeiten wurden Steine benutzt,<br />

<strong>um</strong> den Kern von der Schale zu befreien – nun werden die Nüsse in heißem Wasser gekocht, bis<br />

die Schale samt Fleisch von alleine abgeht.<br />

Die Männer sind, wie bereits erwähnt, für das Jagen zuständig. Allein oder zu zweit gehen die San<br />

Männer von Sonnenaufgang bis z<strong>um</strong> Sonnenuntergang in den Busch auf der Suche nach Wild. Dabei<br />

werden Huftiere wie die Kuduantilope, das Gnu und der Spießbock, aber auch die Giraffe, die Elenantilope,<br />

und die Kuhantilope bevorzugt gejagt. Früher wurden diese Tiere hauptsächlich mit Pfeil<br />

und Bogen gejagt (siehe SchatzKiste Nr. 17 und 18). Wichtig dabei war das Pfeilgift, dass von der<br />

Larve des Blattkäfers (siehe Beschreibung in der SchatzKiste unter Nr. 18) (Lat.: Diamhidia nigroornata;<br />

Ju:n/hodi) gewonnen und mit Saft des Büffeldorn-Ba<strong>um</strong>s (Lat.: Ziziphus mucronata) und der<br />

Giftbohne (siehe SchatzKiste Nr. 30) vermischt wurde. Der Giftpfeil musste nur in den Blutkreislauf<br />

des Tieres eindringen, <strong>um</strong> es dann innerhalb von 6–24 Stunden verenden zu lassen. Die San sind<br />

daher auch Meister im Spurenlesen, denn sie verfolgen das kranke Tier erst nach einigen Stunden<br />

und können die Fährte des erkrankten Tieres wieder finden und über Stunden zielgenau verfolgen.<br />

33 Tanaka, Jiro (1976): Subsistence Ecology of Kalahari San. In: Richard B. Lee, Irven De Vore (Hrsg.): Kalahari Hunter-Gatherers.<br />

Studies of the !Kung San and Their Neighbours. Cambridge: Harvard University Press, S. 99 ff.<br />

34 Lee, Richard (1993): The Dobe Ju/’Hoansi. Fort Worth: Harcourt College Publishers (2.Ausgabe), S. 42.


Auch war früher die Hetzjagd der Tiere weit verbreitet, in der die San-Jäger das Tier in der größten<br />

Hitze über Stunden im Laufschritt verfolgten, bis dieses vor Erschöpfung stehen blieb und dann mit<br />

dem Speer erlegt werden konnte (der Film „The Grate Dance“ gibt hierzu tiefe Einblicke in diese Art<br />

zu jagen, die auch durch spezielle Rituale unterstützt wurde). Andere wichtige Instr<strong>um</strong>ente beim<br />

Jagen sind Speere, unterschiedliche Schlingen für den Fang von z. B. Perlhühnern (siehe Schatz-<br />

Kiste Nr. 21, 22 und 42) und ein 2.5 m langer, Pfahl an dessen Ende ein Eisenhaken befestigt wird,<br />

der dazu dient, Springhasen aus ihren Erdlöchern zu fangen. Heutzutage verwenden die San-Jäger<br />

auch Gewehre auf der Jagd. Es gab <strong>um</strong> die Jagd her<strong>um</strong> viele Rituale und Tänze, <strong>um</strong> in Trance zu<br />

gelangen und durch die dabei entstehenden Trä<strong>um</strong>e den Aufenthaltsort von den zu jagenden Tieren<br />

zu erfahren. Auch gab es sogenannte „magische Apparate und Weissagungs-Scheiben“, die ebenfalls<br />

den Aufenthaltsort von Tieren vorhersagen sollten. Diese nicht-materiellen Apparate bestätigten<br />

dem Jäger, dass es jenseitige Kräfte sind, die bei der Jagd mithelfen. 35<br />

Pfeil und Bogen (SchatzKiste Nr. 17)<br />

Nicht jeder Jagd-Tag war ein Erfolg, aber wenn Fleisch nach Hause gebracht wurde, war es immer<br />

ein Grund für viel Aufregung – nach der erfolgreichen Jagd wurde die Jagdgeschichte in allen Einzelheiten<br />

lebhaft erzählt oder in Tänzen dargestellt. Der erfolgreiche Jäger selbst darf allerdings<br />

keinen Stolz bei der Rückkehr in das Dorf zeigen, denn Bescheidenheit und Gelassenheit nach einer<br />

erfolgreichen Jagd sind wichtige Tugenden und gelten letztendlich als Schlüsselfaktoren der egalitären<br />

Gesellschaft der Ju/‘Hoansi. Auch beim Fleisch-Verteilen im Camp gibt es bestimmte vorgeschriebene<br />

Regeln, die beachtet werden müssen. Die Größe der Portionen hängt nicht nur von der<br />

Nähe der Verwandtschaft ab, sondern auch von der Mitbeteiligung bei der Jagd. Hier spielt der erfolgreich<br />

abgeschossene Pfeil eine bedeutende Rolle: Denn demjenigen/derjenigen, der/die den Pfeil<br />

hergestellt hat gehört auch das erbeutete Fleisch und darf dieses unter der Gruppe verteilen. Dabei<br />

ist ein gewisser Grad an Voraussicht gefragt, denn der/die Fleischverteiler/in muss das Fleisch so<br />

verteilen, dass keine/r sich benachteiligt fühlt. Das meiste Fleisch wird sofort gegessen; was übrig<br />

bleibt, wird getrocknet und für die Trockensaison aufbewahrt. Der durchschnittliche Jäger erlegt<br />

zwischen 80 und 120 Großtiere in seinem Leben und Hunderte von Kleintieren. 36<br />

35 Shostak, Marjorie (1983): Nisa: The Life and Words of a !Kung Woman. New York: Vintage, S. 83–85.<br />

36 Ebd. S. 85–86.<br />

37


38<br />

Fährtenlesen & Jagdtechnik<br />

Obwohl sich das Jagen im Vergleich z<strong>um</strong> Sammeln und im Verhältnis zu dem verbundenen<br />

Energieaufwand eher weniger lohnt, ist es dennoch ein wichtiger Bestandteil in der Kultur der<br />

San. Die San sind ausgezeichnete Jäger, die viel Zeit und Anstrengung aufwenden, die Tiere aufzuspüren<br />

und zu verfolgen. Es wird sogar gesagt, dass die Ju/‘Hoansi eine Person allein anhand<br />

ihres Fußabdrucks im Sand identifizieren können. Durch die Weitergabe des Jagdwissens von<br />

Generation zu Generation und lebenslanger Erfahrung ist es den San möglich, aus den Spuren<br />

eines Tieres wichtige Informationen zu lesen. So können sie das Geschlecht, das Alter sowie den<br />

gesundheitlichen Zustand des Tieres aus den Spuren ableiten. Ebenso können sie erkennen, in<br />

welchem Tempo sich ein Tier fortbewegt. Ein krankes oder in körperlichen Bewegungen eingeschränktes<br />

Tier erkennt man, indem z. B. eine Spur etwas tiefer ist als die andere oder wenn der<br />

Abdruck etwas schief ist. Mit den Informationen, die Jäger aus den Spuren lesen können, wird<br />

entschieden, ob es sich lohnt, einem solchen Tier zu folgen oder nicht.<br />

Grundsätzlich besteht die Jagd aus drei Schritten: die Vorbereitung der Jagd, das Jagen und das<br />

Erlegen und Schlachten der Beute, wobei der Jagdprozess je nach Technik variieren kann. Unterschieden<br />

wird zwischen dem Aufstellen von Fallen und der mobilen Jagd, durch die das meiste<br />

Wild erlegt werden kann. Die Jagd mit vergifteten Pfeilen ist eine der bekanntesten Jagdweisen<br />

der San und gleichzeitig auch eine sehr anstrengende Methode. In voller Jagdausrüstung<br />

sind die Jäger oftmals bis zu 10 Stunden am Tag unterwegs. 37<br />

Egal ob mit Pfeilen oder Waffen gejagt wird, es ist wichtig zu erwähnen, dass das ganze Tier zur Nutzung<br />

kommt: Knochenmark wird vom Knochen und den Hufen extrahiert, Felle verwandeln sich in<br />

Decken und sogar die Schwänze bestimmter Tiere finden als Instr<strong>um</strong>entenzange oder Armbänder<br />

neue Funktionen.<br />

Dank ihres n!ore Systems waren die kleinen und flexiblen Gruppen (etwa 40 -50 Menschen) in der<br />

Lage trotz der feindlichen Klimaverhältnisse die Trockenmonate zu überleben. N!oresi (Plural für<br />

n!ore) bedeutet übersetzt „der Ort, dem du gehörst“ oder „der Ort, der dir Nahrung und Wasser<br />

gibt“. Er bezieht sich auf ein vage definiertes Stück Land, auf dem es ein Wasserloch und essbare<br />

Pflanzen gibt und dem eine Gruppe von Besitzern (k‘‘ausi) zugeordnet wird. Der Besitz wird über<br />

die väterliche oder mütterliche Linie von einer Generation an die nächste weitergegeben. 38<br />

Es sei hier darauf hingewiesen, dass die Ju/‘Hoansi – Bedeutung des Wortes „Besitz“, nicht mit<br />

dem westlichen Verständnis des Begriffes gleichzusetzen ist, der mit einschließt, dass etwas das<br />

Eigent<strong>um</strong> einer Person ist. Im Verständnis der Ju/‘Hoansi bezieht sich „Besitz“ nicht auf eine einzelne<br />

Person, sondern immer auf eine Gruppe von Menschen. Wenn man z<strong>um</strong> Beispiel auf einem<br />

n!ore einer anderen Gruppe sein Lager aufschlagen oder die Ressourcen des Ortes nutzen wollte,<br />

musste man die Gruppe des n!ores <strong>um</strong> Erlaubnis bitten. In Trockenperioden oder wenn die Res-<br />

37 Lee, Richard B. (1979): The !Kung San. Men, Women, and Work in a Foraging Society. Cambridge: Cambridge University<br />

Press; S. 112ff.<br />

38 Bisele, Megan. (1990): Shaken Roots: The Bushmen of Namibia, S. 1. Marshalltown, South Africa: EDA Publications; Lee,<br />

Richard. 1979. The !Kung San: Men, Women, and Work in a Foraging Society. Cambridge: Cambridge University Press,<br />

S. 334.


sourcen einer bestimmten Region erschöpft sind, kann so Nahrungssicherheit geschaffen werden. 39<br />

Die egalitäre Einstellung der Ju/‘Hoansi z<strong>um</strong> Land und ihr System der Gegenseitigkeit sind wichtige<br />

Charakteristika ihrer Kultur, die ihnen vor allem aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

existenzielle Schwierigkeiten einbrachten.<br />

Auch der Zugang zu Wasser bestimmte wann und wohin die Ju/‘Hoansi sich bei der Jagd hinbewegten,<br />

denn da wo Wasser zur Verfügung steht, ist auch das Großwild anzutreffen.<br />

2.3.3 Feste, Tänze, Musik und Rituale<br />

Wenn man berücksichtigt, dass das Jagen und Sammeln die Ju/‘Hoansi nur zwei bis drei Tage in<br />

der Woche beschäftigte und die alltäglichen Aufgaben wie Kochen, Aufrä<strong>um</strong>en oder Reparieren von<br />

Gegenständen erledigt waren, hatten sie Freizeit, die sie sehr facettenreich verbrachten. Die Freizeit<br />

ist für sie bzw. für die Pflege ihrer sozialen Kontakte sehr wichtig. In dieser Zeit komponierten sie<br />

Lieder, spielten Instr<strong>um</strong>ent wie die sogenannte Buschmanngitarre (siehe SchatzKiste Nr. 16) oder<br />

das Da<strong>um</strong>enklavier (siehe SchatzKiste Nr. 20), erzählten sich Geschichten, über die auch altes Wissen<br />

transportiert wurde, stellten Schmuck (siehe SchatzKiste Nr. 24) oder Kleidungsstücke (siehe<br />

SchatzKiste Nr. 1, 2, 5, 6, 7, 8) bzw. andere Alltagsgegenstände her und lehrten den jüngeren Mitgliedern<br />

dadurch verschiedene Techniken, die sie dafür benötigten. Oft wurden die Kleidungsstücke<br />

mit einem roten Pulver eingefärbt (siehe SchatzKiste Nr. 9). Ein ganz wichtiger Bereich war oder ist<br />

immer noch das gemeinsame Spielen von Spielen. Nicht zuletzt stellen die Männer in ihrer Freizeit<br />

auch den sogenannten Liebesbogen (siehe SchatzKiste Nr. 27) für das Werben <strong>um</strong> eine Frau her.<br />

Buschmanngittare, Da<strong>um</strong>enklavier (Schatzkiste Nr. 16)<br />

Ein zentrales kulturelles Ereignis unter den Ju/‘Hoansi ist der sogenannte Trancetanz („trance<br />

dance“), dessen Ziel es ist, Krankheiten von einzelnen Menschen zu heilen. Durch das rhythmische<br />

Klatschen, Singen und Tanzen der Gruppe fällt der Trancetänzer durch sein schnelles Tanzen innerhalb<br />

des durch die Gruppe vorgegebenen Rhythmus in Trance und kommuniziert in der „Anders<strong>welt</strong>“<br />

mit den Geistern und bittet <strong>um</strong> Heilung. Der Trancetanz ist tief verwurzelt in der Kultur der<br />

39 Lee, Richard. (1993): The Dobe Ju/’Hoansi. Fort Worth: Harcourt College Publishers (2.Ausgabe), S. 93.<br />

39


40<br />

Ju/‘Hoansi, schon uralte Felsmalereien weisen auf diesen Tanz hin.<br />

Laut Shostak wird der erste Jagderfolg eines Jungen in der Gesellschaft groß gefeiert. Genauer gesagt,<br />

wenn ein junger Mann im Alter zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren sein erstes Groß-Tier<br />

erlegt, wird dieses Ereignis als ein besonderer Meilenstein in seinem Leben hervorgehoben. Dabei<br />

werden für ein weibliches oder männliches Tier, das erlegt wurde, unterschiedliche Zeremonien<br />

gefeiert. Dadurch soll ein erfolgreiches und dauerhaftes Jagen in der Zukunft gesichert werden.<br />

Während der Zeremonie werden kleine Tätowierungen und Kratzer am Körper des jungen Jägers<br />

angebracht.<br />

Erst jetzt wird der junge Mann in seiner Gesellschaft als heiratsfähig wahrgenommen. In der Tat<br />

kann es allerdings bis zu zehn Jahre dauern, bevor dies stattfindet. Die Zeit dazwischen ist der Erweiterung<br />

von Jagdwissen und -fähigkeiten gewidmet. 40<br />

2.3.4 Kunsthandwerk<br />

Die Herstellung von Schmuckstücken (siehe SchatzKiste Nr. 24) wird von den Frauen übernommen.<br />

Hierzu werden Perlen aus verschiedenen Materialien auf ein Band aufgezogen. Dabei ist es der<br />

Kreativität der Frauen überlassen, in welcher Weise sie die Perlen aufziehen, <strong>um</strong> ein bestimmtes<br />

Muster zu erhalten. Die verschiedenen Perlen werden aus: Straußenei (siehe SchatzKiste Nr. 43),<br />

Oryxhorn, der Saat der Kameldornen-Akazie (Lat.: Acacia erioloba, Ju. /’Ana, siehe SchatzKiste Nr.<br />

40), Stachelschweinborsten (auch als Kettenverschluss, siehe SchatzKiste Nr. 41), Plattbeeren (Lat.:<br />

Ozoroa paniculosa, Ju. N#hang, siehe SchatzKiste Nr. 39), Ästen einer Plattbeere, aus getrockneten<br />

Früchten wie beispielsweise „wildem Flieder“ (Farbe hellbraun) hergestellt. Die Holzstäbchenperlen<br />

sind aus dem Holz des Tamboti-Ba<strong>um</strong>s (Lat.: Spirostachys africana, Ju. Kxauhi).<br />

Die Perlen aus dem Straußenei werden aus kleinen Stücken eines Straußeneis mit einem Stein rund<br />

geschlagen und mit einem Loch in der Mitte, durch einen speziellen Bohrer (siehe SchatzKiste Nr.<br />

44) versehen. Die Perlen werden nicht nur in ihrer weißen natürlichen Farbe für die Schmuckherstellung<br />

verwendet, sondern auch frittiert bzw. gebrannt, <strong>um</strong> eine braune oder schwarze Färbung<br />

zu erhalten.<br />

40 Shostak, Marjorie (1983): Nisa: The Life and Words of a !Kung Woman. New York: Vintage, S. 84.<br />

Schmuck (SchatzKiste Nr. 24)


2.4 Aktuelle Situation der Ju/‘Hoansi<br />

2.4.1 Landkonflikte<br />

Seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts waren die Ju/‘Honasi der Nyae Nyae Region starken<br />

Veränderungen ausgesetzt. Dies betraf vor allem den Zugang zu Land. Darüber hinaus muss betont<br />

werden, dass alle San- Gruppen – wie alle anderen ethnischen Gruppen in Namibia und Südafrika<br />

auch – den rassistischen Gesetzen des Apartheid-Regimes unterworfen wurden.<br />

Landkonflikte während der Apartheid<br />

In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts drangen europäische Farmer und von Viehhaltung lebende<br />

Hereros, Tswana und Kavango in die Region ein. Die Eindringlinge bedienten sich u.a. des sogenannten<br />

Blackbirding, d. h. einzelne Personen oder ganze Familien gewaltsam zu entführen und als<br />

Arbeitssklaven auf der Farm zu halten. Dies hatte massive Auswirkungen auf die Sozialstrukturen<br />

und führte zu einem Mangel an Arbeitskräften in den Ju/‘Hoansi Gemeinschaften. 41 Mit dem Versprechen<br />

auf Arbeit, landwirtschaftliche Ausbildung, Essensrationen und Zugang zu medizinischer<br />

Versorgung lockte die Regierung viele Ju/‘Hoansi, sich in der „Hauptstadt“ Ts<strong>um</strong>kwe, die offiziell<br />

1959 gegründet wurde, niederzulassen. Die Annehmlichkeiten der Stadt Ts<strong>um</strong>kwe hatten allerdings<br />

verheerende Auswirkungen auf die Traditionen und Gebräuche der Ju/‘Hoansi: Hohe Arbeitslosigkeit,<br />

der einfache Zugang zu Alkohol und die Konfrontation mit neuen Krankheiten führten zu einer<br />

Reihe von wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Problemen. Der Schwund von pflanzlicher<br />

Nahrung und Jagdwild im Umkreis von Ts<strong>um</strong>kwe führte zu einer drastischen Abnahme des<br />

Jagens und Sammelns und zu einer generellen Unterernährung. Als Resultat der Abhängigkeit von<br />

Ernährungsrationen der Regierung ging das System der Gegenseitigkeit verloren. Die Menschen<br />

waren nicht mehr in der Lage, die Ressourcen, die sie für sich erschlossen hatten, zu teilen. 42<br />

Einen weiteren Einfluss übte die Einführung der Geldwirtschaft auf die örtlichen Gebräuche aus.<br />

Gordon und Douglas geben z. B. an, dass im Laden gekaufte Waren den Brautdienst als Legitimation<br />

einer Heirat zu ersetzen begannen. 43 Dieser Brautdienst war Arbeit, die als Brautpreis erbracht<br />

wurde. Es wurden Gegenstände als Brautpreis nun mit Geld gekauft was es früher nicht gab. Früher<br />

wurden Gegenstände, die wichtig waren, selber hergestellt – auch als Brautpreis. Höhere Todesraten,<br />

soziale Spannungen, Armut, Apathie und Unterernährung bestimmten zunehmend das Leben<br />

in Ts<strong>um</strong>kwe und führten dazu, dass die Ju/‘Hoansi Ts<strong>um</strong>kwe bald den Ort des Todes nannten. 44<br />

1970 wurden die Empfehlungen der Odendaal Kommission, in die Tat <strong>um</strong>gesetzt und der Plan<br />

für ‚divided development‘ (getrennte Entwicklung) im Sinne der Apartheidspolitik trat in Kraft.<br />

So wurden die sogenannten Homelands für die Ju/‘Hoansi geschaffen. Sie wurden West- und Ost-<br />

41 Hitchcock, Robert (1996): Kalahari Communities: Bushmen and the Politics of the Environment in Southern Africa.<br />

International Work Group for Indigenous Affairs Doc<strong>um</strong>ent no. 79. Copenhagen, IWIGA, S. 48.<br />

42 Ebd. S. 50.<br />

43 Gordon, Robert / Stuart Sholto Douglas (2000): The Bushman Myth: The Making of a Namibian Underclass (2. Ausgabe).<br />

Boulder: Westview, S. 176.<br />

44 Hitchcock, Robert (1996): Kalahari Communities: Bushmen and the Politics of the Environment in Southern Africa. International<br />

Work Group for Indigenous Affairs Doc<strong>um</strong>ent no. 79. Copenhagen, IWIGA, S. 50. Bisele, Megan (1990): Shaken<br />

Roots: The Bushmen of Namibia. Marshalltown, South Africa: EDA Publications, S. 7.<br />

41


42<br />

Buschmannland genannt. Ironischerweise hatte die Gründung der Homelands einen schweren Verlust<br />

an traditionellen n!oresi der Ju/‘Hoansi zur Folge. 40.000 km² mussten die Ju/‘Hoansi den<br />

Herero und Kavango abtreten und ein weiteres Stück Land wurde dem Kaud<strong>um</strong> (!Aodom) Wildtier<br />

Reservat zugeteilt. Für die Menschen in der Nyae Nyae Region bedeutete das einen Verlust von 90 %<br />

ihrer traditionellen n!oresi und ein Verlust aller dauerhaften Wasserlöcher – bis auf ein Einziges. 45<br />

Zwischen Vieh haltenden Nachbarn und dem Wildtier-Reservat eingesperrt zu sein, hat die traditionelle<br />

Lebensweise weiter zerstört und führte zu einer Abwärtsspirale in den kulturellen Verfall. Die<br />

wachsende Abhängigkeit von Menschen mit Geld führte dazu, dass das System der Gegenseitigkeit<br />

weiter verfiel. Dies verwandelte die zuvor egalitäre Gesellschaft in eine hierarchische Gesellschaft.<br />

Eine weitere Verschlechterung ergab sich aus der Tatsache, dass das Buschmannland 1977 unter<br />

Naturschutz gestellt wurde. Dies bedeutete, dass die Ju/‘Hoansi bestimmte Tiere wie z. B. Giraffen<br />

und Pferde-Antilopen nicht mehr jagen durften. Auch wurde ihnen jetzt die Jagd zu Pferd mit<br />

