Handbuch um.welt - VNB
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Buschmannland genannt. Ironischerweise hatte die Gründung der Homelands einen schweren Verlust<br />
an traditionellen n!oresi der Ju/‘Hoansi zur Folge. 40.000 km² mussten die Ju/‘Hoansi den<br />
Herero und Kavango abtreten und ein weiteres Stück Land wurde dem Kaud<strong>um</strong> (!Aodom) Wildtier<br />
Reservat zugeteilt. Für die Menschen in der Nyae Nyae Region bedeutete das einen Verlust von 90 %<br />
ihrer traditionellen n!oresi und ein Verlust aller dauerhaften Wasserlöcher – bis auf ein Einziges. 45<br />
Zwischen Vieh haltenden Nachbarn und dem Wildtier-Reservat eingesperrt zu sein, hat die traditionelle<br />
Lebensweise weiter zerstört und führte zu einer Abwärtsspirale in den kulturellen Verfall. Die<br />
wachsende Abhängigkeit von Menschen mit Geld führte dazu, dass das System der Gegenseitigkeit<br />
weiter verfiel. Dies verwandelte die zuvor egalitäre Gesellschaft in eine hierarchische Gesellschaft.<br />
Eine weitere Verschlechterung ergab sich aus der Tatsache, dass das Buschmannland 1977 unter<br />
Naturschutz gestellt wurde. Dies bedeutete, dass die Ju/‘Hoansi bestimmte Tiere wie z. B. Giraffen<br />
und Pferde-Antilopen nicht mehr jagen durften. Auch wurde ihnen jetzt die Jagd zu Pferd mit<br />
Speeren untersagt. Diese Naturschutz-Bestimmungen hatten zur Folge, dass die Subsistenz-Jagd<br />
der Ju/‘Hoansi innerhalb zweier Jahrzehnte vollständig z<strong>um</strong> Erliegen kam und auch die Jagdtechniken<br />
völlig in Vergessenheit gerieten. Gegen Ende der 70er Jahre lebten ka<strong>um</strong> noch Ju/‘Hoansi auf<br />
ihren n!oresi. 46 Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Politik einen negativen Effekt auf<br />
das traditionelle Selbstbild der Männer als Jäger hatte. Dass sie ihre traditionelle Rolle als Jäger<br />
nicht mehr wahrnehmen konnten, wurde aller Wahrscheinlichkeit nach als Ernüchterung und großer<br />
Verlust empfunden.<br />
Eine weitere Maßnahme der südafrikanischen Kolonialverwaltung, die letztendlich die völlige Zerstörung<br />
der Ju/‘Hoansi Kultur bewirkte, war, dass junge San-Männer in die Südafrikanische Armee<br />
(South Africa Defence Force: SADF) eingezogen und im Kampf gegen die SWAPO (South West African<br />
People’s Organisation) eingesetzt wurden. Im Vergleich zu den Khoe und Vaskale San wurden<br />
die Ju/‘Hoansi erst relativ spät in diesen Krieg hineingezogen. Zunächst bediente sich das Militär<br />
vor allem ihrer guten Kenntnisse im Gelände und setze sie als Fährtenleser entlang der Grenze zu<br />
Botswana ein. Aber 1978 gründete die SADF das 203, das Buschmann-Bataillon, mit Ts<strong>um</strong>kwe als<br />
Hauptquartier. Bereits 1985 waren etwa 150 (etwa 40 % der männlichen Bevölkerung des Buschmannlandes)<br />
mit Geldprämien in die Armee gelockt worden. 47<br />
Den Sold, den sie bekamen und die Abhängigkeit von den Essenszuschlägen und anderen Sach- und<br />
Dienstleistungen der SADF garantierte, dass die Männer und ihre Angehörigen sesshaft blieben,<br />
was sie weiter von ihren vor-kolonialen Lebensweisen entfremdete. 48 Ein Aspekt, der nähere Betrachtung<br />
verdient, ist, wie die Tätigkeit der Männer in der SADF den Status der Frauen in der<br />
Ju/‘Hoansi Gemeinschaft radikal veränderte. Die Tatsache, dass auch Frauen n!oresi erben konn-<br />
45 Bisele, Megan (1990): Shaken Roots: The Bushmen of Namibia. Marshalltown, South Africa: EDA Publications, S. 1.<br />
46 Ritchie, Claire (1986): From Foragers to Farmers: The Ju/wasi of Nyae Nyae Thirty Years On. In: M. Biesele / R. Gordon /<br />
R. Lee (Hrsg.): The Past and Future of !Kung Ethnography: Critical Reflections and Symbolic Perspectives Essays in Honour<br />
of Lorna Marshall. (Quellen zur Khoisan Forschung 4). Hamburg: Helmut Buske Verlag, S. 313.<br />
47 Lee, Richard (1985): Foragers and the State: Government Policies Toward the San in Namibia and Botswana. In: C. Schrire /<br />
R. Gordon (Hrsg.): The Future of Former Foragers in Australia and Southern Africa. Cambridge, MA: Cultural Survival,<br />
S. 39.<br />
48 Hitchcock, Robert (1996): Kalahari Communities: Bushmen and the Politics of the Environment in Southern Africa.<br />
International Work Group for Indigenous Affairs Doc<strong>um</strong>ent no. 79. Copenhagen, IWIGA, S. 51.