Speeren untersagt. Diese Naturschutz-Bestimmungen hatten zur Folge, dass die Subsistenz-Jagd<br />

der Ju/‘Hoansi innerhalb zweier Jahrzehnte vollständig z<strong>um</strong> Erliegen kam und auch die Jagdtechniken<br />

völlig in Vergessenheit gerieten. Gegen Ende der 70er Jahre lebten ka<strong>um</strong> noch Ju/‘Hoansi auf<br />

ihren n!oresi. 46 Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Politik einen negativen Effekt auf<br />

das traditionelle Selbstbild der Männer als Jäger hatte. Dass sie ihre traditionelle Rolle als Jäger<br />

nicht mehr wahrnehmen konnten, wurde aller Wahrscheinlichkeit nach als Ernüchterung und großer<br />

Verlust empfunden.<br />

Eine weitere Maßnahme der südafrikanischen Kolonialverwaltung, die letztendlich die völlige Zerstörung<br />

der Ju/‘Hoansi Kultur bewirkte, war, dass junge San-Männer in die Südafrikanische Armee<br />

(South Africa Defence Force: SADF) eingezogen und im Kampf gegen die SWAPO (South West African<br />

People’s Organisation) eingesetzt wurden. Im Vergleich zu den Khoe und Vaskale San wurden<br />

die Ju/‘Hoansi erst relativ spät in diesen Krieg hineingezogen. Zunächst bediente sich das Militär<br />

vor allem ihrer guten Kenntnisse im Gelände und setze sie als Fährtenleser entlang der Grenze zu<br />

Botswana ein. Aber 1978 gründete die SADF das 203, das Buschmann-Bataillon, mit Ts<strong>um</strong>kwe als<br />

Hauptquartier. Bereits 1985 waren etwa 150 (etwa 40 % der männlichen Bevölkerung des Buschmannlandes)<br />

mit Geldprämien in die Armee gelockt worden. 47<br />

Den Sold, den sie bekamen und die Abhängigkeit von den Essenszuschlägen und anderen Sach- und<br />

Dienstleistungen der SADF garantierte, dass die Männer und ihre Angehörigen sesshaft blieben,<br />

was sie weiter von ihren vor-kolonialen Lebensweisen entfremdete. 48 Ein Aspekt, der nähere Betrachtung<br />

verdient, ist, wie die Tätigkeit der Männer in der SADF den Status der Frauen in der<br />

Ju/‘Hoansi Gemeinschaft radikal veränderte. Die Tatsache, dass auch Frauen n!oresi erben konn-<br />

45 Bisele, Megan (1990): Shaken Roots: The Bushmen of Namibia. Marshalltown, South Africa: EDA Publications, S. 1.<br />

46 Ritchie, Claire (1986): From Foragers to Farmers: The Ju/wasi of Nyae Nyae Thirty Years On. In: M. Biesele / R. Gordon /<br />

R. Lee (Hrsg.): The Past and Future of !Kung Ethnography: Critical Reflections and Symbolic Perspectives Essays in Honour<br />

of Lorna Marshall. (Quellen zur Khoisan Forschung 4). Hamburg: Helmut Buske Verlag, S. 313.<br />

47 Lee, Richard (1985): Foragers and the State: Government Policies Toward the San in Namibia and Botswana. In: C. Schrire /<br />

R. Gordon (Hrsg.): The Future of Former Foragers in Australia and Southern Africa. Cambridge, MA: Cultural Survival,<br />

S. 39.<br />

48 Hitchcock, Robert (1996): Kalahari Communities: Bushmen and the Politics of the Environment in Southern Africa.<br />

International Work Group for Indigenous Affairs Doc<strong>um</strong>ent no. 79. Copenhagen, IWIGA, S. 51.


ten, ist ein Beleg für die zuvor gendergerechten Sozialstrukturen. Darüber hinaus hatten Frauen<br />

durch ihre Rolle als Nahrungs-Beschaffende einen hohen Status und Einfluss in den Gemeinschaften.<br />

Diese Strukturen wurden nun dadurch beschädigt, dass die Frauen für das tägliche Überleben<br />

von den Gehaltschecks der Männer abhingen. 49 Dazu kam, dass mit der Einführung des Geldes<br />

auch der Alkoholismus in der Region Ts<strong>um</strong>kwe deutlich zunahm und damit eine Zunahme häuslicher<br />

Gewalt gegen Frauen einherging. 50<br />

Den Ju/‘Hoansi, ihrer traditionellen Daseinswege beraubt, wurde nun im Rahmen internationaler<br />

Entwicklungshilfe „Hilfe zur Selbsthilfe“ angeboten. Mit Hilfe von Cattle Funds („Viehfonds“) sollte<br />

den Menschen geholfen werden, landwirtschaftliche Gemeinschaften für eine Subsistenzwirtschaft<br />

aufzubauen und sich zu organisieren, <strong>um</strong> in dem, was von Ost-Buschmannland noch irgendwie<br />

übrig war, zu überleben. 51 Über die Reaktionen der südafrikanischen Verwaltung gegenüber dem<br />

Cattle Fund ist in der Literatur nichts zu finden. Aber es ist zu vermuten, dass sie die Bestrebungen<br />

ignorierte, da sie den Plänen der Regierung, die Ju/‘Hoansi zu „zähmen“ – z. B. Tierhaltung als Ersatz<br />

für das Jagen und Sammeln einzuführen – zuwider liefen.<br />

Die Pläne des Cattle Fund zur Dezentralisierung, die vermutlich die Dynamik der Nyae Nyae Farmers<br />

Cooperative („Farmer-Kooperative von Nyae Nyae“) ein paar Jahre später auslösten, waren allerdings<br />

nicht ohne Probleme. Natürliche Hindernisse waren z. B. die Löwen, die den Herden auflauerten,<br />

Elefanten, die wiederholt die Dornenbusch<strong>um</strong>zäunungen und Wasserp<strong>um</strong>pen zerstörten und<br />

Termiten, die die Holzhäuser auffraßen. Auch der Zugang zu Wasser war ein Thema. In manchen<br />

Gegenden gab es keine Bohrlöcher, in anderen verbot die Verwaltung von Namibia den Ju/‘Hoansi<br />

neue P<strong>um</strong>pen zu bauen oder schon bestehende zu reparieren. Trotzdem erzielte der Cattle Fund<br />

einige Erfolge. Claire Ritchie berichtete von den neu gegründeten Cattle Posts („Viehhaltungsposten“),<br />

dass die Menschen Milchprodukte aßen und zunehmend wieder jagten und sammelten. 52<br />

Auch wenn der erste Versuch, die Menschen in der Nyae Nyae Region politisch zu mobilisieren von<br />

natürlichen und administrativen Beschränkungen erschwert wurde, half er ihnen doch, zu ihren<br />

n!oresi zurückzukehren und weckte bei ihnen wieder die Vorstellungen von ihrem eigenen Land.<br />

Dies sollte ihnen später in ihrem Kampf <strong>um</strong> Landrechte auf der Grundlage ihrer neuen Subsistenzwirtschaft<br />

helfen.<br />

Die aktuelle Landsituation<br />

Die momentane Landverteilungspolitik in Namibia ist ein komplexes Feld, das viele, wenn nicht alle<br />

BewohnerInnen des Landes beschäftigt. Während der Zeit der Apartheid wurden ethnische Gruppen<br />

von ihren traditionellen Gebieten vertrieben und in Homelands angesiedelt. In diesen Gebieten<br />

wurde auf Kosten der ursprünglichen Bevölkerung in erster Linie Nahrung für die weiße Bevölkerung<br />

angebaut. In einem Versuch, die Fehler der Vergangenheit wieder gutz<strong>um</strong>achen, verfolgt die<br />

neue Regierung von Namibia nun eine Politik der Verstaatlichung und Umverteilung. Dabei werden<br />

49 Becker, Heike (2003): The Least Sexist Society? Perspectives on Gender, Change and Violence among southern African San.<br />

Journal of Southern African Studies 29 (1), S.19.<br />

50 Ebd. S. 12.<br />

51 Hitchcock, Robert (1996): Kalahari Communities: Bushmen and the Politics of the Environment in Southern Africa. International<br />

Work Group for Indigenous Affairs Doc<strong>um</strong>ent no. 79. Copenhagen, IWIGA, S. 54.<br />

52 Ritchie, Claire (1986): From Foragers to Farmers: The Ju/wasi of Nyae Nyae Thirty Years On. In: M. Biesele / R. Gordon / R.<br />

Lee (Hrsg.): The Past and Future of !Kung Ethnography: Critical Reflections and Symbolic Perspectives Essays in Honour of<br />

Lorna Marshall. (Quellen zur Khoisan Forschung 4). Hamburg: Helmut Buske Verlag, S. 319.<br />

43


44<br />

kommerzielle Farmen aufgekauft und an marginalisierte Gruppen wie die San zurückgegeben. 53<br />

Doch in dieser Situation kommen nun neue Probleme auf:<br />

Da der Regierung zu wenig Land zur Verteilung zur Verfügung steht, bleibt für die einzelnen neuen<br />

LandbesitzerInnen oder -nutzerInnen letztendlich zu wenig, <strong>um</strong> durch Wanderweidewirtschaft,<br />

Ackerbau, Jagen oder Sammeln das Land produktiv und nachhaltig zu nutzen. Außerdem wird das<br />

Land nur zur begrenzten Nutzung freigeben. Die wieder angesiedelten Menschen haben kein volles<br />

Besitzrecht, sondern leben unter der ständigen Bedrohung, das Land wieder zu verlieren, wenn sie<br />

es nicht „produktiv nutzen“. 54<br />

Es versteht sich von selbst, dass diese Art der Umsetzung für die San Gemeinschaften (und andere in<br />

Namibia) eine neue Quelle für Konflikte darstellt. Kärgliche Stückchen Land, auf denen Jagen und<br />

Sammeln weder erlaubt noch möglich ist, führen zu einer kulturell entmutigenden Situation. Widlok<br />

weist darauf hin, dass die namibische Regierung inzwischen ähnliche Positionen vertritt wie die<br />

Verwaltung der Apartheid-Ära: Nämlich den Privatbesitz Einzelner über den Gemeinschaftsbesitz<br />

stellt und so eher an die koloniale Praxis und weniger an die traditionellen Praktiken vor-kolonialer<br />

Landnutzungen anknüpft. 55<br />

Conservancies 56<br />

In den communal areas („kommunalen Gebieten“) in Namibia hat die Regierung nach wie vor die<br />

Kontrolle über die Ressourcen und so fließen alle Gewinne in einen Central Reserve Fund („Zentralen<br />

Reservefonds“). In einem System, das dem der Apartheid-Ära relativ ähnelt, kann die Regierung<br />

privaten LandbesitzerInnen Steuervergünstigungen für das Land selber und seinen natürlichen<br />

Ressourcen erteilen. Dadurch kann sich die Regierung eine gewisse Kontrolle über dieses Land und<br />

dessen Nutzungsform sichern. Diese Politik läuft allerdings den Hauptinteressen der San zuwider,<br />

nämlich die volle Kontrolle über ihr Land und über die dort für sie nutzbaren Ressourcen wiederzuerlangen.<br />

Glücklicherweise zeigen die Bemühungen der Ju/‘Hoansi Erfolge. Ihre Landrechte sind<br />

sowohl auf nationaler – wie auch auf regionaler Ebene – mittlerweile anerkannt: 1996 wurden die<br />

namibischen Bestimmungen z<strong>um</strong> Naturschutz geändert und 1998 wurde den Ju/‘Hoansi von Nyae<br />

Nyae Namibias erste kommunale Conservancy zur traditionellen Nutzung zugesprochen. 57<br />

Kommunale Conservancies (Communal area conservancies) werden in Namibia folgendermaßen<br />

definiert: „Ein begrenztes Stück gemeinsames Land, auf dem eine Gruppe von Personen, die Bewohner<br />

des Landes, das Recht zugesprochen wird in nachhaltiger Weise Wild zu jagen.“ 58 Die Nyae Nyae<br />

53 Widlok, Thomas (2003): The Needy, the Greedy and the State: Dividing Hai//om Land in the Oshikoto Region. In: T. Hohmann<br />

(Hrsg.): San and the State: Contesting Land, Development, Identity and Representation. Köln: Rüdiger Köppe Verlag,<br />

pp: 87–119, S. 92.<br />

54 Ebd. S. 94.<br />

55 Ebd. S. 114f.<br />

56 Conservancies sind Zusammenlegungen größerer Ländereien zur extensiven, meist Wildtiernutzung in Namibia. Sie können<br />

privater Natur als Zusammenlegung mehrerer Farmen oder auch in staatlichem Besitz auf kommunalem Land sein. Als<br />

Conservancy erhalten sie einen besonderen Rechtsstatus.<br />

57 Hohmann, Thekla (2003): “We are looking for life. We are looking for the conservancy” Namibian Conservancies, Nature<br />

Conservation and Rural Development: The N≠a-Jaqna Conservancy. In: T. Hohmann (Hrsg.): San and the State: Contesting<br />

Land, Development, Identity and Representation, Rüdiger Köppe Verlag S. 211. Köln: Hitchcock, Robert (1999): Indigenous<br />

peoples’ rights and the struggle for survival. In: R. Lee / R. Daly (Hrsg.): The Cambridge Encyclopaedia of Hunters and<br />

Gatherers. Cambridge: Cambridge University Press, S.482.<br />

58 Zitiert in: Hohmann, Thekla (2003): “We are looking for life. We are looking for the conservancy” Namibian Conservancies,


Farmers Cooperative ist die Organisation, die die Ju/‘Hoansi in der Nyae Nyae Conservancy vertritt<br />

und die Wildtierbestände und den Ökotourismus überwacht.<br />

Der Erfolg der Ju/‘Hoansi Conservancy verbreitete sich wellenartig weiter. Seit 1998 wurden insgesamt<br />

14 solcher kommunalen Conservancies gegründet und mindestens 30 weitere sind in Planung.<br />

Diese schließen eine Fläche von etwa 35.500 km2 oder 5 % der Staatsfläche ein, wo über 30.000<br />

Menschen beschäftigt sind und so von den kommunalen Conservancy Programmen profitieren kön-<br />

nen. 59<br />

Auch BewohnerInnen von Ts<strong>um</strong>wke West (früher: West-Buschmannland) haben Bemühungen unternommen<br />

die N≠a Jaqna Conservancy in ihrer Region zu gründen, aber sie waren mit den verschiedensten<br />

inneren und äußeren Problemen konfrontiert: Die Bevölkerung in der Region besteht<br />

aus der Ju/‘Hoansi San-Gruppe, verschiedenen ArbeiterInnen des (weißen) kommerziellen landwirtschaftlichen<br />

Sektors – hauptsächlich burischer Abstammung – und anderen San-Gruppen,<br />

da in der Region mehrere Bataillone aus verschiedenen San-Gruppen angesiedelt waren, die z<strong>um</strong><br />

größten Teil aus Kxoe und Vasakela San Soldaten bestanden. Die Region ist also von hoch mobilen<br />

Gruppen besiedelt. Das macht es schwierig, das Land als gemeinsames Land zu definieren und dauerhafte<br />

und repräsentative Sprecher zu bestimmen. 60<br />

Obwohl Jagen und Sammeln immer noch zu den Haushaltseinkommen in der Region beitragen,<br />

berichten viele San, dass sie auch in anderen Wirtschaftssektoren ihren Lebensunterhalt bestreiten<br />

müssen. Der Verkauf und die Produktion von Handwerk, Getreideanbau und Viehhaltung sowie gelegentliche<br />

Lohnarbeit für kommunale oder kommerzielle Bauern und die Teilnahme an Tourismus-<br />

Projekten (wie etwa dem Omaheke Valley Rest Camp) sind Möglichkeiten, in der Region Einkommen<br />

zu erwirtschaften. 61<br />

2.4.2 Die WIMSA<br />

Die Working Group of Indigenous Minorities in Southern Africa (WIMSA) wurde 1996 auf Anliegen<br />

der San in Südafrika, Botswana, Namibia, Sambia und Zimbabwe gegründet, <strong>um</strong> ihnen die Möglichkeit<br />

zu bieten Probleme, Bedürfnisse und Sorgen auszudrücken. WIMSA versucht, den San in<br />

der Öffentlichkeit eine Stimme zu geben und sie auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu<br />

vertreten. Dabei wird auf lokaler Ebene eng mit den San zusammengearbeitet. Gleichzeitig arbeitet<br />

WIMSA auch mit regionalen NGOs, Menschenrechtorganisationen und den Vereinten Nationen zusammen.<br />

62 Die WIMSA-Mitgliedschaft wird durch nationale San-Räte vertreten, die als RepräsentantInnen<br />

die Interessen der San auf verschiedenen staatlichen Ebenen versuchen durchzusetzen.<br />

Zurzeit gibt es drei San-Räte aus Namibia, Botswana und Südafrika. Die Aufsichtsbehörde besteht<br />

aus jeweils drei Mitgliedern der San-Räte inklusive einem Vertreter aus Angola.<br />

Nature Conservation and Rural Development: The N≠a-Jaqna Conservancy. In: T. Hohmann (Hrsg.): San and the State:<br />

Contesting Land, Development, Identity and Representation. Köln: Rüdiger Köppe Verlag, S. 211.<br />

59 Ebd. S. 216.<br />

60 Ebd. S. 216.<br />

61 Ebd. S. 216.<br />

62 WIMSA (2008): WIMSA History. Elektronisches Dok<strong>um</strong>ent. http://www.wimsanet.org/wimsa/wimsa-history [07.06.2010].<br />

45


46<br />

WIMSA setzt sich insbesondere für drei weit gefächerte Themengebiete ein:<br />

· Verteidigung der Menschenrechte,<br />

· Aus- und Weiterbildung,<br />

· Kulturbesitz und Kulturförderung sowie Schutz von geistigen Eigent<strong>um</strong>srechten der San (Wis-<br />

sen <strong>um</strong> die therapeutische Wirkung von traditionellen Heilpflanzen).<br />

Weitere Schwerpunkte sind die Sicherung von Landbesitz und natürlichen Ressourcen, die HIV/<br />

AIDS-Aufklärung und die Unterstützung bei der Dok<strong>um</strong>entation der oralen Tradition der San, sowie<br />

die Stärkung des Bewusstseins für den Wert der eigenen Kultur.<br />

Im Unterschied zu anderen San bevölkerten Ländern hat Namibia keine nationale Organisation,<br />

die San entwickelte Aktivitäten unterstützt. Um diese Lücke zu schließen, hat WIMSA eine eigene<br />

Namibia-Betreuungseinheit gebildet, die kommunale Organisationen und Basisinitiativen im ganzen<br />

Land unterstützt. 63<br />

2.4.3 Kritische Themen: Biopiraterie (Teufelskralle, Hoodia)<br />

versus traditionelle Heilpflanzen<br />

Die private Aneignung der biologischen Ressourcen oder des traditionellen Wissens über Pflanzen<br />

wird Biopiraterie genannt, wenn das vorherige Einverständnis der indigenen Gemeinschaft nicht<br />

eingeholt wurde. 64<br />

Die Aneignung genetischer Ressourcen geschieht meist durch die Sicherung von Patenten. Häufig<br />

zieht dies eine Benachteiligung der Menschen nach sich, die die Ressourcen traditionell nutzen.<br />

Denn durch das Einsetzen von Intellectual Property Rights (IPR), geistiger Eigent<strong>um</strong>srechte, wie<br />

etwa das Patent, beanspruchen Firmen die gewerbliche Nutzung ausschließlich für sich und schaffen<br />

damit eine Art Monopol. 65 Der Begriff Biopiraterie wurde im politischen Ra<strong>um</strong> durch globalisierungskritische<br />

NGOs und Autorinnen wie Vandana Shiva (Biopiraterie-Kolonialismus des 21. Jahrhunderts<br />

Unrast Verlag, Münster 2002) geprägt, <strong>um</strong> auf die ungerechte Nutzung der biologischen<br />

Ressourcen und des traditionellen Wissens durch transnationale Konzerne und wissenschaftliche<br />

Einrichtungen hinzuweisen. Indigene Bevölkerungsgruppen, die die Ressourcen schon seit Jahrhunderten<br />

nutzen und das Wissen generiert haben, werden oftmals nicht am finanziellen Gewinn<br />

beteiligt. Es gibt viele Beispiele für den Fall von Biopiraterie, der indische Neem-Ba<strong>um</strong>, dessen Samen<br />

durch eine Firma aus den USA patentiert wurde oder die Pelargonie aus der eine sehr bekannte<br />

Hustenmedizin namens Umckaloabo hergestellt wurde, sind nur zwei von zahlreichen Beispielen. 66<br />

In Namibia ist die natürliche Apotheke an Heilpflanzen und Stärkungsmitteln, wie etwa die Hoodia-<br />

Pflanze oder die Teufelskralle (siehe SchatzKiste Nr. 33) sehr groß. Hier findet man auch das Nervengift<br />

der Blattkäferlarve namens Diamphidia, das die Ju/‘Hoansi für die Jagd nutzen (Beschreibung<br />

siehe SchatzKiste Nr. 18).<br />

63 Ebd.<br />

64 Wynberg, Rachel (2006): Biodiversity Prospecting, Access and Benefit-Sharing. In: Nicci Diederichs (Hrsg.): Commercialising<br />

Medicinal Plants: A Southern African Guide. Stellenbosch: Sun Press, S. 207.<br />

65 Brand, Ulrich (2006): Wem gehört die Natur? Die Inwertsetzung der biologischen Vielfalt erfordert einen rechtlichen Rahmen,<br />

S 122. Elektronisches Dok<strong>um</strong>ent. http://www.for<strong>um</strong>-recht-online.de/2006/406/406brand.pdf [08.06.2010].<br />

66 Frein, Michael / Meyer, Hartmut (2008): Die Biopiraten – Milliardengeschäfte der Pharmaindustrie mit dem Bauplan der<br />

Natur. Berlin: Ullstein Buchverlag GmbH, S. 113 ff.


In der namibischen Wüste, die so reich an Ressourcen ist, bietet sich großes Potenzial für Pharmakonzerne,<br />

die auf der Suche nach biologischem Material mit kommerziell wertvollen genetischen<br />

und biochemischen Eigenschaften sind. Von 120 aktiven pflanzlichen Wirkstoffen, die heutzutage<br />

in der wissenschaftlichen Medizin genutzt werden, haben 74 % denselben therapeutischen Nutzen,<br />

den indigene Bevölkerungsgruppen ihnen gegeben haben. 67<br />

Ein großer Pharmakonzern aus Südafrika, Council for Scientific and Industrial Research (CSIR),<br />

nutzte das traditionelle Wissen der San über Hoodia als Grundlage für die Entwicklung eines Appetitzüglers.<br />

Dieser Appetitzügler sollte als Nahrungsergänzungsmittel oder als verschreibungspflichtiges<br />

Medikament kommerzialisiert werden. Den aktiven Wirkstoff ließ sich der CSIR 1997<br />

patentieren und verkaufte eine Lizenz an ein kleines britisches Unternehmen namens Phytopharm.<br />

Während dieser Zeit wurden die San als „EigentümerInnen“ des traditionellen Wissens weder über<br />

das Vorhaben des CSIR informiert, noch nach ihrem Einverständnis gefragt. Obwohl die Convention<br />

on Biological Diversity (CBD), die Konvention über die Biologische Vielfalt, eine vorherige Genehmigung<br />

über die Nutzung des traditionellen Wissens und der biologischen Ressourcen (Prior<br />

Informed Consent) sowie einen gerechten Vorteilsausgleich (Fair and Equitable Benefit-Sharing)<br />

vorsehen, wurden diese Richtlinien von dem CSIR nicht eingehalten. 68<br />

Hoodia<br />

Die Gattung Hoodia, 1830 nach dem Sukkulentensammler Van Hood benannt69 und in den<br />

einheimischen Sprachen auch als ghaap oder !khobab bezeichnet, gehört zu der Unterfamilie<br />

der Asclepiadoideae (Seidenpflanzengewächse) innerhalb der Familie der Apocynaceae<br />

(Hundsgiftgewächse). 70 Die erste Spezies, die von Masson und Thunberg zwischen 1772 und<br />

1774 in der Nähe von Oudtshoorn (Südafrika) gesichtet wurde, war Stapelia pilifera (Hoodia<br />

pilifera). 1779 wurde Hoodia gordonii von Robert Gordon gesammelt und von dem Botaniker<br />

Francis Masson als Stapelia gordonii, in Bezugnahme auf Gordon, benannt. Es gibt 13 bis 20<br />

verschiedene Arten von denen einige wie z. B. Hoodia gordonii, Hoodia currorii, Hoodia flava,<br />

Hoodia officinalis und Hoodia pilifera medizinisch und als Appetitzügler genutzt werden.<br />

Hoodia wächst in der Halbwüste des südlichen Afrikas, also in sehr trockenen Gegenden auf<br />

sandigem oder felsigem Grund. 71 Die Verbreitungsgebiete erstrecken sich von Südafrika über<br />

Namibia bis nach Angola und Botswana. Durch ihre effiziente Nutzung der Wasserversorgung<br />

kann Hoodia lange Zeit ohne Regen auskommen und ist resistent gegen Trockenheit und starke<br />

Sonneneinstrahlung. Hoodia gordonii, oftmals irrtümlich in den Medien als Kaktuspflanze be-<br />

67 Farnsworth, Norman R. u.a. (1985): Medicinal plants in therapy. Bull. World Health Organization. 63 (6): 967.<br />

Elektronisches Dok<strong>um</strong>ent. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2536466/pdf/bullwho00089-0002.pdf<br />

[17.08.2010].<br />

68 Wynberg, Rachel / Chennells, Roger (2009): Green Diamonds of the South: An Overview of the San-Hoodia Case. In: Rachel<br />

Wynberg / Doris Schroeder / Roger Chennells (Hrsg.): Indigenous People, Consent and Benefit Sharing: Lessons from the<br />

San-Hoodia Case. Heidelberg: Springer, S.89–126.<br />

69 Ebd.<br />

70 Van Heerden, Fanie R. (2008): Hoodia gotdonii: A natural appetite suppressant. Journal of Ethnopharmacology 119:<br />

434–437.<br />

71 Van Wyk, Ben-Erik / Van Oudtshoorn, Bosch / Gericke, Nigel (2009): Medicanal Plants of South Africa. Pretoria: Briza<br />

Publication.<br />

47


48<br />

zeichnet72, ist eine blätterlose sukkulente Pflanze mit dicken, zylinderförmigen gräulich-grünen<br />

bis grau-braunen Ästen, die aufrecht wachsen und mit röhrenförmigen Stacheln bedeckt<br />

sind (Van Heerden 2008:435). Hoodia gordonii kann bis zu einer Größe von 450 mm wachsen.<br />

Ihre tellerförmigen Blüten erreichen einen Durchmesser von 50 bis zu 100 mm. Die blassrosa,<br />

violetten Blüten mit einem roten Stempel, riechen unangenehm nach verfaultem Fleisch.<br />

Hoodia und die Nutzung durch die San<br />

Wahrscheinlich wurde Hoodia schon Jahrhunderte von den San genutzt, doch die erste aufgezeichnete<br />

Nutzung der Pflanze stammt von Francis Masson, der bei seinem Besuch in Südafrika entdeckte,<br />

dass die Äste von der südafrikanischen Bevölkerung verzehrt werden. 73<br />

In den betrachteten Quellen wird beschrieben, dass die San Hoodia bei der Jagd nutzen, <strong>um</strong> sich<br />

zu stärken und das Hunger- und Durstgefühl zu unterdrücken. Weiterhin wird berichtet, dass das<br />

Kauen eines Hoodia-Stückes die San davor bewahre, die erjagte Beute schon vor der Rückkehr zu<br />

verspeisen. Allerdings ist diese Version eher abwertend und beleidigend. 74 Möglicherweise bezieht<br />

sich diese Behauptung auf das Anrecht der Jäger die Leber des Tieres noch an Ort und Stelle zu<br />

verzehren und bei andauerndem Hungergefühl auch noch weitere Teile der Beute zu essen, bis der<br />

Hunger gestillt ist. Sind die Jäger weit von ihrem Camp entfernt, werden die leicht verderblichen<br />

oder die schwersten Teile des Tieres verzehrt. 75 Unbestritten ist, dass die San Hoodia als Hungerund<br />

Durststiller nutzen. Die saftigen Äste der Hoodia speichern Wasser, das in den Trockenzeiten<br />

als Wasserquelle genutzt wird. Hoodia wird von den San nicht nur als Hunger- und Durststiller<br />

genutzt, sondern auch als Medizin gegen Erkrankungen, wie z<strong>um</strong> Beispiel die Behandlung von Hämorriden,<br />

Tuberkulose, Diabetes, Verdauungsstörungen, Bluthochdruck, Bauchschmerzen, Grippe,<br />

Asthma und Augenschmerzen. Ebenso wird Hoodia auch zur Steigerung der Potenz verwendet. 76<br />

In Botswana wird die Hoodia currorii zur rituellen Reinigung nach dem Tod eines Menschen genutzt,<br />

<strong>um</strong> die Todesursache herauszufinden. Ebenso wird Hoodia mit anderen Knollen vermengt<br />

und auf den Körper gerieben, <strong>um</strong> das Unglück fernzuhalten. Eine ähnliche Zubereitung und Anwendung<br />

wird verwendet, <strong>um</strong> die Fruchtbarkeit des Viehs zu fördern. Viele der Hoodia-Sorten werden<br />

zudem rituell angewandt, <strong>um</strong> den Ernteertrag zu steigern, <strong>um</strong> das Feld vor Sonnenstrahlen<br />

zu schützen und sexuell übertragbare Krankheiten zu behandeln (Hargreaves/Turner 2002; zit. n.<br />

Wynberg/Channells 2009:94). Einige dieser unterschiedlichen Nutzarten können ausschließlich<br />

den San zugeordnet werden, doch aufgrund der vielen verschiedenen Hoodia-Gattungen und der<br />

weiten Verbreitung wird die Pflanze auch von anderen in der Region lebenden indigenen Gruppen<br />

genutzt, wie beispielsweise den Nama, Damara und Topnaar. Wie auch die San nutzten diese Grup-<br />

72 Tibe, O. / Modise, D. M. / Mogotsi, K.K. (2008): Potential for domestication and commercialization of Hoodia and Opuntia<br />

species in Botswanan. African Journal of Biotechnology 7(9): 1199–1203.<br />

73 Masson, Francis (1796): Stapeliae novae: Or, a Collection of Several New Species of that Genus discovered in the Interior<br />

Parts of Africa. London: W. Bulmer & Co, S. 24.<br />

74 Wynberg, Rachel (2004): Rhetoric, Realism and Benefit Sharing: Use of traditional Knowledge of Hoodia Species in the<br />

Development of an appetite Suppressant. Journal of World Intellectual Property. 7(6): 851-876.<br />

75 1976 Sharing, Talking, and Giving: Relief of Social Tension among the !Kung. In: Richard B. Lee / Irven De Vore (Hrsg.):<br />

Kalahari Hunter-Gatherers. Studies of the !Kung San and Their Neighbours. Cambridge: Harvard University Press, S. 358.<br />

76 Wynberg, Rachel / Chennells, Roger (2009): Green Diamonds of the South: An Overview of the San-Hoodia Case. In: Rachel<br />

Wynberg / Doris Schroeder / Roger Chennells (Hrsg.): Indigenous People, Consent and Benefit Sharing: Lessons from the<br />

San-Hoodia Case. Heidelberg: Springer, S 94.


pen Hoodia als Durst- und Hungerstiller sowie als Medizin. 77 Unter den namibianischen Damara<br />

dient Hoodia currorii als Diabetes-Heilmittel, indem dreimal täglich ein Stück der Pflanze gegessen<br />

wird. 78 Für den Verzehr der Pflanze werden die Stacheln mit einem Stein von dem Ast entfernt<br />

und einige Stücke über längere Zeit im Mund gekaut. Der Geschmack ist bitter und das Gewebe<br />

schleimig. Hoodia kann sowohl roh als auch gekocht verzehrt werden. Bevorzugt wird Hoodia nach<br />

starken Regengüssen gegessen, wenn sich die Pflanze mit Wasser vollgesogen hat und die Äste saftig<br />

sind. 79<br />

Ähnlich verhält es sich mit der Teufelskralle, die von den San seit Generationen ein Hausmittel<br />

gegen Entzündungen, Schmerzen und Fieber ist, das auch bei Verdauungsstörungen hilft (Beschreibung<br />

siehe SchatzKiste 33.). Die stark entzündungshemmende, abschwellende und leicht schmerzstillende<br />

Wirkung der Teufelskralle eignet sich besonders zur Behandlung von Arthrose und anderen<br />

Gelenkschmerzen. Die San schneiden die Wurzel der Pflanze in Stücke und lassen diese in der<br />

Sonne trocknen. Es kann dann gekaut, ausgekocht eingenommen oder als Tinktur auf die jeweilige<br />

Stelle gegeben werden. 80<br />

Ohne das traditionelle Wissen der San wäre die vielfältige, heilkräftige Wirkung der Pflanze vermutlich<br />

nie entdeckt worden. Der Legende nach soll die Entdeckung der Teufelskralle auf den deutschen<br />

Kolonialsoldaten G. H. Mehnert in Deutsch-Südwestafrika zurückgehen, der angeblich von einem<br />

Medizinmann in die Geheimnisse der Wirkung der Teufelskralle eingeweiht wurde. In Deutschland<br />

bzw. in Europa wurde die Heilpflanze erst 1953 bekannt. Seither ist die Teufelskralle ein beliebtes<br />

Heilkraut in den Heilkundepraxen und Reformhäusern – insbesondere in Europa. 81<br />

Ebenso wie bei Hoodia wurden Patente für die Gewinnung und Verarbeitung der Wirkstoffe der<br />

Teufelskralle angemeldet. Die Nachfrage der Industrieländer nach traditionellen Heilpflanzen für<br />

die pharmazeutische Verarbeitung ist sehr groß. Der globale Wert für traditionelle Heilpflanzen<br />

liegt bei 500 Milliarden US-Dollar. Allein 25 % der verschreibungspflichtigen Medizin enthält<br />

pflanzliche Inhaltsstoffe. 82 Namibia ist heute der größte Lieferant für die Teufelskralle, 2002 brachte<br />

die Ausfuhr von mehr als 1.000 Tonnen dem Land <strong>um</strong>gerechnet etwa 5 Millionen US-Dollar ein.<br />

Doch von dem kommerziellen Erfolg bekommen die eigentlichen EntdeckerInnen des Wirkstoffes,<br />

die San, nichts mit. Für das getrocknete Produkt bekommen die San nur einen Bruchteil dessen,<br />

was die Verbraucher letztendlich in der Apotheke oder im Reformhaus bezahlen. Denn obwohl die<br />

CBD83 den Zugang zu den biologischen Ressourcen regelt, werden die Regelungen nicht immer eingehalten.<br />

Zudem wird es großen Konzernen mit dem TRIPS-Abkommen z<strong>um</strong> Schutz des geistigen<br />

77 Steyen, H. P. / du Pisani, E. (1985): Grass-seeds, game and goats: an overview of Dama subsistence. SWA Wissenschaftliche<br />

Gesellschaft XXXIX.<br />

78 Van den Eynden, Veerle / Vernemmen, P. / Van Damme, Patrick (1992): The ethnobotany of the Topnaar. Ghent: Universität<br />

Ghent.<br />

79 Van Wyk, Ben-Erik / Van Oudtshoorn, Bosch / Gericke, Nigel (2009): Medicanal Plants of South Africa, Pretoria: Briza<br />

Publication, S. 174.<br />

80 Teufelskralle. http://www.heilkraeuter.de/lexikon/teufelskralle.htm.<br />

81 Biopiraterie in der Kalahari? Wie indigene Völker <strong>um</strong> ihre Rechte kämpfen – die Erfahrungen der San im südlichen Afrika.<br />

http://www.eed.de/fix/files/doc/eed_biopiraten_kalahari_04_deu.pdf.<br />

82 Mander, Myles / Diederichs, Nicci / Steytler, Nicholas (2006): Marketing of Medicinal Plants and Products. In: Nicci Diederichs<br />

(Hrsg.): Commercialising Medicinal Plants: A Southern African Guide. Stellenbosch: Sun Press, S.169.<br />

83 Erklärung siehe Kapitel 1, S. 15 „Die Biodiversitäts-Konvention“.<br />

49


50<br />

Eigent<strong>um</strong>s leicht gemacht, Patente auf pflanzliche Wirkstoffe zu bekommen. TRIPS verursacht damit<br />

nach Auffassung vieler Kritiker eine Diskrepanz zwischen der Patentierung und dem Schutz<br />

indigenen Wissens und sichert indirekt die Möglichkeiten für Biopiraterie. Zudem scheinen die CBD<br />

und das TRIPS-Abkommen unterschiedliche Ziele zu verfolgen und deswegen unvereinbar miteinander<br />

zu sein. Während die CDB den Schutz und den Zugang zur Biologischen Vielfalt regelt, steht<br />

das TRIPS-Abkommen z<strong>um</strong> Schutz von geistigem Eigent<strong>um</strong>, den Bestimmungen der CBD gegenüber.<br />

84 Das TRIPS-Abkommen ist also ein wirtschaftliches Abkommen, dass die Inwertsetzung von<br />

Wissen und genetischen Ressourcen regelt.<br />

Mit Hilfe von regionalen und internationalen NGOs versuchen viele indigene Bevölkerungsgruppen<br />

gegen Biopiraterie vorzugehen. Im Fall von Hoodia wurde mit Hilfe von WIMSA ein Benefit-Sharing-Agreement,<br />

also ein Vorteilsausgleich zwischen den San und dem CSIR beschlossen. Dies ist<br />

der Versuch einer Wiedergutmachung. Die Anteile der Lizenzgebühren fließen in die Entwicklung<br />

von Projekten, die sich auf die Themen ‚Traditionelles Wissen‘ und ‚Kulturelles Erbe‘ beziehen sowie<br />

in die Verbesserung der Bildungssysteme. Das Benefit-Sharing-Agreement ist in diesem Sinne kein<br />

Schutzmechanismus für das traditionelle Wissen der San. Es können aber durch die Gelder, die auf<br />

das Treuhandkonto fließen, mögliche Projekte in Bezug auf das traditionelle Wissen gefördert werden.<br />

Allerdings muss auch beachtet werden, dass die Höhe der Gelder in erster Linie von den Gewinnen<br />

abhängt, die durch den Produktverkauf eingenommen werden und deswegen eine „gerechte“<br />

Verteilung nicht möglich ist. Das Lizenzsystem reduziert den San-Anteil, denn zunächst stehen dem<br />

CSIR und Phytopharm Gewinnanteile zu. 85 Die Nutzung von traditionellem Wissen durch Unternehmen<br />

kann nicht komplett verhindert werden. Hierzu sind die internationalen Regulierungssysteme,<br />

siehe TRIPS und CBD, schon zu weit ausgebaut und das Interesse an biologischen Ressourcen<br />

zu groß. Dennoch muss es die Möglichkeit geben traditionelles Wissen zu schützen.<br />

TRIPS<br />

Im Jahr 1995 wurde in der Uruguay-Runde des internationalen Zoll- und Handelsabkommens<br />

(GATT) das Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) z<strong>um</strong><br />

Schutz des geistigen Eigent<strong>um</strong>s beschlossen und ist somit bindend für alle WTO-Mitglieder. 86<br />

Nachdem die Ratifizierung des TRIPS-Abkommens für eine WTO-Mitgliedschaft verpflichtend<br />

ist, muss jeder Staat, der Zugang zu den Märkten der WTO-Mitglieder erlangen will, die sehr<br />

strengen Regelungen des TRIPS-Abkommens in nationales Recht <strong>um</strong>setzen. 87 Das TRIPS-Abkommen<br />

sieht einen Patentschutz für mindestens 20 Jahre bei Produkten und Produktionsprozessen<br />

auf allen technischen Gebieten vor. Patente auf Mikroorganismen, nicht-biologische und<br />

mikrobiologische Verfahren müssen erteilt werden. Pflanzen und Tiere, sowie im Wesentlichen<br />

biologische Verfahren, können von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden. 88<br />

84 Brand, Ulrich (2006): Wem gehört die Natur? Die Inwertsetzung der biologischen Vielfalt erfordert einen rechtlichen Rahmen,<br />

S. 123. Elektronisches Dok<strong>um</strong>ent. http://www.for<strong>um</strong>-recht-online.de/2006/406/406brand.pdf [08.06.2010].<br />

85 Frein, Michael / Meyer, Hartmut (2008): Die Biopiraten – Milliardengeschäfte der Pharmaindustrie mit dem Bauplan der<br />

Natur. Berlin: Ullstein Buchverlag GmbH, S.88.<br />

86 Brand, Ulrich (2006): Wem gehört die Natur? Die Inwertsetzung der biologischen Vielfalt erfordert einen rechtlichen Rahmen,<br />

S. 123. Elektronisches Dok<strong>um</strong>ent. http://www.for<strong>um</strong>-recht-online.de/2006/406/406brand.pdf [08.06.2010].<br />

87 Ebd.<br />

88 Hahn, Anja (2004): Traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften zwischen geistigen Eigent<strong>um</strong>srechten und<br />

der public Domain. Berlin: Springer, S. 150.


Alle in den vorangegangenen Kapiteln erwähnten Gegenstände mit N<strong>um</strong>merierung finden Sie<br />

mit einer ausführlichen Beschreibung in der SchatzKiste.<br />

2.4.4 Tradition vermitteln: Das Lebende Muse<strong>um</strong> in Grashoek<br />

Die besten Möglichkeiten, für jede Sprachgruppe Namibias eine nachhaltige Einkommensquelle<br />

zu schaffen und einen schrittweisen Wiedergewinn kultureller Identität zu erlangen, ist durch den<br />

Aufbau eines Lebenden Muse<strong>um</strong>s gegeben.<br />

Kurzdarstellung<br />

Ein Lebendes Muse<strong>um</strong> ist eine Siedlung einer bestimmten Sprachgruppe, die so errichtet wurde,<br />

wie Niederlassungen dieses Volkes gebaut waren, bevor der europäisch-koloniale Einfluss die traditionelle<br />

Kultur veränderte. Im Lebenden Muse<strong>um</strong> arbeiten DarstellerInnen die ihre ursprüngliche<br />

Kultur vielfältig präsentieren. Alle tragen traditionelle, für das Muse<strong>um</strong> rekonstruierte Kleidung<br />

und bieten interessier ten Gästen Aktivitäten an, die dem dargestellten Zeitra<strong>um</strong> entsprechen. Dabei<br />

wird auf höchstmögliche Authentizität Wert gelegt.<br />

Die Ziele des Lebenden Muse<strong>um</strong>s<br />

Ziel des Lebenden Muse<strong>um</strong>s ist es, den Mitgliedern einer Sprachgruppe – im Besonderen den Kindern<br />

– durch die Beschäftigung mit den Ursprüngen ihrer Kultur die Möglich keit zu geben, ihren<br />

kulturellen Hintergrund zu verstehen. Dies soll dazu beitragen, einen Teil ihrer kulturellen Identität<br />

zurück zu gewinnen, sich somit neue Orientierungsmöglich keiten innerhalb ihrer Um<strong>welt</strong> aufzubauen<br />

und letztendlich neue Problemlöseprozesse zu entwickeln.<br />

Ein weiteres Ziel des Lebenden Muse<strong>um</strong>s ist die Schaffung neuer Einkommensmöglichkeiten für<br />

die Projektträger. Dies kann unter anderem durch Einkünfte aus dem Tourismus- Sektor erreicht<br />

werden. Doch nicht nur TouristInnen, auch SchülerInnen, StudentInnen und jeder Namibier können<br />

durch ein Lebendes Muse<strong>um</strong> die Besonderheiten der dargestellten Kulturen auf interaktive Art<br />

und Weise kennen und schätzen lernen. Ein weiteres Ziel des Lebenden Muse<strong>um</strong>s ist es also, kulturelle<br />

Annäherung und Toleranz zu fördern. Die Akteure des Lebenden Muse<strong>um</strong> sind nicht mehr nur<br />

DarstellerInnen, son dern LehrerInnen für zahlende Gäste und ihre eigenen Kinder.<br />

51


52<br />

Prinzipien des Lebenden Muse<strong>um</strong>s<br />

Die Prinzipien des Lebenden Muse<strong>um</strong>s sind Eigen entwicklung und Eigenverantwortlichkeit sowie<br />

Partizipation, Authentizität und ein geringer Finanzaufwand, der von großer Bedeutung für die Etablierung<br />

eines erfolgreichen Lebenden Muse<strong>um</strong>s ist.<br />

Eigenentwicklung, Eigenverantwortung und Partizipation<br />

Die Gruppe, die sich dafür entscheidet ein Lebendes Muse<strong>um</strong> zu errichten, ist für jede Stufe der Entwicklung<br />

selbst verant wortlich. Die Entscheidung, wie der Aufbau des Lebenden Muse<strong>um</strong>s geplant<br />

und durchgeführt wird, welche Aktivitäten und Programme angeboten werden, wer welche Position<br />

im Management des Muse<strong>um</strong>s besitzt und wie die Finanzen des Muse<strong>um</strong>s verwaltet werden, liegt<br />

allein in der Verantwortung der Gruppe. Sprich die Projektträger tragen die alleinige Verantwortung<br />

für ihr Unternehmen „Lebendes Muse<strong>um</strong>“.<br />

Authentizität<br />

Ein entscheidendes Qualitätskriteri<strong>um</strong> für ein erfolgreiches Lebendes Muse<strong>um</strong> ist Authentizität.<br />

Dazu gehört die alleinige Verwendung natürlicher, in der Gegend vorkommender Materialien, die<br />

schon vor dem Beginn des kolonialen Einflusses gebraucht wurden. Hütten müssen mit Hilfe natürlicher<br />

Ressour cen gebaut, Kleidung der Darsteller, Werkzeuge, Waffen und Töpfereiwaren müssen<br />

authentisch rekonstruiert werden.<br />

Des Weiteren müssen die, durch die Akteure angebotenen Aktivitäten, wie Jagdverhalten, Fallenstellen,<br />

Gesänge, Tänze, Medizinrituale frei von europäischen Einflüssen sein. Ferner sollten, wie in<br />

einem traditionellen Dorf alle Generationen der Gruppe anwesend und in die Aktivitäten integriert<br />

sein. Auch der eventuell dargestellte Anteil „nicht sichtbarer“ Kultur sollte sich auf alleinige Verwendung<br />

der ursprünglichen Systeme stützen.<br />

Geringer Finanzaufwand<br />

Ein entscheidender Vorteil des Lebenden Muse<strong>um</strong>s ist, dass es mit sehr geringer finanzieller Zuwendung<br />

aufgebaut werden kann, da viele ältere Gruppenmitglieder beispielsweise noch wissen, wie<br />

man Hütten aus den gegebenen natürlichen Ressour cen erbaut und wie man wichtige „Gebrauchsgegenstände“,<br />

wie Waffen, Fallen, Musikinstr<strong>um</strong>ente, Behältnisse, Schmuck und so weiter auf traditionelle<br />

Art und Weise herstellt. Jedes Lebende Muse<strong>um</strong> kann daher ohne große finanzielle Hilfe<br />

von außen, allein durch die Arbeit der Gruppe mit der Hilfe des Wissens ihrer Ältesten errichtet<br />

werden.<br />

Regeln des Lebenden Muse<strong>um</strong>s<br />

Welche Bestandteile der Kultur einer Sprachgruppe in einem Lebenden Muse<strong>um</strong> dargestellt wird<br />

und wie, liegt allein in der Entscheidung der Projektträger. Es gibt allerdings einige nützliche und<br />

wichtige Regeln, die von der Gruppe, welche ein Lebendes Muse<strong>um</strong> errichten will, befolgt werden<br />

sollten.<br />

Regeln z<strong>um</strong> Personal<br />

Es sollte einen von der Projektgruppe bestimmten Manager geben, der Ent scheidungen über die<br />

Grundstruktur des Lebenden Muse<strong>um</strong>s, über das Per sonal, über Investitionen und ähnliches trifft.<br />

Der Manager sollte bereits am Entstehungsprozess des Lebenden Muse<strong>um</strong>s mitgewirkt haben und


von allen Projektträgern unterstützt werden.<br />

Weiterhin sollte es einen Finanzbeauftragten geben, dessen Aufgaben die Verwaltung des eingenommenen<br />

Kapitals und die gerechte Verteilung auf die Projektträger sind.<br />

Die Akteure des Lebenden Muse<strong>um</strong>s sollten sich aus allen Generationen zusammensetzen. Es ist<br />

wichtig, dass Kinder, Jugendliche, Erwachsene und die Ältesten beider Geschlechter präsent sind,<br />

<strong>um</strong> ein echtes und authentisches Umfeld zu schaffen. Dazu sollten sich jeweils mindestens zwei<br />

Gruppen von Akteuren in der Darstellung abwechseln und sich in Ausnahmefällen gegenseitig aushelfen.<br />

Dazu sollte jede der Darstellergruppen einen Muse<strong>um</strong>sführer benen nen, der einerseits über<br />

gute Kenntnisse verfügt, andererseits ein <strong>um</strong>fassendes Wissen über die traditionelle Kultur seiner<br />

Sprachgruppe besitzt.<br />

Managementplan<br />

Um die nötige Transparenz für alle Mitglieder des Lebenden Muse<strong>um</strong>s zu ge währleisten, ist es unbedingt<br />

notwendig einen Managementplan zu erstellen. In diesem Plan werden, für alle Mitglieder<br />

des Lebenden Muse<strong>um</strong>s nachvollziehbar, interne Regeln des Muse<strong>um</strong>s formuliert, die z<strong>um</strong> Beispiel<br />

die Nutzung des eingenommenen Geldes betreffen. Aus dem Plan geht weiterhin hervor, welche<br />

Aktivitäten wann zu welchen Preisen angeboten werden. Dazu sollte eine Liste mit den Akteuren<br />

vorliegen, die bei Bedarf erweitert oder verändert werden kann. Außerdem sollte festgelegt werden,<br />

welche Verkaufsartikel angeboten wer den und wer davon wie profitiert.<br />

Mögliche Programme und Aktivitäten<br />

Sofern möglich sollten alle angebotenen Aktivitäten und Programme interaktiv sein, das heißt: Die<br />

BesucherInnen dürfen probieren, testen, erfahren, etc., wenn sie Interesse signalisieren.<br />

… z<strong>um</strong> ursprünglichen Tagesablauf<br />

Feuermachen nach traditioneller Art, Herstellen von traditioneller Nahrung, Erklärungen zu traditionellen<br />

Fischerei- und Jagdmetho den sowie Fallenstellen, Melken von Kühen oder Ziegen, etc.<br />

...z<strong>um</strong> Handwerk<br />

Fertigung und Benutzung von Waffen, Steinwerkzeugherstellung, Herstellung von Schmuck, Seilen,<br />

Kleidung, Tonwaren, Flechtware, Felsmalereien/Felsgravuren (San & Damara), Holzschnitzerei,<br />

Schmiedekunst, Bootsbau, Fischereigut.<br />

...zu traditionellen Sitten und Gebräuchen<br />

Traditionelle Tänze, Gesänge und Geschichten, Kleidung, Hüt ten und Dorfausstattung, Erklärungen<br />

über die alte Zeit, Spiele, Sprache, traditionelle Hochzeitszeremonien, traditionelle Medizin,<br />

Hexereiglaube.<br />

Die Projektträger entscheiden selbst welche Programme, in welchem Umfang und in welcher Länge,<br />

zu welcher Zeit und zu welchem Preis angebo ten werden. Die Aktivitäten und Programme sollten<br />

möglichst vielfältig sein. Besonders Halb- und Ganztags-, sowie Nachtprogramme können den Gästen<br />

Abwechslung und Abenteuer bieten. 89<br />

89 The Living Culture Foundation in Namibia, das Konzept “Lebende Kulturen”.<br />

53


54<br />

2.5 Aktuelle klimatische Situation in der Kalahari<br />

Die Kalahari liegt in einer kontinentalen ariden Klimazone. Wie schon in Kapitel 2.1 dargestellt, ist<br />

die Klimazone gekennzeichnet durch lange Trockenperioden mit unregelmäßigen Sommerregenfällen<br />

zwischen Dezember und Februar, hohe, meist über 30 °C liegende Tagestemperaturen und<br />

bis unter 0 °C reichende Nachttemperaturen – vor allem im afrikanischen Winter. Die Trockenheit<br />

beruht auf der Lage zwischen dem 20. und 30. südlichen Breitengrad. Genauso wie im gleichen<br />

nördlichen Bereich werden die Luftmassen gezwungen, vom Urpassat kommend abzusteigen. Dieses<br />

bewirkt eine zunehmende Erwärmung der Luftmassen, wodurch die relative Luftfeuchtigkeit<br />

abnimmt und es zu trockenen, wolkenfreien Klimaverhältnissen kommt.<br />

Ein Blick auf die jährlichen Niederschlagszahlen zeigt, dass es sich <strong>um</strong> eine Trockensavanne mit<br />

Busch- und Strauchbewuchs handelt. Die Niederschlagsmengen liegen jährlich bei 100–200 mm.<br />

Sie nehmen von Norden nach Süden ab. Dies ist auf die geographische Lage und die Luftströmungen<br />

zurückzuführen. Zwischen den feuchten Luftmassen über dem Atlantik und dem indischen Ozean<br />

liegen 600 km. Die Niederschläge fallen oftmals sehr gering aus und treten unregelmäßig auf. Doch<br />

in dieser Region bedeutet Regen für die gesamte Population Wachst<strong>um</strong> und somit Nahrung.<br />

In der Sommerzeit von Oktober bis April fallen überwiegend lokale Schauer und Gewitter. Diese<br />

Niederschlagsform ist eine der zwei unterschiedlichen Formen in der Kalahari. Diese tropischen<br />

Gewitter entstehen durch Wolken, die sich in den Mittagsstunden anstauen und sich anschließend<br />

in beträchtlichen Wassermengen entladen. Die andere Niederschlagsform ist der Landregen.<br />

Er ist meist gleichmäßig über viele Stunden verteilt. Dieser großflächige Regen bringt Kaltfronten<br />

mit sich und lässt sich in drei Perioden aufteilen. Die erste ist im Oktober. Die zweite beginnt im<br />

November und dauert bis in den Dezember. Danach folgen zwei Monate Trockenzeit, welche oft mit<br />

Spitzentemperaturen von 40–45 °C mit sich bringt. Anschließend kommt die dritte Periode zwischen<br />

März und April, welche aber in trockenen Jahren ausfallen kann. In der Winterzeit beträgt die<br />

Durchschnittstemperatur 25 °C, doch in der Nacht sinken die Temperaturen beträchtlich. In dieser<br />

Zeit gibt es ka<strong>um</strong> Niederschlag. 90<br />

Klimawandel und die Folgen<br />

Es gibt über die Auswirkungen der Klimaveränderungen in der Kalahari derzeit noch keine Aussagen<br />

oder Vermutungen. Jedoch vermutet man für die Namib-Wüste in Namibia, die älteste Wüste<br />

der Welt, deren Wanderdünen sich rund 20 Meter pro Jahr bewegen, durch die Verstärkung der<br />

Atlantikwinde, eine Zunahme von sich schneller bewegenden Wanderdünen. Diese und häufigere<br />

Dürren in der Namib werden nicht nur die Tier- und Pflanzen<strong>welt</strong> der Wüste bedrohen, sondern<br />

auch das Leben der dort ansässigen Nomadenstämme. 91<br />

90 http://www.wikipwdia.org/wiki/Kalahari.<br />

91 Kenntner, Georg / Walter A. Kremnitz (1993): Kalahari – Expedition zu den letzten Buschleuten im südl. Afrika, Verlag<br />

Ambro Lacus – Buch und Bildverlag.


3. Zeit zu handeln<br />

57


58<br />

Es ist alles gesagt. Wir wissen beinahe alles und können uns über alles informieren. War<strong>um</strong> geschieht<br />

trotzdem so wenig? War<strong>um</strong> gibt es weder einen nationalen noch einen internationalen Aufschrei<br />

gegen die Zerstörung unserer Biologischen und Kulturellen Vielfalt angesichts des Klimawandels?<br />

War<strong>um</strong> kümmert es uns nicht, dass die Ärmsten der Armen, die nichts zur Klimakatastrophe<br />

beigetragen haben, die Ersten sind, die an den Folgen leiden?<br />

Um zu Antworten auf all diese Fragen zu kommen, sind wahrscheinlich zunächst die folgenden zu<br />

beantworten: Wie viel ist genug? Wird es nicht Zeit, dass wir darauf achten, gut zu leben statt viel<br />

zu haben?<br />

Zwischen Bedürfnissen und Bedürfnisbefriedigung gibt es keine unveränderbaren Beziehungen.<br />

Vielmehr werden in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Formen der Befriedigung für die gleichen<br />

menschlichen Grundbedürfnisse entwickelt. In unserer Kons<strong>um</strong>gesellschaft bleiben so manche<br />

Grundbedürfnisse unbefriedigt, weil die Werbung den Kons<strong>um</strong>entInnen hartnäckig den Irrt<strong>um</strong><br />

vermittelt, man könne fast alle Bedürfnisse durch Kons<strong>um</strong> befriedigen. Hinzu kommt, dass wir in<br />

der Regel unseren Kons<strong>um</strong> mit einem hohen Preis bezahlen: Wir kümmern uns nicht <strong>um</strong> die Produktionsbedingungen<br />

und akzeptieren so <strong>um</strong><strong>welt</strong>- und sozial schädliche Bedingungen.<br />

Doch auch dieser Zustand ist nicht festgeschrieben. Kultureller Wandel ist möglich. Wir können<br />

„Ja“ sagen zu klima- und <strong>um</strong><strong>welt</strong>freundlichen Produkten und uns entscheiden, global gerecht zu<br />

handeln. Wir können beim Einkauf darauf achten, ökologisch und fair produzierte Waren zu wählen.<br />

Auch ist es bei vielen Gütern möglich, vom Verbrauch z<strong>um</strong> Gebrauch, vom Besitzen z<strong>um</strong> Nutzen<br />

überzugehen: Viele Dinge werden nur selten genutzt, aber mit hohem Energie- und Materialverbrauch<br />

hergestellt. Werkzeuge, Waschmaschinen, Staubsauger und Autos gehören zur Standardausrüstung<br />

der allermeisten Haushalte. Der eigentliche Nutzen aber besteht nicht im Besitz, sondern in<br />

der Dienstleistung, die der Gegenstand erbringt. Gemeinsam nutzen statt allein besitzen, kann ein<br />

Motto der Zukunft sein.<br />

„Gucken, denken, handeln: To make the world a better place. Nicht durch Moral und Verzicht,<br />

sondern durch die eigene geschärfte Wahrnehmung, mit Lust und Leidenschaft am eigenen Tun<br />

und am besseren Miteinander und Leben.“1 „Verzichten“ ist heute im Grunde mit diesen Qualitäten<br />

verbunden: langsamer, weniger, besser, schöner – und im Ergebnis ein Gewinn. Das Ziel ist ein<br />

qualitativ anderes Wachst<strong>um</strong> als die Steigerung des Bruttosozialprodukts. Glück vermehren, sich<br />

<strong>um</strong> ein besseres Leben kümmern, die Fülle von sozialen Beziehungen genießen, mit Solarwärme<br />

duschen, regional einkaufen, schöner wohnen mit ökologisch unbedenklichen Materialien, im interkulturellen<br />

Garten arbeiten: überall hier können z. B. die Grenzen des Wachst<strong>um</strong>s überschritten<br />

werden. „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“, sagte<br />

Mahatma Gandhi.<br />

1 Goehler, Adrienne: Wir brauchen nicht Moral und Verzicht, sondern Lust und Leidenschaft. In: zur nachahmung empfohlen!<br />

Expeditionen in ästhetik und nachhaltigkeit. Adrienne Goehler (Hrsg.) Hatje Contz Verlag 2010, S. 128.


„ Maß halten“ und die Fülle eines guten Lebens genießen, sind keine Widersprüche. In persönlicher<br />

Verantwortung nach individuellen Antworten zu suchen und gleichzeitig solche PolitikerInnen zu<br />

wählen, die ernsthaft <strong>um</strong>steuern, auch nicht. Denn ein persönliches „Maß halten“ allein kann keinen<br />

grundlegenden gesellschaftlichen Kurswechsel bewirken.<br />

Es sollte uns bewusst sein, dass unsere Art zu leben, zu produzieren und zu kons<strong>um</strong>ieren die Möglichkeiten<br />

anderer Völker und deren Zukunft (mit)bestimmt. Unser früherer Bundespräsident<br />

Köhler hat es „das Bewusstsein des Aufeinander-Angewiesen- Seins“ genannt.<br />

Dazu einige anregende Stimmen:<br />

Die Beziehung zwischen Europa und Afrika war von gegenseitiger Täuschung geprägt: Die Europäer<br />

gaben vor Gutes zu bringen, und die Afrikaner gaben vor, es anzunehmen. Dies wird besonders<br />

im geistigen Bereich sichtbar, denn trotz Missionierung wird die Verbindung zu traditionellen<br />

Ritualen aufrechterhalten. Die traditionellen und christlichen Rituale stehen gleichberechtigt<br />

nebeneinander aufgrund der unabhängigen afrikanischen Kirchen. Und das Althergebrachte hat<br />

mehr Ausdauer, als viele vermuten, weil diese Werte weiter leben vor allem in den Alten und Ältesten.<br />

Wir sollen Afrika als Partner sehen von dem man durch Zuhören auch lernen kann… Nur<br />

wenn wir die Gedanken und Gefühle Afrikas mit ihrer ganzen Fremdheit wahrnehmen und diesen<br />

Kulturen helfen, sich dem technischen Fortschritt anzupassen ohne die eigene Identität dabei zu<br />

verlieren, kann der Kontinent wieder zur alten Lebensfähigkeit finden. Die Afrikaner ihrerseits<br />

müssen auf ihre eigenen Stimmen hören. Ilija Trojanow2 „Früher gehörten das Leben und der Reicht<strong>um</strong> allen, heute gibt es nichts mehr, was gemeinsamer<br />

Besitz genannt werden könnte. Der gute Mensch achtet die moralischen Gesetze des Landes und er<br />

wird dafür von anderen respektiert. Heute respektieren die Menschen nur noch sich selbst, statt<br />

von anderen respektiert zu werden.“ Chief Chitanga Chitanga3 Ob wir etwas tun oder nicht, ob wir uns engagieren oder es lassen, hat immer auch damit zu tun,<br />

wie wir die Dinge sehen. Wahrnehmung hat immer auch gesellschaftliche Konsequenzen. Vor dem<br />

Hintergrund der Globalisierung können wir Lebensrä<strong>um</strong>e und Lebenssituationen nicht mehr isoliert<br />

voneinander betrachten. Erst ganzheitliche Lern- und Vermittlungsformen, die stark an die eigene<br />

Sinneswahrnehmung gebunden sind, öffnen den Blick für Zusammenhänge und Ursachen von<br />

politischen, ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen in einer immer<br />

stärker miteinander verflochtenen Weltgesellschaft. Die Bildung des Urteilsvermögens wieder<strong>um</strong><br />

ist nicht ohne Sinnesbildung möglich, so aktuelle wahrnehmungspsychologische Untersuchungen,<br />

die unterstreichen, dass wir nicht (nur) mit dem Gehirn, sondern mit dem ganzen Körper wahrnehmen.<br />

Um Zusammenhänge zu erkennen, braucht man Phantasie: das zeigen neuere Studien zur<br />

Leseforschung. Das alles sind Gründe, war<strong>um</strong> wir im Projekt <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> diese Methodenvielfalt und<br />

ganzheitliche Lernformen anbieten.<br />

2 Vgl. Trojanow, Ilja (2007): Hüter der Sonne. Frederking & Thaler Verlag, S. 10ff.<br />

3 Vgl. Chief Chitanga Chitanga (2007): Hüter der Sonne. Frederking & Thaler Verlag, S. 118.<br />

59


60<br />

„Es reicht offenbar nicht, Dinge eindringlich und moralisierend zu verbreiten, auch wenn sie<br />

hochgradig brisant sind. Man muss andere Formen der Kommunikation wählen, weil die reine<br />

Information offensichtlich nicht ausreicht, unser Verhalten zu ändern, selbst wenn es dringend<br />

notwendig ist: Wir neigen dazu, unsere Realität ständig mit der sich verändernden Wirklichkeit<br />

nach zu justieren. Um<strong>welt</strong>psychologen nennen dieses Phänomen „shifting baselines“. Dabei halten<br />

Menschen immer jenen Zustand ihrer Um<strong>welt</strong> für den „natürlichen“, der mit ihrer Lebens- und<br />

Erfahrungszeit zusammenfällt. Veränderungen der sozialen und physischen Um<strong>welt</strong> werden nicht<br />

absolut, sondern immer nur relativ z<strong>um</strong> eigenen Beobachtungsstandpunkt wahrgenommen.“ 4<br />

Gegen diese „Alltagstrance“ hilft die Lust und Leidenschaft am Mit-Gestalten – wann und wo immer<br />

sich die Gelegenheit bietet. Es wird einerseits keinen dauerhaften wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Fortschritt ohne intakte Um<strong>welt</strong> geben und andererseits kann die Um<strong>welt</strong> nicht effektiv<br />

geschützt werden, wenn Menschen <strong>um</strong> ihr tägliches Überleben kämpfen müssen. Um<strong>welt</strong>,<br />

Wirtschaft und Gesellschaft beeinflussen sich gegenseitig. Auf allen Ebenen – ob vor der eigenen<br />

Haustür, beim täglichen Einkauf oder im Rahmen der großen Politik – trifft jeder Mensch täglich<br />

Entscheidungen, die einen Einfluss darauf haben, ob beispielsweise Menschenrechte beachtet werden<br />

oder die Um<strong>welt</strong> geschützt wird.<br />

Wir können wählen, ob wir den Kaffee trinken, der unter fairen Bedingungen verarbeitet wird oder<br />

das T-Shirt kaufen, das ohne Kinderarbeit und <strong>um</strong><strong>welt</strong>gefährdende Chemikalien hergestellt wurde.<br />

Ob wir mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto zur Arbeit fahren.<br />

Wir haben als Kons<strong>um</strong>entInnen Einfluss auf die Produktionsbedingungen – und wenn wir uns alle<br />

für eine nachhaltige und faire Produktionsweise entscheiden würden, dann gäbe es eben auch keine<br />

andere mehr.<br />

„Unsere Kons<strong>um</strong>- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, dass man Glück kaufen kann, wie man<br />

alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muss für etwas, dann kann es einen auch<br />

nicht glücklich machen. Dass Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung,<br />

aus dem Inneren kommt und überhaupt kein Geld kostet, dass Glück das „Billigste“ ist, was<br />

es auf der Welt gibt, das ist den Menschen noch nicht aufgegangen.“ Erich Fromm5 Klimaschutz lebt vom Mitmachen – und wenn jede/r von uns sich an einer Sache beteiligen würde,<br />

würde wirklich „ein Ruck durchs Land gehen“. Wir würden dabei nicht nur uns selber, sondern allen<br />

anderen Lebewesen helfen, denn im Grunde gibt es keine Trennungen. Alles, was wir hier und<br />

heute tun oder lassen, hat Einfluss auf die Lebens- und Zukunftsmöglichkeiten auch weit entfernt<br />

lebender Menschen.<br />

Die Ju/‘Hoansi aus Namibia sind uns in Deutschland vor allem wegen Biopiraterie bei der Teufelskralle<br />

bekannt geworden – eine Medizinpflanze, die sich bei uns großer Beliebtheit erfreut und<br />

unkontrolliert von Pharmakonzernen bzw. deren Agenten entnommen wird.<br />

4 Welzer, Harald (2010): Es kommt unweigerlich z<strong>um</strong> Clash. In: zur nachahmung empfohlen! Expeditionen in ästhetik und<br />

nachhaltigkeit. Adrienne Goehler (Hrsg.) Hatje Contz Verlag, S. 141.<br />

5 Fromm, Erich (2005): Vom Haben z<strong>um</strong> Sein: Wege und Irrwege der Selbsterfahrung. O.S.


„Ich kenne die Heilpflanzen seit meiner Jugend – auch die Teufelskralle. Für uns ist sie ein sehr<br />

wichtiges ganzkörperliches Allheilmittel. Inzwischen wissen wir, dass diese Medizinpflanze auch<br />

für die deutschen Pharmakonzerne wichtig und interessant geworden ist.<br />

Wir machen schon lange die Erfahrung, dass Händler kommen und sie aufkaufen. Dass wir einen<br />

fairen Preis bekommen, bezweifle ich.“ !Gao Naici, Lehrer und Jäger im Lebenden Muse<strong>um</strong> in<br />

Namibia<br />

Wir Menschen sind Erfahrungswesen. Wir ändern unser Verhalten meist erst, wenn wir mit lieb<br />

gewordenen Gewohnheiten negative Erfahrungen machen. Der Klimaschutz verlangt aber von uns,<br />

dass wir unser Verhalten jetzt ändern. Schaffen wir das? Es wäre eine grandiose kulturelle Leistung.<br />

61


4. MethodenWerkstatt<br />

63


64<br />

Wir brauchen Methoden und Vermittlungsformen, die uns helfen, mit allen Sinnen nach dem Sinn<br />

zu suchen. Dazu sind künstlerische, kulturelle und erfahrungsbezogene Vermittlungsformen und<br />

Methoden besonders gut geeignet, weil sie mehr Ra<strong>um</strong> als andere für eigene Ideen lassen und alle<br />

Sinne ansprechen. Künstlerische / kulturelle / erfahrungsbezogene Vermittlungsformen können<br />

Anlass z<strong>um</strong> Nachdenken und Innehalten sein, können Widerspruch, Irritation oder Aktion auslösen.<br />

Mit Hilfe künstlerischer Vermittlungsformen lassen sich die jeweiligen eigenen Vorstellungen<br />

und Erfahrungen darstellen beziehungsweise hinterfragen und andere Vorstellungen und Erfahrungen<br />

in ihrem Kontext verstehen.<br />

4.1 ZeitKapseln – z<strong>um</strong> Thema Biodiversität<br />

Die ZeitKapseln sollen die Aufmerksamkeit auf das Thema Biodiversität lenken. Damit ist der Verlust<br />

der Biologischen Vielfalt <strong>welt</strong>weit und auch vor der eigenen Haustür gemeint. Inhalt einer Zeit-<br />

Kapsel soll ein Samen sein, von dem die SchülerInnen wollen, dass es diesen in 30 Jahren noch<br />

gibt. Während der Erstellung der ZeitKapsel kann der Frage nachgegangen werden, was Biologische<br />

Vielfalt für den Einzelnen bedeutet. Hier soll deutlich werden, dass wir täglich Biologische Vielfalt<br />

verlieren und sie zu bewahren so etwas ist, wie einen „Schatz zu hüten“. Aus diesem Grund werden<br />

einige ZeitKapseln auch den SchatzKisten hinzugefügt.<br />

Äußerlich sollten die Kapseln attraktiv gestaltet werden, damit man Lust bekommt, sie zu öffnen<br />

und sich den Inhalt anzuschauen.<br />

Übung: Erstellung der ZeitKapseln<br />

Folgende Informationen sollen – zusammen mit dem jeweiligen Pflanzensamen – in<br />

die ZeitKapsel getan werden:<br />

· Name und Alter der Person, die diesen Pflanzensamen ausgesucht hat<br />

· Dat<strong>um</strong> und Fundort<br />

· Kurze Beschreibung des Pflanzensamens bzw. eine Art Steckbrief, verbunden mit dem persönlichen<br />

Wunsch, war<strong>um</strong> gerade diese Pflanze. Für die Erstellung eines Steckbriefs sollten Pflanzenbestimmungsbücher<br />

für die SchülerInnen zugänglich sein. Alternativ kann auch eine Art Brief<br />

verfasst werden, in dem deutlich wird, war<strong>um</strong> gerade dieser Inhalt gewählt wurde.


Name: Sommerlinde (Laubba<strong>um</strong>)<br />

Lateinischer Name: Tilia platyphyllos<br />

Vorkommen: Die Sommerlinde ist in Mittel- und Südeuropa heimisch, aber<br />

relativ selten wild vorkommend. Durch die Kultivierung ist diese<br />

Art jedoch heute über ganz Europa verbreitet. Der Pfälzerwald<br />

ist bekannt für seine Sommerlinden-Vorkommen. Sehr häufig<br />

sieht man Linden als Straßen-, Garten-, und Parkbä<strong>um</strong>e.<br />

Beschreibung: Die Sommerlinden erreichen als mittelgroße bis große Bä<strong>um</strong>e<br />

Höhen zwischen 25 und 40 Metern bei Stammdurchmessern<br />

zwischen 0,6 und 1,8 Metern. Sehr alte Bä<strong>um</strong>e erzielen Stamm-<br />

stärken von 4 bis 5 Metern. Linden sind langsam wüchsig und<br />

erreichen ein sehr hohes Alter. So wird die Sommerlinde meh-<br />

rere hundert Jahre alt. Das Höhenwachst<strong>um</strong> ist mit ca. 120<br />

bis 180 Jahren abgeschlossen.<br />

Blüte / Pflanze: Die Sommerlinde blüht im Juni und ist damit in Mitteleuro-<br />

pa die am frühesten blühende Lindenart. Die Blüten hängen in<br />

Trugolden meist zu 3 bis 4 (manchmal 6). Die Blüten sind etwa<br />

12 mm groß mit einem weißlich grünen Hochblatt. Die kugelige<br />

Frucht hat 5 Rippen, ist dicht behaart und wird etwa 8 bis 10<br />

mm groß.<br />

Nutzung: Das Holz der Sommerlinde ist ein gutes Schnittholz vor al-<br />

lem in der Bildhauerei und der Schnitzerei. Es wurde auch<br />

als Brennholz genutzt. Als Heilmittel wird der Lindenblütentee<br />

wegen seiner schweißtreibenden Wirkung eingesetzt.<br />

Kulturelle Bedeutung: In vielen Regionen Deutschlands wurde der Dorfmittelpunkt<br />

mit der Sommerlinde gekennzeichnet. Unter der Linde feier-<br />

te man Dorffeste und es wurde Gericht gehalten, allerdings<br />

wurden keine harten Urteile gesprochen, bei denen es <strong>um</strong> Leben<br />

oder Tod ging.<br />

Anleitung z<strong>um</strong> Bemalen der ZeitKapseln<br />

Kollage: Kleine Ausschnitte / Bildschnipsel aus Zeitschriften sammeln. Die Seite mit einem Kle-<br />

bestift bestreichen, die von außen gesehen werden soll. Etwas Geduld beim Festkleben. Flüssiger<br />

Kleber hält nicht an der Kunststoffkugel.<br />

65


66<br />

Wasserfarbe: Wenig Wasser nehmen, es verläuft ein bisschen und trocknet langsam. Dicke Pinsel<br />

eignen sich z<strong>um</strong> Ausmalen der Kapsel, feine Pinsel für Zeichnungen.<br />

Transparentpapier: Eignet sich, wenn man sehr feine Zeichnungen machen will. Klebt nicht so gut<br />

wie Papier aus Zeitschriften.<br />

Marker / Filzstifte: Wasserfesten Filzstift benutzen. Farbe verblasst nach dem Auftragen.<br />

Wachsstifte: Lassen sich gut auftragen, verwischen aber leicht.<br />

Acrylfarbe: Man benötigt einen sehr feinen Pinsel und man sollte die Farbe dick auftragen. Es benötigt<br />

viel Zeit z<strong>um</strong> Trocknen (circa 3–4 Stunden).<br />

Material: Die Kunststoffkugeln sind z. B. im „Idee“-Bastellladen oder auf der Website kreativ.de<br />

erhältlich. Folgende Größen sollen verwendet werden: 80 mm oder 100 mm.<br />

Weitere Möglichkeiten Zugänge z<strong>um</strong> Thema Biodiversität zu schaffen, sind folgende Übungen:<br />

Übung: Apfelsortentest<br />

Die SchülerInnen kosten „blind“ von verschiedenen Apfelsorten aus der Region und aus dem Supermarkt,<br />

<strong>um</strong> unterschiedliche Geschmacksvarianten innerhalb von Apfelsorten festzustellen. Damit<br />

kann das Thema Sortenvielfalt und Sortenverlust angesprochen werden. Anschließend besteht die<br />

Möglichkeit eine Diskussion über die Gründe des Verlusts von Sortenvielfalt zu führen und mögliche<br />

Gegenmaßnamen zu erarbeiten.<br />

Übung: Scrabbel – ein Wortspiel<br />

biodiversitaet<br />

a o<br />

u g<br />

m e<br />

l<br />

In Kleingruppen sollen Wortassoziationen zu den Buchstaben des Begriffs „BIODIVERSITÄT“ gefunden<br />

werden. Dazu wird der Begriff auf eine Tapetenrolle geschrieben und von den SchülerInnen<br />

bearbeitet.


4.2 EigenArt – z<strong>um</strong> Thema Kulturelle Vielfalt<br />

Kultur beeinflusst das Leben der Menschen, sie manifestiert sich durch Symbolbildungen, h<strong>um</strong>ane<br />

Werte und soziale Standards, die den Alltag erkennbar prägen.<br />

In einer Gesellschaft wirkt Kultur nach innen und nach außen:<br />

Nach innen stellt sie ein Bezugssystem dar, an dem sich der Mensch orientiert, sein Verhalten und<br />

seine Handlungsweisen erklärt – kurz: die Grundlage der eigenen Identität wird gebildet. Nach außen<br />

wirkt Kultur dann als Definition des Eigenen und gleichzeitig als Abgrenzung gegenüber dem<br />

Fremden.<br />

Doch was genau heißt das z. B. für Deutschland? Gibt es eine typisch deutsche Kultur?<br />

Sind solche Eigenarten wie z. B.: fleißig / ordentlich / pünktlich / … tatsächlich typisch deutsch?<br />

Oder werden diese dem/der Deutsche/n nur im Ausland nachgesagt?<br />

Wie andere moderne Gesellschaften auch, ist die Bundesrepublik Deutschland in sich kulturell stark<br />

ausdifferenziert. Ihre Kultur ist ein dynamisches Ensemble von Regional-, Teil- und Subkulturen,<br />

von denen jeweils wichtige Impulse aufeinander und auf das Ganze ausgehen.<br />

Das, was man als typisch deutsch bezeichnen könnte, setzt sich demnach aus vielen verschiedenen<br />

Komponenten zusammen – aus unterschiedlichen regional-bedingten Traditionen und Dialekten,<br />

aus Formen des Zusammenlebens, aus Wertesystemen und Überzeugungen und aus der Geschichte.<br />

All diese Komponenten von Kultur lassen sich mithilfe eines Eisberg-Modells ordnen:<br />

In dem sichtbaren, über der Wasseroberfläche liegenden Teil des Eisbergs finden sich folgende Aspekte<br />

der Kultur wieder: Sprache / Essen / Kleidung / Begrüßungsrituale / Kommunikationsformen<br />

/ Literatur / Theater / Musik / Spiele / Festivitäten usw.<br />

Unter der Oberfläche befindet sich ein nicht sofort erkennbarer Teil von Kultur: Werte und Normen<br />

/ Einstellungen und Auffassungen / Gefühle / Verpflichtungen / Beziehungen / Erwartungen<br />

/ Bedürfnisse usw.<br />

Um nun vor diesem Hintergrund unterschiedliche Kulturen – in unserem Projekt die Kulturen aus<br />

Sibirien, Namibia, Indien und Deutschland – vergleichen zu können, haben wir aus all den o.g. Teilaspekten<br />

von Kultur die Kleidung – als ein Symbol kultureller Ausdrucksformen gewählt und diese<br />

Methode EigenArt genannt.<br />

Unterscheidet sich die (Lieblings-)Kleidung von Jugendlichen in Deutschland, Indien, Namibia und<br />

Sibirien? Oder ist sie eher ähnlich?<br />

Finden wir auch hier bereits eine Art Monokultur vor?<br />

Was können wir alles am Beispiel Kleidung über kulturelle Besonderheiten ablesen?<br />

Ist die Kleidung noch ein Beispiel für EigenArt, die ganz eigene Art sich zu kleiden?<br />

„Bei der Arbeit trage ich die traditionelle Kleidung, weil ich fühle, dass sie dazu gehört und gut tut.<br />

Ich bin auch stolz darauf, dass ich sie zeigen kann. Ich bin stolz auf meine Kultur. Außerdem möchte<br />

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68<br />

ich meinen Kindern den alten Weg zeigen. Ich glaube, dass das alte Wissen auch für unsere Zukunft<br />

wichtig ist.“<br />

!Gao Naici, Lehrer und Jäger, Lebendes Muse<strong>um</strong> der Ju/‘Hoansi<br />

Übung:<br />

Es werden Fotoreihen von Jugendlichen aus den jeweiligen Projektländern gemacht. Dargestellt<br />

werden junge Menschen mit ihrer aktuellen Lieblingskleidung. Wir wollen dabei heraus finden, ob<br />

und welche Vielfalt sich bei Kleidung zeigt.<br />

Beispiel von EigenArt mit SchülerInnen der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in<br />

Göttingen und den Ju/‘Hoansi aus Namibia.


Weitere Möglichkeiten Zugänge z<strong>um</strong> Thema Kulturelle Vielfalt zu schaffen, sind folgende Übungen:<br />

Übung:<br />

Stelle dir Folgendes vor: Du heißt !Gao Naici / Lucia Tcuisa und stammst aus dem Dorf Grashoek in<br />

Namibia. Dort arbeitest du in einem „Lebenden Muse<strong>um</strong>“, deine Aufgabe ist es deine traditionelle<br />

Kultur zu bewahren und diese den BesucherInnen des Muse<strong>um</strong>s zu präsentieren. Du bist zuständig<br />

für das Jagen, Spurenlesen und die Herstellung von Pfeil und Bogen / für das Sammeln und Zubereiten<br />

der traditionellen Buschkost.<br />

Durch einen glücklichen Zufall hast du nun die Möglichkeit bekommen nach Deutschland zu reisen,<br />

<strong>um</strong> dort für eine kurze Zeit am Projekt <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> mitzuarbeiten. Dies ist deine erste Reise außerhalb<br />

Afrikas. Du bist gestern in Münster / Göttingen / Hannover… angekommen und erkundest heute<br />

z<strong>um</strong> ersten Mal die Stadt. Du guckst dir die Geschäfte, Straßen und Häuser an und beobachtest die<br />

Menschen und ihr geschäftiges Treiben. Am Abend bist du bei deiner Gastfamilie zu Hause. Nachdem<br />

ihr gemeinsam zu Abend gegessen habt, ziehst du dich in dein Zimmer zurück und schreibst<br />

einen Tagebucheintrag über deine neuen Eindrücke. Beschreibe hierbei, was genau dir an der deutschen<br />

Kultur aufgefallen ist. Gibt es besondere Gegebenheiten / Verhaltensweisen / Tätigkeiten …,<br />

die du nach diesen ersten Eindrücken speziell den Deutschen zuordnen würdest?<br />

69


70<br />

Übung:<br />

Vorbereitung: Die Umrisse eines Eisberges, dessen obere Hälfte aus dem Wasser ragt, werden auf<br />

Metaplan gezeichnet.<br />

Aufgabe: Was gehört zur deutschen Kultur? Begriffe werden gesammelt und nach den Kriterien<br />

„sinnlich / sichtbar“ und „unbewusst / unsichtbar“ unterschieden und in der Vorlage des Eisberges<br />

gesammelt.<br />

Übung:<br />

Was sagt die Kleidung über einen Menschen aus? Machen Kleider Leute?<br />

In Kleingruppen werden unterschiedliche Kleidungsstile (Vorlage: Fotos aus Illustrierten oder Katalogen)<br />

bearbeitet. Die SchülerInnen sollen überlegen und später vor den anderen Gruppen präsentieren,<br />

welche Images / Interessen / Selbstbilder sich hinter der Kleidung verbergen könnten.<br />

Diskussion: Inwieweit unterscheidet sich der Kleidungsstil vom eigenen?<br />

4.3 Visuelle TageBücher<br />

Innerhalb von 24 Stunden – (möglicherweise auch etwas länger, hängt vom gewählten Thema ab) –<br />

wird von den Beteiligten der Fotofilm einer Einwegkamera fotografiert und jeweils ein kurzer Text<br />

dazu geschrieben.<br />

Der Fokus des Fotografierens liegt auf unserem Projektthema:<br />

Klimawandel, Biodiversität und Kulturelle Vielfalt. Fotografiert wird der<br />

Ist-Zustand; bisweilen entsteht auch eine Foto-Geschichte.<br />

Wir haben fotografische Zeugnisse, die so etwas zeigen wie:<br />

Welche Um<strong>welt</strong>-Veränderungen nehmen SchülerInnen wahr? Z. B. solche auf dem Schulweg / in der<br />

Umgebung des Elternhauses?<br />

Oder: Was wäre ein „<strong>um</strong>.<strong>welt</strong>-Tra<strong>um</strong>-Tag“? Was wäre wenn?<br />

Oder: Die Kamera wird weiter gegeben – an die Oma oder den Opa – und die erzählen mit der Kamera,<br />

was sie noch z<strong>um</strong> Thema wissen und was sich verändert hat.<br />

Oder: Es wird ein Thema fotografiert, z. B. heimische Ba<strong>um</strong>arten.<br />

Oder: Die Schule mit ihren Um<strong>welt</strong>schwerpunkten wird vorgestellt.<br />

Oder: Es gibt auch Visuelle TageBücher, die die Zeit zwischen Aufstehen und Schlafen-Gehen fotografiert<br />

haben.<br />

Oder: Einige geben Antworten auf folgende Fragen: Was ist Dir wichtig im Leben? Was wünscht Du<br />

Dir für die Zukunft?<br />

Als Beispiele, wie Ergebnisse aussehen können, hier Visuelle TageBücher aus Namibia.<br />

Macht gerne selber Visuelle TageBücher. Ihr könnt dazu eine Digitalkamera oder eine Einwegkamera<br />

verwenden (letztere ist teurer und hat einen größeren ökologischen Fußabdruck).<br />

Im Folgenden seht Ihr zwei unterschiedliche grafische Darstellungen von Visuellen TageBüchern.


Namibia<br />

Morris Sara ‡oma LIocewJu Grashoek,<br />

/’Hoansi,<br />

Ich habe eine Ausbildung als Näherin<br />

und hoffe, dass mich jemand unterstützt,<br />

damit ich als Näherin arbeiten kann.<br />

Côte d´Ivoire, Aboisso<br />

Ich möchte einmal ins Ausland reisen.<br />

71


72<br />

Sara Kha<strong>um</strong> ‡oma //oce<br />

Das Leben hier in Grashoek<br />

ist für mich das Beste.<br />

Ich mag es nicht in der Stadt.<br />

Namibia<br />

Ju /’Hoansi, Grashoek, Namibia<br />

Ich möchte hier in Grashoek ein großes<br />

Haus bauen, zwei Kinder haben und<br />

mit meiner Frau darin leben.


Mir ist iM Leben wichtig,<br />

NahruNg, Wasser,<br />

eiN haus uNd KleiduNg<br />

zu haben.<br />

für die zukunft wünsche ich Mir,<br />

irgeNdetWas zu arbeiteN, damit<br />

ich davoN lebeN KaNN.<br />

Eveline Slanger, Ju /’Hoansi, Grashoek, Namibia<br />

73


ich gLaube,<br />

dass wir durch das<br />

WisseN aus<br />

uNserer alteN Kultur<br />

eiNe zuKuNft habeN.<br />

74<br />

die alteN, die uNs die<br />

alteN traditioNeN<br />

beibriNgeN siNd mir Wichtig,<br />

deNN dadurch KöNNeN<br />

Wir uNser lebeN gestalteN.<br />

Nllam !amace, Ju /’Hoansi, Grashoek, Namibia


4.4 Kreatives Schreiben z<strong>um</strong> Thema <strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

Eine SchreibWerkstatt hat etwas mit Heuristik zu tun: mit der Kunst der Findung oder auch der<br />

Kunst der Erfindung bzw. der Kunst der Ideenfindung.<br />

Kreatives Schreiben hilft, weg-zu-denken, die wichtigste Fähigkeit, die uns die Kreativität beschert:<br />

Distanz gewinnen zu allem, was uns den Blick verstellt, Perspektivwechsel üben, Dinge sehen, die<br />

wir vorher nicht gesehen haben. So erschließen wir uns die in uns wohnenden Quellen der Phantasie<br />

und Intuition.<br />

Albert Einstein schätzte sie mehr als Wissen. „Literarische Phantasie ist ihrem Wesen nach der Vorstellungskraft<br />

gleich, ohne die wissenschaftliche Neuerungen nicht denkbar sind.“<br />

Patricia Highsmith nannte dieses Phänomen: „Die Welt ist voller Ideenkeime. … Ganz ideenlos zu<br />

sein ist gar nicht möglich, denn Ideen finden sich überall.“<br />

Das Stärkste, das wir besitzen, sind unsere Gedanken. Jede Aktion, jede Veränderung fängt mit<br />

einem Gedanken an. Kreatives Schreiben fördert die laterale Art zu denken: das Denken auf Seitenwegen,<br />

die Verbindung zwischen scheinbar Belanglosem, das Herstellen von Zusammenhängen,<br />

das Wahrnehmen von Details. Schreiben ist nichts anderes als auf dem Papier denken. Insofern<br />

hilft Kreatives Schreiben auch, Gestaltungskompetenz zu entwickeln, ohne die wir die Folgen und<br />

Wirkungen von Klimawandel, Veränderung unserer Um<strong>welt</strong>bedingungen oder den Einfluss der Globalisierung<br />

auf unsere Leben nicht gestalten lernen.<br />

In den SchreibWerkstätten realisieren wir auch unseren Anspruch, einen Paradigmenwechsel zu<br />

unterstützen und ein <strong>um</strong>.<strong>welt</strong>-Bewusstsein zu fördern, bei dem ganzheitliches, vernetztes Denken<br />

und Lernen Priorität hat: Kommunikation und Bildung müssen über die Vermittlung ökologischer<br />

Zusammenhänge hinaus neue Zugänge z<strong>um</strong> Verstehen der Wirklichkeit, attraktive Möglichkeiten<br />

zur Veränderung und Gestaltung, Kreativität weckende Vermittlungsformen, reflektierte Selbstund<br />

Fremdwahrnehmung und die Integration von ethischen Wertfragen beinhalten.<br />

„Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken“, hat Marc Aurel vor zweitausend Jahren gesagt.<br />

Hier ein Text, der in der ersten SchreibWerkstätten des Projekts entstanden ist:<br />

Laserpointer Schutzaktion<br />

Amélie ging mit gezücktem Stift auf ihren Chef zu.<br />

„Na…? Haben Sie einen Verdächtigen gefunden?“ Ein spöttisches Grinsen breitete sich in seinem<br />

Gesicht aus. Amélie mochte ihn nicht.<br />

„Nein…doch, Sir. Nur das Problem ist… Es sind rund 6,3 Milliarden Verdächtige!“<br />

Jetzt bekam der Chef große Augen, sein Schnurrbart tänzelte. „Wie bitte?“<br />

„Nun, Sir. Dies ist nicht besonders überraschend.“ Amélie zeigte auf den blauen Planeten. „Die<br />

Menschen gehen nicht besonders sorgsam mit der Erde <strong>um</strong>.“<br />

„Und woran liegt das?“ Seine Stimme bebte vor Empörung.<br />

„Entsprechend meinen Nachforschungen weiß ich, dass die Menschen nach Materiellem und<br />

Luxus streben. Immer gieriger werden sie. Sie beuten die Erde gedankenlos aus.“<br />

Inspektor Chelsea trat in den Ra<strong>um</strong>, wo seine Kollegin Amélie Fayance mit ihrem Chef Evra<br />

75


76<br />

Ibrahim sprach. Chelsea und Amélie arbeiteten in einem Projekt zusammen, das „Erde und<br />

Menschen“ hieß. Ihre Agentur hatte extreme Veränderungen an dem blauen Planeten wahrgenommen<br />

und Ibrahim hatte ihn und Amélie damit beauftragt heraus zu finden, war<strong>um</strong> und was<br />

genau geschieht.<br />

„Amélie? Ich habe die Wärmebilder.“<br />

Chelsea startete das overlook mit den Wärmebildern, die von Magentarot bis Hellblau reichten.<br />

„Wie sie sehen, Sir, ist der Kern sehr rot und Nachforschungen haben ergeben, dass dies immer<br />

so war. Die Erde hat einen Feuerkern. Das andere Bild mit der hellblauen Färbung zeigt, wie<br />

sich die Erde in den letzten zehn Jahren erwärmt hat – und zwar auf sehr ungewöhnliche Weise.<br />

Bisher kannten wir diese Art Erwärmung in unserem Kosmos nicht. Sie ist nicht natürlich. Wir<br />

vermuten, dass falsche Muster die Gedanken der Menschen beherrschen.“<br />

Amélie beobachtete Chelsea beim Erklären. Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken, dass Menschen,<br />

die auf etwas so Wunderschönem wie die Erde wohnen, diese zerstörten. Und das alles<br />

wegen der Gier nach Luxus, nach Geld und anderen oberflächlichen Dingen? Früher konnten<br />

die Menschen ohne solche Dinge leben. War<strong>um</strong> heute nicht mehr?<br />

Ibrahim schlug auf den Tisch und stemmte sich aus dem schweren move on suite hoch. „Habt<br />

ihr schon eine Lösung?“<br />

Amélie stutzte. „Wie denn?“<br />

„Nun, anscheinend verstehen die Menschen nicht, was sie dort tun… vielleicht sollten wir ihnen<br />

helfen.“ Chelsea kratzte sich an Kopf und Bart – typisch für ihn, wenn er nachdachte – und<br />

setzte sich auf einen der harten unangenehmen pieces mitten im Ra<strong>um</strong>. „Wie können wir freien<br />

Willen ändern?“<br />

Amélie trat ans Fenster und betrachtete die kleine blaue Kugel, die aus dem All leuchtete wie<br />

ein Laserpointer. Fast trä<strong>um</strong>erisch dachte sie: Laserpointer Schutzaktion. Ibrahim beobachtete<br />

sein Team. Er merkte, wie nah den beiden diese Tatsachen gingen.<br />

„Meine Forschungen haben ergeben, dass es Organisationen gibt, die gegen die globale Erwärmung<br />

kämpfen. Also gegen die katastrophalen Veränderungen. Und die Erde kämpft auch!“<br />

Chelsea kraulte weiter seinen Bart, Amélie schaute ihren Chef fragend an.<br />

„Nun, die globale Erwärmung ist dadurch entstanden, dass die Menschen Produkte herstellen<br />

und Fabriken betreiben, die der Um<strong>welt</strong> schaden. Doch sie achten nicht darauf. Etwas macht<br />

sie blind und taub für die Folgen. Irgendwann ist z. B. eine der Fabriken explodiert, eine riesige<br />

Giftwolke hat tagelang alles lahm gelegt und es gab so viele Todesopfer, dass die Menschen geschockt<br />

waren. Die Klügsten haben verstanden, dass sie unbedingt diese Entwicklung ändern<br />

müssen. Doch d<strong>um</strong>m wie die Menschen sind, haben sie sich zwar Dinge vorgenommen, aber<br />

ka<strong>um</strong> <strong>um</strong>gesetzt. Deshalb haben sich Organisationen gebildet, die das höhere Wissen hüten.“<br />

Nun schaute Chelsea auf. „Das heißt, dass Menschen gegen Menschen kämpfen?“<br />

Amélie winkte ab. „Das ist doch oft so!“<br />

„Nun gut, also was schlagt ihr vor, was wir tun sollen?“ Ibrahim war unruhig.<br />

Chelsea grinste. „Hin fliegen und helfen?!“<br />

„Wir könnten unsere Form verändern und uns hoch arbeiten, bis zur obersten Ebene. Dann<br />

haben wir genug Macht, <strong>um</strong> ihnen unbewusst zu helfen“, ergänzte Amélie.<br />

Ibrahim klatschte in die Hände. „Bravo, das wollte ich hören! Diese speziellen Organisationen<br />

haben schon Vorschläge und Wege herausgefunden zur Besserung. Wir müssen ihnen wirklich


nur ein bisschen unter die Arme greifen!“ Er schaute zufrieden. „Mrs. Fayance, stellen sie mit<br />

Chelsea ein Team zusammen. Das Projekt wird in einem Monat gestartet.“<br />

Die nächsten Tage verbrachte Amélie im space lab und erforschte die Menschheitserfahrungen<br />

vergangener Jahrhunderte, wie man die Sinne öffnet und den freien Willen beeinflusst. Sie<br />

forschte über das doitnow!-Gen, das Zusammenspiel von Gefühl und Verstand und lernte die<br />

kosmischen Techniken des Paradigmenwechsels.<br />

Es ist ein heller Morgen. Chelsea tritt in Amélies Büro. In nur zwei Jahren haben er und sie sich<br />

in einer Um<strong>welt</strong>organisation hoch gearbeitet. Inzwischen sind sie anerkannte Um<strong>welt</strong>forscher.<br />

Er schaut sich <strong>um</strong> und entdeckt ein Bild von Amélie auf ihrem Schreibtisch. Er selber hatte es<br />

neulich bei einer ihrer Forschungsfahrten aufgenommen. Amélie schaute direkt in die Kamera.<br />

Ihm fällt auf, dass sie wirklich wie ein normaler Mensch aussieht.<br />

In zehn Jahren, so denkt er, würden sie bestimmt ihrem Ziel ein Stück näher gekommen sein.<br />

Laserpointer Schutzaktion – er kann sich ka<strong>um</strong> noch an das Bild von der kleinen, blauen Kugel<br />

erinnern, jetzt, wo er schon so lange auf der Erde ist.<br />

Autorin: Carolin Schwarz, 16 Jahre, Integrierte Gesamtschule List, Hannover, 2009.<br />

Übungen z<strong>um</strong> Kreativen Schreiben<br />

Der besondere Ort<br />

Äußere und innere Bilder verbinden sich zu einer Geschichte. Ein in drei Spalten gefaltetes Blatt<br />

hilft beim Aufzeichnen von Notizen im Freien.<br />

Material: A3-Papier, in drei gleich große Spalten gefaltet.<br />

Anleitung:<br />

Wir suchen einen Ort auf, der uns interessiert oder anzieht.<br />

Während der ersten zehn Minuten notieren wir alle Wahrnehmungs-Eindrücke (über Augen, Ohren,<br />

Nase, Körper) in der ersten Spalte und wählen aus den Notizen drei Begriffe oder Themen aus,<br />

die für uns wichtig sind.<br />

Um diese drei Begriffe her<strong>um</strong> schreiben wir in den nächsten zehn Minuten unsere Assoziationen<br />

und beginnen den Ablauf eines Textes.<br />

In der dritten Spalte beginnen wir mit dem Text (auch zehn Minuten).<br />

Eindrücke notieren Assoziieren, Ablauf festhalten Text schreiben<br />

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78<br />

Die Kamera im Kopf<br />

Ausgangspunkt ist ein Foto bzw. Bild aus einer Zeitschrift etc. Eine Methode, <strong>um</strong> Perspektivwechsel<br />

zu üben. Man schreibt aus der Sicht einer Figur bzw. selbst gewählten Position und hat dabei „die<br />

Kamera im Kopf“. Je nach Blickwinkel verändert sich die Aussage.<br />

Wo steht die Kamera? Wechselt sie ihren Standort während des Geschehens? Zeigt sie Nahaufnahmen<br />

oder die ganze Umgebung? Zeigt sie auch innere Bilder, Gedanken, Gefühle? Die Kamera des<br />

Autors kann auch das Unsichtbare, das Innenleben einer Figur zeigen.<br />

Material: Zeitungen, Zeitschriften, Scheren, Klebstifte.<br />

Anleitung:<br />

Aus Zeitungen und / oder Zeitschriften schneidet sich jeder ein Bild aus, das ihn anspricht / erzählt.<br />

Jeder klärt die Grundfragen zu seiner Geschichte: wer, wo, was, Rollen, Ort, Handlung.<br />

Dann wählt er einen Standort für die Kamera: Entweder den Blickwinkel des Bildes beibehalten<br />

(den Blick von außen), oder in eine Figur hineinsteigen, die Geschichte durch ihre Augen, ihr Bewusstsein<br />

erleben.<br />

4.5 ZeitZeugen<br />

ZeitZeugen: eine Ausstellung<br />

In dem in der Agenda 21 enthaltenen Leitbild einer „nachhaltigen Entwicklung“ wird explizit formuliert,<br />

dass Menschen – nicht allein Staaten und Regierungen – fähig werden müssen, nachhaltig zu<br />

denken und zu handeln. Nachhaltigkeit ist eine Strategie, die jeden von uns angeht und nachhaltige<br />

Entwicklung ein gesellschaftliches Projekt, das nur mit (aktiven) Menschen funktioniert.<br />

Mit Menschen, die gestalten. Die sich engagieren für Zukunftsfragen. Die Verantwortung übernehmen.<br />

Neue Wege gehen. Impulse liefern. Die sich einmischen und quer denken. Mit jungen Menschen<br />

und mit alten.<br />

Deshalb wählen wir in den verschiedenen Projektländern Akteure aus dem Zusammenhang unseres<br />

Themas aus und recherchieren die Geschichte und die Besonderheit einer/s jeden. ZeitZeugen sind<br />

ProtagonistInnen, die mit ihrem Leben und ihren Erfahrungen zu Lösungen beitragen. Das alles<br />

nicht abstrakt, sondern nachvollziehbar, konkret, attraktiv.<br />

Was unser Thema betrifft, so gibt es inzwischen erste Erfolge, Orientierungen und Visionen, konkrete<br />

Praxis und Organisationsformen. Das, was in diesem Neuland an Wissen, Handlungs- und<br />

Gestaltungskompetenz, Sinnhaftigkeit, Innovationsfähigkeit, Einfluss, Dialogbereitschaft etc. erworben<br />

und entwickelt wird, wollen wir untersuchen und öffentlich wirksam machen.<br />

Wir präsentieren in dieser Ausstellung Pioniere / ProtagonistInnen aus Sibirien, Namibia und Indien.<br />

Die ZeitZeugen aus Deutschland sind Persönlichkeiten, die sich in Bildungseinrichtungen, Um<strong>welt</strong>gruppen,<br />

Eine-Welt-Initiativen, in Netzwerken, Kirchen, Unternehmen, Dörfern und Städten<br />

etc. für unser Thema engagieren.


Dazu wird von jeder / jedem ein besonderes Fotoportrait gemacht, die Interviews werden zu Hörgeschichten<br />

<strong>um</strong>geschrieben, die – professionell gesprochen – als Akustische Installation den Kern<br />

der Ausstellung bilden.<br />

Als Gesprächsausstellung konzipiert, soll diese vielfältige Refl exionsmöglichkeiten bieten und die<br />

SchatzKisten ergänzen. Zugleich wollen wir ZeitZeugen als Methode für die Um<strong>welt</strong>bildung einführen:<br />

wir lösen die Methode aus ihrem historischen Kontext und nutzen sie als modernes Kommunikationsmittel.<br />

Interdisziplinär und intergenerativ lernen – gestalten – sich beteiligen: das ist, was<br />

wir hier leisten wollen.<br />

Die Methode ZeitZeugen kann auch als Anregung genommen werden, Menschen im eigenen Umfeld<br />

bezüglich ihres Wissens und ihrer Erfahrungen zu interviewen und vorzustellen.<br />

ZeitZeugen !Gao Naici + Lucia Tcuisa<br />

79


80<br />

4.6 SchatzKiste<br />

Im Verlauf des Projekts <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> entstehen drei unterschiedliche SchatzKisten, in denen jeweils auf<br />

besondere Art und Weise verschiedene Aspekte der übergeordneten Themen Klimawandel, Biodiversität<br />

und Kulturelle Vielfalt aus der Sicht der indigenen Ethnie Chanty/Mansi, Ju/‘Hoansi und<br />

Adivasi vorgestellt werden.<br />

Die drei SchatzKisten beinhalten daher die Themen aus deutscher und aus Sicht der jeweiligen indigenen<br />

Ethnie und berücksichtigen somit verschiedene Aspekte / Teilkompetenzen sich die Themen<br />

zu erschließen, wie z. B. Erkennen der Problematik durch Informationsbeschaffung, Bewerten<br />

durch Perspektivenwechsel und Empathie, sowie Handeln durch Solidarität und Mitverantwortung.<br />

Vorbereitet werden die SchatzKisten von den indigenen Gruppen schon im Vorfeld ihrer Projektreise<br />

nach Deutschland. Sie bringen aus ihrem Umfeld Gegenstände, Texte, Bilder, etc. mit, die für<br />

ihre Kultur und die Natur ihres Landes sprechen. Während ihres Aufenthalts in Deutschland vervollständigen<br />

die Indigenen, gemeinsam mit den SchülerInnen der Partnerschulen, die Inhalte der<br />

SchatzKisten mit dem deutschen Teil – der ZeitKapseln (siehe 4.1).<br />

Bei dieser Methode liegt ein besonderes Augenmerk in der Mitwirkung der SchülerInnen aus den<br />

am Projekt beteiligten Schulen. Diese haben sich, im Vorfeld der Internationalen Begegnungs-<br />

Workshops mit dem Thema und der Ethnie beschäftigt, haben selber auch Material gesammelt und<br />

erarbeitet bzw. die ZeitKapseln hergestellt.<br />

In den Internationalen Begegnungsworkshops tauschen die SchülerInnen ihre erworbenen Kenntnisse<br />

mit den Indigenen aus. Die mitgebrachten Dinge werden gemeinsam begutachtet und für die<br />

Unterrichts- und Vermittlungstauglichkeit überprüft und erprobt. In einem gemeinsamen Prozess<br />

wird festgelegt, wie die jeweiligen SchatzKisten letztendlich aussehen werden. Dieses prozessorientierte<br />

Arbeiten dient der gemeinsamen thematischen Auseinandersetzung.<br />

Alle SchatzKisten sind so ausgestattet, dass jede/r AusleiherIn eigenständig mit ihnen arbeiten<br />

kann. Die Anmutung „SCHATZKiste“ wird dadurch erfüllt, dass sie seltene Originalgegenstände<br />

enthält – und schon von der Optik eine gewisse Attraktivität für den Gebrauch ausstrahlt. Um sie<br />

für fächerübergreifenden Schulunterricht, für Projekte, Ganztagsschulangebote und außerschulische<br />

Aktivitäten einsetzbar zu machen, enthält jede SchatzKiste alle notwendigen Informationen in<br />

Form von Büchern, Broschüren, Zeitschriften, etc.<br />

Ein jeweiliges <strong>Handbuch</strong> (so wie dieses hier) gibt Hinweise für die Benutzung der Medien und Anregungen<br />

für den Unterricht. Zudem werden die theoretischen Grundlagen der Um<strong>welt</strong>bildung und<br />

des Globalen Lernens sowie die unterschiedlichen Inhalte dargestellt.


Beispiel: die SchatzKiste der Ju/‘Hoansi aus Namibia<br />

Die SchatzKiste enthält kulturelle Objekte zu den übergeordneten Themen:<br />

· Kunst der Einfachheit (Alltagsgegenstände von Frauen und Männern)<br />

· Traditionelle Kleidung und Schmuck (von Frauen und Männern)<br />

· Jagdgegenstände<br />

· Traditionelle Heilpflanzen (getrocknete Pflanzen, Erden, Farben)<br />

Im Begleitkoffer zur SchatzKiste finden Sie weiterführende Materialien für eine längerfristige und<br />

weiterführende Beschäftigung mit den Themen Klimawandel, Biodiversität, Kultur und Entwicklung<br />

(siehe Kapitel 5.3).<br />

Bau einer eigenen SchatzKiste:<br />

Materialien: Materialien für den Bau der SchatzKiste oder eine geeignete Kiste, sowie ausgewählte<br />

Gegenstände (einer bestimmten Ethnie), die in die SchatzKiste kommen; Material für ZeitKapseln<br />

(siehe 4.1).<br />

Dauer: Mehrere Gruppenstunden, verteilt über mehrere Tage.<br />

Ziel: Die SchülerInnen werden für die Werte der Natur und Kultur, ihre Schätze und ihrer Bedeutung<br />

für uns Menschen sowie ihre Gefährdung sensibilisiert. Schwerpunkt sollte auf Deutschland<br />

und ein weiteres Land (wie z. B. Namibia) gelegt werden, so dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />

herausgearbeitet werden können. 1<br />

4.7 Internationale Begegnungen<br />

Eine direkte Begegnung mit Menschen von einem anderen Kontinent ist vieles zugleich: eine gegenwärtige<br />

Beschäftigung miteinander, eine Konfrontation, ein Beitrag z<strong>um</strong> globalen Dialog, ein<br />

konkreter Blick in andere Lebens- und Lern<strong>welt</strong>en, in jedem Fall jedoch ein Anlass, das eigene Wertesystem<br />

aus einer neuen Sicht zu beleuchten.<br />

In erster Linie sind Begegnungen zwischen Menschen aus verschiedenen Ländern, aus unterschiedlichen<br />

Kulturen der ideale Zugang zur Komplexität von Lebens<strong>welt</strong>en. Sie ermöglichen – fern vom<br />

Klischee – das Entdecken der immer besonderen Wirklichkeit der Menschen. So wird für Lernende<br />

das Interesse an den Fakten und Bedingungsgeflechten erst möglich: Der Mensch steht im Mittelpunkt<br />

und nicht ein abstraktes Thema: Klimawandel, Verlust von Biologischer Vielfalt, Verlust<br />

von Kultur, Armut, Reicht<strong>um</strong>, Gesundheit, Glück erhalten ein Gesicht, bekommen einen Namen.<br />

Dadurch wird es allen Beteiligten ermöglicht, zeitweise die Perspektive des anderen einzunehmen.<br />

Ohne diese Grundlage, ohne Entwicklung einer veränderten Perspektive ist Lernen über und für<br />

eine Nachhaltige Entwicklung nicht möglich. Begegnungen mit Menschen aus anderen Kontinenten<br />

sind Erlebnisrä<strong>um</strong>e zur Einsicht in andere kulturelle Bedingungen. Sie sind Lernanreize: Fernes<br />

rückt nah und provoziert Fragen: „War<strong>um</strong> ist die Wirklichkeit dort und hier so anders, oder:<br />

1 Anregungen aus ZDII: http://www.zukunftsfaehiges-deutschland.de /zukunftsfaehiges_ deutschland /materialien/bildungsarbeit/.<br />

81


82<br />

so ähnlich? War<strong>um</strong> bewegt sich dort etwas oder gar nichts? Wann verstehe ich mich mit meinem<br />

Gegenüber trotz unterschiedlicher Sprachen, wann gar nicht, obwohl wir die gleiche Sprache sprechen?“<br />

Begegnungen können auch dazu motivieren, am konkreten Beispiel der Menschen und deren<br />

Lebensbedingungen die Notwendigkeit und die Möglichkeiten von Veränderung zu entdecken.<br />

Der Fokus kann wegrücken von reinen Veränderungen in anderen Ländern und ergänzt werden<br />

durch die Möglichkeit, selber Beiträge zur Verbesserung von Rahmenbedingungen auch bei uns in<br />

Deutschland zu leisten. Reflexion führt zu Aktion. 2<br />

Als Methode des Globalen Lernens können Internationale und Interkulturelle Begegnungen „(…) in<br />

pädagogischen Zusammenhängen Erfahrungen (…) ermöglichen, die zeigen, dass es auch ‘ganz<br />

anders‘ sein kann, also dass die Welt, die Gesellschaft, die Politik, mein eigenes Geschlecht, der<br />

Kosmos usw. ganz anders gedeutet werden können und infolge dessen auch ganz anders gehandelt<br />

wird.“ 3<br />

Deswegen haben wir als integralen Bestandteil des Projekts <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> und als Methode des Globalen<br />

Lernens die Durchführung von Internationalen Begegnungen deutscher SchülerInnen mit VertreterInnen<br />

indigener Ethnien aus anderen Kontinenten ausgewählt. Dieses bewusst, weil wir davon<br />

ausgehen, dass ein komplexes Themenfeld wie das in unserem Projekte behandelte Verhältnis von<br />

Klimawandel, Verlust von Biodiversität und Verlust Kultureller Vielfalt nicht leicht zu bearbeiten ist<br />

und hier mit einer Reihe von stereotypen Vorstellungen der Lernenden zu rechnen ist. Diese betreffen<br />

insbesondere das interkulturelle Feld, das bei Kultureller Vielfalt angesprochen ist, aber auch<br />

Fragen von Armut, Unterschiede in Lebens- und Wirtschaftsweise, etc.<br />

In partizipativen Prozessen haben junge Menschen aus den beteiligten Kernschulen zusammen mit<br />

VertreterInnen indigener Gruppen Internationale Begegnungen durchgeführt: Im ersten Jahr mit<br />

den Chanty und Mansi aus Sibirien, im zweiten mit den Ju/‘Hoansi aus Namibia und im dritten<br />

Projektjahr 2011 wird eine Begegnung mit den Adivasi aus Indien folgen. Die Begegnungen wurden<br />

und werden in lokalen Workshops vorbereitet: thematisch, methodisch, interkulturell. Während<br />

der direkten Begegnung lebten die SchülerInnen gemeinsam mit den Gästen für mehrere Tage in<br />

Tagungshäusern außerhalb der Schule. Im Vordergrund stand die gemeinsame Arbeit in Kleingruppen<br />

am Thema in Form von praxisorientierten Workshops zur traditionellen Handwerkskunst der<br />

indigenen Gruppen. Dabei konnten die SchülerInnen z. B. lernen, wie man Schmuck herstellt, Gefäße<br />

aus Birkenrinde erstellt, Produkte aus Holz schnitzt, Bogen herstellt, Feuer macht etc. Über die<br />

gemeinsame Arbeit an den Produkten kamen SchülerInnen und Gäste intensiv in das Gespräch über<br />

das Projektthema, über den Zusammenhang der traditionellen Kultur und deren drohender Verlust<br />

angesichts von Klimawandel und Verlust von Artenvielfalt.<br />

Praktische Tipps:<br />

Uns ist bewusst, dass ein internationaler Austausch in dem Umfang, wie er im Projekt <strong>um</strong>.<strong>welt</strong><br />

stattfindet, eine Ausnahme im Bereich der Um<strong>welt</strong>bildung, des Globalen Lernens und der Bildung<br />

für Nachhaltige Entwicklung ist. Nicht immer können Gäste aus dem Ausland eingeladen werden,<br />

fehlen doch oft die finanziellen und auch die personellen Kapazitäten, <strong>um</strong> solch eine Begegnung zu<br />

organisieren und durchzuführen.<br />

2 Kleem, Harald (2009): Nord-Süd-Schulpartnerschaften. Das „Schweizer Messer“ in der entwicklungspolitischen<br />

Bildungsarbeit? In: 360° plus Rundbrief 2/3.2009: Nord-Süd-Schulpartnerschaften.<br />

3 Faschingeder, Gerald (2006): Stell dir vor es ist Kultur und keiner geht hin! Kultur und Entwicklung als Ignoranzverhältnis<br />

im Horizont der Transkulturalität. ZEP, 29. Jg. Heft 4, S. 16.


Möglichkeiten von Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturen, aus anderen Ländern, von<br />

anderen Kontinenten gibt es aber fast überall. So leben in direkter Nachbarschaft mit uns viele<br />

Menschen aus anderen Ländern, mit denen wir uns über ihre Herkunftsländer, über die Lebensbedingungen<br />

dort, die Kultur, Religion, Weltanschauung austauschen können. Vielfach sind diese<br />

Menschen in eigenen Organisationen zusammen geschlossen und speziell auch auf diese Bildungsaufgabe<br />

vorbereitet. Kontakte vermitteln z<strong>um</strong> Beispiel die entwicklungspolitischen Landesnetzwerke<br />

wie der Verband Entwicklungspolitik Niedersachesen VEN e.V. oder das Eine Welt Netzwerk in<br />

Nordrhein-Westfalen.<br />

Eine andere Möglichkeit, sich authentisch über Lebensbedingungen in den sogenannten Entwicklungsländern<br />

zu informieren, ist es, die Erfahrungen von ehemaligen EntwicklungshelferInnen und<br />

deren PartnerInnen zu nutzen. Unterstützung bietet dabei das bundesweite Programm Bildung<br />

trifft Entwicklung. Informationen dazu finden Sie unter: www.bildung-trifft-entwicklung.de<br />

Und natürlich gibt es auch immer wieder die Möglichkeit, direkt mit PartnerInnen aus dem Süden,<br />

die eigens dafür eingeladen werden, zu arbeiten. Oder sogar mit einer Gruppe von SchülerInnen ein<br />

anderes Land zu besuchen, bzw. eine direkte Begegnung im Rahmen einer Schul- oder Projektpartnerschaft<br />

durchzuführen. Informationen zu Organisation und Finanzierungsmöglichkeiten gibt der<br />

Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen <strong>VNB</strong> e.V. unter: www.vnb.de<br />

83


5. Info.Box<br />

85


86<br />

5.1 Arbeits- und Unterrichtsmaterialien zu Klimawandel,<br />

Biodiversität und Kulturelle Vielfalt<br />

5.1.1 Klimawandel<br />

Klimaschutz und Klimapolitik<br />

Die BMU-Broschüre liefert Materialien zu den Themen Wetter/ Klima, Treibhauseffekt, CO2 Emissionen<br />

<strong>welt</strong>weit und in Deutschland, Meeresspiegelanstieg und Energiesparen. Neben vielen Aspekten<br />

aus den Bereichen Biologie, Chemie, Physik und Erdkunde berührt das Thema Klimaschutz<br />

besonders auch die internationale Politik. In dem Bildungsmaterial wird auch der Oscar-Prämierte<br />

Film von Al Gore „Eine unbequeme Wahrheit“ thematisiert. Im Rahmen einer BMU-Aktion haben<br />

6000 Schulen bundesweit den Film für Unterrichtszwecke erhalten.<br />

Herausgeber:<br />

Bundesministeri<strong>um</strong> für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)<br />

Referat Öffentlichkeitsarbeit<br />

11055 Berlin<br />

Fax 01888 3052044<br />

E-Mail: bmu@broschuerenversand.de<br />

http://www.bmu.de<br />

Link für weitere Bestellungen:<br />

http://www.bmu.de/bestellformular/content/4159.php#Bildungsmaterialien<br />

BMU: Klimaschutz und Klimapolitik (Sek I/II; Schülerarbeitsheft) – 2935<br />

Oktober 2008<br />

Klimaschutz To Go – was geht an Schulen?<br />

Du findest Klimaschutz wichtig? Perfekt! Dieses Heft hilft dir bei deinen ersten Schritten z<strong>um</strong><br />

Klimaschützer. Mach deine Schule ein Stück besser. Viele Tipps kannst du auch zu Hause gut brauchen.<br />

Doch wenn du es schaffst, an deiner Schule etwas zu ändern, ist das wirklich genial. Eine<br />

Schule braucht nämlich meist extrem viel Energie. Das kostet Geld und schadet dem Klima. Viel<br />

davon kann man sparen. Du findest bestimmt ein paar MitstreiterInnen, die dir helfen. Und dann<br />

merken auch andere, dass sie etwas tun können. Fang du doch schon mal an!<br />

Herausgeber:<br />

Bundesministeri<strong>um</strong> für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)<br />

Referat Öffentlichkeitsarbeit<br />

11055 Berlin<br />

Link für weitere Bestellungen:<br />

http://www.bmu.de/bestellformular/content/4159.php#Klima<br />

BMU: Klimaschutz To Go – Was geht an Schulen? 3705<br />

Februar 2009


Klimagerechtigkeit<br />

Inzwischen herrscht aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse eine breite Einigkeit, dass der<br />

Mensch einen Einfluss auf das Weltklima hat. Klar ist, es muss etwas getan werden. Kann die Verantwortung<br />

zur Rettung des Klimas gerecht auf die Verursacher verteilt werden? Diese Frage steht<br />

im Mittelpunkt der Themenblattausgabe. In einem schlüssigen Aufbau werden menschliche Einflüsse<br />

auf das Klima, globale VerursacherInnen und Folgen des Klimawandels sowie eine mögliche<br />

Problemlösung zur Analyse und Beurteilung gestellt.<br />

Herausgeber:<br />

Bundeszentrale für politische Bildung<br />

Adenauerallee 86<br />

53113 Bonn<br />

Link für weitere Bestellungen:<br />

http://www.bpb.de/publikationen/7R9CZ5,0,0,Klimagerechtigkeit.html<br />

Das Abschmelzen der Gletscher – Gletschersee – Ausbrüche in Nepal und der<br />

Schweiz<br />

Arbeitsblätter mit Fotos, Hintergrundinformationen, Statistiken von Germanwatch inklusive Tipps<br />

für den Unterrichtsablauf<br />

Download unter: http://www.germanwatch.org/rio/ab-gl.pdf<br />

Der steigende Meeresspiegel – und die Folgen für Küstenrä<strong>um</strong>e und Tiefländer: die<br />

Beispiele Bangladesch und die Niederlande<br />

Arbeitsblätter mit Fotos, Hintergrundinformationen, Statistiken von Germanwatch inklusive Tipps<br />

für den Unterrichtsablauf<br />

Download unter: http://www.germanwatch.org/rio/ab-ms.pdf<br />

Klima, was ist das?<br />

Unterrichtsmaterialien Klima für LehrerInnen der 2.-5. Schulstufe.<br />

Die Publikation mit Arbeitsblättern und Unterrichtsempfehlungen bietet einen Überblick über Klima,<br />

Energie, den ökologischen Fußabdruck, verantwortungsvollen Einkauf und Entsorgung und<br />

Biosiegel.<br />

Herausgeber:<br />

Klimabündnis Österreich<br />

Hütteldorfer Straße 63–65 / Top 9–10<br />

1150 Wien<br />

office@klimabuendnis.at<br />

www.klimabuendnis.at<br />

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88<br />

Unterrichtseinheiten zur Klimakatastrophe und z<strong>um</strong> Um<strong>welt</strong>schutz<br />

Diese Internetseite bietet zahlreiche Unterrichtsmaterialien für verschiedene Altersgruppen und<br />

Themen z<strong>um</strong> Thema Klimawandel. Angeboten werden Unterrichtsblätter, Lernstationen, Rollenspiele,<br />

Planspiele, Rallyes, etc.<br />

http://methodenpool.uni-koeln.de/<strong>um</strong><strong>welt</strong>/index.html<br />

Erneuerbare Energien – Arbeitsheft für Schüler der Sekundarstufe<br />

Die Materialien liefern Arbeitsblätter, intelligente Spiele und Aufgaben zu den Themen Erneuerbare<br />

Energietechniken, Klimagerechtigkeit, persönlicher Energieverbrauch, CO2 Bilanz, Plus-Energiehaus,<br />

etc.<br />

Herausgeber:<br />

Bundesministeri<strong>um</strong> für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)<br />

11005 Berlin<br />

Fax 01888 3052044<br />

E-Mail: bmu@broschuerenversand.de<br />

http://www.bmu.de<br />

Oktober 2008<br />

GEOlino extra Nr. 13 Das Wetter<br />

Informative GEOlino Ausgabe mit den Inhalten Wettervorhersagen, Stadtklima, Bauernweisheiten,<br />

Windkraft, dem Phänomen El Nino und dem Kartenspiel „Wo der Wind dreht“.<br />

GEOlino extra Nr. 21 Energie – Was die Welt in Schwung hält<br />

GEOlino Ausgabe mit Beiträgen zu Energiegewinnung durch erneuerbare Energien, Atomkraft,<br />

die Glühbirne, Energiegewinnung durch Abfall, <strong>um</strong><strong>welt</strong>freundlicher Transport, dem Spiel „Energie<br />

Memo“ als auch dem Quiz „Geiz ist gut“.<br />

5.1.2 Biodiversität<br />

Biologische Vielfalt – Materialien für Bildung und Information<br />

Die vorliegenden Bildungsmaterialien zur Biologischen Vielfalt <strong>um</strong>fassen insgesamt drei Unterrichtssets<br />

mit Arbeitsblättern für SchülerInnen, Handreichungen für Lehrkräfte und ergänzende<br />

Infoblätter. Anhand der Themen Bionik, Biosphärenreservate, Nationalparks und Globale Artenvielfalt<br />

sollen SchülerInnen Kompetenzen im Bereich Naturschutz entwickeln und Verständnis für<br />

die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung gewinnen.<br />

Herausgeber:<br />

Bundesministeri<strong>um</strong> für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)<br />

Referat Öffentlichkeitsarbeit<br />

11055 Berlin<br />

Fax 01888 3052044<br />

E-Mail: bmu@broschuerenversand.de


Link für weitere Bestellungen:<br />

http://www.bmu.de/bestellformular/content/4159.php#Natur<br />

BMU: Biologische Vielfalt (Sek I/II; Schülerarbeitsheft) – 3703<br />

Hinweis: Biologische Vielfalt (Sek I/II; Schülerarbeitsheft + Lehrerhandreichung) ist nur als Download<br />

verfügbar.<br />

Mai 2007<br />

Bedrohte Vielfalt – Biodiversität<br />

Wozu muss und wie kann Biologische Vielfalt erhalten werden? Diese inzwischen nicht nur<br />

naturwissenschaftlichen, sondern auch global-politischen Fragen befinden sich – stark <strong>um</strong>stritten<br />

– in einem Spannungsfeld zwischen Ökologie, Ökonomie, Gesellschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft.<br />

In diesem Zusammenhang definieren die Themenblätter (Abreißblock mit 31 Kopien) die Biologische<br />

Vielfalt. Neben individuellen Lösungsmöglichkeiten gegen das Artensterben steht die Untersuchung<br />

eines exemplarischen Konfliktfalls mit entsprechenden Perspektiven und Arg<strong>um</strong>enten beteiligter<br />

Akteure im Mittelpunkt.<br />

Herausgeber:<br />

Bundeszentrale für politische Bildung<br />

Adenauerallee 86<br />

53113 Bonn<br />

Link für weitere Bestellungen:<br />

http://www.bpb.de/publikationen/J6KJZB,0,0,Bedrohte_Vielfalt_ %96_Biodiversit %E4t.html<br />

oder http://www.bpb.de/themenblaetter<br />

Themenblätter im Unterricht (Nr.75): Bedrohte Vielfalt – Biodiversität (Bestelln<strong>um</strong>mer: 5968;<br />

Bereitstellungspauschale: 0,00€)<br />

Hinweis: Das Themenblatt ist auch als PDF-Version vorhanden.<br />

August 2008<br />

Entdeckt die Zukunft – UNESCO Biosphärenreservate in Deutschland<br />

Handreichung für Lehrkräfte<br />

Die Materialien mit Arbeitsblättern und Unterrichtsverlaufsvorschlägen geben einen praktischen<br />

Einblick in die Themen Schutzgebiete in Deutschland, Nachhaltigkeit, Abfallentsorgung, Stromsparen,<br />

Naturschutz, nachhaltiger Kons<strong>um</strong> für SchülerInnen der Sek I (8.-10. Jahrgang). Die<br />

Materialien wurden gemeinsam von der deutschen UNESCO-Kommission, dem Bundesamt für<br />

Naturschutz und EUROPARC Deutschland erstellt. Der Zeitbild-Verlag gab die Unterlage an 11 000<br />

Schulen weiter.<br />

Das Material kann kostenlos beim Zeitbild-Verlag unter bestellung@zeitbild.de bestellt werden oder<br />

auf den Internetseiten des Bundesministeri<strong>um</strong>s für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit bezogen<br />

werden. Download unter: http://www.bmu.de/publikationen/bildungsservice/bildungsmaterialien/sekundarstufe/doc/39838.php<br />

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90<br />

Home<br />

Dok<strong>um</strong>entarfilm des französischen Fotografen und Um<strong>welt</strong>schützers Yann Arthus-Bertrand (2009)<br />

Der/Die ZuschauerIn soll bewusster mit den endlichen Ressourcen <strong>um</strong>gehen lernen, und seine Heimat<br />

Erde als Lebensra<strong>um</strong> für sich selbst und seine Kinder und Kindeskinder erhalten. Um möglichst<br />

viele Menschen mit Ihrer Botschaft zu erreichen, zeigen die Macher des Films ihr Werk nicht<br />

nur in den Kinos der Welt. Auch im Internet kann und sollte ihn sich jeder einmal ansehen.<br />

Der Film ist im Internet unter: http://www.youtube.com/watch?v=IbDmOt-vIL8 zu sehen.<br />

Hierfür kann der VCL-Mediaplayer kostenlos unter: http://www.chip.de/downloads/VLC-mediaplayer_13005928.html<br />

heruntergeladen werden.<br />

5.1.3 Kulturelle Vielfalt<br />

So leben Sie<br />

Dies sind Fotoporträts von Familien aus 16 Ländern und stellt ein Erkundungsprojekt rund <strong>um</strong> die<br />

Welt dar. Die Materialien können in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit genutzt werden <strong>um</strong><br />

SchülerInnen, Jugendliche und Erwachsene auf menschliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede<br />

aufmerksam zu machen.<br />

Herausgeber:<br />

Arbeitsgemeinschaft Swissaid, Fastenopfer, rot für alle, Helvetas, Caritas<br />

Verlag an der Ruhr, Mühlheim 2001<br />

ISBN-10: 3860726692<br />

So lebt der Mensch – Familien in aller Welt zeigen, was sie haben<br />

16 renommierte FotografInnen porträtieren das Leben typischer Familien in 30 Ländern der Erde.<br />

Die Fotos zeigen einen ungewöhnlich intimen Eindruck und eine globale Inventur von Haben und<br />

Nichthaben, von den Lebensläufen, von den Wünschen, Hoffnungen und Trä<strong>um</strong>en jener Menschen,<br />

die unsere Nachbarn auf dem Planeten Erde sind.<br />

Autor: Menzel Peter<br />

Gruner und Jahr Verlag, Geo-Buch, 5. Aufl., Hamburg 2001<br />

ISBN-10: 3570190633


So essen sie!<br />

Die aktuelle Klima-Diskussion macht deutlich: Der gedankenlose Kons<strong>um</strong> der Industrieländer<br />

bedroht unsere Lebensgrundlagen. Auch unser Umgang mit Nahrungsmitteln hat weitreichende<br />

ökologische und wirtschaftliche Folgen: Lebensmittelkilometer belasten die Um<strong>welt</strong>, Cash Crops<br />

fördern den Hunger in den Entwicklungsländern. Die 16 DIN-A-3-Fotos zeigen Familien aus verschiedenen<br />

Teilen der Welt inmitten all der Lebensmittel, die sie in einer Woche verbrauchen – Bilder<br />

des Mangels und des Überflusses, die durch Hintergrundinformationen ergänzt werden. Auf<br />

den Fotos werden v.a. Kulturunterschiede sichtbar, die dazu anregen, Fragen zu stellen, z. B. z<strong>um</strong><br />

<strong>welt</strong>weiten Handel oder zu den Ursachen von Hunger.<br />

Herausgeber:<br />

Bildungsstelle von Alliance Sud<br />

Monbijoustrasse 31<br />

Postfach 6735<br />

CH-3001 Bern<br />

Tel. +41 31 390 93 30<br />

Fax +41 31 390 93 31<br />

mail@alliancesud.ch<br />

ISBN 978-3-9523303-0-2. Der Titel ist auch in französischer („A table“) und italienischer<br />

(„Dimmi come mangi“) Sprache erhältlich.<br />

Eine Welt der Vielfalt<br />

Selbstreflexion und Perspektivenwechsel als Methoden der interkulturellen Erziehung stehen im<br />

Mittelpunkt des Trainingsprogramms „Eine Welt der Vielfalt“. Es richtet sich an LehrerInnen der<br />

Sekundarstufen I und II und behandelt in zahlreichen Lektionen Themen wie das Kennenlernen<br />

von Kultureller Vielfalt, das Erkennen der Auswirkungen von Vorurteilen und Diskriminierungen<br />

und Anleitungen z<strong>um</strong> Entwerfen von Strategien zu ihrer Vermeidung.<br />

Von der New Yorker Anti-Defamation League / A WORLD OF DIFFERENCE®-Institute entwickelt,<br />

wird „Eine Welt der Vielfalt“ in den USA seit vielen Jahren mit großem Erfolg in Schulen, Universitäten,<br />

Behörden und Unternehmen eingesetzt. Nun liegt das Programm auch als Adaption für den<br />

Unterricht in deutschen Schulen vor.<br />

Herausgeber:<br />

Bertelsmann Stiftung, Forschungsgruppe Jugend und Europa<br />

Bertelsmann Stiftung<br />

Carl-Bertelsmann-Str. 256<br />

33311 Gütersloh<br />

Deutschland<br />

Tel.: +49(5241)81-0<br />

ISBN 3-89204-832-0, ISBN-13: 978-3-89204-832-9<br />

http://nibis.ni.schule.de/nibis.phtml?menid=554<br />

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92<br />

WeltFrühstück – So frühstückt die Welt!<br />

Ernährung und Kultur<br />

Die Aktion WeltFrühstück ist eine Aktion der Welthungerhilfe, die Ernährung und Kultur in sich<br />

vereinigt. Die Aktion wurde speziell für Schulen und andere Bildungseinrichtungen entwickelt.<br />

Überall auf der Welt gilt: Mit hungrigem Magen kann man nicht lernen!<br />

Ein gesundes Frühstück ist Voraussetzung für erfolgreiches Leben und Lernen. Gemeinschaftliches<br />

Frühstück fördert zwischenmenschliche Beziehungen in verschiedenen Kulturen. Beim Blick über<br />

den Tellerrand erfahren wir, wie Menschen <strong>welt</strong>weit frühstücken, was sie frühstücken und wer das<br />

Frühstück zubereitet.<br />

Ein WeltFrühstück zu veranstalten – das eignet sich sowohl für den fächerübergreifenden Unterricht<br />

wie für Projektwochen. Schüler erforschen das eigene Ernährungsverhalten, probieren Rezepte<br />

aus, spielen Theater, machen Musik, malen Kulissen und vieles mehr. Bei einem gemeinsamen<br />

Abschlussfest können die Ergebnisse präsentiert werden.<br />

Das Schulprojekt WeltFrühstück wurde 2006 von der Deutschen UNESCO Kommission im<br />

Rahmen der Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ als ein beispielhaftes Projekt z<strong>um</strong><br />

nachhaltigen Lernen ausgezeichnet. Material, Rezepte, Referenten-Kontakte erhalten Sie bei:<br />

Deutsche Welthungerhilfe<br />

Friedrich Ebert-Str. 1<br />

53173 Bonn<br />

Tel. 0228-22 88-127 oder -134<br />

E-Mail: info@<strong>welt</strong>hungerhilfe.de<br />

http://www.<strong>welt</strong>hungerhilfe.de/<strong>welt</strong>fruehstueck.html


5.2 Weiterführende Links<br />

Klimaänderung – Wichtige Erkenntnisse aus dem 4. Sachstandsbericht des<br />

Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen der Vereinten Nationen<br />

(IPCC)<br />

Die Broschüre liefert <strong>um</strong>fassende Informationen zu den anthropogen verursachten Klimaänderungen,<br />

seine Ursachen, historische Klimaänderungen, Projektionen und Auswirkungen der Klimaänderung<br />

auf verschiedene Sektoren und Regionen. Ebenfalls aufgeführt werden Maßnahmen zur<br />

Minderung der Klimaänderungen.<br />

Herausgeber:<br />

Um<strong>welt</strong>bundesamt<br />

Fachgebiet I 2.1 „Klimaschutz“<br />

Postfach 14 06<br />

06813 Dessau-Roßlau<br />

Telefax: (0340) 21 03 22 85<br />

E-Mail: info@<strong>um</strong><strong>welt</strong>bundesamt.de<br />

Internet: www.<strong>um</strong><strong>welt</strong>bundesamt.de<br />

Autorin: Claudia Mäder<br />

Download unter: http://www.uba.de/uba-info-medien/mysql_medien.php?anfrage=Kenn<strong>um</strong>mer<br />

&Suchwort=3840<br />

Global warming: Early warning signs<br />

Karten und Fotos zu Auswirkungen der drohenden Klimaveränderungen auf Regionen und Kontinente.<br />

http://www.climatehotmap.org/index.html<br />

Globaler Klimawandel: Ursachen, Folgen, Handlungsmöglichkeiten<br />

Die Publikation gibt einen intensiven Einblick in den Treibhauseffekt, seine Ursachen, Szenarien<br />

und Auswirkungen des Klimawandels, internationale Abkommen und Klimapolitik.<br />

Germanwatch<br />

Büro Bonn<br />

Dr. Werner-Schuster-Haus<br />

Kaiserstraße 201<br />

D-53113 Bonn<br />

Tel.: +49 (0) 228 – 60492 – 0<br />

E-Mail: info@germanwatch.org<br />

2. überarbeitete Auflage, Februar 2008<br />

AutorInnen 2. Auflage: Rixa Schwarz, Sven Harmeling, Gerold Kier, Christoph Bals<br />

ISBN 978-3-939846-17-8<br />

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94<br />

Das Recht indigener Völker auf ihr kulturelles Erbe – Biologische Vielfalt,<br />

traditionelles Wissen und das Konzept des geistigen Eigent<strong>um</strong>s<br />

Die Broschüre informiert über traditionelles Wissen, Patentrechte, Biologische Vielfalt und entsprechende<br />

Abkommen. Die Perspektive der direkt betroffenen indigenen Völker wird dargestellt und<br />

verschafft somit einen intensiven Einblick in die Thematik und Herausforderungen.<br />

Herausgeber:<br />

For<strong>um</strong> Um<strong>welt</strong> & Entwicklung<br />

Am Michaelshof 8–10<br />

53177 Bonn<br />

Telefon: +49-(0)228-35 97 04<br />

Fax: +49-(0)228-92399356<br />

E-Mail: info@for<strong>um</strong>ue.de<br />

Internet: www.for<strong>um</strong>ue.de<br />

Autorin: Victoria Tauli-Corpuz<br />

Download unter: http://www.for<strong>um</strong>-ue.de/fileadmin/userupload/publikationen/aghan_2004_<br />

rechtindigenervoelker.pdf<br />

Shampoo auf Bä<strong>um</strong>en – Über Biologische Vielfalt und globale Gerechtigkeit<br />

Die Broschüre thematisiert Biopiraterie, deren Ursachen und Auswirkungen. Zentrale Fragen sind,<br />

ob es gerecht ist, dass Unternehmen das Wissen und die Erfahrungen indigener Völker ohne deren<br />

Einverständnis nutzen und sie an den Gewinnen nicht beteiligen. Weiterhin informiert die Broschüre<br />

darüber, wie das gültige Patentrecht die Ausbeutung indigener Völker unterstützt und welche<br />

politischen Entscheidungen sie stoppen können. Auch indigenes Wissen und Kons<strong>um</strong>verhalten<br />

werden thematisiert.<br />

Unter anderem geht es <strong>um</strong> die Hoodia Pflanze, welche von den San im südlichen Afrika als Hunger<br />

stillendes Naturprodukt in Zeiten von Lebensmittelknappheit genutzt wird, nun aber kommerzialisiert<br />

und auf den internationalen Markt gebracht wurde.<br />

Herausgeber:<br />

Evangelischer Entwicklungsdienst e.V. (EED)<br />

Ulrich-von-Hassell-Str. 76<br />

53123 Bonn<br />

www.eed.de<br />

Download unter: http://www.eed.de/de/de.eed.pub/mediathek/de.pub.de.272/index.html


Biopiraten in der Kalahari? – Wie indigene Völker <strong>um</strong> ihre Rechte kämpfen – die<br />

Erfahrung der San im südlichen Afrika<br />

Die San im südlichen Afrika nutzen die Hoodia Pflanze seit Jahrhunderten. Bei der Jagd und in<br />

Zeiten der Not unterdrückt sie den Hunger. Die Appetit zügelnde Wirkung nutzt die Industrie im<br />

großen Maßstab.<br />

Herausgeber:<br />

Evangelischer Entwicklungsdienst e.V. (EED)<br />

Ulrich-von-Hassell-Straße 76, 53123 Bonn<br />

Telefon (02 28) 81 01- 0, Fax (02 28) 81 01-160<br />

eed@eed.de, www.eed.de<br />

Working Group of Indigenous Minorities in Southern Africa (WIMSA)<br />

H 8 Bach Street Windhoek West<br />

P.O. Box 80733, Windhoek,<br />

Republic of Namibia<br />

Tel.: (+264) (+61) 244 909<br />

wimsareg@iafrica.com.na, www.wimsareg.org<br />

Autor: Uwe Hoering<br />

November 2004<br />

Download unter: http://www.eed.de/de/de.eed.pub/mediathek/de.pub.de.51/index.html<br />

Modellregion von Weltrang – UNESCO Biosphärenreservate – Nationale<br />

Naturlandschaften<br />

Die Broschüre bietet einen Überblick über das UNESCO Programm „Mensch und Biosphäre“,<br />

Strukturen und Funktionen von Biosphärenreservaten und deutsche Biosphärenreservate.<br />

Herausgeber:<br />

EUROPARC Deutschland e.V.<br />

Friedrichstr. 60<br />

10117 Berlin<br />

Tel: 030-2887882-0<br />

www.europarc-deutschland.de oder www.nationale-naturlandschaften.de<br />

Kooperation Dritte Welt Archive (Archiv 3 )<br />

Die bundesdeutsche Solidaritäts- und Dritte Welt Bewegung hat durch ihre lange und wechselvolle<br />

Geschichte und den verschiedenen Versuchen, ihre Themen und Aktionen zu dok<strong>um</strong>entieren im<br />

Herbst 1998 den Archiv-Verbund, bestehend aus elf Archiven, ins Leben gerufen. Unter www.archiv3.org<br />

finden Sie tausende von Materialien (Bücher, Broschüren, Zeitschriften, DVDs, Lernkisten,<br />

u.a.) für die solidaritätsbezogene und entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit.<br />

www.archiv3.org<br />

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96<br />

Onlinekataloge Bildung trifft Entwicklung – Regionale Bildungsstellen<br />

Im August 2009 wurde die Mediothek in der Regionalen Bildungsstelle Mitteldeutschland eröffnet.<br />

Mit 1100 Medien weist sie einen <strong>um</strong>fangreichen Bestand an Büchern, Broschüren, Zeitschriften,<br />

DVDs, Lernkisten und Ausstellungen zu entwicklungspolitischen Themen auf. Ehemalige EntwicklungshelferInnen<br />

haben Lernkisten zu den Themen Brasilien, Regenwald, Frieden und Konflikte,<br />

Zentralasien sowie Wasser entwickelt. Diese stehen auch Interessierten zur Ausleihe zur Verfügung<br />

und ermöglichen die eigenständige Durchführung von Veranstaltungen.<br />

Recherche im Web-Opac unter http://medien.ewnt.de<br />

Auch das entwicklungspolitische Informationszentr<strong>um</strong> EPIZ Reutlingen bietet einen online-Katalog<br />

und eine Bibliothek an, über die entwicklungspolitische Bildungsmaterialien bestellt werden<br />

können.<br />

Tel: 07121-491060<br />

Fax: 07121-491102<br />

E-Mail: info@epiz.de<br />

http://wwwopac.rz-as.de/epiz/index.asp?DB=epiz<br />

Use it or lose it – Jagdtourismus und Wildtierzucht für Naturschutz und<br />

Entwicklung. Anregungen aus Benin<br />

Die GTZ-Broschüre enthält Materialien aus der Entwicklungszusammenarbeit als Beitrag zur UN<br />

Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Materialien enthalten eine DVD z<strong>um</strong> Thema<br />

Jagdtourismus und Trophäenjagd in Benin. Thematisiert werden: Schutzgebietsmanagement, die<br />

Jagd in Deutschland und Benin als auch die Einbindung der Bevölkerung. Weiterhin enthält die<br />

Broschüre einen filmischen Beitrag zu Grasnagern, einem domestizierten Nagetier, welches in Benin<br />

als Fleischlieferant gehalten wird. Regionalinformationen z<strong>um</strong> Biosphärenreservat Pendjari<br />

und Benin werden weiterhin geboten.<br />

Herausgeber:<br />

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH<br />

Postfach 5180<br />

65726 Eschborn<br />

Tel: 06196-79-0<br />

Ansprechpartner: Rolf Mack<br />

http://www.giz.de/


5.3 Literaturverzeichnis für den Begleitkoffer der<br />

SchatzKiste_ Ju/‘Hoansi aus Namibia<br />

Bücher<br />

Marjorie Shostak (1982): Nisa erzählt – Das Leben einer Nomadenfrau in Afrika, Rowohlt Taschenbuch<br />

Verlag GmbH, S. 77–84.<br />

Georg Kenntner / Walter A. Kremnitz (1992): Kalahari – Expedition zu den letzten Buschleuten im<br />

südl. Afrika, Ambro Lacus Verlag.<br />

Arno Leffers (2003): Gemsbok Bean und Kalahari truffle, Gamsberg Macmillan Verlag.<br />

Spiele<br />

Dr. Gerhard Petschel-Held / Dr. Klaus Eisenack (2004): Keep Cool – setzen Sie das Klima aufs Spiel,<br />

Potsdam-Institut für Klimaforschung.<br />

DVDs<br />

Peter Klein (2010): Die Begegnungen – <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> an der Georg Christoph Lichtenberg Gesamtschule<br />

Göttingen, Kleinkunstdiele Bücken.<br />

Kai Pulfer: The Big Picture – Inspirationen und Lösungen zu Klima, Energie und Ressourcen, Filme<br />

für die Erde / Schweiz.<br />

Rehad Desai (2006): Das Geheimnis der Buschleute, EZEF – Evangelisches Zentr<strong>um</strong> für entwicklungsbezogenen<br />

Filmarbeit.<br />

Craig Foster / Damon Foster (2000): The Greate Dance – A Hunter´s story, Südafrika / Deutschland.<br />

Broschüren<br />

MERIAN (1997): Namibia.<br />

Arbeitshefte<br />

Uwe Hoering (2004): Biopiraten in der Kalahari? Wie indigene Völker <strong>um</strong> ihre Rechte kämpfen –<br />

die Erfahrungen der San im südlichen Afrika, eed und wimsa.<br />

Peter Wiedemann / Sabine Preußer/Ulrich Böhme (2010): Um<strong>welt</strong> und Gesundheit (Sek I/II, Schülerarbeitsheft),<br />

BMU.<br />

Peter Wiedemann / Sabine Preußer/Annette Jensen (2008): Erneuerbare Energien (Sek I/II, Schülerarbeitsheft),<br />

BMU.<br />

Peter Wiedemann / Sabine Preußer (2009): Wasser im 21. Jahrhundert (Sek I/II, Schülerarbeitsheft),<br />

BMU.<br />

97


98<br />

Peter Wiedemann / Sabine Preußer (2008): Biologische Vielfalt (Sek I/II, Schülerarbeitsheft), BMU.<br />

Peter Wiedemann / Sabine Preußer / Annette Jensen (2008): Erneuerbare Energien (Sek I/II, Schülerarbeitsheft<br />

und Lehrerhandreichung), BMU.<br />

Peter Wiedemann / Sabine Preußer (2008): Klimaschutz und Klimapolitik (Sek I/II, Schülerarbeitsheft<br />

und Lehrerhandreichung), BMU.<br />

Claudia Mäderl (2009): Klimaänderung – wichtige Erkenntnisse aus dem 4. Sachstandbericht des<br />

Zwischenstaatlichen Ausschuß für Klimaänderung der Vereinten Nationen (IPCC), Um<strong>welt</strong>bundesamt.<br />

Bert Beyers / Barbara Kus / Dr. Thora Amend / Andrea Fleischhauer (2010): Großer Fuß auf kleiner<br />

Erde, GTZ.<br />

Stefanie Eißing / Thora Amend (2007): Entwicklung braucht Vielfalt, GTZ.<br />

Andrea Fleischhauer / Judith Jabs / Barbara Kus (2009): Natur und Mensch im Klimawandel, GTZ.<br />

Andrea Fleischhauer / Dr. Thora Amend / Stefanie Eißing (2008): Zwischen Kochherden und Waldgeistern,<br />

GTZ .<br />

Jörn Breiholz / Tanja Plötz (2007): Von Berggöttern und wildem Reis, GTZ.<br />

Michael Frein / Erika Märke / Angela Krug (2002): Früchte der Vielfalt, eed.<br />

Rudolf Buntzel / Andrea Burkhardt / Michael Frein / Katja Geißler / Jürgen Reichel / Wolfgang<br />

Schonecke (2008): … die Erde ist voll Deiner Güter, eed.<br />

Michael Frein (2008): Shampoo auf Bä<strong>um</strong>en, eed.<br />

Informationen und Ausleihe von Begleitkoffer und SchatzKiste über: Gabriele Janecki (<strong>VNB</strong>),<br />

janecki@vnb.de


Allgemeine Projektinformationen<br />

Das Projekt <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> wird durchgeführt von der Arbeitsstelle Weltbilder e.V. aus Münster, von Bildung<br />

trifft Entwicklung – Regionale Bildungsstelle Nord aus Göttingen und vom Verein Niedersächsischer<br />

Bildungsinitiativen, <strong>VNB</strong> e.V. aus Hannover.<br />

Um das Projekt in all seinen Facetten <strong>um</strong>setzen zu können, arbeiten wir mit verschiedenen nationalen<br />

und internationalen PartnerInnen zusammen. In Deutschland sind dies u.a. das Jugend<strong>um</strong><strong>welt</strong>netzwerk<br />

JANUN aus Hannover, die Wildnisschule Wildniswissen aus Hannover, der BasisGesundheitsDienst<br />

aus Münster und viele andere. Außerdem sind mehrere Schulen an unserem Projekt<br />

beteiligt, wobei vier Kernschulen den Schwerpunkt bilden: die Integrierte Gesamtschule (IGS) List<br />

aus Hannover, die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule aus Göttingen, die Marienschule<br />

aus Münster und das Kardinal-von-Galen-Gymnasi<strong>um</strong> aus Münster. Diese Schulen arbeiten jeweils<br />

eng mit VertreterInnen unserer internationalen Partnerorganisationen zusammen: Im ersten Projektjahr<br />

2009 hat die IGS List mit dem ob-ugrischen Institut und VertreterInnen der Chanty und<br />

Mansi aus Sibirien gearbeitet. In 2010 hat die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule mit der<br />

Living Culture Foundation und VertreterInnen der Ju/‘Hoansi aus Namibia zusammengearbeitet.<br />

Die Marienschule aus Münster und das Kardinal-von-Galen-Gymnasi<strong>um</strong> aus Münster werden ähnliches<br />

in 2011 mit dem Bist<strong>um</strong> Jabalpur und den Adivasi aus Indien tun. Mit der Evangelischen<br />

Schule Berlin Zentr<strong>um</strong> verbindet uns im Projekt eine besondere Arbeitsbeziehung, die sich auf die<br />

Vermittlungsformen konzentriert.<br />

Nur das Zusammenspiel des Wissens, der Kenntnisse und der Erfahrungen aller lässt das Projekt<br />

erfolgreich werden.<br />

Nicht zuletzt bedarf so ein groß angelegtes Projekt der finanziellen Unterstützung. Auch diese ist<br />

vielfältig. Die Handbücher – so auch das hier vorliegende, die SchatzKisten, eine ZeitZeugenAusstellung,<br />

alle Workshops und Internationalen Begegnungen werden von der Deutschen Bundesstiftung<br />

Um<strong>welt</strong>, der Niedersächsischen Bingostiftung für Um<strong>welt</strong> und Entwicklung, Bingo – Die Um<strong>welt</strong>lotterie,<br />

dem Evangelischen Entwicklungsdienst und dem Katholischen Fonds gefördert.<br />

Ein begleitendes Buchprojekt im Rahmen von <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> wird gefördert durch das Bundesministeri<strong>um</strong><br />

für Um<strong>welt</strong>, Naturschutz und Reaktorsicherheit und das Um<strong>welt</strong>bundesamt.<br />

<strong>um</strong>.<strong>welt</strong> ist ausgezeichnet als offizielles Projekt der UN-Dekade „Bildung für Nachhaltige Entwicklung<br />

2005–2014“.<br />

Wir möchten uns an dieser Stelle für die Zusammenarbeit mit dem Fachbeirat, allen am Projekt<br />

Beteiligten herzlich bedanken und freuen uns auf ein vielfältiges Miteinander. Ein besonderer Dank<br />

gilt in 2010 unseren Gästen aus Namibia: !Gao Naici, Kha<strong>um</strong> //oce, Lucia Tcuisa sowie Werner Pfeifer<br />

von der Living Culture Foundation. Das zweite Projektjahr von <strong>um</strong>.<strong>welt</strong> wäre ohne das Engagement<br />

von vielen Beteiligten der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule, insbesondere von Birgit<br />

Wurtinger, dem Schulleiter Wolfgang Vogelsaenger und den SchülerInnen der 9. Jahrgangsstufe<br />

nicht so erfolgreich verlaufen.<br />

99


100<br />

Projektleitung<br />

Arbeitsstelle Weltbilder e.V., Münster<br />

Die Arbeitsstelle Weltbilder wurde 1988 mit dem Ziel gegründet, zur Verbreitung der entwicklungspolitischen<br />

Bildungsarbeit und z<strong>um</strong> Zusammenhang von Um<strong>welt</strong> und Entwicklung neue Methoden<br />

und innovative Vermittlungsformen zu entwickeln.<br />

Als Fachstelle für Interkulturelle Pädagogik und Globales Lernen ist die Arbeitsstelle Weltbilder<br />

für kreativ-systematische Entwicklung von innovativen Projekten, deren zuverlässige und zielgruppengerechte<br />

Durchführung sowie hochwertige Dok<strong>um</strong>entation bekannt. Aktiv in Schulen, außerschulischer<br />

Jugend- und Erwachsenenbildung, in nationalen und internationalen Projekten ist die<br />

fundierte Arbeit der Arbeitsstelle Weltbilder landes- und bundesweit anerkannt. Dies ist neben<br />

zahlreichen Buchveröffentlichungen auch in offiziellen Anerkennungen und Auszeichnungen dok<strong>um</strong>entiert.<br />

Weitere Informationen unter: www.arbeitsstelle-<strong>welt</strong>bilder.de<br />

verantwortlich: Elisabeth Marie Mars, mars@arbeitstelle-<strong>welt</strong>bilder.de<br />

Bildung trifft Entwicklung – Regionale Bildungsstelle Nord, im Institut für<br />

angewandte Kulturforschung e.V. (IFAK), Göttingen<br />

Die Regionale Bildungsstelle Nord arbeitet im Rahmen des Aktionsprogramms 2015 der Bundesregierung<br />

zur Armutsbekämpfung, den Millenni<strong>um</strong>s Entwicklungszielen (MDG) und der Paris Erklärung.<br />

Ziel ist hierbei Erfahrungen und Einsichten aus der Entwicklungszusammenarbeit für Menschen<br />

in Deutschland nutzbar zu machen.<br />

Der Schwerpunkt der Regionalen Bildungsstelle Nord ist die Vermittlung von Fachkräften aus der<br />

Entwicklungszusammenarbeit, die anschaulich und authentisch in Ihren Bildungsveranstaltungen<br />

die Nord-Süd-Beziehungen sowie die gerechte Gestaltung von Globalisierung thematisieren. Sie<br />

vermitteln, was dies mit unserer Lebens<strong>welt</strong> in Deutschland zu tun hat und welche Handlungsoptionen<br />

jeder Einzelne hat.<br />

Darüber hinaus kooperiert die Regionale Bildungsstelle Nord mit einer Vielzahl von Einrichtungen<br />

der entwicklungspolitischen Bildung und der Um<strong>welt</strong>bildung und beteiligt sich an der UN-Dekade<br />

„Bildung für nachhaltige Entwicklung“.<br />

Weitere Informationen unter: www.ifak-goettingen.de/bte<br />

verantwortlich: Markus Hirschmann, Markus.Hirschmann@bildung-trifft-entwicklung.de


<strong>VNB</strong>, Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V., Hannover<br />

Als Landeseinrichtung der Erwachsenenbildung in Niedersachsen ist der <strong>VNB</strong> ein zertifizierter Bildungs-<br />

und Projektträger mit breitem Portfolio und ein professioneller Dienstleister für Nichtregierungsorganisationen<br />

(NRO), ehrenamtliche Initiativen und Vereine. Professionelle und zeitgemäße<br />

Weiterbildung <strong>um</strong>fasst weit mehr als reine Wissensvermittlung. Ebenso wichtig ist uns, individuelles<br />

und gesellschaftliches Engagement zu fördern. Die Teilnehmenden sollen konkrete Handlungsmöglichkeiten<br />

und politische Teilhabe erleben. Dieses Bildungsverständnis prägt die Arbeit des<br />

<strong>VNB</strong>.<br />

Inhaltliche Schwerpunkte sind persönliche und berufsbezogene Qualifizierung, geschlechterbezogene<br />

Bildung, internationale/globale und interkultureller Bildungsarbeit, Um<strong>welt</strong>bildung und<br />

nachhaltiger Entwicklung, Gewaltprävention und Antirassismusarbeit, Eltern- und Gesundheitsbildung,<br />

Förderung bürgerschaftlichen Engagements, Abbau von Diskriminierung und sozialer Benachteiligung.<br />

Weitere Informationen unter: www.vnb.de<br />

verantwortlich: Gabriele Janecki, janecki@vnb.de<br />

Der <strong>VNB</strong> berät zu Fördermöglichkeiten von Projekten, mehr Informationen:<br />

www.mehrmoeglichmachen.de.<br />

101


102<br />

Impress<strong>um</strong><br />

Projektträger: <strong>VNB</strong>, Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e. V.<br />

Warmbüchenstraße 17<br />

30159 Hannover<br />

Fon: +49 511 307660<br />

Fax: +49 511 3076633<br />

Email: info@vnb.de<br />

Internet: www.vnb.de<br />

Inhaltlich verantwortlich gemäß §6 MDStV: Gabriele Janecki<br />

E-Mail: janecki@vnb.de<br />

Herausgabe und Leitung: Elisabeth Marie Mars, Gabriele Janecki, Markus Hirschmann<br />

AutorInnen: Alison Roberts-Zschocke, Elisabeth Marie Mars, Gabriele Janecki, Kathrin Vollmer,<br />

Marie Sibold, Marietta Sander, Markus Hirschmann, Melanie Heisterberg, Sarah Kinnert.<br />

Redaktion: Kathrin Vollmer und Melanie Heisterberg<br />

2011 Münster / Hannover / Göttingen<br />

Gestaltung: Büro Bert Odenthal, www.bert-odenthal.de<br />

Technische Umsetzung / Druck: sehnsucht design / Münster<br />

© Fotonachweise: Alison Roberts-Zschocke, Heike Seypt, Klaus Ackermann,<br />

Markus Hirschmann, Sarah Kinnert, Susanne Pauli, Werner Pfeifer<br />

gedruckt auf EnviroTop aus 100 % Altpapier, CO2-neutral


<strong>um</strong>.<strong>welt</strong>

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